Die Teilnehmer_innen dieser quantitativen Onlineumfrage unter 1203 TN aus dem Bereich der Fach- und Funktionspflege empfinden ein persönliches Nettoeinkommen von 3200 €/Monat als ausreichend und gerecht für ihre Tätigkeit auf deutschen Intensiv- und Intermediate-Care-Stationen. Die Leiharbeiter_innen in dieser Umfrage gaben dabei an, dass ein persönliches Nettoeinkommen von 3200 €/Monat ausreichend wäre, um von der Leiharbeit zurück in eine Festanstellung zu wechseln, sofern entsprechende Änderungen der Arbeitsbedingungen vorher umgesetzt wurden. Auch wurde festgestellt, dass der Wunsch, in die Leiharbeit zu gehen, geringer ausfällt, je höher das persönliche Nettoeinkommen ist.
Bisher wurde in vorherigen Umfragen kein genauer Wert zu den Gehaltswünschen abgefragt. Dabei ist nicht die Forderung nach mehr Gehalt der interessante Aspekt, vielmehr ist es der Umstand, dass die Pflegenden in dieser Umfrage unabhängig von soziökonomischen Ausgangswerten und unabhängig vom Arbeitsverhältnis eine im Median sehr ähnliche Angabe bei dieser Freitexteingabe zu den Gehaltsvorstellungen getätigt haben. Obwohl die Frage, in Bezug auf den bei dieser Frage anzunehmenden Stellenumfang für das angegebene Gehalt, nicht präzise genug gestellt war, ist durch alle Gruppen hinweg ein Gehalt von 3000 €/Monat netto als angemessen und gerecht bezeichnet worden und ab 3200 €/Monat netto sogar als ausreichend, um aus einer an vielen Stellen besser (> 3200 €/Monat) bezahlten Leiharbeit auszutreten.
Bemerkenswert ist, dass allein die Art der Anstellung und auch das höchste Gehalt nicht zufrieden machen, wenn die Arbeitsbedingungen als nicht gut empfunden werden. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass die Gruppe der Festangestellten mit einem Nebenerwerb in Leiharbeit trotz des höheren persönlichen Nettoeinkommens in den meisten untersuchten Variablen die unzufriedenste Gruppe war.
Die Frage, was Pflegende aus einer Festanstellung im Detail bewegt in die Leiharbeit zu wechseln, kann auch mit dieser Arbeit nicht sicher abschließend beantwortet werden. Es gibt Hinweise darauf, dass es eine Typusfrage ist, sich für diesen Schritt zu entscheiden. Die NEXT-Studie von Simon et al. (2005) hat festgehalten, ohne einen Schwerpunkt auf die Intensivstation zu legen, dass als schlecht empfundene Arbeitsbedingungen und Vergütungen dazu führen, dass Pflegende ihren Beruf verlassen. Auch Karagiannidis et al. (2019) haben dies in ihrer Umfrage festgestellt, allerdings auch, dass 37 % zunächst von einer Reduzierung ihrer Stelle ausgehen. Gleichzeitig postuliert sogar der deutsche Gesetzgeber [3], dass in der Leiharbeit attraktivere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne zum Abwerben genutzt werden. Es wäre also denkbar, dass ein Weg aus dem Beruf nicht nur eine reine „Alles-oder-Nichts“-Frage ist, sondern über den Weg einer Nebentätigkeit geschieht. Zumindest wäre das eine Erklärung dafür, warum die Festangestellten mit Nebenerwerb in der Leiharbeit unzufriedener sind als alle anderen Gruppen. Es kann als eine Art Karriereweg gesehen werden, dass die Unzufriedenheit in der Festanstellung erst über einen Nebenerwerb und mehr Gehalt kompensiert werden soll, um dann ganz aus der Patientenversorgung oder ganz in die Leiharbeit zu wechseln. Dies wird dadurch gestützt, dass in dieser Umfrage der Wunsch, in die Leiharbeit zu gehen, maßgeblich vom Einkommen abhing. Je höher das pNEK ist, desto geringer ist dieser Wunsch.
Sichtweise auf die Arbeitsbedingungen
Den Wunsch, in die LA zu wechseln, rein auf die monetären Beweggründe zu beschränken, ist nicht gerechtfertigt. Zwar gaben die Leiharbeiter_innen dieser Umfrage eine höhere Vergütung als wichtigen Grund an, aus der Leiharbeit auszusteigen, allerdings bezogen sie sich lediglich auf den geltenden Tariflohn in der Festanstellung. Gleichwertig neben dem Gehalt wurde die Arbeitsplatzzufriedenheit genannt, die für oder gegen eine Tätigkeit in Festanstellung spricht.
