Hintergrund und Fragestellung

Die klinische Notfallversorgung in Deutschland ist mit derzeit rund 21 Mio. [22] Behandlungen pro Jahr einer steigenden Inanspruchnahme ausgesetzt, was eine angemessene Versorgung akuter Notfälle zunehmend erschwert [20, 21]. Mögliche Folgen sind eine Patientenwohlgefährdung durch die steigende Belastung des Personals und die relative Verknappung materieller und räumlicher Ressourcen [2, 23].

Für Notaufnahmen in Deutschland gibt es mit dem Datensatz „Notaufnahme“ der DIVI zwar einen Standard für die klinische Dokumentation [15], der bislang aber nur Empfehlungscharakter hat. Durch die Position der Notaufnahmen an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sowie die nichteindeutige Identifikation von Notaufnahmen in Abrechnungsdaten [12] fehlen bisher Daten zum sektorenübergreifenden Versorgungsgeschehen im Kontext der Notfallversorgung in Deutschland. Das vom Innovationsfonds geförderte Projekt INDEED (Kennzeichen 01VSF16044) hat das Ziel, die „Inanspruchnahme und sektorenübergreifenden Versorgungsmuster von Patienten in Notfallversorgungsstrukturen in Deutschland“ zu charakterisieren. Dazu wird eine pseudonyme, personenbezogene Verknüpfung von Routinedaten aus Notaufnahmen mit Daten aus der kassenärztlichen Versorgung (KV) in den zwei Jahren vor bis ein Jahr nach dem Index-Notaufnahmekontakt aus dem Kalenderjahr 2016 erfolgen.

In diesem Beitrag wird das Vorgehen, der Zeitverlauf sowie die Herausforderungen in Bezug auf die Routinedatenextraktion in den beteiligten Notaufnahmestandorten dargestellt. Dabei handelt es sich neben klinischen und administrativen Daten auch um Angaben aus einem sich ggf. anschließenden stationären Aufenthalt.

Methodik

Rekrutierung der Kooperationskliniken und Einschlusskriterien

Bereits in der Antragsphase des Projektes wurde mit der Rekrutierung von Notaufnahmen begonnen. Die Ansprache potenzieller Kooperationskliniken erfolgte in bestehenden Netzwerken, wie z. B. dem AKTIN-Projekt [4], sowie auf Veranstaltungen der einschlägigen medizinischen Fachgesellschaften. Unbedingte Voraussetzung für die Teilnahme war eine elektronische Datenerhebung in der Notaufnahme im Jahr 2016. Zusätzlich wurden die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen in den jeweiligen Bundesländern eruiert. Wichtig war hier ein vorliegender und ausreichender gesetzlicher Erlaubnistatbestand für die Verarbeitung der retrospektiven klinischen Daten ohne die Möglichkeit der Einholung von Einwilligungen der betroffenen Patienten. Ziel war eine möglichst deutschlandweite Rekrutierung von 15 bis 20 Notaufnahmen unterschiedlicher Größe.

In INDEED werden nur Daten von Patienten erfasst, welche im Kalenderjahr 2014 volljährig waren. Ausgeschlossen wurden Patienten mit eindeutig privatem Versicherungsstatus sowie Fälle im Verantwortungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung.

Ethik- und Datenschutzaspekte für die Ausleitung von Personenpseudonymen

Ein positives Ethikvotum der Charité liegt seit Juni 2017 vor (Antragsnummer EA4/086/17). Die Studie ist im Deutschen Register für Klinische Studien registriert (DRKS00022969).

Die Verknüpfung der Notaufnahmedaten mit den Daten aus der kassenärztlichen Versorgung erfolgt über personenbezogene Pseudonyme in einer Vertrauensstelle. Das primäre Pseudonym wird aus der Versichertennummer der gesetzlichen Krankenkasse (eGK-Nummer) gebildet. Zusätzlich wird ein sekundäres Pseudonym auf Basis von Name, Vorname und Geburtsdatum (NVG) erstellt. Zur Generierung der Pseudonyme, Verschlüsselung und Übermittlung der finalen Datensätze an die Vertrauensstelle wurde eine Software speziell für die Bedarfe des Projektes entwickelt [8]. Diese Software, die direkt in den Kliniken zum Einsatz kam, prüft zusätzlich, ob das Alter den Einschlusskriterien entspricht, und löscht ggf. die nicht eligiblen Fälle (Abb. 1). Dafür wurde ein umfangreiches Datenschutzkonzept erstellt, welches eine positive Stellungnahme der AG Datenschutz der TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. (14.02.2018) sowie die Zustimmung der behördlichen Datenschutzbeauftragten der Charité – Universitätsmedizin Berlin (April 2018, Zeichen 565/17/ST3) erhielt. Diese Dokumente bildeten die Basis für die benötigten Datenschutzvoten der einzelnen Kliniken sowie zum Teil erforderlicher behördlicher Genehmigungen aus zuständigen Landesministerien.

