Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …

  • können Sie die häufigsten Intoxikationen mit psychotropen Substanzen erkennen.

  • ist Ihnen eine Unterscheidung verschiedener Vergiftungen anhand von Toxidromen möglich.

  • kennen Sie die wesentlichen klinischen Charakteristika sowie die Wirkungsweise und Pharmakokinetik von psychotropen Substanzen.

  • verstehen Sie die Therapiekonzepte der Behandlung von Vergiftungen und Überdosierungen mit psychotropen Substanzen und können diese anwenden.

Hintergrund

Akzidentelle oder absichtliche Überdosierungen von psychotropen Substanzen sind die häufigsten Ursachen von Intoxikationen bei Erwachsenen. Zu den psychotropen Substanzen gehören einerseits Psychopharmaka, die zur Behandlung psychischer Erkrankungen therapeutisch indiziert sind, andererseits Substanzen, die aufgrund ihrer stimulierenden oder halluzinogenen Wirkung eingenommen werden. Der präsentierte Symptomenkomplex kann einen Hinweis auf die eingenommen Substanzen geben. Diese werden üblicherweise in Toxidromen zusammengefasst (Tab. 1; [1]). Oft liegt jedoch eine Intoxikation mit mehreren Substanzen vor, deren Symptomenkomplexe sich überlagern. Blut und Harndiagnostik sind hier essenziell. Im Folgenden wird ein Überblick über einige toxikologisch bedeutsame psychotrope Substanzen gegeben, deren Charakteristika und die empfohlenen Maßnahmen zur Behandlung von Überdosierungen.

Tab. 1 Toxidrome

Psychopharmaka

Vergiftungen durch Psychopharmaka können durch akzidentelle Überdosierung oder durch die Einnahme hoher Dosen in parasuizidaler oder suizidaler Absicht hervorgerufen werden. Im Folgenden sollen einige Vergiftungen mit psychotropen Medikamenten herausgegriffen werden, die sich im klinischen Alltag als besonders relevant erwiesen haben. Dazu gehören die Benzodiazepine, deren Einnahme sehr verbreitet ist, die trizyklischen Antidepressiva (TAD) mit ihrer vergleichsweise geringen therapeutischen Breite, die selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer („selective serotonin reuptake inhibitors“, SSRI) sowie die klassischen und die atypischen Neuroleptika.

Benzodiazepine

Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie

Benzodiazepine wirken modulierend auf den γ‑Aminobuttersäure-A-Rezeptor (GABAA-Rezeptor), einen ligandaktivierten Ionenkanal, der aus 5 Untereinheiten (2 α‑, 2 β‑ Untereinheiten und einer γ‑Untereinheit) aufgebaut ist. Die Benzodiazepinbindungsstelle befindet sich zwischen der α‑ und der γ‑Untereinheit. Eine Bindung von Benzodiazepin an den Rezeptor erhöht dessen Affinität für GABA. Durch die Bindung von GABA an den Rezeptor wird der Chlorideinstrom erhöht, was eine postsynaptische Hyperpolarisation und damit eine verminderte Erregbarkeit der Zelle bewirkt [2].

Klinische Symptomatik

Klinisch manifestiert sich eine Benzodiazepinintoxikation in Form von Somnolenz, Sehstörungen, Ataxie und verwaschener Sprache. Selten kommt es bei reinen Benzodiazepinintoxikationen zu einer Atemdepression. Bei Mischintoxikationen, die jedoch häufig sind (z. B. als Kombination mit Alkohol), ist der Atemantrieb öfter vermindert. Die Halbwertszeiten einiger gängiger Präparate, wie Diazepam, betragen mehr als 24 h. Die meisten Benzodiazepine unterliegen einem hepatischen Metabolismus über das Cytochrom-P(CYP)-450-System . Bei eingeschränkter Leberfunktion oder durch gleichzeitige Einnahme von Substanzen, die die entsprechenden Isoenzyme hemmen, kann es leicht zu einer Benzodiazepinakkumulation kommen. So können vor allem bei älteren Menschen auch therapeutische Dosen toxisch wirken. Bei einer Vigilanzminderung sollte daher, besonders im Alter, eine iatrogene Benzodiazepinvergiftung differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden. Auch bei Benzodiazepinabhängigen können Vergiftungen in Folge von Überdosierungen auftreten. Sie finden sich oft im Rahmen von Mischintoxikationen. Dies gilt auch für Suizidversuche mit Benzodiazepinen.

Therapieoptionen

Die spezifische Therapie der Benzodiazepinintoxikation erfolgt mit dem kompetitiven Benzodiazepinantagonisten Flumazenil (Abb. 1). Als Anfangsdosis empfiehlt der Hersteller 0,3 mg intravenös. Bei Bedarf kann im Abstand von einer Minute wiederholt jeweils 0,1 mg bis zu einer Maximaldosis von 2 mg injiziert werden. Durch Flumazenilgabe kann oft eine endotracheale Intubation vermieden und der Verdacht auf eine Benzodiazepinintoxikation erhärtet werden. Zu beachten ist, dass das Antidot bei Benzodiazepin- oder Alkoholabhängigen schwere Entzugssymptome hervorrufen kann. Aggressive Reaktionen mit Verweigerung der weiteren klinischen Beobachtung und Behandlung, aber auch Entzugskrämpfe werden beobachtet. Krampfanfälle durch Aufhebung der Benzodiazepinwirkung mittels Flumazenil können auch bei Mischintoxikationen von Benzodiazepinen mit Substanzen auftreten, die die Krampfschwelle senken (z. B. TAD). Die Wirkung von Flumazenil tritt innerhalb weniger Minuten ein, hält aber nur etwa eine Stunde an. Die Wirkdauer der meisten Benzodiazepine ist hingegen wesentlich länger, sodass mit einer neuerlichen Eintrübung und auch mit einer später auftretenden Atemdepression gerechnet werden muss. Ein klinisches Monitoring ist daher unerlässlich. Eine kontinuierliche Gabe von Flumazenil in einer Dosis von 0,25–0,4 mg/h – nach der Vigilanz titriert – kann notwendig sein. Flumazenil muss daher unter strenger Indikationsstellung und Risiko-Nutzen-Abwägung eingesetzt werden. Bei einem stabilen Zustandsbild mit ausreichender Spontanatmung und erhaltenen Schutzreflexen kann ein Monitoring vorteilhafter sein als die Antagonisierung der Benzodiazepinwirkung [3, 4, 5].

