Das akute Nierenversagen (ANV; „acute kidney injury“, AKI) ist eine häufige Komplikation bei kritisch kranken Patienten, die mit deutlich erhöhter Mortalität und Morbidität einhergeht. In der prospektiv angelegten internationalen Studie „acute kidney injury–epidemiologic prospective investigation“ (AKI-EPI) an Intensivpatienten konnte bei über der Hälfte der Patienten, 1032 von 1802 (57,3 %; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 55,0–59,6), ein ANV festgestellt werden [23]. Die Sterblichkeit auf der „intensive care unit“ (ICU) war in der Gruppe mit ANV rund 3‑mal so hoch wie bei Intensivpatienten ohne ANV. Mehr als 30 % der Patienten hatten bei Krankenhausentlassung eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR) < 60 ml/min pro 1,73 m2. Da die Langzeitmorbidität sowohl für die Patienten als auch das Gesundheitssystem große Folgen hat, wird in den nächsten Jahren ein Fokus nicht nur auf dem Überleben des ANV sondern auch auf der Erholung der Nierenfunktion und der Vermeiden der Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz (CNI; „chronic kidney disease“, CKD) liegen [17]. Unabhängig von der Ursache des ANV kann es langfristig zur Entwicklung einer CNI kommen. Dies zeigt beispielsweise der gefundene Zusammenhang zwischen Präeklampsie und der Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz („end-stage renal disease“, ESRD; [58]).

Selbst bei einer augenscheinlichen Erholung der Nierenfunktion nach einem ANV bleibt das Langzeitrisiko für CNI und Dialysepflichtigkeit erhöht [17]. Daneben ist nach einem ANV unter anderem auch ein gesteigertes Risiko für kardiovaskuläre und neurologische Komplikationen festzustellen [1, 20].

Zeitverlauf des akuten Nierenversagens und Erholung

Um eine Abgrenzung der akuten von der chronischen Nierenschädigung zu ermöglichen, hat die 16. Konferenz der Acute Disease Quality Initiative (ADQI) eine zeitliche Gliederung vorgeschlagen. Die initiale Schädigung manifestiert sich üblicherweise in einem der 3 Stadien des ANV in den ersten 7 Tage nach Schädigung (Stadien nach Kidney Disease: Improving Global Outcomes [KDIGO] siehe Tab. 1). Dieses geht in die akute Nierenerkrankung (ANE, „acute kidney disease“, AKD; persistierendes ANV für 7–90 Tage) und schlussendlich in die CNI (nach 90 Tagen, Stadien siehe Tab. 2) über (Abb. 1; [38, 39, 49]).

Tab. 1 Stadien des akuten Nierenversagens. kg KG Kilogramm Körpergewicht [38]
Tab. 2 Stadien der chronischen Niereninsuffizienz [39]
Abb. 1
figure 1

Übergang vom akuten Nierenversagen in die akute Nierenerkrankung und schlussendlich in die chronische Niereninsuffizienz. Zu einer Erholung der Nierenfunktion kann es frühzeitig innerhalb von 7 Tagen kommen (frühe Erholung), oder im späteren Verlauf zwischen 7–90 Tage während der akuten Nierenerkrankung (späte Erholung). (Mod. nach [17])

Ausgehend von dieser Einteilung spricht man bei einer Erholung der Nierenfunktion innerhalb von 7 Tagen nach Eintritt des ANV von früher Erholung und innerhalb von 7–90 Tagen nach Eintritt von einer späten Erholung (Abb. 1). In früheren Studien wurde die Erholung der Nierenfunktion oft als Dialysefreiheit nach dialysepflichtigem ANV definiert [17]. Nachdem sich mit der Zeit gezeigt hat, dass sich auch niedrigere (nichtdialysepflichtige) Schweregrade des ANV deutlich auf Mortalität und Morbidität auswirken, wurde versucht, die Erholung besser zu charakterisieren [9]. Unterschieden wird zwischen einer kompletten und einer partiellen Erholung. Als komplette Erholung wird oft die Abwesenheit von ANV-Kriterien verstanden, während eine partielle Erholung oft als Sinken des KDIGO-Schweregrads (Tab. 1) definiert ist [17]. Teilweise wird auch bei einem Absinken des Serumkreatinins ≤150 % des Ausgangswerts von einer partiellen Erholung ausgegangen [9].

