Lernziele

Nach Absolvieren dieser Fortbildungseinheit …

  • kennen Sie die wechselnde Epidemiologie der COVID-19-Pandemie.

  • wissen Sie mehr über die Diagnose von Myokarditis und Perikarditis nach einer Infektion.

  • sind Sie über Impfnebenwirkungen und -komplikationen, besonders auch am Herzen, informiert.

  • sind Sie auf dem aktuellen Stand zur Pandemie, der sich dennoch täglich erweitert und ändert.

Einleitung

Ende Dezember 2019 ging die erste Nachricht einer Infektion mit SARS-CoV‑2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) in der chinesischen Stadt Wuhan um die Welt [1]. Bereits zu Beginn des Jahres 2020 berichteten D. Wang und C. Chen in Herz über eine kardiale Beteiligung der zu diesem Zeitpunkt als primär pulmonal verstandenen Viruserkrankung [2]. Unmittelbar danach haben die Herausgeber von Herz/Cardiovascular Diseases in einem Schwerpunktheft zu COVID-19 („coronavirus disease 2019“) verschiedene, damals brandaktuelle Aspekte der sich weltweit ausbreitenden Pandemie beschrieben [3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13]. Viele der in diesen Beiträgen gestellten Fragen wurden zumindest teilweise im Verlauf der Pandemie beantwortet und manche Befürchtungen bestätigt. Neue medizinische Diskussionen sind mit den zumindest in Europa heute verfügbaren mRNA-Impfstoffen und der Perspektive eines in Zulassung befindlichen proteinbasierten Impfstoffs hinzugekommen. Das Journal of the American Medical Association (JAMA), das European Heart Journal und auch das New England Journal of Medicine haben ihre Publikationsplattformen um Originalarbeiten und Übersichten so erweitertet, dass auf Inhalte zu COVID-19 ohne Kosten zugegriffen werden kann. Die von der European Society of Cardiology (ESC) begonnene Orientierungshilfe in der Pandemie, über deren erste Fassung in Herz gleichfalls berichtet wurde [14], verfügt jetzt über 2 aktualisierte Teile als Updates [15, 16]. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) hat bereits die 4. Auflage ihres COVID-19-Kompendiums herausgegeben [17]. Auch das DocCheck-Team hat mit Flexicon SARS-CoV‑2 eine gut bebilderte Übersicht über viele Aspekte der COVID-19-Pandemie angefertigt [18].

Die Medien und die veröffentlichte Meinung haben sich in einem ursprünglich nicht zu erwartenden Ausmaß des Themas bemächtigt und sind allgegenwärtig. Impfangebot und Impfverpflichtung werden nicht nur im Bundestag und in den Länderparlamenten diskutiert, sondern heute auf der Straße bei Demonstrationen und von sog. Spaziergängern scherenschnittartig vereinfacht thematisiert. Es ist deshalb an der Zeit, einen medizinisch fundierten Rückblick zu geben auf die Ausgangsfrage mit einer speziellen Fokussierung auf das kardiovaskuläre System [1]: „Was wissen wir heute, und was sollten wir notwendigerweise noch wissen? Gibt es immer noch mehr Fragen als Antworten?“

Epidemiologie

Am 20. Januar 2020 wurde aus den ersten Proben von Patienten ein neues Coronavirus identifiziert. Die Erkrankten hatten sich vermutlich im Fisch- bzw. Wet-Markt von Wuhan infiziert und erkrankten an einer Pneumonie [19]. Coronaviren sind umhüllte RNA-Viren, die bei Säugetieren und Vögeln weit verbreitet sind. 2 menschenpathogene Stämme waren bisher endemisch in Erscheinung getreten:

  • SARS-CoV, 2003 in der Provinz Guangdong in China;

  • MERS-CoV („Middle East respiratory syndrome coronavirus“), das 2012 in Saudi-Arabien unter dem Bild eines ARDS („acute respiratory distress syndrome“) zu schweren Krankheitsverläufen führte.

Beide Endemien blieben lokal begrenzt. Das in Wuhan erstmals beschriebene SARS-CoV‑2 ist ein ssRNA(„single-stranded RNA“)-Virus und phylogenetisch mit den bisher bekannten Coronaviren verwandt. Es stellt aber keine Mutation der beiden Viren dar. Die Infektion verbreitete sich trotz umgehender Quarantänemaßnahmen explosionsartig zunächst in Wuhan, später in China, danach weltweit. Deshalb rief die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 30.01.2020 den internationalen Gesundheitsnotstand aus. Am 11.03.2020 erklärte die WHO den COVID-19-Ausbruch zur Pandemie.

In Deutschland wurde die erste COVID-19-Erkrankung am 27.01.2020 bei einem Mitarbeiter der Firma Webasto in Starnberg diagnostiziert. Insgesamt erkrankten 16 Mitarbeiter bzw. deren Angehörige an COVID-19. Sie wurden im örtlichen Krankenhaus isoliert und konnten nach 14 Tagen entlassen werden.

COVID-19 verbreitete sich rasch über China und weltweit. „Superspreader-Events“ wie die Mailänder Fashion Week, der venezianische Karneval und das Champions-League-Fußballspiel zwischen Atalanta Bergamo und Valencia CF trugen zur Verbreitung des Virus ebenso bei wie die Après-Ski-Events in den italienischen und österreichischen Skiorten. Ischgl ist bis heute der Inbegriff für den Einfluss der Skiorte auf die Pandemieverbreitung [20].