Abb. 1
figure 1

Stark vereinfachte Darstellung der Pseudonymisierung von Versichertennummer (eGK-Nummer), Name, Vorname, Geburtsdatum (NVG) und Fallnummer vor der verschlüsselten Ausleitung an die Vertrauensstelle. * Die Pseudonyme sind tatsächlich deutlich komplexer (Einweg-Hashverfahren SHA256)

Auswahl der zu extrahierenden Daten

Die Auswahl der Variablen erfolgte in einem interdisziplinären Expertengremium aus Klinikern, Versorgungsforschern, Statistikern, Epidemiologen, Datenschutzexperten und IT-Mitarbeitern in einem iterativen Prozess unter Berücksichtigung folgender Aspekte: Bezug zu den Forschungsfragen, medizinische Relevanz, vorhandene Datensatzdefinitionen (z. B. Datensatz „Notaufnahme“ der DIVI [15], Vorstellungsgründe nach CEDIS [11]), vermutete elektronische Verfügbarkeit sowie Datensparsamkeit. Zur Förderung der Kooperationsbereitschaft der Notaufnahmen wurde auf die Definition eines Minimaldatensatzes verzichtet.

Vorbereitungen zur Datenextraktion

Parallel zu den administrativen Prozessen wurden die Dokumentationsstandards vor Ort mit den Anforderungen des Projektes abgeglichen sowie eine Extraktion und Prüfung von Testdatensätzen vorgenommen.

Für die individuelle Datenverknüpfung mit den KV-Daten muss sowohl ein Personenbezug als auch für den Fall von mehreren Notaufnahmekontakten im Jahr 2016 ein Fallbezug sichergestellt sein. Zur Aufwandsminimierung vor Ort konnte die Datenlieferung in mehreren Einzeldateien (z. B. Notaufnahmedaten, Laborbefunde, Bildgebung und stationärer Aufenthalt) erfolgen. Weiterhin musste sichergestellt sein, dass diese Dateien im zentralen Datenmanagement des Projektes über die pseudonymisierte klinikinterne Fallnummer korrekt zugeordnet werden können. Mindestens in einer „Stammdatei“ wurde daher immer der Bezug zwischen Fallpseudonym und Personenpseudonym hergestellt.

Die Testdatensätze sowie die endgültigen Gesamtdatensätze wurden im Dialog mit den zuständigen Mitarbeitern direkt in den Notaufnahmen bzw. per Videokonferenz systematisch geprüft. Zum Termin der Datenausleitung waren grundsätzlich zwei Projektmitarbeiter von INDEED vor Ort, um die Datenbestände nach dem Vier-Augen-Prinzip einer finalen Qualitätskontrolle zu unterziehen. Dazu wurde Microsoft® Excel® (Microsoft Corporation, Redmond, WA, USA) genutzt. Eine erste, grobe Plausibilitätskontrolle erfolgte über die Betrachtung spezifischer Häufigkeiten beispielsweise in Bezug auf eine ca. hälftige Geschlechtsverteilung, stationäre Aufnahmequote zwischen 30 und 45 % [19], Stufen der Ersteinschätzung [18] und monatliche Fallzahlschwankungen als Hinweis auf unvollständige Zeiträume. Die Verknüpfbarkeit mehrerer Tabellen über die Fallnummer wurde stichprobenartig überprüft bzw. die Verknüpfung direkt vor Ort vorgenommen. Bei erkannten Unstimmigkeiten wurden – sofern möglich – notwendige Korrekturen direkt vor der finalen Datenausleitung durchgeführt.

Ergebnisse

Vorbereitung der Kooperation mit den Notaufnahmen bis Datenausleitung

In Abb. 2 ist der Prozess von Kontaktaufnahme mit den potenziell beteiligten Notaufnahmen bis zur finalen Datenausleitung schematisch dargestellt.