Pathophysiologie

Das ANV ist ein bedingt reversibler Prozess, der einen Risikofaktor für ein chronisches Nierenversagen darstellt. Entgegen früherer Annahmen ist die Niere nicht in jedem Fall in der Lage, nach einem ANV die Organfunktion ad Integrum wiederherzustellen. Die genaue Pathophysiologie des ANV und der nachfolgenden Regeneration ist bis heute nur teilweise bekannt [57]. Die Schädigung des Nierenrindenparenchyms betrifft vor allem die Funktion des Nephrons und führt unter anderem zu einem Verlust der Polarität und des charakteristischen Bürstensaums der proximalen Tubulusepithelien. In diesem Stadium sind die Tubuluszellen nicht in der Lage, die Transportfunktion aufrechtzuerhalten [29, 33]. Überleben die betroffenen Zellen diese stressinduzierte Dedifferenzierung, wird der Heilungsprozess eingeleitet, indem die verbleibenden Zellen entlang der Basalmembran zu den zerstörten Arealen migrieren, um dort wieder zu differenzieren und die Funktionalität des geschädigten Nephrons wiederherzustellen [5, 26, 27, 33].

Beim maladaptiven Heilungsprozess werden profibrotische Faktoren vom geschädigten Tubulusepithel sezerniert [57]. Diese Faktoren fördern eine vermehrte Bildung extrazellulärer Matrix und die Proliferation der interstitiellen Perizyten und Fibroblasten und tragen somit zu einer fortschreitenden Fibrosierung des Gewebes bei [34]. Der einhergehende Funktionsverlust kann bei entsprechender Ausdehnung der Schädigung vom verbleibenden Nierenparenchym nicht kompensiert werden. Klinisch manifestiert sich so eine CNI. Welche Risikofaktoren für einen maladaptiven Heilungsprozess prädestinieren, ist bis dato nicht hinreichend geklärt. Eine ausreichende prämorbide glomeruläre Filtrationsleistung und ein niedrigeres Alter gelten als protektive Faktoren im Sinne einer erhöhten renalen Reserve, während ein fulminanter Verlauf, vorangegangene ANV-Episoden sowie eine bestehende CNI das Risiko für eine Defektheilung mit dauerhaft verminderter Nierenfunktion erhöhen [10].

Wie in Abb. 2 dargestellt, wird ein bidirektionaler Zusammenhang zwischen ANV und CNI angenommen. Auf der einen Seite kann eine vorbestehende CNI einen Risikofaktor für die Entwicklung eines ANV darstellen [28], während Patienten mit ANV häufiger eine CNI entwickeln als solche ohne [21].

Abb. 2
figure 2

Akutes Nierenversagen (ANV) und die chronische Niereninsuffizienz (CNI) als zusammenhängende Syndrome. ESRD „end-stage renal disease“/terminales Nierenversagen. (Mod. nach [10])

Renale Morbidität und Mortalität

Renale Morbidität

In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass zwar viele kritisch kranke Patienten ein ANV entwickeln [23], gleichzeitig ist dies bei den meisten Betroffenen nur ein passageres Phänomen.

Eine große Datenanalyse der Veterans Health Administration von Patienten ohne vorbestehende chronische oder terminale Niereninsuffizienz an 17.049 Patienten mit und 87.715 ohne ANV hat die Erholungsraten vom ANV erhoben. Die meisten Patienten erlitten ein ANV im Stadium 1 (91 %), wovon sich innerhalb von 2 Tagen 71 % erholten. Von den Patienten mit ANV entwickelten signifikant mehr eine CNI (31,8 %) im Vergleich zu Patienten ohne (15,5 %, p < 0,001; [21]). In der AKI-EPI-Studie zeigte sich ein ähnliches Verhältnis für eine GFR < 60 ml/min pro 1,73 m2 bei Patienten mit bzw. ohne ANV bei Krankenhausentlassung (32,7 vs. 14,8 %; p < 0,001; [23]). Dies konnte durch eine Metaanalyse bestätigt werden, in der die gepoolte Hazard Ratio (HR) für die Entwicklung einer CNI 8,8 (95 %-KI: 3,1–25,5) und für ein terminales Nierenversagen 3,1 (95 %-KI: 1,9–5,0) betrug [14]. Bei Patienten mit radikaler Nephrektomie, die selbst bereits einen Risikofaktor für eine CNI darstellt [25], wurde gezeigt, dass jene Kohorte, die postoperativ ein ANV entwickelte, ein 4,24-fach erhöhtes Risiko für eine neu aufgetretene CNI aufwies [12].