Abb. 1
figure 1

Therapie der Intoxikationen mit psychotropen Substanzen. ABCDE-Schema „airway, breathing, circulation, disability, exposure/enviroment“, EKG Elektrokardiogramm, SSRI Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotoninwiederaufnahmeinhibitoren

Trizyklische Antidepressiva

Zu den klassischen TAD gehören die Substanzen Amitriptylin, Nortriptylin, Imipramin und Desipramin. Die TAD haben heute aufgrund des vermehrten Einsatzes der SSRI an Bedeutung verloren und sind auch größtenteils vom Markt genommen worden. Vor allem Amitriptylin wird auch heute noch therapeutisch verwendet und kann daher – meist in suizidaler Absicht – überdosiert werden und schwere Vergiftungen herbeiführen.

Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie

Die Toxizität der TAD beruht auf verschiedenen pharmakologischen Mechanismen:

  • auf ihrer anticholinergen Wirkung (Hemmung an zentralen und peripheren muskarinischen Acetycholinrezeptoren),

  • auf der Hemmung der präsynaptischen Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin,

  • auf der Hemmung peripherer α1-Adrenozeptoren,

  • auf der Blockierung des schnellen Natriumkanals,

  • auf der Blockade von Histamin(H1)-Rezeptoren und

  • auf der hemmenden Wirkung am GABAA-Rezeptor im zentralen Nervensystem (ZNS; [6]).

Klinische Symptomatik

Die klinischen Symptome einer Vergiftung mit TAD lassen sich im Wesentlichen in anticholinerge, zentralnervöse und kardiovaskuläre Effekte unterteilen: Die anticholinergen Effekte umfassen Hyperthermie, Flush, Mydriasis, aber auch vital bedrohliche Komplikationen, wie Harnverhalten, Ileus, toxisches Megakolon und Darmperforation. Die ZNS-Toxizität kann sich in Form von Verwirrtheit, Halluzinationen, Delir und Krämpfen äußern. Die quantitative Bewusstseinsstörung bei TAD-Vergiftung kann von Somnolenz bis zum tiefen Koma reichen. Auch kardiovaskuläre Symptome sind häufig: Oft bestehen eine Sinustachykardie und eine Hypotonie, letztere bei 14–51 % der Betroffenen. Die myokardiale Erregungsausbreitung ist verlangsamt, was sich im Elektrokardiogramm (EKG) in einer Verlängerung der PQ-Zeit, der QRS-Dauer und der QT-Zeit manifestieren kann. Maligne Rhythmusstörungen, wie Kammertachykardien oder Torsade de Pointes, wurden bei etwa 2,5 % der Fälle beobachtet [7].

Therapieoptionen

Die Therapie der TAD-Intoxikation gründet auf Tierversuchen und Fallberichten (Abb. 1). Kontrollierte klinische Studien fehlen. Natriumbikarbonat erhöht den pH-Wert im Plasma und begünstigt so die ungeladene Form der TAD, was die Bindungsfähigkeit am Natriumkanal vermindert. Eine hohe extrazelluläre Natriumkonzentration erhöht zudem den elektrochemischen Gradienten an der Zellmembran und vermindert somit wahrscheinlich die Blockade des schnellen Natriumkanals [8]. Liegt im EKG eine Verbreiterung des Kammerkomplexes vor, wird empfohlen, zunächst 100–150 ml 8,4 %iges Natriumbikarbonat als Kurzinfusion zu verabreichen und dann eine Dauerinfusion anzuschließen. Für Erwachsene kann dazu eine Infusion bestehend aus 150 ml 8,4 %igem Natriumbikarbonat und 1 l 5 %iger Glukose infundiert werden (250 ml/h), bis sich die QRS-Dauer normalisiert. Blutzucker, pH-Wert und Natriumkonzentration sind dabei engmaschig zu kontrollieren [8]. Eine frühzeitige Gabe von Aktivkohle vermindert die enterale Resorption. Da TAD einem enterohepatischen Kreislauf unterliegen, kann die Elimination durch die enterale Gabe von Aktivkohle (25 g alle 4 h) beschleunigt werden, sofern ausreichende Schutzreflexe erhalten sind oder der Atemweg mittels Endotrachealtubus gesichert ist. Eine zusätzliche Verabreichung von Laxanzien und enteraler Flüssigkeit kann die Ausscheidung verbessern und einem Verkleben der Aktivkohle im Gastrointestinaltrakt entgegenwirken. Da TAD lipophil sind, ein hohes Verteilungsvolumen und eine hohe Plasmaeiweißbindung haben, ist eine relevante Elimination mittels Hämodialyse nicht möglich. Hämoperfusion wurde bei TAD-Vergiftungen eingesetzt. Das große Verteilungsvolumen der Substanzen limitiert aber auch die Effizienz dieses Verfahrens, das insgesamt an Bedeutung verloren hat [9].

Symptomatische Therapiemaßnahmen bei der TAD-Vergiftung umfassen Blutdruckstabilisierung, Behandlung von Herzrhythmusstörungen und das Management der ZNS-Symptome. Bei Hypotonie wird zunächst Flüssigkeit in Form kristalloider Lösungen verabreicht, wobei eine exzessive Hydrierung wegen der Gefahr eines „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS) vermieden werden muss. Noradrenalin ist Mittel der Wahl, wenn eine adäquate Hydrierung zur Blutdruckstabilisierung nicht ausreicht. Alternativ kann Phenylephrin eingesetzt werden. Krampfanfälle werden mit Benzodiazepinen terminiert. Bei tiefem Koma ist die Intubation rechtzeitig durchzuführen, um eine Aspiration zu vermeiden [7, 10].

Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer

Die SSRI sind weit weniger toxisch als die TAD. Es sind jedoch tödliche Vergiftungen nach Einnahme sehr hoher SSRI-Dosen berichtet worden.

Pathophysiologie und Wirkungsmechanismus

Eine erhöhte Toxizität zeigte sich meist bei Mischintoxikationen, z. B. in Kombination mit Alkohol oder Benzodiazepinen. Tab. 2 listet einige häufig verordnete SSRI auf. Nach einer Einnahme von Dosen bis zur 30-fachen Standarddosis treten in der Regel nur geringe Vergiftungssymptome auf. Ursächlich wird eine Hemmung von Natrium- und Kalziumkanälen angeschuldigt [11, 12].

Tab. 2 Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI)

Klinische Symptomatik

Wird das 50- bis 75-Fache der normalen Tagesdosis eingenommen, werden oft Bewusstseinstrübung, Tremor und Erbrechen beobachtet. Ab der 150-fachen therapeutischen Dosis kann es zu Todesfällen kommen. Bei den meisten Todesfällen, die nach SSRI-Vergiftungen aufgetreten sind, waren zusätzliche Substanzen in toxischen Konzentrationen beteiligt.