Viele Länder reagierten mit Lockdown, Ausgangssperren, Homeoffice, Reisebeschränkungen, Masken- und Abstandspflicht (mindestens 1,5 m), der Schließung von Kaufhäusern, dem Verbot, Angehörige in Altersheimen zu besuchen, und dem Gebot, Großveranstaltungen abzusagen, um „die Kurve abzuflachen“, d. h. die Ausbreitung der Infektion einzudämmen. Damit sollte der drohenden oder bestehenden Überlastung der Krankenhäuser begegnet und die Zahl an COVID-19 verstorbenen Patienten vermindert werden. Diese Maßnahmen waren zusammen mit der im Sommer 2020 ohnehin sich vermindernden Rate von Infektionen erfolgreich (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Die 5. Welle ist angekommen: Am 21.01.2022 hat die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland 8.320.386 erreicht. Die Gesamtzahl der Todesfälle durch SARS-CoV‑2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“) lag bei 115.315. Die Zahl der im Krankenhaus und auf Intensivstation behandelten Patienten steigt zwar mit der 5. Welle an, aber wegen des leichteren Verlaufs wesentlich weniger als bei früheren Wellen (© Statista 2022)

Doch das Virus mutierte. Bis heute sind mehr als 12.000 Mutationen bekannt. Die epidemiologisch relevanten Mutanten und Varianten wurden zunächst nach dem Ort ihrer Entdeckung benannt, später folgte die Taxonomie dem griechischen Alphabet (Tab. 1).

Tab. 1 Epidemiologisch relevante Mutanten und Varianten

Daneben werden von der WHO sog. Varianten von Interesse („variants of interest“ [VOI]; z. B. Lambda: C.37, My: B.1.621) und Varianten unter Beobachtung („variants under monitoring“, VUM) gelistet.

Im Frühjahr 2022 grassieren in Deutschland die Delta- und die Omikron-Variante. Mit Omikron breitet sich die 5. Welle rasant aus. Der beschleunigten Ausbreitung folgt eine ambivalente Beobachtung. Denn es steigt zwar die Zahl der Menschen, die sich ansteckten, aber es sinkt die Gefahr, intensivstationspflichtig zu werden bzw. zu versterben. So ergab eine britische Studie, dass die Wahrscheinlichkeit der Hospitalisierung gegenüber Delta um 25–50 % gesunken ist [21]. Trotz der höheren Infektionszahlen besteht gegenwärtig eine geringere Wahrscheinlichkeit einer individuellen Hospitalisierung. Wenn allerdings lange Quarantänezeiten das medizinische Personal lahmlegen, könnte das bei hohen Fallzahlen doch zur Überforderung der Kliniken führen. Deshalb wird zur Boosterimpfung aufgefordert sowie zur Beibehaltung der AHA-L-Regeln (Abstand einhalten (≥ 1,5 m), Hygieneregeln (richtiges Husten, Niesen und Händewaschen), im Alltag Maske tragen und Lüften). Hinzu kommt die Aufforderung zum Testen und zur digitalen Datenrückverfolgung. Mit diesen Maßnahmen soll die Infektionsdynamik bis zum Sommeranfang 2022 verlangsamt werden. Und ungeimpften Menschen wird dringend zur Erst- und Zweitimpfung geraten.

Impfdurchbrüche und Reinfektion

Der größte Teil der dokumentierten COVID-19-Fälle betraf Ungeimpfte. Aber auch von COVID-19 Genesene können sich nochmal anstecken (Reinfektion), ebenso Menschen nach einer Coronaimpfung (Impfdurchbruch). Dieses seltene Ereignis (0,1 % bei Jugendlichen, 2 % bei Senioren) betrifft die infektiösere Omikron-Variante häufiger, kann aber grundsätzlich bei jeder Impfung vorkommen.

Kardiovaskuläre Komorbidität und KHK-Risikoprofil

Die Komorbidität einer SARS-CoV-2-Infektion mit Herz- und Gefäßerkrankungen verdreifacht das Risiko eines schweren Verlaufs (Odds Ratio [OR]: 3,15, 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 2,26–4,41), der in der Übersicht von Figliozzi et al. als Tod, Beatmungsnotwendigkeit oder Aufenthalt auf einer Intensivstation definiert war [22]. Patienten mit einer Herzinsuffizienz waren im Vergleich zu Gesunden mit einem doppelt so hohen Risiko belastet (OR: 2,03; 95 %-KI: 1,28–3,21; [23]). Diabetes als kardiovaskulärer Risikofaktor ergab in einer englischen Studie für den Typ-1-Diabetes eine OR von 3,51 (95 %-KI: 3,16–3,90), für den Typ-2-Diabetes eine OR von 2,03 (95 %-KI: 1,97–2,09) für das Auftreten eines COVID-19-assoziierten Todes [24]. Übergewichtige Personen erkrankten häufiger an COVID-19, wurden häufiger intensivpflichtig und verstarben häufiger an den Folgen der Coronainfektion (OR: 1,48; 95 %-KI: 1,22–1,80; [25, 26]). Auch eine Hypertonie, eine renale Begleiterkrankung sowie die Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit von Afrikanern und Asiaten führte häufiger zu einem schweren Krankheitsverlauf (siehe Infobox 1; [15]).