Abb. 2
figure 2

Ablauf von erster Kontaktaufnahme mit den kooperierenden Notaufnahmen bis zur finalen Datenausleitung

Mit 16 Notaufnahmen aus acht Bundesländern (und damit acht KV-Bereichen) wurde das Rekrutierungsziel von 15–20 Notaufnahmen erreicht [9]. Insgesamt wurden mit 31 Kliniken Kooperationsgespräche geführt.

Folgende Gründe führten zum Ausschluss bzw. Nichtteilnahme der Kliniken (Mehrfachnennungen möglich):

  • 4 Mal: Elektronische Dokumentation in der Notaufnahme für 2016 nicht ausreichend

  • 4 Mal: Personelle Umstrukturierungen im Projektzeitraum

  • 3 Mal: Fehlende personelle Ressourcen, insbesondere bei der Klinik-IT

  • 2 Mal: Negative Einschätzung des Vorhabens durch den betrieblichen Datenschutzbeauftragten der Klinik

  • 2 Mal: Angebotene Aufwandsentschädigung in Höhe von 10.000 € von Klinik als zu gering empfunden

  • 1 Mal: Unvereinbarkeit der Herausgabe von pseudonymisierten Krankenhausdaten mit Landesgesetzgebung (Bayern) trotz konstruktiver Bearbeitung durch die zuständige Landesbeauftragte für Datenschutz

  • 1 Mal: Grundsätzliche Ablehnung durch die Geschäftsführung

Die teilnehmenden Kliniken wurden – sofern gewünscht – beim Einholen des lokalen Ethikvotums und der Abstimmung mit dem lokalen Datenschutzbeauftragten oder der zuständigen Behörde auf Landesebene unterstützt. Zusätzlichen Aufwand verursachte die parallele Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union im Mai 2018. In Brandenburg und Thüringen musste zudem das jeweils zuständige Landesministerium das Vorhaben bewilligen; in Brandenburg wurde zusätzlich eine Datenschutzfolgeabschätzung gefordert.

Finale Variablenliste

Der konsentierte Datensatz besteht aus 60 Variablen in vier Kategorien: Basisdaten zum Patienten, Daten des Notaufnahmeaufenthaltes (z. B. Ersteinschätzung, Prozessdaten, spezifische Untersuchungen), Vitalparameter, Scores und Laborwerte sowie Daten aus einem sich eventuell anschließenden stationären Aufenthalt (Abb. 3, [9]).

Abb. 3
figure 3

Die vier ausgeleiteten Datenblöcke im INDEED-Projekt. Abgestuft von Hellblau (in allen 16 Kliniken vorhanden) bis Dunkelgrau (weniger als zwölf Kliniken konnten diese Variable liefern) hinterlegt dargestellt, aus wie vielen Kliniken das Item für die Datenanalyse verfügbar ist. (* Zeitpunkt grundsätzlich als Datum und Uhrzeit, ** Angaben sind sowohl im §21 KHEntgG als auch im §301 SGB V Datensatz enthalten, # die Aufnahmediagnose ist nur im §301 SGB V Datensatz enthalten)

Folgende Änderungen wurden im Vergleich zu der initialen Variablenliste durchgeführt:

  • Reduktion der Laborparameter von 36 auf die sechs relevantesten Werte, welche Rückschlüsse auf die Erkrankungsschwere zulassen bzw. Bestandteil klinischer Scores sind.

  • Abfrage der Glascow-Coma-Scale nur als Summenscore ohne die drei Einzelkategorien.

  • Die Abfrage nach dem Vorliegen eines Einweisungsscheines wurde gestrichen, da die elektronische Verfügbarkeit als unzureichend bewertet wurde.

  • Diagnostische Maßnahmen im Notaufnahmekontext wurden aufgrund der unterschiedlichen Dokumentationsroutinen auf ausgewählte bildgebende Verfahren (Röntgen, Sonographie, Computertomographie, Magnetresonanztomographie), Urinuntersuchung und Elektrokardiogramm beschränkt.

  • Reduktion auf sieben Zeitstempel (d. h. Datum und Uhrzeit), insbesondere Verzicht der Zeitstempel bei den diagnostischen Prozeduren (s. voriger Punkt).

  • Klinische Notaufnahmediagnosen liegen nicht immer vor, da in Notaufnahmen keine direkte Pflicht zur Erhebung von kodierten Diagnosen besteht. Als Surrogat wurden daher für stationäre Fälle die Aufnahmediagnosen nach §301 Sozialgesetzbuch (SGB) V und für ambulante Fälle die Abrechnungsdiagnose(n) nach §295 SGB V ergänzt [12].