Das Serotoninsyndrom kann durch Überstimulation der Serotoninrezeptoren (5-HT1A und 5‑HT2A) ausgelöst werden. Ursächlich kommen neben einer Intoxikation mit einer serotoninergen Substanz auch Arzneimittelinteraktionen mehrerer serotoninerger Pharmaka in Betracht; auch ein verminderter Serotoninabbau, wie er durch Monoaminoxidase(MAO-)-Hemmer, u. a. auch durch das Antibiotikum Linezolid, hervorgerufen wird. Klinisch äußert sich das Serotoninsyndrom in Form von Muskelkrämpfen und Muskelsteife, von okulären Kloni, Fieber, Schwitzen, Zittern, hohem Fieber, Tachykardie, Agitiertheit und Hypertonie. Rhabdomyolyse, generalisierte Anfälle, eine metabolische Acidose und eine Verbrauchskoagulopathie können als Komplikationen auftreten [13].

Besonderheiten

Citalopram zeigt offenbar im Vergleich mit den anderen SSRI eine etwas ausgeprägtere Kardiotoxizität. QT-Zeit-Verlängerungen mit dem Risiko von Torsades de Pointes, Blockbilder und ventrikuläre Extrasystolen wurden berichtet. Diese Symptome traten fast ausschließlich nach Einnahme von mehr als 600 mg Citalopram auf. Durch Natriumbikarbonat kann die Kardiotoxizität von Citalopram – analog zu den TAD – erfolgreich therapiert werden. Escitalopram soll in toxischen Dosen häufiger Krämpfe auslösen, dafür aber weniger kardiotoxisch sein als Citalopram [14]. Bei Vergiftungen mit Paroxetin wurden Hyponatriämien durch inadäquate Freisetzung von antidiuretischem Hormon (SIADH) beobachtet.

Therapieoptionen

Supportive Maßnahmen und Monitoring sind bei SSRI-Vergiftungen in der Regel ausreichend (Abb. 1). Wie bei der TAD-Vergiftung bestehen sie aus einer Stabilisierung des Blutdrucks und der Behandlung von ZNS-Symptomen. Krämpfe sollen mit Benzodiazepinen, wie Lorazepam, behandelt werden. Auch die Resorption von SSRI kann durch die Gabe von Aktivkohle, oral oder über eine Magensonde, deutliche reduziert werden. Eine Einzeldosis von 50 g Aktivkohle wird daher empfohlen, vor allem, wenn die SSRI-Einnahme weniger als 2 h zurück liegt. Bestehen Zeichen einer Kardiotoxizität, ist eine Behandlung mit Natriumbikarbonat analog zur TAD-Vergiftung angezeigt.

Klassische Neuroleptika

Die klassischen Neuroleptika werden in niederpotente und hochpotente Neuroleptika eingeteilt. Zu den niederpotenten Neuroleptika gehören Chlorpromazin, Thioridazin, Chlorprothixen, Fluphenazin, Hydroxyzin, Mesoridazin Promethazin und Triflupromazin.

Zur Gruppe der hochpotenten Neuroleptika werden unter anderen Haloperidol, Droperidol, Pimozid, Thiotixen und Trifluoperazin gezählt.

Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie

Neuroleptika sind Dopamin-D2-Rezeptor-Antagonisten, die im Kortex, den Basalganglien, dem Hypothalamus, im limbischen System und in der Chemorezeptortriggerzone wirken.

Klinische Symptomatik

Vergiftungssymptome der klassischen Neuroleptika sind Bewusstseinstrübung, extrapyramidalmotorische Störungen wie Dyskinesien und Krämpfe, Hyperthermie, EKG-Veränderungen wie Verlängerung der QT-Zeit mit dem Risiko komplexer Arrhythmien, wie Torsades de Pointes, die vereinzelt auch nach intravenöser Injektion therapeutischer Dosen beobachtet wurden. Abflachung der T‑Welle und Auftreten einer U‑Welle sind weitere mögliche elektrokardiographische Stigmata. Eine Atemdepression tritt im Rahmen einer Neuroleptikavergiftung selten auf. Sehr selten kommt es zum toxischen Lungenödem.

Therapieoptionen

Die Therapie der Vergiftung mit klassischen Neuroleptika erfolgt vorwiegend supportiv (Abb. 1). Sie zielt entsprechend den klinischen Symptomen auf eine Kontrolle der ZNS-Symptomatik, der Herzrhythmusstörungen, möglicher respiratorischer Symptome und eine Stabilisierung der Hämodynamik ab. Bei Hypotonie erfolgt sie mit Flüssigkeitsgabe in Form von isotoner Kochsalzlösung und Elektrolytkorrektur. Natriumbikarbonatinfusionen werden wie bei TAD-Vergiftung verabreicht, wenn sich im EKG eine QT-Verlängerung zeigt. Noradrenalin oder Phenylephrin werden bei flüssigkeitsrefraktärer Hypotonie eingesetzt. Torsades de Pointes werden mit 1–2 g Magnesium, Defibrillation und eventuell mittels Interimsschrittmacher und „overpacing“ behandelt. Gegen extrapyramidalmotorische Symptome ist Diphenhydramin in einer intravenösen Dosis von 25–50 mg wirksam. Amantadin, Benzodiazepine oder Propranolol stellen Alternativen dar [10]. Bei akuter Akathisie ist Trazodon mit Erfolg verabreicht worden [15]. Bei neuroleptikainduzierter maligner Hyperthermie, die allerdings dosisunabhängig auftreten kann, kann eine mechanische Kühlung erforderlich werden. Die medikamentöse Therapie erfolgt mit dem Muskelrelaxans Dantrolen, mit dem Dopaminagonisten Bromocriptin oder mit dem dopaminerg und anticholinerg wirksamen Amantadin. Aufgrund ihrer Lipophilie, ihres großen Verteilungsvolumens, und ihrer hohen Plasmaeiweißbindung lassen sich Neuroleptika mittels Hämodialyse nicht effizient eliminieren. Das große Verteilungsvolumen schränkt auch die Effektivität der Hämoperfusion ein. Allerdings wurde bei Clozapinvergiftungen eine raschere Erlangung des Bewusstseins unter Hämoperfusion berichtet [16].

Atypische Neuroleptika

Zu den atypischen Neuroleptika zählt man Clozapin, Risperidon und seinen aktiven Metaboliten Paliperidon, sowie Olanzapin, Quetiapin, Ziprasidon und Aripiprazol.

Wirkmechanismus und Pathophysiologie

Die Wirkmechanismen der atypischen Neuroleptika oder Antipsychotika zweiter Generation umfassen einen Antagonismus am Dopamin-D2-Rezeptor. Die Affinität ist allerdings niedriger als die der klassischen Neuroleptika. Zudem werden vorwiegend D2-Rezeptoren im mesolimbischen System gehemmt und weniger diejenigen im nigrostriatalen System und im präfrontalen Kortex. Außerdem wirken atypische Neuroleptika antagonistisch am 5‑HT2A-Subtyp des Serotoninrezeptors.