Die Erholungsgeschwindigkeit der Nierenfunktion nach ANV wirkt sich auf das CNI-Risiko aus

Neben dem prinzipiellen Auftreten eines ANV wirkt sich auch die Erholungsgeschwindigkeit der Nierenfunktion deutlich auf das Risiko aus, eine CNI zu entwickeln. Eine rasche Erholung scheint das Risiko für eine CNI signifikant zu reduzieren. So betrug das adjustierte Risiko, eine CNI Grad 3 oder höher zu entwickeln, bei schneller Erholung der Nierenfunktion (innerhalb von 2 Tagen) nur 1,43 (95 %-KI: 1,39–1,48). Eine Erholung innerhalb von 3–10 Tagen war mit einem Risiko von 2,00 (95 %-KI: 1,88–2,12) verbunden, während Patienten, deren Nierenfunktion sich nur langsam erholt, ein Risiko von 2,65 (95 %-KI: 2,51–2,80) für eine CNI aufwiesen [21].

Ein stattgehabtes ANV erhöht die Wahrscheinlichkeit, langfristig eine Dialyse zu benötigen. In einer Kohortenstudie an insgesamt 62.096 Patienten konnte gezeigt werden, dass es abhängig vom Schweregrad des ANV zu einer deutlichen Zunahme des Risikos kommt, ein terminales Nierenversagen zu entwickeln. Bei Einstufung des ANV nach den RIFLE-Kriterien („risk, injury, failure, loss of kidney function, end-stage kidney disease“) zeigte sich bei Patienten mit RIFLE-Stadium „risk“ eine HR von 2,03 (95 %-KI: 1,56–2,56), bei „injury“ eine HR von 3,99 (95 %-KI: 3,04–5,23) und bei „failure“ eine HR von 10,40 (95 %-KI: 8,54–12,69) für die Entwicklung eines terminalen Nierenversagens [22]. In einer verlängerten Nachbeobachtung der RENAL-Studie (Randomized Evaluation of Normal vs. Augmented Levels of renal replacement therapy) zeigte sich, dass nach einem dialysepflichtigen ANV auf lange Sicht 5,4 % der Patienten auch weiterhin eine Dialyse benötigen [19]. Eine ähnliche Inzidenz konnte bei einer Nachuntersuchung von 425 ANV-Patienten, davon 226 mit dialysepflichtigem ANV, gezeigt werden. Hier betrug nach 5 Jahren die Dialyseinzidenz 5 % [51].

Interessant sind die Ergebnisse von Bell et al., die eine retrospektive Kohortenstudie an 2202 Patienten durchführten, deren Nachuntersuchung 90 Tage nach Beginn des ANV startete und bis maximal 10 Jahre danach dauerte. Hier zeigte sich, dass von 998 Patienten 3,4 % (34 Patienten; 3,6 % der initial mit „continuous renal replacement therapy“ [CRRT] und 2,3 % der initial mit intermittierender Hämodialyse [IHD] behandelten Patienten) im weiteren Verlauf chronisch dialysepflichtig wurden [2]. Die Arbeit von Wald et al. mit einem Nachuntersuchungszeitraum von im Median 3 Jahren konnte eine unterschiedliche Inzidenzrate für chronische Dialyse abhängig vom initial angewandten Dialyseverfahren zeigen. Bei initial intermittierender Hämodialyse im ANV betrug die Inzidenzrate für chronische Dialyse 8,2 pro 100 Personenjahre und bei initial kontinuierlicher Dialyse betrug sie 6,5 pro 100 Personenjahre [59].

Einflussfaktoren auf die Erholung der Nierenfunktion

Generell kann davon ausgegangen werden, dass alle Maßnahmen zur Vermeidung des Nierenversagens bzw. zur Protektion der Nierenfunktion zu einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Früherholung beitragen. Hierzu zählen unter anderem die Optimierung der Nierenperfusion sowie die Vermeidung von Volumenüberladung, Hyperglykämie(n) und nephrotoxischen Substanzen. Falls deren Einsatz unvermeidlich ist, sollte dieser unter engmaschigen Medikamentenspiegelbestimmungen erfolgen [17, 30].

