Die akute Nierenschädigung („acute kidney injury“, AKI) zählt zu den häufigsten Komplikationen bei kritisch kranken Patienten [2]. Die damit verbundende Mortalität ist erheblich und liegt über die letzen 20 Jahre fast unverändert bei etwa 50 %, sobald die Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie gegeben ist. Aber auch eine überstandene AKI ist für die Patienten mit signifikanten Langzeitfolgen verbunden, deren Spektrum von einer chronischen Niereninsuffizienz über anhaltende Dialysepflicht, deutlich erhöhte kardiovaskuläre Morbidität bis hin zu neurologischer Beeinträchtigung reicht [1, 6]. Um die Mortalität und Morbidität einer AKI zu reduzieren, bedarf es eines möglichst präzisen und evidenzbasierten Vorgehens in der Prävention und Behandlung.

Eine überstandene AKI kann für Patienten mit signifikanten Langzeitfolgen verbunden sein

Dies zu erreichen, haben sich mehrere Experten der Sektionen Niere der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin (DGIIN), der Österreichischen Gesellschaft für Internistische und Allgemeine Intensivmedizin und Notfallmedizin (ÖGIAIN) und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) gemeinsam zum Ziel gesetzt. Basierend auf rezenten internationalen Leitlinien (Kidney Disease Improving Global Outcomes [KDIGO] 2012 [4], Acute Dialysis Quality Initiative [ADQI] 17 [5], französischen Leitlinien der French Intensive Care Society [SRLF]/French Society of Anesthesia & Intensive Care Medicine [SFAR] [7] und Expertenempfehlung der AKI-Sektion der European Society of Intensive Care Medicine [ESICM] 2017 [3]), aber auch auf der „Expertenmeinung“ der Sektionsmitglieder wurden in einem wiederholten, intensiven Abstimmungsprozess gemeinsame Empfehlungen erarbeitet, die in dieser Ausgabe der Zeitschrift Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin in 5 Artikeln zusammengefasst sind.

Die Arbeit von Joannidis et al. beschäftigt sich mit der Prävention und Therapie einer beginnenden AKI. In Ermangelung von wirksamen pharmakologischen Interventionen muss hier das Hauptaugenmerk auf die Optimierung der Nierenperfusion und die Vermeidung von Hypervolämie, Hyperglykämie und Nephrotoxizität gelegt werden.

Schwenger et al. behandeln in ihrem Artikel Kernpunkte der Nierenersatztherapie bei kritisch Kranken. Eckpunkte dieser Empfehlungen sind ein in Abhängigkeit von der klinischen Gesamtsituation individualisierter Beginn, die seit KDIGO 2012 [4] festgelegte Standarddosis von 20–25 ml/kgKG und Stunde sowie die Möglichkeit eines Auslassversuchs nach klinischer Standardisierung und eines spontanen Harnzeitvolumens von >500 ml/24 h. Prinzipiell müssen „continuous renal replacement therapy“ (CRRT) und intermittierende Hämodialyse (IHD) als gleichwertige Verfahren angesehen werden. Für hämodynamisch instabile Patienten und jene mit Hirndruck bzw. nach Schädel-Hirn-Trauma scheinen kontinuierliche Verfahren aufgrund einer langsamen und schonenden Entfernung von Wasser und Soluten Vorteile zu bieten. Intermittierende Verfahren ermöglichen auf der anderen Seite eine leichtere Mobilsierung der Patienten und bieten eine rasche und hocheffektive Entfernung kleiner, wasserlöslicher Substanzen. Entsprechend sollte auch die Verfahrenswahl differenzialtherapeutisch und individualisiert in Abhängigkeit von der klinischen Situation erfolgen. Prolongierte intermittierende Verfahren („slow extended daily dialysis“ [SLED], „prolonged intermittent renal replacement therapy“ [PIRRT]) können die verschiedenen Vorteile beider Verfahren vereinen.

Czock et al. behandeln das äußerst wichtige Thema der Pharmakodynamik und Pharmakotherapie bei Patienten mit AKI insbesondere unter Nierenersatztherapie. Ein Schwerpunkt wird dabei auf die Dosierung der Antiinfektivatherapie gelegt. Während in den gängigen Arzneiinformationen üblicherweise Empfehlungen für Patienten mit chronischer intermittierender Hämodialyse angegeben werden, fehlen diese praktisch für kontinuierliche Verfahren. Diese Arbeit setzte es sich zum Ziel, basierend auf der existierenden Literatur einen Überblick zu Dosisempfehlungen für die wichtigsten Antiinfektiva zu geben. Prinzipiell scheint bei kontinuierlichen Verfahren eher die Gefahr einer Unterdosierung gegeben zu sein. Ein wichtiger Aspekt ist auch, dass die erste Dosis bei Antiinfektiva üblicherweise der Normaldosis entspricht.

Schmitz et al. gehen in ihrem Artikel auf das Konzept der regionalen Citratantikoagulation (RCA) ein. Bei kontinuierlichen Nierenersatzverfahren ist diese bereits gut etabliert, während die RCA bei intermittierenden Verfahren sich noch in der Entwicklung befindet. Ermöglicht werden durch die RCA längere Filterlaufzeiten bei gleichzeitig weniger Blutungskomplikationen. Bei hinreichender Schulung des Personals, der Etablierung von Standardarbeitsanweisungen und der Verwendung konfektionierter Systeme ist die RCA ein sicheres Verfahren und kann mittlerweile unter Beachtung einer möglichen Citratakkumulation selbst bei Patienten mit Leberversagen oder Kreislaufschock angewendet werden.

CRRT und intermittierende Hämodialyse sind als gleichwertige Verfahren anzusehen

Druml et al. schließlich behandeln das schwierige Thema der Kontrolle von Metabolismus und der Ernährung von kritisch kranken Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion. Nach wie vor besteht auf diesem Gebiet ein großer Mangel an aussagekräftigen Studien. Umso wichtiger ist die in diesem Artikel angebotene Orientierung. Dabei beschränkt sich der Artikel nicht nur auf Patienten mit AKI unter konservativem Management sowie unter Nierenersatztherapie, sondern er beleuchtet auch den wichtigen Aspekt der Versorgung von Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) auf der Intensivstation.

Wir hoffen, mit diesen Empfehlungen den klinisch tätigen Kolleginnen und Kollegen im Alltag nützliche Orientierung für eine möglichst präzise Therapie im komplexen Spektrum der Patienten mit AKI geben zu können, und wünschen viel Spaß beim Lesen der Artikel.

figure c

Univ.-Prof. Dr. M. Joannidis

figure d

Prof. Dr. S. John