  • Der Name der Krankenkasse (Freitext) wurde zur Validierung um das Institutskennzeichen ergänzt.

  • Ebenfalls ergänzt wurde die pseudonymisierte Betriebsstättennummer (BSNR) der Notaufnahme gemäß kassenärztlicher Abrechnung [14], damit eine Zuordnung des Leistungserbringers über die BSNR in den KV-Daten möglich ist.

Übermittelte Daten

Die Datenextraktion wurde Anfang September 2019 und damit neun Monate nach dem ursprünglichen Plan (01.12.2018) beendet. Hauptgründe für die Verzögerung waren die langwierigen notwendigen Abstimmungen mit den Kliniken, sehr aufwändige und föderal geregelte Datenschutzanforderungen und Verzögerungen bei der Datenausleitung selbst. Für Letztere wurde pro Klinik ein ganzer Arbeitstag aufgewendet, was bei Einbezug aller involvierten lokalen Mitarbeiter einen erheblichen terminlichen Abstimmungsaufwand erforderte.

Nicht alle Variablen waren in den einzelnen Notaufnahmen für die Datenextraktion verfügbar (Abb. 3). Folgende Gründe wurden dafür ermittelt: Die Variable wurde generell nicht dokumentiert, nicht immer elektronisch dokumentiert, war nicht strukturiert abfragbar (Freitext), oder der Aufwand für die Extraktion wurde als zu hoch angesehen (z. B. „Anzahl der Konsile“ nicht numerisch dokumentiert, sondern hätte durch Sichtung aller Dokumente händisch ermittelt werden müssen).

Die Abfrage der Daten eines sich anschließenden stationären Aufenthaltes war dagegen standardisiert umsetzbar, da außer dem „Zeitpunkt der stationären Verlegung“ und „Aufenthalt auf der Intensivstation“ alle Variablen den gesetzlichen Datensatzdefinitionen gemäß § 301 SGB V bzw. §21 Krankenhausentgeltgesetz entsprechen [5, 6].

Die Notaufnahmedaten stammten grundsätzlich aus mindestens zwei Systemen, in der Regel dem Notaufnahmeinformationssystem (Emergency Department Information System [EDIS]) und dem Krankenhausinformationssystem (KIS). Je nach Anbieter des IT-Systems, lokaler Konfiguration bzw. Integration mussten weitere Systeme abgefragt werden, insbesondere Labor- und Radiologieinformationssysteme (Abb. 4). Die Fallnummer konnte in bestimmten EDIS durch Hinzufügung von Ziffern länger als im KIS sein, daher musste vor der softwarebasierten Pseudonymisierung eine Korrektur erfolgen. Für die Subsysteme wurden teilweise neben der Fallnummer weitere Strategien zur Auswahl und Verknüpfung der relevanten Daten benötigt, beispielsweise die interne Kostenstelle der Notaufnahme und/oder der Zeitpunkt einer Anforderung.

Abb. 4
figure 4

Exemplarische Darstellung von ausgewählten Daten und ihrer möglichen Herkunft aus dem Krankenhausinformationssystem und verschiedenen Subsystemen (* Klartextangaben verlassen nicht das Krankenhaus, sondern werden noch vor Ort in Pseudonyme umgewandelt)

Kooperation mit den Notaufnahmen

Die personelle Ausstattung, Strukturen und weitere Ressourcen waren in den kooperierenden Notaufnahmen sehr heterogen. Generell war ein interprofessionelles Vorgehen notwendig, um die Datenausleitung erfolgreich abzuschließen. Involviert wurden dabei klinisches ärztliches und pflegerisches Personal, Wissenschaftler sowie Mitarbeiter der IT-Abteilung und des Controllings. Weiterhin wurde bei fünf Kliniken der EDIS-Hersteller zur Programmierung einer einheitlichen Datenabfrage eingebunden. Hier konnten bestehende Kontakte aus dem AKTIN-Projekt genutzt werden [4].