Klinische Symptomatik

Atypische Neuroleptika verursachen, verglichen mit den klassischen Neuroleptika, seltener extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen und Spätdyskinesien. Typische Vergiftungssymptome umfassen Hypotension, Tachykardien, anticholinerge Symptome, wie Sehstörungen, Harnverhalten, Obstipation, Mundtrockenheit und Bauchschmerzen sowie Atemdepression, Krämpfe und wechselnde Bewusstseinslage. Ziprasidon dürfte innerhalb der Gruppe mit dem höchsten Potenzial an Kardiotoxizität belastet sein. Sie zeigt sich in Form einer QT-Verlängerung und einer T‑Abflachung. Supraventrikuläre und ventrikuläre Arrhythmien wurden beobachtet.

Therapieoptionen

Bei Auftreten von Tachyarrhythmien wird zu Natriumbikarbonatinfusionen – analog den Empfehlungen bei TAD-Vergiftung – geraten (Abb. 1). Die weiteren supportiven Therapieoptionen umfassen Aktivkohle, bevorzugt als Einmalgabe, bei Hypotonie Kristalloide, gegebenenfalls Noradrenalin und bei schweren anticholinergen Symptomen Physostigmin. Benzodiazepine sind bei agitierten Patienten Mittel der Wahl. Bei akuten Dystonien kann Diphenhydramin aufgrund seiner anticholinergen Wirkung Anwendung finden. Extrakorporale Eliminationsverfahren, wie Hämodialyse oder Hämoperfusion, werden nicht empfohlen.

Missbräuchliche Einnahme psychotroper Substanzen

Partydrogen („recreational drugs“) werden aufgrund ihrer psychotropen Funktion häufig missbräuchlich eingenommen. Häufig handelt es sich dabei um Psychopharmaka oder deren synthetische Derivate . Generell lassen sich dabei Sedativa, Stimulanzien sowie Halluzinogene unterscheiden.

Die Symptome der Überdosierung ergeben sich aus der jeweiligen Substanz. Komplizierend kommt bei Vergiftungen mit diesen psychotropen Substanzen hinzu, dass häufig Kombinationen verwendet werden, die einerseits das Symptomenbild stark verwischen, andererseits aufgrund additiver Effekte mit einer hohen Toxizität einhergehen können. Im Folgenden werden die einzelnen Drogen und deren Charakteristika individuell diskutiert.

Sedierende Drogen („Downer“)

In die Kategorie der sedierenden Drogen fallen primär Alkohol, Benzodiazepine, Opiate, Cannabis und Cannabinoide. Die Alkoholintoxikation gilt als die am häufigsten vorkommende Vergiftung. Eine Behandlung dieses Themas überschreitet die Vorgaben für diesen Artikel. Benzodiazepine wurden im vorangehenden Kapitel bereits behandelt.

Opiate

Das am häufigsten verwendete Opiat ist Heroin. Dieses wird meistens injiziert, aber auch eine inhalative Anwendung ist möglich.

Wirkungsmechanismen und Pathophysiologie.

Die Wirkung der Opioide wird durch 3 verschiedene G‑Protein-gekoppelte heptahelikale Rezeptoren vermittelt, durch den μ‑, den κ‑ und den δ‑Rezeptor. Eine Erregung des μ‑Rezeptors hat den stärksten analgetischen Effekt, zusätzlich eine euphorisierende, sedierende, darmparalytische und eine atemdepressive Wirkung. Eine Stimulation des δ‑Rezeptors bewirkt neben Analgesie ebenfalls Hemmung der gastrointestinalen Motilität und der Atmung. Der κ‑Rezeptor vermittelt neben Analgesie, Sedierung und Hemmung der Darmmotilität auch Dysphorie. Heroin wird im Gehirn zu 6‑Monoacetylmorphin und Morphin deacetyliert. Beide Metabolite wirken vorwiegend über Stimulation des µ‑Rezeptors. Im Vordergrund stehen bei einer Opioidintoxikation die neurologische Symptomatik mit Sedierung bis zum Koma und die Atemdepression.

Klinische Symptomatik.

Klinisch imponieren Sedierung, die verminderte Atemfrequenz, möglicherweise Verlust von Schutzreflexen sowie die stecknadelkopfgroßen Pupillen und Hypotonie. Es werden aber auch andere neurologische Manifestationen, wie generalisierte Krämpfe, Hirninfarkte sowie schwere Leukenzephalopathien , berichtet [17, 18]. Komplizierend kommt bei höheren Dosen von Opiaten neben der Sedierung die ausgeprägte Analgesie, die das Auftreten von Drucknekrosen begünstigt und in schweren Fällen zur Rhabdomyolyse mit Nierenversagen führen kann. Des Weiteren ist bei Opiaten das Auftreten von toxischem Lungenödem üblicherweise im Zeitraum von 24–48 h berichtet worden.

Bei mangelnder Hygiene im Rahmen wiederholter intravenöser Verabreichung von Opiaten sind schwere infektiöse Komplikationen möglich (z. B. Endokarditis, Bakteriämie). Das damit verbundene Auftreten einer Sepsis kann eine neurologische Symptomatik im Rahmen einer septischen Enzephalitis vortäuschen, die zu diesem Zeitpunkt nicht von der Substanz selbst herrühren muss.

Therapieoptionen.

Die Behandlung besteht in einer symptomatischen Therapie sowie dem Einsatz eines Antidots (z. B. Naloxon 0,4 mg), das wegen der kürzeren Halbwertszeit als die verwendeten Drogen oft repetitiv zu verabreichen ist (Abb. 1). Ein klinisches Monitoring ist unverzichtbar. Die Antidotgabe ist zu titrieren, zumal eine zu rasche Absenkung der Opiatspiegel zu Entzugssymptomatik (Unruhe, Schmerzen, Tachyarrhythmien, Hypertonie, Erbrechen, Diarrhö) mit paranoiden Zustandsbildern und Aggression führen kann.

Cannabis und Cannabinoide

Cannabis gilt als weitverbreitete und in Europa am häufigsten verwendete (Einstiegs)droge[19], die meist inhaliert oder oral zugeführt wird.

Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie.

Der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) stammt aus der Hanfpflanze (Cannabis). Die Wirkung wird überwiegend durch Bindung an Cannabinoid-1(CB1)-Rezeptoren in zentralen und peripheren Nervenzellen vermittelt [20, 21]. Die dadurch resultierende Modulation der Neurotransmitterfreisetzung bewirkt Euphorie, Entspannung und Analgesie. Die orale Resorptionsrate (Bioverfügbarkeit) beträgt etwa 6 % des zugeführten THC, die inhalative hingegen etwa 30 % und zeigt somit einen raschen Wirkungseintritt [22]. Die Plasmaelimination erfolgt in mehreren Phasen, die terminale Halbwertszeit liegt zwischen 19 und 36 h.