Stärken und Limitationen
Aufgrund der fehlenden systematischen Erfassung der quantitativen und qualitativen Besetzung von deutschen Intensivstationen können keine verlässlichen Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit der Intensivpflegenden gezogen werden. Im Gegensatz hierzu wird die technische Ausstattung mit Betten und Beatmungsgeräten immer genauer überwacht [7]. Die Art der Verteilung des Fragebogens, insbesondere das Schneeballsystem, macht es unmöglich, eine Rücklaufquote zu berechnen.
Umfragen dieser Art sind mit einem Bias versehen. Es ist denkbar, dass sich nur bestimmte Personengruppen angesprochen fühlen, und ebenfalls, dass auch nur bestimmte Altersstrukturen angesprochen werden. Dabei kamen die Teilnehmer_innen mit einer kleinen Tendenz für NRW aus allen Bundesländern.
Angesichts einer großen Teilnehmer_innenzahl sind es jedoch über Einzelfälle hinausgehende Erkenntnisse, die gewonnen werden konnten. Der IP-Filter hat es nicht ermöglicht, mehrere Fragebögen vom selben PC auszufüllen. Dies beugt zum einem vor, dass Einzelpersonen mehrere Fragebögen ausfüllen, verhindert aber auch das mehrere Personen den gleichen z. B. Arbeitsrechner nutzen.
Um dem entgegenzuwirken, wurde in dieser Umfrage versucht, ein breites Spektrum verschiedener digitaler und analoger Medien sowie die persönliche Ansprache zu nutzen. Ferner bestehen bei einer Befragung mit Bewertungsskalen immer die Gefahr und die Möglichkeit einer Verzerrung [8, 22].
Um diesen Phänomenen zu begegnen, wurden die folgenden Punkte beachtet: Neben der Randomisierung der Fragen gab es ebenfalls eine sich abwechselnd ändernde Skalenorientierung in den modifizierten Likert-Skalen. Ebenso wurde nicht nach Zustimmung, sondern nach Meinung gefragt. Um eine Tendenz zur Mitte zu minimieren, wurde in der Skalierung das Item weiß nicht und unentschlossen weggelassen. Die Befragten mussten sich festlegen. Diese Punkte und die Möglichkeit, z. B. beim Gehalt eine Spanne oder Freitextantwort anzugeben, senken das Risiko für diese Verzerrungen. Einem Ankereffekt [24] wurde begegnet, indem z. B. bei den Gehaltsfragen die Frage nach dem persönlichen und Haushaltseinkommen an völlig anderer Stelle im Eingangsbogen gestellt wurde, als die Frage nach dem als gerecht empfundenen Gehalt.
Dass die Antworten, insbesondere beim Gehalt, als sozial erwünscht dargestellt wurden, ist in der Gesamtkonstellation sicherlich möglich, aber unwahrscheinlich. Das persönliche Gehalt passt zu den Angaben des Haushaltseinkommens und zeigt, dass Pflegende eher nicht die Hauptverdiener_innen sind. Unabhängig davon entspricht es der Lebenserfahrung, dass Festangestellte weniger verdienen als Festangestellte mit einem Nebenerwerb, was über alle Antworten signifikant herausgearbeitet wurde. Dass ein/e Leiharbeiter_in tendenziell mehr verdient als Festangestellte mit einem Nebenerwerb, deckt sich zumindest mit den Angaben der Bundesregierung in der Konzertierten Aktion Pflege.
Schlussfolgerungen
Die Erkenntnisse dieser Umfrage bieten Hilfestellungen bei der als gerecht empfunden Gehaltsfrage und können neben der Ausgestaltung und Formulierung von guten Arbeitsbedingungen für Intensivpflegende helfen, Pflegende aus der Leiharbeit wieder in feste Teams zu rekrutieren und/oder in der Festanstellung zu halten und somit die qualitativ hochwertige Versorgung von Intensivpatient_innen zusätzlich sichern. Ferner könnten Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsplatzbedingungen und monetäre Anreize formuliert werden, die gezielt Pflegekräfte in Leiharbeit motivieren, wieder in eine Festanstellung einer Klinik zu wechseln.
Was muss sich ändern, um aus der Leiharbeit auszutreten?
Deckungsgleich mit den Äußerungen in dieser Umfrage, was sich ändern muss, um aus der Leiharbeit in die Festanstellung zurückzukehren, sind die von Isfort (2017) und Karagiannidis et al. (2019) als schlechte Arbeitsbedingungen identifizierten Umstände. Im Wesentlichen sind dies ein Fehlen von verlässlichen Dienstplänen, fehlende feste Personalschlüssel inkl. fester und verlässlicher Bettensperrungen bei Personalmangel, gefolgt von hohem Zeitdruck und ökonomischen Zwängen.