Pathophysiologie, Immunologie und kardiale Pathologie

Dass das Coronavirus sich des ACE(„angiotensin-converting enzyme“)-2-Rezeptors bedient, um in das Innere einer Zelle zu gelangen, war bereits frühzeitig bekannt und vielfach beschrieben [7, 8, 14]. Die erforderliche Koaktivierung durch die Serinproteinase TMPRSS2 („transmembrane protease serine subtype 2“) ermöglicht das Auffalten der Virushülle und die Inkorporation in das Epithel und das Endothel [14, 27]. ACE-2-Rezeptoren finden sich in der Lunge, im Herzen und an den Gefäßen, d. h. an Epithel, Endothel und den epikardialen und kleinen Herzkranzgefäßen (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

SARS-CoV‑2(„severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“)-Infektion der Wirtszelle und sich hieraus ableitende Therapieansätze. ACE „angiotensin-converting enzyme“, TMPRSS2 „transmembrane protease serine subtype 2“, 3CL „3-chymotrypsin-like“, IL Interleukin. (Mit freundlicher Genehmigung aus [14])

Im Gegensatz zu den frühen Coronavarianten befällt Omikron überwiegend den oberen Respirationstrakt (Nasen‑, Mund- und Rachenschleimhaut) direkt, was eine Erklärung für die weniger schwer verlaufenden Fälle sein dürfte. SARS-CoV‑2 vermag auch Kardiomyozyten in vitro und in vivo zu infizieren. Das Andocken kann durch Remdesivir inhibiert werden. Vermutlich vermag auch Neuropilin‑1 dazu beitragen. Der zu Beginn der Pandemie für die Herzbeteiligung vermutete Zytokinsturm ließ sich im postmortalen Myokard nur selten finden. Es dürften demnach mehrere Faktoren an der kardialen Pathologie beteiligt sein (Tab. 2).

Tab. 2 Direkte und indirekte pathophysiologische Faktoren einer Infektion mit SARS-CoV‑2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“)

Neben diesen pathophysiologischen Überlegungen zu einer direkten und indirekten Viruseinwirkung gewinnt die Erkenntnis an Bedeutung, dass, anders als zunächst vermutet, ein Virusbefall der Gefäßwand keine dominierende Rolle zu spielen scheint. Denn nur selten gelang es, SARS-CoV‑2 in den Gefäßen von an Corona Verstorbenen nachzuweisen. Die Gefäßentzündungen scheinen eher die Folge einer überschießenden Immunabwehr sein. Zurückgeführt wird dies auf die Fähigkeit des Virus, das Immunsystem zunächst zu täuschen. Das angeborene (innate) Immunsystem ist überfordert und kann die virale Attacke nur ungenügend parieren. Die hierzu im Überfluss ausgeschütteten proinflammatorischen Zytokine schaden nicht nur dem Virus, sondern auch den eigenen Zellen. Unsere bereits 2020 gestellte Frage, ob es das Virus, die Hyperinflammation oder das Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS)/ARDS ist, schlägt in vielen Fällen in Richtung überreagierende Entzündung mit den Charakteristika einer Sepsis/MODS aus [7, 14, 15]. Inflammation führt ihrerseits zur Instabilität koronarer Plaques – ein Teufelskreis.

Das adaptive Immunsystem führt zur Bildung von Antikörpern gegen das Virus und seine Spike-Proteine, kann aber autoreaktive Prozesse initiieren. Inwieweit diese zum sog. Long-Covid-Syndrom, d. h. zu den Langzeitfolgen nach überstandener Infektion, beitragen, ist bislang ungeklärt (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Interaktionen des angeborenen und adaptiven Immunsystems nach SARS-CoV-2(„severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“)-Infektion. Th1/Th2 T-Helfer-Zellen, IL Interleukin, TNF Tumornekrosefaktor, INF Interferon, GM-CSF Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor, M‑CSF makrophagenkoloniestimulierender Faktor, ACS akutes Koronarsyndrom, MODS Multiorgandysfunktionssyndrom. (Mit freundlicher Genehmigung aus [14])

Auch das Komplementsystem ist im Verlauf einer schweren COVID-19-Erkrankung durch eine Fehlregulation der T‑Zellen beteiligt und kann so das Gefäßendothel schädigen [28].

Thrombozyten und das Gerinnungssystem können ebenfalls von SARS-CoV‑2 infiziert werden. Das Virus vermag in die Vorläufer der Blutplättchen, die Megakariozyten, einzudringen und führt dort zur Genaktivierung. Die aus den Riesenzellen hervorgehenden Blutplättchen schütten daraufhin Immunproteine aus, die in den Arterienwänden Entzündungen hervorrufen und die Ausbildung von Gerinnseln begünstigen. Als besonders bedrohlich erwies sich dabei das Protein Calprotectin. Je höher dessen Gehalt im Blut war, desto eher erlitten die COVID-19-Erkrankten gerinnselbedingte Gefäßverschlüsse. In vitro versetzten allein schon die löslichen Spike-Proteine die Thrombozyten in einen Alarmzustand. Thrombozyten aggregierten dann mit Fibrin zu Thromben. Dieser Vorgang könnte ein Mechanismus sein, der auch nach Impfungen oder bei Long-Covid-Patienten die vermehrte Thrombenbildung erklärt.

Diagnostik

Die Symptomatik von SARS-CoV-2-Patienten äußert sich als Husten, Fieber, Schnupfen und Halsschmerzen und ist von den in der Herbst- und Winterzeit häufigen Erkältungskrankheiten oft nur schwer abzugrenzen. Das wirklich spezifische Symptom für COVID-19 ist der Geruchs- und Geschmacksverlust, der aber nur bei 10–15 % der Patienten zu beobachten ist und wahrscheinlich durch eine direkte Schädigung der Riechzellen durch SARS-CoV‑2 ausgelöst wird [29].