Diskussion

Im Projekt INDEED wurden erstmalig für eine multizentrische Studie fallbezogene klinische und administrative Daten aus 16 Notaufnahmen und dem Notaufnahmeaufenthalt sich ggf. anschließendem stationären Aufenthalt extrahiert und zusammengeführt. In Verbindung mit den KV-Daten wurde ein Datenkörper geschaffen, welcher Analysen für die sektorenübergreifende Versorgungsforschung zu Notfallbehandlungen ermöglicht. Neben den aufwändigen Belangen des Datenschutzes wurden dafür folgende Herausforderungen gemeistert:

  1. 1.

    umfangreiche administrative Vorbereitung,

  2. 2.

    interprofessionelle Kommunikation mit Stakeholdern in den Kliniken,

  3. 3.

    Datenaufbereitung in der Klinik,

  4. 4.

    Datenprüfung vor Ort und

  5. 5.

    datenschutzkonforme Datenausleitung.

Datenschutz

Die heterogenen datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesländern führten zu erheblichen Verzögerungen bei der Abstimmung mit Kliniken und Behörden. Die bundeslandspezifische Gesetzeslage verhinderte zudem eine deutschlandweite Rekrutierung von Kliniken [3]. Eine deutschlandweite und trägerübergreifende einheitliche Verfahrensweise wäre wünschenswert, würde aber einen einheitlichen Rechtsrahmen voraussetzen. Durch die Einbindung des Konsortialpartners TMF mit Expertise auf dem Gebiet des Datenschutzes in der medizinischen Forschung und speziell Großprojekten konnten die Verzögerungen eingegrenzt werden. Das Datenschutzkonzept von INDEED ist für Folgeprojekte verfügbar [13] und erfüllt so eines der Projektziele bezüglich der Entwicklung von möglichst generischen Lösungen für den Aufbau von Forschungsinfrastrukturen.

Entwicklung der Variablenliste

Die Variablenliste ist bis zum Abschluss der Datenausleitung einige Präzisierungen schuldig geblieben, beispielsweise die Operationalisierung der Zahl der behandelnden Fachrichtungen oder einzelner Zeitstempel. Eine konsequente Nutzung von vorhandenen einschlägigen Datensatzbeschreibungen (Datensatz „Notaufnahme“ der DIVI, § 21 KHEntgG) ist zukünftig geboten. Dies verringert den Interpretationsspielraum und sorgt für einen homogeneren Datenbestand. Es hat sich gezeigt, dass Dokumentationsstandards [17] in der Praxis noch nicht flächendeckend bestehen. In anderen Ländern hingegen (wie beispielsweise Australien) ist diese einheitliche medizinische Dokumentation bereits gesetzlich vorgeschrieben [1]. Dadurch kann für unterschiedliche Ziele auf standardisierte Daten zurückgegriffen werden, z. B. Indikatoren zur Messung der Behandlungsqualität, klinikübergreifendes Benchmarking und Versorgungsforschung. Durch die Verpflichtung zur Erhebung eines praxisorientierten und standardisierten Kerndatensatzes zur Notaufnahmeversorgung könnte möglicherweise eine bessere und flächendeckendere Umsetzung in der Praxis erzielt werden [16].

Ressourcen

Hinsichtlich der Notaufnahmedatenextraktion sind folgende Abwägungen zur Erreichung bestmöglicher Datenqualität zu treffen: Die Übermittlung mehrerer unterschiedlich aufgebauter Datentabellen aus einer Klinik erleichtert zwar die Datenextraktion vor Ort, kann den Datenbankaufbau in der Vertrauensstelle und im zentralen Datenmanagement allerdings erschweren. Bei erhöhten Anforderungen an die Datenaufbereitung in den Klinken sollte jedoch beachtet werden, dass dabei auftretende Fehler später ggf. nicht nachvollziehbar sind und nicht mehr behoben werden können. Besonders zu achten ist auf die Struktur der klinikinternen Fallnummer, da diese die Fallzusammenführung zwischen den verschiedenen Dateien einer Klinik gewährleistet. Zusammengefasst muss das Monitoring der Prozesse den vor Ort vorhandenen Datenmanagement-Kompetenzen angepasst werden.