Weitere Einflussfaktoren auf die Erholung sind grundsätzlich ein hohes Alter des Patienten sowie Komorbiditäten, wie Hypertonie, Diabetes mellitus und kardiale (Vor‑)Erkrankungen [2, 17, 36]. Zusätzlich stellen ein höherer Schweregrad der akuten Erkrankung (Simplified Acute Physiology Score [SAPS], Acute Physiology And Chronic Health Evaluation [APACHE]) und eine hämodynamische Instabilität Risikofaktoren für das Ausbleiben oder nur eine partielle Erholung der Nierenfunktion dar [17, 36].

Ob die Anwendung einer Nierenersatztherapie während des ANV selber bereits zu einer verschlechterten renalen Erholung beiträgt, ist unklar. Manche Daten zeigen in diese Richtung. Eine Interpretation wird jedoch durch unzählige Confounder, die bei solchen Patienten zu berücksichtigen sind, erschwert [13, 17, 41]. Ebenfalls unklar ist es, ob die Modalität der Nierenersatztherapie, also die Anwendung intermittierender oder kontinuierlicher Verfahren, die Erholung beeinflusst. Einige retrospektive Studien zeigten, dass nach kontinuierlichen Verfahren die Rate an CNI niedriger ist als nach einer Behandlung mit einem intermittierenden Verfahren [2, 59]. In einer Metaanalyse bestätigte sich dieses Bild, dass bei retrospektiven Beobachtungsstudien die kontinuierlichen Verfahren einen Vorteil zeigten. Dieser Effekt konnte jedoch bei randomisierten kontrollierten Studien nicht bestätigt werden [52].

Ein hohes Alter sowie Komorbiditäten beeinflussen die Erholung der Nierenfunktion

In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass eine stark protein- bzw. salzhaltige Ernährung die maladaptiven Prozesse verstärken und damit die Erholung der Nierenfunktion einschränken kann [54, 56]. Andererseits existieren Hinweise dafür, dass Aminosäuren den renalen Blutfluss und die GFR steigern können [6]. Doig et al. demonstrierten an 474 kritisch kranken Patienten, dass infundierte Aminosäuren eine Steigerung der geschätzten (e)GFR (+ 7,7 ml/min pro 1,73 m2; 95 %-KI: 1,0–14,5 ml/min pro 1,73 m2) sowie der Harnmenge (+ 300 ml pro Tag; 95 %-KI: 145–455 ml) bewirken konnten. Für klinische Endpunkte, wie dem Einsatz von Nierenersatztherapie, Mortalität, Beatmungsdauer oder Dauer des Krankenhausaufenthalts, konnte kein Unterschied gezeigt werden [15, 32].

Frühmortalität

Abhängig vom Schweregrad der akuten Nierenschädigung ist das Mortalitätsrisiko erhöht. Der KDIGO-Klassifikation folgend eingeteilte Patienten wiesen eine Odds Ratio (OR) für eine erhöhte Mortalität von

  • 2,19 bei KDIGO 1 (95 %-KI: 1,44–3,35),

  • 3,88 bei KDIGO 2 (95 %-KI: 2,42–6,21) und

  • 7,18 bei KDIGO 3 (95 %-KI: 5,13–10,04)

auf [23]. Einen ähnlichen Zusammenhang zeigte bereits eine frühere Analyse für den Zusammenhang zwischen adjustierter Mortalität und ANV-Stadium. Die standardisierten Mortalitätsraten waren für ein ANV der AKIN-Stufe (AKIN: Acute Kidney Injury Network) 1 und 2 (1,17 und 1,16) ähnlich erhöht, bei Stufe 3 zeigte sich ein weiterer Anstieg auf 1,31 [31].