Kardiale Symptome im Kontext einer COVID-19-Infektion

Dyspnoe, Herzschmerzen (Angina pectoris), Rhythmusstörungen oder ein im Gefolge auftretender kardiogener Schock im Zusammenhang mit einer möglichen SARS-CoV-2-Exposition oder -Infektion unterscheiden sich kaum von einer vergleichbaren Situation ohne COVID-19-Infektion. Die Hyperinflammation bei einer SARS-CoV-2-Infektion kann eine vorbestehende kardiale Erkrankung exazerbieren.

Apparative Diagnostik und interventionelle Therapie

EKG, Echokardiographie, Kardio-CT (Computertomographie) oder -MRT (Magnetresonanztomographie) und eine leitlinienkonforme invasive Diagnostik inkl. interventioneller Maßnahmen kommen bei COVID-19-Patienten unverändert zur Anwendung, dies allerdings unter Beachtung der erforderlichen Hygienemaßnahmen und der AHA-Regeln [15]. Da die transösophageale Echokardiographie (TEE) mit einem erhöhten Risiko der Verbreitung des Virus einhergeht, sollte sie nur erfolgen, wenn keine anderen Methoden zur Verfügung stehen. Vor einer Kardioversion kann ggf. zum Ausschluss atrialer Thromben auf die CT ausgewichen werden. Von reinen „Routineuntersuchungen“ ohne Indikation oder Konsequenz wird ohnehin abgeraten.

Laborparameter

Kardiale Biomarker der Myozytennekrose, wie Troponin oder CK-MB („creatin kinase, muscle-brain type“), sowie der Herzinsuffizienz, wie NT-proBNP („N-terminal pro brain natriuretic peptide“), sind bei COVID-19 mit gleicher Aussagekraft zu werten wie ohne Infektion. Sie haben prognostische Relevanz. Bei einem erhöhten Troponinwert sollte neben einer ischämischen Ursache die Differenzialdiagnose einer COVID-19-bedingten Myokarditis und Perikarditis, einer Lungenembolie und eines Takotsubo-Syndroms in Betracht gezogen werden.

Die Bestimmung der D‑Dimere sollte wegen der erhöhten Thromboseneigung ebenso regelmäßig erfolgen wie die Bestimmung der Entzündungsparameter (Differenzialblutbild, C‑reaktives Protein [CRP]), wenn die SARS-CoV-2-Infektion gesichert ist.

Management und kardiale Therapie bei Patienten mit COVID-19

Die Empfehlungen der ESC zu Management und Therapie kardialer Erkrankungen stützen sich verständlicherweise auf die bekannten Leitlinien, die auch unter COVID-19-Bedingungen gelten [3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16]. Konkret heißt dies, dass sich bei der Therapie des akuten Koronarsyndroms, des Herzinfarkts, des kardiogenen Schocks, lebensbedrohlicher Rhythmusstörungen und der chronischen koronaren Herzkrankheit (KHK) de facto kaum etwas geändert hat.

Bei Patienten mit STEMI („ST elevation myocardial infarction“) sollten die zeitlichen Abstände einer unverzüglichen Diagnostik und Therapie eingehalten werden. Beim NSTEMI („non-ST elevation myocardial infarction“) werden zeitliche Verzögerungen, je nach individuellem Risiko, in Kauf genommen.

Da sich aber während der Wellen der COVID-19-Pandemie die Kapazität der Intensiv- und Beatmungsbetten auch in europäischen Ländern als begrenzender Faktor zeigte, wurden planbare operative Eingriffe verschoben. Reichte dies nicht aus, gab die ESC ausführliche Hinweise für eine Triage der Patienten [16].

Triage

Die öffentliche Diskussion zur Triage hat in Deutschland Fahrt aufgenommen und soll nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht allein von ärztlichen Vereinigungen vorgegeben, sondern im Bundestag erörtert und entschieden werden.

Voraussetzung für die Anwendung der Triage-Empfehlungen (Tab. 3) war der Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion.

Tab. 3 Empfehlungen der European Society of Cardiology (ESC) zur Triage bei intensivpflichtigen COVID-19(„coronavirus disease 2019“)-Patienten

Falls diese Ausschlusskriterien nicht greifen, ist zu prüfen, ob Patienten, bei denen es seit der Aufnahme zum Versagen von mindestens 2 Organsystemen kam oder deren Status sich unter intensivmedizinischer Therapie nicht verbessert hat bzw. deren SOFA(„sepsis-related organ failure assessment“)-Score nach 10-tägiger Behandlung weiterhin pathologisch ausfällt, die intensivmedizinische Behandlung entzogen werden kann.

Myokarditis

Erhöhte Werte des kardialen Nekrosemarkers Troponin I/T oder seiner hs(hochsensitiv)-Bestimmung finden sich auch bei jüngeren COVID-19-Patienten, bei denen eine stenosierende KHK nicht zu vermuten ist [30, 31]. In einer der ersten Studien fanden sich erhöhte hs-Troponin-Werte bei 20 % [32] und 26 % [33]. Bei mindestens jedem fünften hospitalisierten COVID-19-Patienten bestehen – wie der Anstieg von kardialem Troponin im Blut zeigt – Hinweise auf eine Myokardläsion [34].

So wird angenommen, dass SARS-CoV‑2 Kardiomyozyten und Endothelzellen direkt infizieren kann [7, 15, 35]. Der histologische oder elektronenoptische Beweis wurde bisher nur in wenigen Einzelfällen erbracht. Der vermutete Mechanismus läuft über folgende Phasen:

  • Das Spike-Protein von SARS-CoV‑2 tritt in eine Wirtszelle ein durch Bindung an ACE‑2 und an TMPRSS2 (Abb. 2); Kardiomyozyten besitzen jedoch kein TMPRSS2.