Der gesamte Prozess zwischen erster Kontaktaufnahme mit den Notaufnahme- und Klinikleitungen, Erfüllung der Formalitäten und Extraktion der Datensätze aus den Kliniken hat sich über ca. 24 Monate hingezogen und überstieg damit deutlich die im Antrag kalkulierte Dauer um neun Monate. Derartige Ergebnisse werden kaum publiziert. Eine Ausnahme ist Eichler et al., die exemplarisch für das Einholen der Ethikvoten in einer multizentrischen Studie von einer starken Verzögerung berichten [7]. Dies ist hinsichtlich der Projektlaufzeit und Personalplanung zu beachten. Die Aufwandsentschädigung von 10.000 € war für einzelne Kliniken nicht kostendeckend. Die Datenabfrage und -aufbereitung musste durch interne Mitarbeiter zusätzlich zu deren eigentlicher Tätigkeit geleistet werden. Dies reduziert die Kooperationsmöglichkeiten mit Kliniken ohne etablierte Forschungsstrukturen. Für die Umsetzung ähnlicher Projekte sollte dementsprechend eine ausreichende und vermutlich höhere Vergütung der Kooperationskliniken als in unserem Projekt bereits im Vorfeld abgestimmt werden.

Datenherkunft und -struktur

Aus den Kliniken wurden sehr heterogene Daten ausgeleitet. Relevante Daten aus der Notaufnahmeversorgung lagen unterschiedlich strukturiert und meist in mehreren IT-Systemen vor.

Behandlungsdaten im Notaufnahmekontext sind aufgrund der Vielfalt an Vergütungssystemen an der Schnittstelle zwischen ambulantem und stationärem Sektor grundsätzlich inhomogen. Die Datenerhebung wird unter anderem davon beeinflusst, ob ein Fall ambulant über die KVen, ambulant direkt mit den Krankenkassen oder als vollstationärer Fall abgerechnet wird [12]. Als herausfordernd erwies sich die konkrete Falldefinition auf den unterschiedlichen Ebenen. In der Notaufnahme ist damit ein einzelner Patientenkontakt gemeint, aus Sicht des Controllings kann ein Abrechnungsfall auch mehrere Notaufnahmebesuche enthalten [10]. Dann lassen sich bestimmte Informationen nur noch dem Fall, nicht aber dem konkreten Patientenkontakt in der Notaufnahme zuordnen (z. B. sind Diagnosen im Fall der KV-Abrechnung quartalsbezogen). Eine eindeutige Identifikationsnummer pro Notaufnahmekontakt war nicht überall vorhanden. Auch über die Kombination mehrerer Variablen (z. B. quartalsweise Fallnummer plus Aufnahmedatum) konnte nicht immer eine Eindeutigkeit hergestellt werden.

So war und ist die Bildung eines harmonisierten und plausiblen Datensatzes aus verschiedenen Datenquellen eine große Herausforderung. Ähnliche Herausforderungen wurden selbst bei Krankenkassendaten beschrieben [17], bei denen grundsätzlich eine weitgehende Standardisierung vermutet wird.

Ausblick

Trotz mehrerer hier beschriebener Einschränkungen hat INDEED neue methodisch-konzeptionelle Standards entwickelt, die dem Anspruch einer Machbarkeitsstudie für ähnliche Versorgungsforschungsprojekte gerecht werden. Notaufnahmedaten liegen in INDEED patientenkontaktbezogen vor, welche so einen Mehrwert gegenüber Abrechnungsdaten darstellen. Dort sind Notaufnahmebehandlungen oft nicht eindeutig identifizierbar. Die Datenverknüpfung mit ambulanten Versorgungsdaten bietet darüber hinaus die Möglichkeit zur Analyse sektorenübergreifender Versorgungsverläufe.

Fazit für die Praxis

  • Die Einführung einer einheitlichen administrativen Dokumentation für alle Notaufnahmebehandlungen sollte angestrebt werden, unabhängig von Kostenträger und Abrechnungsmodus.

  • Für medizinische Daten könnte ein obligatorisch zu erhebender einheitlicher Kerndatensatz zielführend sein.

  • Die Datenausleitung sollte auf wenige, klar definierbare und vergleichbar dokumentierte Daten beschränkt werden, die in möglichst allen Kliniken vorhanden sind. Vorhandene Datensatzbeschreibungen sind zu übernehmen.

  • Datenausleitungen in mehreren Tabellen erfordern eine eindeutige Zuordnung der enthaltenen Informationen zu den Fällen.

  • Personelle und zeitliche Ressourcen sollten großzügig geplant werden.

  • Es sollte gut abgewogen werden, an welcher Stelle der Aufwand für die Optimierung der Datenqualität am sinnvollsten erscheint.

  • Ein stetiger interprofessioneller Austausch zwischen den koordinierenden Wissenschaftlern und den Kooperationspartnern ist auf allen Ebenen und von Projektbeginn an unerlässlich.