Klinische Symptomatik.

Somatische Effekte bei Überdosierung bestehen in Übelkeit, Mydriasis sowie moderater Atemdepression und Hypotonie, die speziell in Kombination mit Alkohol durchaus ausgeprägt sein können [23]. Schwere Wahrnehmungsstörung und Halluzinationen (Horrortrips) können auftreten.

Problematischer sind synthetische Cannabinoide (Spice, Lava Red), von denen eine fast unüberschaubare Anzahl von Varianten erhältlich ist. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um CB1-Rezeptor-Agonisten mit schmerzlindernden und psychoaktiven Effekten, die nur zum Teil mit dem klassischen THC verwandt sind [24]. Illegal hergestellte Derivate werden Kräuter- und Duftmischungen (z. B. Spice) beigemischt. Überdosierungen können zu ausgeprägter Hypertonie, Tachykardie, Arrhythmien bis zur Asystolie führen [25].

Therapieoptionen.

Die Therapie ist symptomatisch, eine Überwachung der Vitalfunktion ist in seltenen Fällen bei ausgeprägter Hypotonie oder Arrhythmien indiziert.

Stimulanzien („Upper“)

Die Gruppe der Stimulanzien umfasst im Wesentlichen Kokain, Amphetamine sowie Amphetaminabkömmlinge.

Kokain

Kokain (Cocain) ist ein weißes Pulver, das aus der Kokapflanze gewonnen wird. Meist wird Kokain als Pulver gesnifft. Es kann auch unter Benützung einer Wasserpfeife geraucht werden. Kokain ist nach Cannabis das am häufigsten benützte Suchtmittel.

Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie.

Die biologische Wirkung besteht in einer Reuptake-Hemmung von biogenen Aminen. Indirekt besteht somit ein sympathomimetischer Effekt durch eine erhöhte Konzentration exzitatorischer Amine in den Synapsen. Darüber hinaus kommt es zu einer Natriumkanalblockade. Die Wirkung gleicht der von klassischen Amphetaminen, jedoch ist die Rauschdauer mit etwa 1 h deutlich kürzer. Die Halbwertszeit liegt bei 1–1,5 h, das Verteilungsvolumen bei 2,7 l/kg KG.

Klinische Symptomatik.

Das typische Syndrom einer Intoxikation besteht aus ZNS-Symptomen, vor allem psychomotorischer Unruhe [26], begleitet von kardiovaskulären Symptomen wie Tachykardie, Hypertonie und Arrhythmien. Es gilt in Ballungszentren bei jungen Männern als häufigste Ursache des akuten Koronarsyndroms, ausgelöst von generalisierter Vasokonstriktion und Agitation [27]. Bei höherer Dosierung können Koma, generalisierte Krämpfe und intrazerebrale Blutungen auftreten [28]. Chronischer Kokainmissbrauch führt auch zu Ulzera im Gastrointestinaltrakt.

Therapieoptionen.

Das Management der Kokainvergiftung besteht im Wesentlichen aus Überwachung der Vitalfunktionen und der Verabreichung von Flüssigkeit und Elektrolyten sowie der Behandlung der Hypertonie. Mittel der ersten Wahl sind α‑Blocker; β‑Blocker sind unbedingt aufgrund ihrer negativ inotropen Wirkung zu vermeiden. Bei schwerer Agitation ist eine Sedierung mittels Benzodiazepinen in Erwägung zu ziehen. Im Fall einer Intubation sollten keine depolarisienden Muskelrelaxanzien (Succinycholin) verwendet worden.

Amphetamine

Sympathomimetische Amphetamine wurden im Jahr 1887 ursprünglich zur Behandlung von Schnupfen entwickelt (1-Phenylpropan-2-Amin, als Isomer D‑Amphetamin, L‑Amphetamin vorliegend). Sie wirken antriebs- und leistungssteigernd und werden auch aufgrund der euphorisierenden und kommunikationsfördernden Effekte gerne chronisch eingenommen. Außerdem bewirken sie eine Appetithemmung. Ihre halluzinogene Wirkung ist relativ gering. Medizinisch werden sie zur Behandlung von Hyperaktivitätssyndromen (z. B. Methylphenidat bei Aufmerksamkeitsdefizit‑/Hyperaktivitätsstörung) eingesetzt. Andere Einsatzgebiete sind Kurzzeitbehandlung bei Adipositas sowie bei Narkolepsie (teilweise „off label“).

Eine chemische Modifikation der Amphetamine bewirkt eine unterschiedliche Lipophilie und damit eine erhöhte ZNS-Gängigkeit und verstärkte adrenerge Effekte. Zu den sympathomimetischen Amine zählen auch die synthetischen Cathinone [29], z. B. Mephedron oder Methylon. Diese werden für einen anderen Verwendungszweck z. B. als Badesalz oder Pflanzendünger oft legal vertrieben [30]. Der Konsum von Amphetaminen rangiert im Europäischen Drogenreport 2015 an 3. Stelle [19].

Pharmakologie und Pathophysiologie.

Amphetamine bewirken als zentrale Sympathikomimetika über eine Bindung an präsynaptische Monoamintransporter eine Freisetzung der Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin. Eine wesentliche Serotoninausschüttung erfolgt nicht [31]. Die Plasmahalbwertszeit hängt von der Substanz ab und beträgt für D‑Amphetamin etwa 10 h.

Klinische Symptomatik.

Intoxikationen mit Amphetaminen manifestieren sich primär als sympathomimetisches Toxidrom: Mydriasis, Agitation (möglicherweise Halluzinationen und Paranoia), Tachykardie, Hyperthermie, Hypertonie, Tachypnoe und Diaphorese. Neurologisch können Tremor, Hyperreflexie, Schwindel und Krampfanfälle zu beobachten sein [32]. Hirnblutungen und Hirnvenenthrombosen wurden insbesondere bei Amphetaminderivaten berichtet [27, 33]. In schweren Fällen kann es zu einer Exsikkose und zu Elektrolytstörungen (SIADH mit schwerer Hyponatriämie), Herzrhythmusstörungen und exzessiver Hypertonie kommen.

Die Diagnose erfolgt anhand des Toxidroms und eines positiven Nachweises im Harn.

Therapieoptionen.

Die Therapie ist im Wesentlichen symptomatisch und besteht in ausreichender Hydrierung, Kühlung und eventuell Benzodiazepin- oder Dantrolengabe bei schwerer Hyperthermie. Ein weiteres Problem von illegal hergestellten synthetischen Aminen sind die toxischen Verunreinigungen, die zu schweren systemischen Komplikationen, wie Hyperthermie, Verbrauchskoagulopathie, Rhabdomyolyse und Multiorganversagen, führen können.