  • Die Infektion von Kardiomyozyten verläuft dann über die Interaktion des viralen Spike-Proteins mit ACE‑2 und Cathepsin [35], da das Spike-Protein von SARS-CoV‑2 in den Atemwegen durch eine Furinprotease gespalten wird.

Eine kardiale Schädigung kann auch über einen Zytokinsturm wie bei fulminanter Myokarditis erfolgen [3, 7].

Die bemerkenswerte Kasuistik eines 49-jährigen Mannes mit COVID-19-Pneumonie und erhöhtem Troponin ergab endomyokardbioptisch nur ein mäßiges Infiltrat. Elektronenmikroskopisch konnten Tavazzi et al. [36] die Aufnahme des Virus nur in interstitielle Zellen und das „budding“ nach Infektion aus diesen zeigen (Abb. 4). Viruspartikel in Kardiomyozyten fanden sich nicht. Auch Myozytennekrosen waren elektronenmikroskopisch nicht nachgewiesen worden.

Abb. 4
figure 4

„Budding“ des Virus aus einer interstitiellen Zelle im Myokard. Roter Pfeil SARS-CoV‑2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“). (Mit freundlicher Genehmigung aus [36])

In der Frankfurter Studie von Puntmann et al. [37], die auf Kardio-MRT-Untersuchungen an 100 Patienten nach einer COVID-19-Erkrankung basierte und über 2 Kontrollgruppen verfügte, war bei 71 Patienten das hs-Troponin zum Zeitpunkt der MRT-Untersuchung noch erhöht. Die Kardio-MRT war bei 78 Patienten auffällig, wobei 73 Patienten bei der nativen T1-Wichtung und 60 Patienten bei der nativen T2-Wichtung veränderte Laufzeiten aufwiesen. Bei 32 Patienten wird ein LGE („late gadolinium enhancement“) berichtet (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

a Schütteres CD45R0-positives Infiltrat ohne Virus in den Kardiozyten; b erhöhte hs(„high sensitive“)-Troponin-T-Werte bei zu Hause behandelten oder hospitalisierten Patienten; c,d auffällige T1- und T2-Wichtung mit Zeiten in der Kardio-MRT (Magnetresonanztomographie), die sich von normalen nativen T1- (c) und T2-Zeiten (d) unterschieden. COVID-19 „coronavirus disease 2019“. (Mit freundlicher Genehmigung aus [37]; CC-BY-Lizenz)

Bei 22 Patienten war LGE am Perikard nachweisbar (Abb. 4; [37]). Bei exemplarischen Myokardbiopsien ließ sich auch ein schütteres Infiltrat, z. B. mit CH45R0-Lymphozyten nachweisen. Eine Polymerasekettenreaktion („polymerase chain reaction“, PCR) oder In-situ-Hybridisierung der Biopsien auf SARS-CoV-2-RNA wurde nicht berichtet.

Eine Übersicht pathologisch-anatomischer Veröffentlichungen von an COVID-19 verstorbenen Patienten von Halushka und Vander Heide ergab 7,2 % Myokarditis- und 6,9 % Perikarditisfälle [38]. Die Autoren werteten eine erhöhte Zellzahl im Myokard ohne nekrotische Kardiomyozyten nicht als Myokarditis. Damit wären zahlreiche Fälle von „borderline myocarditis“ der qualitativen Dallas-Klassifikation [39], die später die Grundlage der ISFC(International Society and Federation of Cardiology)-Definition bildete [40], oder der quantitativen WHF(World Heart Federation)-Definition, die bei einer Myokarditis von mehr als 14 infiltrierenden Zellen/mm2 auch bei diffusem Zellbefall ausging [41], nicht enthalten. Die Autoren vermuten, dass dieser Prozentsatz sogar eine Überschätzung sein könnte, der getragen war vom Wunsch der Pathologen, eine Myokarditis zu diagnostizieren.

Merke

Die histologische Diagnose Myokarditis bei an Covid-19 verstorbenen Patienten ist viel seltener als die Verdachtsdiagnose im Cardio-MRT oder bei erhöhtem Troponin von infizierten lebenden, an Covid-19 Erkrankten.

Eine ähnliche Zusammenstellung von 201 Fällen (davon 9 Myokardbiopsien und 192 Autopsien) sowie von 16 eigenen Fälle ergab nur 4,5 % Myokarditiden bei verstorbenen COVID-19-Patienten [42]. Auch Kawakami et al. werteten als Myokarditis nur die Fälle, bei denen ein fokales Infiltrat zusammen mit einer Myozytennekrose vorlag (Abb. 6 und 7; Infobox 2).