Auch bereits eine Erhöhung des Kreatinins während des Aufenthalts um lediglich 20 % führte zu einer HR von 1,577 für erhöhte Mortalität. Bei einem Anstieg um mehr als das 1,5-fache vom Ausgangswert nahm die HR auf 1,704 zu [46]. Auch wenn eine Erhöhung des Kreatinins unabhängig von einer eingeschränkten Nierenfunktion durch viele Faktoren (Alter, Geschlecht, Körpergewicht, Muskelmasse, Medikamente [4, 16, 45]) bedingt sein kann, sollte die erhöhte Mortalität nicht unbeachtet bleiben.

Spätmortalität

Nach der Krankenhausentlassung bleibt das erhöhte Mortalitätsrisiko bestehen. Insgesamt zeigte sich in einer Metaanalyse von 9 Studien eine gepoolte Gesamtmortalität von 24,2 % (95 %-KI: 3–73,3 %). Im Vergleich zu Patienten ohne ANV hatten diese mit ANV eine gepoolte HR zu versterben von 2,0 (95 %-KI: 1,3–3,1; [14]).

Betrachtet man die Langzeitmortalität nach einem ANV ist auch hier eine teils beträchtliche Erhöhung zu erkennen. In der bereits erwähnten verlängerten Nachbeobachtung der RENAL-Studie zeigte sich bei einer Nachuntersuchungsdauer von im Median 43,9 Monaten (Interquartilsabstand 30,0–48,6 Monate) bei Patienten mit niedriger Dialyseintensität eine Mortalität von 63 % gegenüber 62 % bei Patienten mit erhöhter Intensität [19]. Es wurde auch gezeigt, dass bereits ein erstgradiges ANV (nach „propensity score matching“) mit einem reduzierten 10-Jahres-Überleben einhergeht (p = 0,036; [44]).

Bereits ein erstgradiges ANV geht mit einem reduzierten 10-Jahres-Überleben einher

Bestätigt wurden diese Ergebnisse durch eine große Nachuntersuchung des Swedish Intensive Care Register an 103.363 Patienten. Hier zeigte sich die höchste 1‑Jahres-Mortalität bei Patienten mit akut-auf-chronischem Nierenversagen (54 %), eine Mortalität von 48,7 % bei Patienten nach ANV und eine geringfügig niedrigere Mortalität bei vorbestehender CNI von 47,6 %. Die 5‑Jahres-Mortalität lag bei Patienten nach ANV bei 61,8 %, bei CNI betrug sie 71,3 % und bei akut-auf-chronischem Nierenversagen 68,2 % [50]. Bei dieser doch deutlich erhöhten Mortalität spielen unter anderem neben der renalen Komponente auch kardiovaskuläre und neurologische Komplikationen eine deutliche Rolle.

Kardiovaskuläres und neurologisches Outcome

Kardiovaskuläre Komplikationen

Das Auftreten von ANV wird mit der vermehrten Entwicklung von kardiovaskulären Komplikationen nach Entlassung in Verbindung gebracht. Eine dänische Nachuntersuchung von 4742 Patienten (davon erlitten 1457 ein ANV) ergab einen Risikoquotienten für das 5‑Jahres-Risiko des kardiovaskulären Endpunkts von 1,41 (95 %-KI: 1,11–1,80; [20]).

In einer Studie mit 360 Patienten mit ANV/akuter Tubulusnekrose (ATN) zeigte sich während der 4‑jährigen Nachuntersuchungsperiode ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen in Patienten, die eine CNI entwickelten (62,7 % vs. 21,7 %, p < 0,05). Patienten mit CNI hatten eine OR von 2,57 für kardiovaskuläre Komplikationen genauso wie Patienten mit mehr als einer Episode von ANV (OR 1,58), Hypertonie (OR 4,1), Diabetes mellitus Typ 2 (OR 3,22), ischämischer Herzerkrankung (OR 5,51), peripherer Gefäßerkrankung (OR 3,53) und mit einem Alter über 66 Jahre (OR 1,06; [1]). Insgesamt zeigte sich in einer Metaanalyse ein um 86 % erhöhtes relatives Risiko (RR 1,86; 95 %-KI 1,72–2,01) für eine kardiovaskuläre Sterblichkeit mit einem um 40 % erhöhten Risiko für einen akuten Myokardinfarkt (RR 1,40; 95 %-KI 1,23–1,59) und einem um 58 % erhöhten Risiko für Herzversagen (RR 1,58; 95 %-KI 1,46–1,72; [48]).