Methamphetamin

Methamphetamin (Meth, Crystal Speed, Java Shabu) ist eine seit dem Zweiten Weltkrieg bekannte Modifikation der sympathomimetischen Amine.

Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie.

Durch die erhöhte ZNS-Penetration und die Rezeptoraffinität hat Methamphetamin wenig direkt adrenerge Effekte. Die Wirkung entsteht primär durch die Verdrängung der Neurotransmitter Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin und Serotonin durch Reuptake-Hemmung. Methamphetamin wird üblicherweise durch Sniffen, aber auch oral oder intravenös verabreicht. Es zeigt eine schnelle Resorption, ist hochgradig lipophil mit einem Verteilungsvolumen von 4 l/kgKG und wird über CYP2D6 metabolisiert. Die Wirkungsdauer beträgt bis zu 30 h, die Halbwertszeit 12–34 h. Es ist eines der häufigsten verwendeten Amphetamine (5 % in der US-Bevölkerung verwenden Methamphetamin).

Klinische Symptomatik.

Kennzeichen der Methamphetaminvergiftung sind neben dem sympathomimetischen Toxidrom neurologische Auffälligkeiten im Sinne von choreatischen Bewegungen und generalisierten Krämpfen, ausgeprägte Agitiertheit bis Paranoia und Suizidalität. Hinweise auf einen chronischen Abusus geben ein desolater Zahnstatus und eine deutliche biologische Voralterung. Die Diagnose erfolgt aufgrund des sympathetischen Toxidroms und des Nachweises der Metabolite, der im Harn bis zu 3 Tage lang möglich ist.

Bei Verdacht auf Methamphetaminvergiftung sollten darüber hinaus die Kreatinkinase bestimmt sowie ein EKG und bei Frauen ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden. Wichtig ist auch der Ausschluss anderer Vergiftungen.

Therapieoptionen.

Das Management der Methamphetaminvergiftung besteht im Wesentlichen aus Überwachung der Vitalfunktionen, Verabreichung von Flüssigkeit, Elektrolytausgleich sowie Pufferung schwerer Acidosen mit einem pH-Wert <7,1; Behandlung der Hyperthermien, bei Bedarf Sedierung mit einem Benzodiazepin und gegebenenfalls Neuroleptikagabe bei schweren paranoiden Zustandsbildern (cave: Erniedrigung der zerebralen Krampfschwelle, QTc-Verlängerungen, Hyperthermie).

Bei Bedarf werden Antihypertensiva eingesetzt, wobei bevorzugt Vasodilatanzien eingesetzt werden sollten. β‑Blocker sind in dieser Situation aufgrund ihrer negativ inotropen Wirkung zu vermeiden. Außerdem besteht eine Kontraindikation für depolarisierende Muskelrelaxanzien (Succinylcholin) aufgrund des Risikos von Rhabdomyolyse und Hyperkaliämie. Zu beachten ist auch die Entwicklung einer akuten Entzugssymptomatik bei chronischem Methamphetaminabusus.

Amphetaminderivate

Der wesentliche Unterschied der Amphetaminderivate (Ecstasy etc.) im Vergleich zu den klassischen Amphetaminen ist, dass sie – abhängig von der Dosis – eine deutlich halluzinogene Wirkung haben. Amphetaminderivate werden meistens oral eingenommen. Ein sehr häufig verwendetes Derivat ist Paramethoxyamphetamin („PMA, Mitsubishi“), das viel billiger herzustellen ist als Ecstasy, aber eine wesentlich höhere Toxizität aufweist. Zu den häufigsten ringsubstituierten Amphetaminen zählen MDMA (3,4-Methylenedioxymethamphetamin, „Ecstasy“), MDEA (3,4-Methylenedioxyethamphetamin, „Eve“) und MDA (3,4-Methylenedioxyamphetamin, „Ice“) Ecstasy und Co. stehen auf der Beliebtheitsskala in Europa hinter Cannabis an 2. Stelle [19].

Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie.

Der Effekt entspricht dem eines „Super-SSRI“. Bei höheren Dosen kommt es zusätzlich zu einer Freisetzung endogener Katecholamine (Dopamin und Noradrenalin).

Eine typische Nebenwirkung von Ecstasy, selbst bei moderater Dosis, ist die Entwicklung eines SIADH. Die Ursache ist eine Stimulation des Durstzentrums mit daraus folgender Polydipsie verbunden mit der Empfehlung in der Laienpresse und in Internetforen, ausreichend Wasser zu trinken. Zusätzlich kommt es zu einer erhöhten zentralen ADH-Freisetzung . Die Folge ist eine sich rasch entwickelnde Hyponatriämie mit akuter zerebraler Symptomatik (generalisierte Krämpfe, Hirnödem) mit potenziell tödlichem Ausgang [32].

Klinische Symptomatik.

Die Vergiftung mit Ecstasy und Co. ähnelt der Amphetaminvergiftung mit dem Vollbild eines sympathomimetischen Toxidroms. Allerdings besteht hier eine stärkere anticholinerge Symptomatik, das heißt, die Patienten zeigen weniger Diaphorese, aber dafür deutlich mehr Delirsymptome sowie eine stärkere serotoninerge Symptomatik.

Die zu erwartenden Laborveränderungen und das Management sind denen bei der Amphetaminvergiftung ähnlich. Zu beachten sind jedoch die sehr starken α‑mimetische Effekte der ringsubstituierten Amphetamine und ein erhöhtes Mortalitätsrisiko. Der Nachweis der Substanzen im Harn ist 3–4 Tage lang, im Haar sogar noch monatelang, möglich.

Therapieoptionen.

Das Management einer Intoxikation mit Ecstasy entspricht im Wesentlichen dem Vorgehen bei Amphetaminvergiftungen. Die Therapie bei symptomatischer Hyponatriämie besteht in einer raschen Korrektur des Serumnatriums um 5–6 mmol/l mit 3 %iger NaCl-Lösung entsprechend den aktuellen Leitlinien zur Behandlung der Hyponatriämie [34].

Halluzinogene

Als Halluzinogene bezeichnet man Substanzen, die durch die Störung der Neurotransmitter primär halluzinogene Effekte hervorrufen. Dazu zählen Phencyclidin, Lysergsäurediethylamid (LSD) und biogene Halluzinogene.

Phencyclidin

Das synthetisch hergestellte Halluzinogen Phencyclidin (PCP, „angel dust“, „Killerweed“) wird üblicherweise oral oder nasal appliziert. Akute Psychosen und erhöhte Neurotoxizität sind die wesentlichen Probleme.

Lysergsäurediethylamid

LSD ist ein synthetisch hergestelltes Derivat des Mutterkornalkaloids Lysergsäure. Es gilt als eines der stärksten bekannten Halluzinogene und bewirkt bereits bei geringer Dosis (10–50 µg) ein psychedelisch-halluzinogenes Syndrom mit einer langandauernden Wirkung.