Abb. 6
figure 6

A–J Myokardhistologie und Infiltratmarkierung mit CD und CD68 von Kontrollen (A–D), von COVID-19(„coronavirus disease 2019“)-Patienten (E–H) und bei einer klassischen Myokarditis (I–L); P Myokarditis mit fokalem Infiltrat und Nekrose eines Myozyten; M Anzahl von CD3- (T-Zellen) und CD68-positiven Zellen (Makrophagen)/mm2, N Anzahl von CD3-positiven Zellen/mm2, O Anzahl von CD68-positiven Zellen/mm2 (jeweils im Vergleich zu Kontrollen; SARS-CoV‑2 „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“). (Mit freundlicher Genehmigung aus [42])

Abb. 7
figure 7

Unterschied zwischen den histopathologischen Befunden: Das Muster einer diffusen Infiltration von Makrophagen ohne Myozytolyse (links) kontrastiert mit dem fokalen Clustering um nekrotische Myozyten. COVID-19 „coronavirus disease 2019“. (Mit freundlicher Genehmigung aus [42])

Die Beobachtung, dass zwar Nekrosemarker wie Troponin oder hs-Troponin ohne Infarkt oder ohne histologisch nachgewiesene Myozytennekrose bei einer Virusinfektion des Myokards erhöht sein können, bleibt klärungsbedürftig. Das gilt auch für die auffälligen, viel häufigeren myokardialen Veränderungen in der Kardio-MRT. Beides wirft zunächst nomenklatorische Fragen auf [43]. Handelt es sich dabei um eine direkt oder indirekt durch das Virus verursachte Myokardläsion („direct or indirect myocardial injury“), um eine myokardiale Entzündung („myocardial inflammation“) oder um eine veritable Myokarditis mit zugrunde gehenden Herzmuskelzellen? Beim Nachweis des Virus im Myokard ohne Nekrosemarker könnte der adäquate Begriff „Virämie im Myokard“ sein, ansonsten wäre das Attribut „viral“ oder „nichtviral“ für die 3 Begriffe Myokardläsion, myokardiale Entzündung oder Myokarditis eine zutreffende Beschreibung. Wenn Immunglobulinbindungen im Herzgewebe vorliegen, wäre das geeignete Attribut „autoimmun“ oder „autoreaktiv“. Diese Beschreibungen pathophysiologisch und ätiopathologisch zuzuordnen bleibt eine noch weitergehende Herausforderung.

Die Therapie einer COVID-19-Erkrankung mit oder ohne Herzbeteiligung ist in diversen Studien versucht worden. Virusspezifische Behandlungsoptionen mit den postulierten Interaktionsorten finden sich in Abb. 2 und in [14]: Virusneutralisierende Antikörper nach einer überstandenen Infektion oder infundierte Antikörper von Rekonvaleszenten konnten die Viruslast oder die Reinfektion des Patienten verhindern. Umifenovir (Arbidol® [Otisifarm, Moskau, Russland]) könnte die ACE-2-Interaktion mit Spike-Proteinen verhindern, Camostatmesylat inhibiert den Koaktivator TMPRSS2 und damit die Fusion des Virus mit der Epithel- oder Endothelzelle. Chloroquin und Hydroxychloroquin, bekannt aus der früher üblichen Malariaprophylaxe, blockieren möglicherweise die Endozytose des Virus und üben zusätzliche Effekte auf immunkompetente Zellen aus. Beide Substanzen können aber auch QT-Verlängerungen im EKG bewirken und stellen dann ein rhythmogenes Risiko dar. Lopinavir und Darunavir inhibieren die 3CL(„3-chymotrypsin-like“)-Protease, Ribavirin, Remdesivir und Favipiravir die RNA-abhängige RNA-Polymerase. Von Antizytokinen, wie dem Anti-Interleukin(IL)-6-Antikorper Tocilizumab, verspricht man sich eine Abschwächung des Zytokinsturms. Mehrere positive Studien zu Ivermectin, ursprünglich eingesetzt in der Therapie gegen Skabies, wiesen so viele Unregelmäßigkeiten auf, dass sie zurückgezogen wurden.

Allein in Deutschland wurden Anfang des Jahres 2021 zahlreiche Therapiestudien registriert, die in einer früheren Veröffentlichung beschrieben wurden [14] und beim Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) gelistet sind [44].

Ob die verschiedenen Therapiemöglichkeiten einer viralen inflammatorischen Kardiomyopathie wie i.v.-Immunglobuline oder Virostatika, einer autoreaktiven Myokarditis mit Kortikoiden und Azathioprin oder eine Immunapherese [45] auch zu einer erfolgreichen Behandlung beitragen, ist durch Studien bisher nicht belegt.

Die Überlegung, dass trotz der vermuteten viralen Genese der Organmanifestationen von COVID-19 auch Kortikoide wie Dexamethason erfolgreich eingesetzt werden können, hat nicht nur in der intensivmedizinischen Therapie der Pneumonie, sondern auch hinsichtlich der Inflammation des Myokards neuerdings vermehrt Zuspruch erhalten.

Perikarditis

Die Diagnostik und das Management der Perikarditis stützen sich auch unter Bedingungen der Pandemie auf die in den ESC-Leitlinien von 2004 und 2015 vorgegebenen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen [46, 47]: die Auskultation des Perikardreibens, EKG-Veränderungen wie ST-Strecken-Elevation im Akutstadium mit den nachfolgenden Alterationen, der Nachweis des Perikardergusses und der etwaigen Tamponade in der Farbdopplerechokardiographie. Die Perikardpunktion bei tamponierenden Ergüssen bietet unabhängig von der Ätiologie die Möglichkeit, weiteren Aufschluss über die Ätiologie (viral, nichtviral) zu erhalten [48] und durch perikardioskopiegesteuerte Entnahme von Epi- und Perikardgewebeproben [49] eine intraperikardiale Therapie zu verfolgen [50]. Mit der Kardio-MRT ließen sich sowohl Perikarderguss als auch Epikarditis und die Entzündung des Pericardiums parietale nachweisen. In Abb. 8 weisen die gelben Pfeile auf das LGE des Pericardium parietale, die weißen Pfeile auf das LGE des Pericardium viscerale hin. Dazwischen liegt der Erguss als schwarzes Signal.