Die kardiovaskulären Komplikationen bei Patienten mit einer CNI sind hinreichend bekannt. Interessant ist allerdings die Tatsache, dass Patienten nach einem ANV unabhängig von einer nachfolgenden Progression zu einer CNI bzw. einem terminalen Nierenversagen bereits ein erhöhtes Risiko für koronare Ereignisse aufweisen (HR 1,67; 95 %-KI: 1,36–2,04; [60]). Möglicherweise wird die erhöhte Rate an kardialen Komplikationen nach einem ANV unter anderem durch erhöhte Konzentrationen von Tumornekrosefaktor α und Interleukin 1 verursacht, die zusammen mit ICAM-1-mRNA in einem Rattenmodell mit ischämischen ANV im Herz gefunden werden konnten [37]. Hier sind jedoch weitere pathophysiologische Studien nötig, bevor präventive Ansätze entwickelt werden können.

Nach einem ANV besteht ein erhöhtes Risiko für koronare Ereignisse

Ebenfalls erhöht ist die Wahrscheinlichkeit, nach einem ANV eine Hypertonie zu entwickeln. Eine retrospektive Kohortenstudie mit 2451 Patienten, die ein ANV während eines Krankenhausaufenthalts entwickelten, konnte ein um 22 % erhöhtes Risiko (OR 1,22; 95 %-KI 1,12–1,33) für die Entwicklung einer Hypertonie an diesen Patienten zeigen. Dieses Risiko bestand auch langfristig bis zum Ende der 2‑jährigen Verlaufskontrollen und sollte demnach in nachfolgenden Kontrollen bedacht werden [24].

Neurologische Komplikationen

Die Gruppe um Tsai et al. beschrieb im Jahr 2017 ein signifikant häufigeres Auftreten von Demenz in 207.788 taiwanesischen Patienten mit ANV im Vergleich zur selben Anzahl von gematchten Patienten ohne ANV (Follow-up: in den Jahren 2000–2011; 8,84 vs. 5,75 pro 1000 Personen pro Jahr; HR 1,88 [95 %-KI: 1,76–2,01]). Die höhere Inzidenz von Demenz in Patienten mit ANV blieb auch nach Stratifizierung für Alter, Geschlecht und Komorbiditäten signifikant [55].

Auch bei zerebrovaskulären Erkrankungen konnte eine Assoziation mit Proteinurie, verminderter GFR und erhöhtem Cystatin C gefunden werden. So fanden z. B. Lee et al. in einer Metaanalyse von 33 prospektiven Studien (284.672 Teilnehmer), dass das RR für einen Schlaganfall bei Patienten mit einer eGFR < 60 ml/min pro 1,73 m2 (RR: 1,43; 95 %-KI: 1,31–1,57; p < 0,001) im Gegensatz zu Patienten mit einer höheren GFR um 43 % ansteigt [42]. Der Effekt einer reduzierten GFR auf Schlaganfälle mit tödlichem Ausgang war hierbei höher, was wohl auf den Zusammenhang einer reduzierten renalen Funktion mit dadurch auftretendem oxidativem Stress und weiteren negativen Outcomeparametern zurückzuführen ist. In dieser Untersuchung zeigte die asiatische Bevölkerung mit niedriger GFR ein höheres Risiko zur Entwicklung eines Schlaganfalles. Möglicherweise ist dies auf den Einfluss einer arteriellen Hypertension als Risikofaktor zurückzuführen [42].

Es besteht ein erhöhtes relatives Risiko für einen Schlaganfall nach ANV

Die Gruppe um Odutayo et al. wies in einer Metaanalyse von 5 Studien mit insgesamt 72.347 erwachsenen Patienten nach ANV ein erhöhtes gepooltes relatives Risiko für Schlaganfälle von 1,15 (95 %-KI: 1,03–1,28) nach, wobei ein „confounding“ aufgrund der geringen Effektgröße und der Nähe des unteren Konfidenzintervalls zu 1 nicht ausgeschlossen werden konnte [48]. Kawarazaki et al. stellten in ihrer retrospektiven japanischen Kohorte aus 12 Zentren eine Assoziation von neurologischen Erkrankungen mit einem frühen Tod nach Nierenersatztherapie bei ANV (6 % vs. 1 %; OR 9,64; 95%-KI: 1,22–92,95; p = 0,03) als unabhängigen Risikofaktor fest, wobei die geringe Anzahl von Patienten eine Interpretation der Daten erschwert (n = 2 Kontrollgruppe, n = 3 in der Early-death-Gruppe; [35]).