Trotz aller Bemühungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren fand die DGIIN [14] über eine Umfrage (n = 2498) heraus, dass 37 % der befragten Intensivpflegenden einen Ausstieg aus ihrem Beruf planen. Zudem wollen insgesamt 34 % der befragten Intensivpflegekräfte ihre Arbeitszeit in den nächsten 2 Jahren reduzieren [14]. Nicht wenige Pflegekräfte scheinen dabei aufgrund der aktuellen schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege momentan einen Wechsel in eine freiberufliche Tätigkeit bzw. in die Leiharbeit zu bevorzugen [2]. Dies ist insofern interessant, da die Befragten der DGIIN erst auf Platz 5 die bessere Bezahlung als Lösungsmöglichkeit angaben, während den folgenden Rahmenbedingungen eine höhere Bedeutung beigemessen wurde:
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1.
ein insgesamt besserer Personalschlüssel für die Stationen;
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2.
ein Betreuungsschlüssel von mindestens 1:2 in allen Schichten;
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3.
eine Verringerung der Arbeitsbelastung;
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4.
weniger Zeitdruck bei der Tätigkeit.
Welche Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung auf Intensiv- und IMC-Stationen durch die Leiharbeit auf Intensivstationen entstehen, lässt sich momentan nicht abschätzen. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass die Qualität der Patient_innenversorgung mit der Gesamtqualifikation und Zusammensetzung des therapeutischen Teams zusammenhängt. Auch können auf einer Intensivstation, durch den insgesamt höheren Personalschlüssel gegenüber einer Normalstation, einzelne Qualitätsschwankungen in der Patient_innenversorgung durch das gesamte Team vermutlich besser aufgefangen werden.
Eine Auswirkung durch die Leiharbeit sind die finanziellen Effekte auf die jeweiligen Kliniken. Durch die Situation, dass auf eine hohe Nachfrage relativ wenig hochqualifizierte Pflegekräfte kommen, ist der Preis für diese Leistung im Verhältnis zu den Festangestellten deutlich höher. Der Umstand, dass verschiedene Vermittler und Agenturen zwischengeschaltet werden müssen, führt dazu, dass diese zwischengeschalteten Instanzen zusätzlich durch einen Preisaufschlag verdienen. Insgesamt ist festzuhalten, dass diejenigen, die sich für das Modell der Leiharbeit interessieren, sich dem auch hingezogen fühlen – unabhängig davon, wie die gesetzlichen Anforderungen sind. Sie werden sich diesem jeweiligen gesetzlichen Rahmen und den Situationen in der Regel anpassen. Wenn der Gesetzgeber der Leiharbeit effektiv begegnen möchte, ist ein Verbot nicht zielführend.
Vielmehr müssen die jeweiligen Verantwortlichen in den Kliniken neben diesen Arbeitsbedingungen vor Ort weitere Verbesserungen tätigen und sollten dabei auf die Bedarfe und Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter_innen achten. Vor allem ein fester und verlässlicher Dienstplan und feste Betreuungsschlüssel sowie strukturierte Arbeitsbereiche mit einer im Dienstplan berücksichtigen Praxisanleitung scheinen hier der Schlüssel zum langjährigen Erfolg zu sein. Ein verlässlicher Dienstplan steht unmittelbar im Verhältnis zu einer ausgewogenen Work-Life-Balance.
Beim Einsatz von Leiharbeiter_innen ist dringend auf eine entsprechende Qualifikation zu achten. In dieser Umfrage ist deutlich geworden, dass viele Intensivpflegende eine lange Zugehörigkeit zu ihrem Beruf haben und wahrscheinlich durch diese enorme Berufserfahrung nicht unerheblich zur Kompensation von anderen Qualitätsschwankungen beitragen. Dies ist ein Umstand, auf den man sich in den nächsten Jahren nicht mehr verlassen kann, da immer mehr Pflegende entweder aktiv oder durch die Demographie bedingt aus ihrem Beruf ausscheiden werden. Die eigenen Qualitätsansprüche sollte die Berufsgruppe der Intensivpflegenden dabei idealerweise in einer Selbstverwaltung eigenständig bestimmen.
Kernaussagen
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1.
Intensivpflegenden dieser Umfrage empfinden aktuell im Median ein Gehalt von 3200 €/Monat netto als ausreichend und gerecht für ihre Tätigkeit.
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2.
Dieses Gehalt kann Leiharbeiter_innen bewegen zurück in die Festanstellung zu gehen.
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3.
Verbesserte Arbeitsbedingungen unabhängig vom Gehalt.