Abb. 8
figure 8

LGE („late gadolinium enhancement“) nach SARS-CoV-2(„severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“)-Infektion: Perikarderguss und LGE an Epikard (weiße Pfeile) und Perikard (gelbe Pfeile). (Mit freundlicher Genehmigung aus [37]; CC-BY-Lizenz)

Eine Durchsicht der von Dezember 2019 bis Ende 2021 veröffentlichten 51 Fallberichte mit 60 Perikarditispatienten bei oder nach SARS-CoV-2-Infektion ergab nur bei zwei Dritteln der Fälle eine „perikarditistypische“ Anamnese mit Brustschmerzen und EKG-Veränderungen. Die Diagnose stützte sich überwiegend (54 von 60 Fällen) auf echokardiographische Befunde. Eine Tamponade war in der Hälfte der Fälle der Grund für die Veröffentlichung. Die Perikardergüsse betrafen in zwei Dritteln der Fälle Männer. Eine Pneumonie fand sich bei 25, ein Pleuraerguss bei 12 Patienten. Die Therapie der Perikarditis entsprach der Schwere der Erkrankung und bestand entsprechend aus Colchicum, nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und Acetylsalicylsäure (ASS). In 25 % der Fälle wurden Steroide eingesetzt. Die Tamponadefälle dürften damit überrepräsentiert und leichte Fälle erst gar nicht erfasst worden sein.

Eine Übersicht 277 sezierter Patienten von Halushka und Vander Heide [38] ergab post mortem eine Perikarditis oder einen Perikarderguss in 6,9 % der Fälle. Auch hier ist ein Selektionsbias wegen des jeweils letalen Verlaufs durch das überdurchschnittlich häufige Lungenversagen wahrscheinlich.

Merke

Eine Perikarditis findet sich in 6,9 % der verstorbenen Covid-19-Patienten bei der Sektion.

Die symptomatische Therapie einer Perikarditis bei einer SARS-CoV-2-Infektion sollte sich an den Leitlinien orientieren [46, 47]. In welcher Phase der Infektion evtl. Kortikoide eingesetzt werden können, ist bisher nicht abschließend zu beantworten.

Nicht aus den kardialen Folgen einer Infektion, aber unter besonderer Berücksichtigung derselben leitet sich die ultimative Forderung nach Prävention durch eine COVID-19-Impfung ab [51].

Thrombotische Ereignisse

Thrombosen großer und kleiner Gefäße kommen auch bei Infektionen mit SARS-CoV‑2, manchmal gepaart mit einer Thrombozytopenie, gehäuft vor. Die Häufigkeiten differierten zwischen 6,3 % in einer US-Studie von 3239 kritisch kranken Patienten auf amerikanischen Intensivstationen [52] und 24 % in einer Übersicht internationaler Studien [53]. Erhöhte D‑Dimere und das männliche Geschlecht prävalierten für eine Thrombose. Ein früher im Vergleich zu einem verzögerten Einsatz von Antikoagulanzien bot allerdings keine verbesserte Überlebenschance [53].

In Deutschland wurden 100 Fälle einer Sinusvenenthrombose berichtet. Die Hälfte davon trat bei Menschen unter 40 Jahren auf (absolutes Risiko: 39,0 pro 1 Mio.).

Bei Patienten mit einer Faktor-V-Leiden-Mutation oder einem erhöhten Faktor X ist eine Antikoagulation mit einem nicht-Vitamin-K-abhängigen Antikoagulans (NOAK) empfehlenswert, bei intensivmedizinisch behandelten Patienten wird eher Heparin gegeben.

Impfung

Sachstand

In Deutschland sind 60 Mio. Bewohner vollständig geimpft (Januar 2022), etwa 35 Mio. haben eine Boosterimpfung erhalten. Es bleiben 21,2 Mio. Ungeimpfte. Das entspricht etwa einem Viertel der Bevölkerung, wobei beachtet werden muss, dass für die etwa 4 Mio. Kinder unter 5 Jahren noch kein zugelassener Impfstoff zur Verfügung steht.

Mit Beginn des Jahres 2022 sind in Deutschland folgende Impfstoffe zugelassen:

  • mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer (Comirnaty® [BioNTech, Mainz, Deutschland]) ab dem 5. Lebensjahr (2 Einzeldosen im Abstand von 3 bis 6 Wochen),

  • mRNA-Impfstoff von Moderna (Spikevax® [Moderna, Cambridge, MA, USA]) ab dem 12. Lebensjahr (2 Einzeldosen im Abstand von 3 bis 6 Wochen),

  • vektorbasierter Impfstoff von Astra/Zeneca (Vaxzevria® [Cambridge, UK]) ab dem 18. Lebensjahr (2 Impfungen im Abstand von 9 bis 12 Wochen),

  • vektorbasierter Impfstoff von Johnson & Johnson (Vaccine Janssen®; Einzelanwendung [Johnson & Johnson (New Brunswick, NJ, USA]).

Die Wirksamkeit wird bei Comirnaty® und Spikevax® mit bis zu 95 %, bei Vakzevria® mit bis zu 80 % und bei Vaccine Janssen® mit bis zu 70 % nach den Basisimpfungen angegeben. Deshalb werden zur Boosterung, d. h. bei der 3. Impfung, die mRNA-basierten Impfstoffe verwendet. Hierbei genügt bei Moderna die halbe Impfdosis, bei Biontech wird die volle Dosis geboostert. Die Ständige Impfkommision (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI) empfiehlt eine Kreuzimpfung bei den Boosterungen. Damit soll auch ein ausreichender Schutz vor schweren Verläufen bei Infektion mit der grassierende Omikron-Variante gewährleistet sein. Durchbruchinfektionen gibt es jedoch, wie bei jeder Impfung, auch nach kompletter Basisimpfung mit 2 mRNA-Dosen.