Im chronischen Setting fanden Mehta et al. eine erhöhte jährliche Inzidenz von Schlaganfällen bei Patienten mit CNI (10 %) im Vergleich zu jenen ohne nephrologische Erkrankung (etwa 2,5 %; [47]). Langandauernde schwere renale Insuffizienz oder ein akuter Anstieg von urämischen Toxinen kann zu einem Krankheitsbild führen, das vor der Einführung von renaler Ersatztherapie für viele Patienten letale Folgen hatte: die urämische Enzephalopathie. Die Ausprägung der Symptome im Rahmen eines ANV hängt von ANV-Schweregrad, dem Wasser- und Elektrolythaushalt des Patienten sowie von seinem Alter und seinen Vorerkrankungen ab [8]. Sie reicht von leichten kognitiven Einschränkungen mit Gedächtnisverlust und Konzentrationsschwierigkeiten, Stimmungsschwankungen und Reizbarkeit sowie motorischen Symptomen (Tremor, Hyperreflexie, Asterixis) bis hin zu Somnolenz, metabolischem Koma und generalisierten epileptischen Anfällen [7].

Nachsorge

Im Hinblick auf mögliche Langzeitfolgen stellt sich die Frage, ob es möglich ist, über Nachsorgekonzepte die Morbidität und Mortalität nach einem ANV zu senken. Empfehlungen gibt es hierzu erst ansatzweise. Die KDIGO-Leitlinien empfehlen, dass bei Patienten mit ANV nach 3 Monaten nachuntersucht wird, ob es zu einer Erholung des ANV, einer neu aufgetretenen CNI oder einer Progression einer vorbestehenden CNI gekommen ist [3, 38]. Wie bereits erwähnt, entwickeln nur wenige Patienten unmittelbar nach einem ANV ein chronisches oder terminales Nierenversagen, jedoch kommt es zu einer deutlichen Erhöhung der Mortalität, insbesondere auch durch kardiovaskuläre Ursachen. Das gehäufte Auftreten von kardiovaskulären Erkrankung sowie einer Hypertonie bei Patienten nach ANV kann möglicherweise jedoch die Entwicklung einer CNI beschleunigen, selbst wenn es unmittelbar zu einer scheinbar guten Erholung der Nierenfunktion kommt [17]. Liegt eine chronische Niereninsuffizienz vor, sollte sich die Behandlung nach den Leitlinien der Kidney Disease Outcomes Quality Initiative (KDOQI, aktualisiert durch die KDIGO-CKD-Leitlinien [CKD: „chronic kidney disease“]; [39]) richten. Wenn bei einem Patienten keine Kriterien für eine CNI vorliegen, sollte dieser jedoch als CNI-Risikopatient eingestuft werden. Die Behandlung sollte den KDOQI-CKD-Leitlinien (bzw. KDIGO-CKD-Leitlinien [39]) für Patienten mit erhöhtem Risiko folgen [3, 38].

Ein wesentliches Prinzip in der Nachsorge besteht in der Vermeidung weiterer Schädigung

Ein wesentliches Prinzip in der Nachsorge besteht darin, weitere Schädigung zu vermeiden. Unter anderem empfiehlt es sich, auf nephrotoxische Medikamente, insbesondere nichtsteroidale Antirheumatika und eine unnötige Verabreichung von Kontrastmitteln, nach Möglichkeit zu verzichten [10]. Auch andere – beeinflussbare – Risikofaktoren (vgl. Abb. 2) sollten evaluiert und in die Nachsorge mit einbezogen werden. Hierzu zählen besonders eine regelmäßige Kontrolle des Blutdrucks und ggf. die Behandlung einer vorliegenden Hypertonie. Inwiefern salzarme Diäten oder die präventive Verwendung von Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems sich positiv auf die Prognose auswirken oder eventuell schädlich für die weitere Entwicklung sind, ist noch zu evaluieren [10, 11, 43].

