Das akute Nierenversagen (ANV) als klinisches Syndrom hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte bezüglich klinischem Erscheinungsbild, Ätiologie, Epidemiologie und auch in seiner Bedeutung für den einzelnen Patienten grundsätzlich gewandelt. Die Auffassung eines plötzlichen Organausfalls wurde ersetzt durch das Konzept eines Kontinuums, das ausgehend von einer erhöhten Risikokonstellation über unterschiedliche Ausprägung von Nierenschädigung potenziell in seiner schwersten Manifestation, dem Nierenversagen, endet [1]. Dem trägt die internationale Literatur Rechnung, indem der Ausdruck „acute renal failure“ überwiegend durch „acute kidney injury“ (AKI) ersetzt wurde, ein Begriff, der im Deutschen am besten wohl mit „akute Nierenschädigung“ übersetzt wird.

Die AKI unterschiedlicher Ausprägung wird – entsprechend der neuesten Definition der Kidney-Disease-Improving-Global-Outcomes(KDIQO)-Initiative [2] – basierend auf Veränderungen im Serumkreatinin oder Harnzeitvolumen in 3 Schweregrade eingeteilt.

Die akute Nierenschädigung hat einen erheblich negativen Effekt auf das Überleben

Sie hat schon bei geringer Verschlechterung der Nierenfunktion einen erheblich negativen Effekt auf das Überleben der Patienten. AKI und ANV sind beim kritisch kranken Patienten fast immer Teil eines Multiorganversagens. Ihre Inzidenz auf den Intensivstationen ist hoch und liegt in Abhängigkeit von der Patientenklientel im Mittel bei 5–35 %. Die AKI-assoziierte Letalität bewegt sich, je nach Schweregrad der AKI, zwischen 25% und 50% [3]. Die durch AKI bedingte Übersterblichkeit ist dabei bereits bei Patienten mit geringem Schweregrad der Erkrankung deutlich festzustellen [4]. Die Ursache hierfür ist darin zu suchen, dass die Niere nicht nur Opfer von systemischen Prozessen, sondern bei Schädigung auch zum Täter wird. Die inzwischen gut beschriebenen systemischen Effekte der AKI umfassen neben einer Volumenüberladung auch verminderte Zytokinclearance und systemische Freisetzung von Entzündungsmediatioren aus der geschädigten Niere, die die Funktion anderer Organe, wie Lunge, Herz oder Darm, signifikant beeinflussen [5].

Detlef Kindgen-Milles beschreibt in seiner Arbeit daher die Besonderheiten von AKI und ANV im perioperativen Umfeld. Die Prognose der Erkrankung wird bei einer Koinzidenz mit Sepsis und septischem Schock weiter verschlechtert und erreicht 50–75 % und mehr. Diese Problematik behandelt Michael Oppert in seinem Beitrag über AKI und Sepsis.

Durchschnittlich 5% der Intensivpatienten benötigen eine Nierenersatztherapie. Die Letalität beträgt dabei über 50% mit relativ geringen Veränderungen innerhalb der letzten Jahrzehnte. Dem stehen rasante Entwicklungen in der Technik und der Effizienz der extrakorporalen Verfahren gegenüber. Aus diesem Grund beschäftigen sich 3 weitere Beiträge des Themenhefts mit speziellen Aspekten der extrakorporalen Therapie

Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Antikoagulation, die jahrzehntelang als Achillesferse der extrakorporalen Therapie auf der Intensivstation galt [6]. Nachdem einerseits ein Großteil der Komplikationen der extrakorporalen Therapie in der Intensivmedizin durch die systemische Antikoagulation verursacht wurde, andererseits die Filterlaufzeiten unter konventioneller Antikoagulation bestenfalls als moderat zu bezeichnen waren, steht heute als wesentliche Alternative für die Gerinnungshemmung im extrakorporalen Kreislauf die regionale Antikoagulation mit Zitrat im Vordergrund. Hiermit beschäftigt sich der Beitrag von Dario Frank.

Die regionale Antikoagulation mit Zitrat steht als Alternative im Vordergrund

Eine mögliche Erklärung für die unverändert hohe Sterblichkeit der Intensivpatienten unter Nierenersatztherapie sind unerwünschte Effekte der Verfahren selbst. Vielfach wurde in diesem Zusammenhang bereits von einem sog. Dialysetrauma gesprochen. Stefan John greift dieses Thema in seinem Beitrag über die negativen Effekte unterschiedlicher Therapiemöglichkeiten auf den gesamten Organismus auf und geht im Detail auf die einzelnen Elemente der potenziellen Schädigungsmechanismen ein.

Die Problematik der Dosierung von Medikamenten im Zusammenhang mit der extrakorporalen Therapie beschäftigt Nephrologen und Intensivmediziner seit Jahren. Nachdem nun valide Daten zur erforderlichen Dosis der extrakorporalen Therapie vorliegen, wird deutlich, dass insbesondere bei kontinuierlichen Verfahren die Gefahr der Unterdosierung von Antibiotika besteht. In diesem Sinn vermittelt Jan Kielstein in seinem Beitrag zur Pharmakotherapie bei Nierenersatztherapie hierzu aktuelle Überlegungen. Darüber hinaus wird in diesem Artikel speziell auch die Datenlage zu prolongierten Dialyseverfahren (z.B. „sustained low-effiency dialysis“, SLED) behandelt.

Prof. Dr. Michael Joannidis

Prof. Dr. Horst P. Kierdorf