FormalPara Leserbrief zu:

Neitzke et al (2017) Dokumentation der Therapiebegrenzung. Empfehlung der Sektion Ethik der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) unter Mitarbeit der Sektion Ethik der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN). Med Klin Intensivmed Notfmed 112:527–530

Es ist ein sinnvolles und lobenswertes Unterfangen der Sektion Ethik der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), sich systematisch und wiederholt mit Fragen zum Lebensende zu beschäftigen; dies insbesondere in einer Zeit, in der die Medizin mehr und mehr einen Wandel von einer rein kurativen zu einer palliativen, die Lebensqualität in den Vordergrund stellenden Behandlung vornimmt, oder wie es einer der Koautoren ausgedrückt hat: „Von der akademischen Distanz zur fürsorglichen Zuwendung“ [1].

Auch der aktuelle Beitrag ist als Dokument zur Schaffung von Klarheit in einer interdisziplinären Umgebung wie der Intensivmedizin sehr zu begrüßen. Einige Formulierungen bedürfen jedoch aus meiner Sicht der Kommentierung. So heißt es: „Maßnahmen der Basisbetreuung, z. B.: Symptomkontrolle, Pflege und Zuwendung/Begleitung sowie palliativmedizinische und -pflegerische Maßnahmen, werden dadurch (gemeint ist die Therapiebegrenzung) nicht eingeschränkt.“ Das war in dem Beitrag von Janssens et al. schon klarer ausgedrückt: „Eine Therapiebegrenzung darf nicht ohne eine zielgerichtete Optimierung der lindernden (palliativen) Therapie erfolgen“ [5]. Palliativmedizinische Maßnahmen werden nicht nur „nicht eingeschränkt“, sondern eine Therapiebegrenzung ist unverantwortlich ohne Optimierung der palliativmedizinischen und pflegerischen Maßnahmen [3]. Das sollte in einem solchen Papier auch klar gesagt werden, insbesondere angesichts des Pflegenotstands und des Fehlens palliativmedizinischer Kompetenz in manchen Einheiten.

Ein zweiter Aspekt hat ebenfalls damit zu tun. So heißt es richtigerweise: „Die auf dem Bogen dokumentierten Entscheidungen sollen die Ergebnisse eines multiprofessionellen und interdisziplinären Dialogs sein.“ Am Schluss unterschreibt aber in etwas paternalistischer Weise der Arzt allein und die Pflegenden, die zentraler Bestandteil der weiteren Betreuung sind, können dies lediglich „zur Kenntnis“ nehmen. Es ist sicher richtig, dass die letzte medizinische und ethische Verantwortung der leitende Arzt hat. Aber ethische Entscheidungen können nicht hierarchisch, sondern nur partnerschaftlich getroffen werden. De Heer und Kluge haben auf die Bedeutung der Kommunikation und der horizontalen Hierarchie in einem Schwerpunktheft hingewiesen [2]. Und Janssens hat in einem Editorial dazu sehr richtig geschrieben: „Mängel in der Kommunikation tragen wesentlich zu Fehlern bei“ [4]. Fünf Jahre später ist leider eine Chance vertan, den interdisziplinären partnerschaftlichen Dialog wirklich zu dokumentieren.

Beim nächsten Papier zu ethischen Fragen im Rahmen der Intensivmedizin wäre die qualifizierte Beteiligung der Pflege wünschenswert.