Organisation der Nachsorge

Ein Problem bei der Nachsorge von Patienten nach ANV ist es, den Informationsfluss zwischen der das ANV behandelnden Einheit, den nachfolgenden Stationen und den betreuenden Personen nach Entlassung zu gewährleisten. Viele Patienten verbringen nach dem initialen Intensivaufenthalt teilweise noch einige Woche auf Normalstationen, wodurch das aufgetretene ANV bei Entlassung dem Behandlungsteam nicht mehr primär im Vordergrund steht. Hier empfiehlt es sich, Maßnahmen zu setzten, damit das abgelaufene ANV auch den weiterbetreuenden Personen, wie z. B. Hausärzten, bekannt ist und diese entsprechend die weitere Nachsorge organisieren können.

Die Frage, ob Patienten nach ANV von einer zum Hausarzt zusätzlichen Nachsorge durch Nephrologen profitieren, ist nicht ausreichend geklärt. Bisher untersuchten 2 Studien die Häufigkeit einer Nachsorge durch Nephrologen und fanden, dass im Schnitt nur jeder 10. Patient nephrologisch vorgestellt wurde [40, 53]. Um abzuklären, ob eine nephrologische Nachbetreuung für diese Patientengruppe von Vorteil ist, wird derzeit in Kanada die FUSION-Studie durchgeführt [18].

Problematisch in der Nachsorge des ANV ist nach wie vor, dass es keine definitiven Leitlinien hierfür gibt. Das akute und chronische Nierenversagen ist zwar jeweils durch eine KDIGO-Leitlinie abgedeckt [38, 39], jedoch lässt sich aus diesen kein direkter Behandlungsvorschlag für den Zeitraum nach der Krankenhausentlassung nach einem ANV ableiten. Forni et al. schlagen in ihrem Review erstmals einen solchen Pfad vor (Abb. 3). Prinzipiell sollte bei jedem Patienten nach einem ANV bei Entlassung die Nierenfunktion erhoben werden. Ist diese deutlich eingeschränkt, sollte der Patient nephrologisch vorgestellt werden. Ist dies nicht der Fall, sollte 3 Monate nach Entlassung eine Kontrolle und bei weiterhin stabiler Nierenfunktion eine erneute Evaluierung nach einem Jahr erfolgen. Bei Auftreten einer chronischen Nierenerkrankung sollte entsprechend der Leitlinien vorgegangen werden bzw. bei höherem Schweregrad (CNI Grad 4–5) der Patient nephrologisch vorgestellt werden [17].

Abb. 3
figure 3

Vorgeschlagenes Nachuntersuchungsschema für Patienten nach akutem Nierenversagen (ANV) Grad 2–3 im Rahmen einer kritischen Erkrankung. Wiederholte Beurteilung 3 Monate und 1 Jahr nach dem ANV sind notwendig, um das Vorhandensein und den Schweregrad einer chronischen Niereninsuffizienz (CNI) zu erkennen. In den meisten Fällen können die Verlaufskontrollen und eventuell notwendigen Behandlungen den CNI-Leitlinien [39] folgend auch ohne nephrologische Vorstellung durchgeführt werden. GFR glomeruläre Filtrationsrate. (Mod. nach [17])

Zusammenfassend sollte bei der Nachsorge der Fokus darauf liegen, Hypertonie sowie neurologische und kardiovaskuläre Erkrankungen zu erkennen und zu kontrollieren, andererseits auch rechtzeitig eine eingeschränkte Nierenfunktion wahrzunehmen und adäquat zu therapieren.

Fazit für die Praxis

  • Rezente Vorschläge für Behandlungspfade nach dem ANV geben erstmals einen Anhaltspunkt für eine organisierte Nachbetreuung und beinhalten u. a. die routinemäßige Bestimmung der Nierenfunktion zum Zeitpunkt der Krankenhausentlassung.

  • Wichtig ist eine geregelte Informationskette, um auch nachfolgend Betreuende bis zum Hausarzt über das stattgefundene ANV zu informieren.

  • Allgemein nephroprotektive Maßnahmen nach einem ANV, wie das Vermeiden von nephrotoxischen Medikamenten, sowie strikte Kontrolle von kardiovaskulären Risikofaktoren (arterielle Hypertonie, Diabetes, Hyperlipidämie) sind empfehlenswert.