Biogene Halluzinogene

Unter biogenen Halluzinogenen ist eine Anzahl von Substanzen zusammengefasst, die meist pflanzlichen Ursprungs sind. Dazu zählen unter anderem Extrakte der Engelstrompete oder des Stechapfels mit den Wirkstoffen Skopolamin bzw. Hyoscyamin. Häufig missbräuchlich verwendete Pilzextrakte sind z. B. „Magic Mushrooms“ oder Inhaltsstoffe des Fliegenpilzes (Amanita muscaria).

Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie.

Halluzinogene wirken primär über Stimulation von Serotonin-5-HT2A/C-Rezeptoren (LSD, biogene Halluzinogene), LSD aber auch über Stimulation anderer 5‑HT, Dopamin und Adrenorezeptoren. Die Wirkung von PCP wird auf die Interaktion mit N‑Methyl-D-Aspartat (NMDA) zurückgeführt.

Bei Magic Mushrooms kommen die Substanzen Psilocin oder Psilocybin zur Wirkung, bei Fliegenpilzen sind es Ibotensäuren und Muscimol, die als GABA-erge Substanzen halluzinogen wirken.

Klinische Symptomatik.

Die Symptomatik bei Intoxikation mit Halluzinogenen ist durch ein sympathomimetisches Toxidrom gekennzeichnet. Wesentliche Komplikationen sind tachykarde Rhythmusstörungen, Hyperthermie, Hypertonie, Muskelspasmen und epileptische Anfälle. Typisch sind auch Angst, Panikattacken und Aggressionsbereitschaft (Horrortrip).

Vergiftungen mit biogenen Halluzinogenen sind oft durch ein ausgeprägtes anticholinerges Toxidrom gekennzeichnet. Abhängig vom Schweregrad der Symptome ist die Verabreichung von Physostigmin zu erwägen [35].

Therapieoptionen.

Die Therapie ist symptomatisch. Spezifische Antidota existieren nicht. Bei ausgeprägten kardiovaskulären bzw. neurologischen Symptomen ist eine intensivmedizinische Betreuung zur Sicherung der Vitalfunktionen indiziert.

Substanzen mit vorherrschend halluzinogener Wirkung

Viele als Drogen verwendete Substanzen haben neben ihrer halluzinogenen Wirkung, insbesondere bei höheren Dosierungen, Aspekte von Amphetaminen bzw. Sedativa.

Liquid Ecstasy

Trotz seines Namens besitzt Liquid Ecstasy (Liquid X, G, „G-juice“) keinerlei chemische Verwandtschaft zu Ecstasy (MDMA) und gilt in Europa im Vergleich zu anderen Substanzen als eher selten verwendete Partydroge. Als farb- und geruchlose Flüssigkeit soll es als K.-o.-Tropfen bzw. „date rape drug“ eingesetzt worden sein.

Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie.

Die Wirksubstanz von Liquid Ecstasy ist γ‑Hydroxybuttersäure und wirkt wie eine Kombination aus Halluzinogenen und Amphetaminen. Die Wirkung tritt innerhalb weniger Minuten ein, hält 2–3 h an und wird innerhalb von 12 h unter die Nachweisgrenze abgebaut [36].

Klinische Symptomatik.

Liquid Ecstasy bewirkt dosisabhängig, ähnlich wie bei Alkohol, zuerst aphrodisierende und euphorisierende, dann wahrnehmungs- und antriebsintensivierende Effekte [37]. Hohe Dosen wirken hypnotisch [38]. Zu den weiteren dosisabhängigen Nebenwirkungen zählen zerebellare Koordinationsstörungen, Amnesie, Koma mit Aspiration und/oder Asphyxie. Dosisunabhängig kann es zur Aggression, tonisch-klonischen Krämpfen und Hypothermie kommen. Systemische Effekte der Intoxikation sind Bradykardie und kardiorespiratorischer Kollaps. Sehr ähnliche Effekte ergeben sich bei missbräuchlicher Verwendung von auf das GABA-System wirkenden Medikamenten oder von GABA-Präkursoren (z. B. Butandiol oder γ‑Butyrolacton), die z. B. als Rostreiniger einfach in Baumärkten zu erwerben sind.

Therapieoptionen.

Die Therapie dieser Vergiftungen ist im Wesentlichen symptomatisch mit dem Ziel der raschen Kreislaufstabilisierung und der Sicherung der Atemwege. Ausgeprägte Agitation und Aggression kann den Einsatz von Benzodiazepinen erforderlich machen. Besonders gefährlich ist die Kombination von Liquid Ecstasy mit Alkohol. Kardiovaskuläre und ZNS-Wirkungen beider Substanzen werden dabei potenziert.

Ketamin

Ketamin (Special K, K, Vitamin K) befindet sich aufgrund seines Wirkspektrums zwischen den Halluzinogenen und Sedativa. Ketamin wird zur Analgosedierung (auch in der Veterinärmedizin) eingesetzt und kann oral, nasal, intramuskulär oder intravenös zugeführt werden. Ketamin wird in der „Clubszene“ relativ häufig konsumiert [19]. Ähnlich wie für Liquid Ecstasy gibt es auch für Special K Berichte über dessen Anwendung als sog. Knockoutmittel (K.-o.-Tropfen, „date rape drugs“).

Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie.

Ketamin besitzt eine chemische Ähnlichkeit mit den Halluzinogenen LSD und PCP. Ketamin ist ein Razemat bestehend aus der Hauptwirksubstanz S(+)-Ketamin und R(−)-Ketamin im 1:1-Verhältnis. Als kompetitiver NMDA-Antagonist weist es eine ausgeprägte analgetische und geringe euphorisierende Wirkung auf (dissoziative Anästhesie). Die atemdepressive Wirkung von Ketamin ist nur gering ausgeprägt. Die Plasmahalbwertszeit beträgt je nach Applikationsform 2–3 h. Die Bioverfügbarkeit ist bei intramuskulärer Gabe am höchsten und beträgt etwa 90 %.

Klinische Symptomatik.

Ketamin führt in höheren Dosen zu Halluzinationen, Desorientierung, gestörter Wahrnehmung der Umgebung und ausgeprägten sympathomimetischen Effekten, wie Agitiertheit, Hyperthermie, Hypertonie, Tachykardie, Hypersalivation und Hyperreflexie. Bekannte tödliche Nebenwirkungen bei massiven Überdosierungen sind Aspiration, metabolische Acidose, Rhabdomyolyse, Epilepsie und Herz-Kreislauf-Stillstand.

Therapieoptionen.

Die Therapie der Intoxikation mit Ketamin ist symptomatisch. Atropin kann zur Behandlung von ausgeprägter Hypersalivation indiziert sein. Eine Überwachung der Vitalfunktionen mit Intubationsbereitschaft ist dringend nahezulegen.

Schnüffelstoffe bzw. organische Lösungsmittel

Bei den Schnüffelstoffen bzw. organischen Lösungsmitteln („Poppers“) handelt es sich im Wesentlichen um organische Nitrite.

Wirkungsmechanismus und Pathophysiologie.

Bekannte Schnüffelstoffe sind Amylnitrit, Butylnitrit und Isobutylnitrit. Ähnlich den Nitraten, medizinisch als Antianginosa entwickelt, bewirken diese Substanzen eine Entspannung der glatten Muskulatur. Nach Inhalation zeigen sie eine psychotrope und aphrodisierende Wirkung, gekennzeichnet durch einen sofortigen Wirkungseintritt und eine kurze Wirkdauer von etwa 1–30 min, weshalb sie oft repetitiv eingesetzt werden. Organische Nitrite begünstigen die Bildung von Methämoglobin .

Klinische Symptomatik.

Die Effekte umfassen anfängliche Benommenheit und Konzentrationsstörungen, dann Euphorie, Enthemmungen sowie Halluzinationen. Nebenwirkungen bei Überdosierungen sind durch Vasodilatation und Hypotonie mit Reflextachykardie charakterisiert. Die zerebrale Vasodilatation kann zu erhöhtem intrakraniellem Druck mit Kopfschmerzen und Erbrechen als Begleitsymptomatik führen. Eine Hypoxie infolge von Methämoglobinbildung ist eine zu beachtende Komplikation.

Langzeitnebenwirkungen sind Hirnschäden und psychotische Bilder sowie Konzentrations- und Leistungsstörungen. Die Anwendung von Schnüffelstoffen kann auch zu lokaler Schädigung mit Verätzungen von Augen, Nasenschleimhaut und Atemwegen führen. Bei oraler Einnahme von Schnüffelstoffen treten schwere Verätzungen und Vergiftungen mit metabolischer Acidose und akutem Nierenversagen ein.

Therapieoptionen.

Die Therapie besteht aus supportiven Maßnahmen zur Kreislaufstabilisierung. Zur Behandlung einer klinisch bedeutsamen Methämoglobinämie wird Methylenblau 1–2 mg/kgKG über 5 min verabreicht (Zielwert für Methämoglobin <20 %). Bei schweren Vergiftungen mit metabolischer Acidose und akutem Nierenversagen ist eine Akutdialyse indiziert.

Abschließende Bemerkungen

Vergiftungen mit Benzodiazepinen, TAD, SSRI, klassischen und atypischen Neuroleptika sind häufig eine Folge von Suizidversuchen, weshalb im Anschluss an die notfall- und intensivmedizinische Versorgung eine psychiatrische Exploration erfolgen muss, sobald dies möglich ist. Gelegentlich gibt es aber auch akzidentelle Überdosierungen. Antagonisten können bei Benzodiazepin- und Opiatvergiftungen unter Einhaltung der notwendigen Kautelen eingesetzt werden. Die Therapie der Vergiftung mit TAD erfolgt mit Natriumbikarbonat. Die Kardiotoxizität der TAD und auch der SSRI und der Neuroleptika kann durch Natriumbikarbonat reduziert werden. Die Gefahr maligner Rhythmusstörungen, insbesondere von Torsades-de-Pointes-Tachykardien, kann sich im EKG in Form einer Verlängerung der QT-Zeit ankündigen. EKG-Veränderungen und eine schwere Vigilanzminderung stellen Indikationen für eine intensivmedizinische Überwachung dar.

Vergiftungen mit Partydrogen sind in ihrer Symptomatik oft unspezifisch und häufig schwer nachzuweisen. Eine initiale Orientierung bei der Differenzialdiagnose von Vergiftungen anhand von Toxidromen (Tab. 1) kann hilfreich sein. Im letzten Jahrzehnt zeigte sich allerdings ein deutlicher Trend im Drogenkonsum weg von Heroin und Kokain hin zu Designerdrogen. Die Anzahl an Designerdrogen, im Wesentlichen Amphetamin und Derivate von synthetischem Aminen, ist dramatisch zunehmend und fast unüberschaubar. Komplizierend ist die Tatsache, dass viele dieser Drogen oft in unterschiedlichen Kombinationen eingenommen werden. Besonders Kombinationen mit Alkohol, aber auch mit Sedativa und mit Amphetaminen kommen durchaus häufig vor. Stets kommen neue Designerdrogen auf den Markt, sodass der Nachweis durch die klassischen Methoden häufig schwierig und eine gerichtsmedizinische Untersuchung nötig ist. Die Asservation von Harn und Blut kann forensisch oft erforderlich sein. Die therapeutischen Maßnahmen erfolgen nach dem ABCDE-Schema („airway, breathing, circulation, disability, exposure/environment“). Die häufigsten Fehler entstehen durch die Verwendung von β‑Blockern bei durch Amphetamine oder Kokain induzierter Hypertonie oder depolarisierender Muskelrelaxanzien. Die wesentlichen Maßnahmen sind die Überwachung der Vitalparameter, Sicherung des Atemwegs durch Schutzintubation bei fehlenden Reflexen sowie die Erhaltung der Homöostase durch Volumengabe, Kreislauftherapie und die Behandlung der neurologischen Symptomatik, falls nötig.

In Tab. 3 sind die wichtigsten Symptome der hier dargestellten Vergiftungen und die entsprechenden therapeutischen Optionen zusammenfassend aufgelistet.

Tab. 3 Therapie bei gängigen Vergiftungen durch psychotrope Substanzen

Fazit für die Praxis

  • Zu den psychotropen Medikamenten gehören die Psychopharmaka, wie Benzodiazepine, trizyklische Antidepressiva, selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer sowie klassische und atypische Neuroleptika. Bei den übrigen psychotropen Wirkstoffen, die üblicherweise missbräuchlich und häufig kombiniert eingenommenen werden, lassen sich Sedativa, Stimulanzien und Halluzinogene unterscheiden.

  • Eine Intoxikation mit psychotropen Substanzen tritt akzidentell während einer therapeutischen Einnahme oder eines Substanzabusus auf oder wird vorsätzlich z. B. in suizidaler Absicht herbeigeführt.

  • Psychotrope Substanzen zeigen unterschiedliche Wirkweisen und Vergiftungssymptome, die meist symptomatisch und nur selten gezielt behandelt werden. Mögliche Charakteristika sind z. B. kardiale Auffälligkeiten, Kreislaufdestabilisierung, neurologische Störungen, Hyper‑/Hypothermie und Elektrolytentgleisungen. Oft ist ein klinisches Monitoring der Vitalfunktionen notwendig. Teilweise stehen Antidota zur Verfügung.