Die 1‑malige Impfung mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson (Vaccine Janssen®) wurde am 17.01.2022 als unzureichend für eine vollständige Impfung erklärt. Sie wird nur noch als Erstimpfung gewertet und soll durch eine 2. Basisimpfung mit einem mRNA-Impfstoff ergänzt werden.

Im Rolling-Review-Verfahren bei der European Medicines Agency (EMA; europäische Arzneimittelzulassungsbehörde) befinden sich gegenwärtig VLA2001® von Valneva (Saint-Herblain, Frankreich) (seit 2. Dezember 2021), NVX-CoV2373® von Novavax (Gaithersburg, MD, USA) (seit 3. Februar 2021, EMA-Zulassung 20.12.2021), Sputnik V® des Gamaleya-Instituts (Biocad, Moskau, Russland) (seit 4. März 2021), CoronaVac® von Sinovac (Sinovac-Biotech, Peking, China) (seit 4. Mai 2021) und Vidprevtyn® von Sanofi-Pasteur (Paris, Frankreich) (seit 20. Juli 2021; [54]). Weltweit sind 29 Vakzine zugelassen, 31 weitere sind in Entwicklung [55].

Cave

Bei der Zweitimpfung mit einem mRNA-Vakzin finden sich kardiale Impffolgen bei männlichen Probanden im Alter zwischen 12 und 30 Jahren deutlich häufiger als bei Frauen und bei älteren Impfwilligen.

Reaktionen, Nebenwirkungen, Komplikationen, Langzeitfolgen

Wie bei jeder Impfung kann es auch bei einer COVID-19-Impfung zu passageren Impfreaktionen kommen, wie dem „COVID-Arm“ (lokale Rötung und Schmerzen), Glieder- und Muskelschmerzen, vorübergehender Müdigkeit, Kopfschmerzen, Fieber, Übelkeit und Erbrechen.

Dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wurden bei millionenfacher Anwendung der zugelassenen Impfstoffe 0,14 % Nebenwirkungen gemeldet, 0,02 % waren schwerwiegend. Dazu gehören auch allergische Sofortreaktionen unmittelbar nach einer Impfung. Diese wurden bei den beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffen nur sehr selten berichtet.

Kardiale Nebenwirkungen

Myokarditis und Perikarditis traten sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen nur sehr selten auf. Sie fanden sich bei beiden mRNA-Impfstoffen, mit Spikevax® (Moderna) etwas häufiger als mit Comirnaty® (Biontech/Pfizer). Eine Gesamtmelderate für alle Altersgruppen und alle Impfungen lag für Comirnaty® bei knapp 0,8 Verdachtsfällen pro 100.000 Impfungen bei Frauen und bei 1,5 Verdachtsfällen pro 100.000 Impfungen bei Männern. Für Spikevax® lag eine Melderate von 1,28 Verdachtsfällen pro 100.000 für Frauen bzw. 4,6 für Männer vor. Deshalb soll für Impfwillige unter 30 Jahren, Schwangere und stillende Mütter auf Empfehlung des RKI bevorzugt der Impfstoff von Biontech/Pfizer gegeben werden. Betroffen von der Impfkomplikation waren überwiegend männliche Jugendliche und junge Männer in den ersten 14 Tagen nach der 2. Impfstoffdosis [56, 57]. In den meisten Fällen verliefen die Erkrankungen mild. Auch in einer anderen Studie fand sich eine Perikarditis nach der 2. mRNA-Impfung bei jungen Männern häufiger als bei jungen Frauen [58].

In den klinischen Prüfungen vor der Zulassung wurde nach Gabe der mRNA-Impfstoffe in 0,01–0,1 % der Fälle eine akute Gesichtslähmung beobachtet. Diese bildete sich in allen Fällen spätestens nach einigen Wochen zurück.

Bei den Vektorimpfstoffen von AstraZeneca und Johnson & Johnson wurden wenige Fälle einer seltenen Sinusvenenthrombose festgestellt. In Deutschland erkrankten knapp 100 Menschen nach einer Impfung an einer solchen speziellen Form der Thrombose.

Der Impfstoff von AstraZeneca wird deshalb für die Impfung von Personen unter 60 Jahren in Deutschland nicht mehr empfohlen.

Präventive Maßnahmen zum Schutz von Patienten und Personal in kardiologischen Praxen oder Klinikambulanzen

Schon in der 1. Welle im März 2020 hatten sich die Autoren mit dem präventiven Infektionsschutz für Patienten und Personal in kardiologischen Praxen oder Klinikambulanzen beschäftigt [3, 6]. Seinerzeit gab es noch keine Impfung gegen SARS-CoV‑2.

Mittlerweile wissen wir, dass die wichtigste Schutzmaßnahme gegen eine mögliche COVID-19-Erkrankung sowohl für Patienten als auch für das medizinische Personal eine Coronaschutzimpfung ist (Tab. 4; [59]). Wir haben gelernt, dass eine Dreifachimpfung mit Booster einer doppelten Impfung überlegen ist und dass die doppelte Impfung noch keinen längerfristigen Schutz gegen Impfdurchbrüche bietet [60]. Diesbezüglich hatten viele nur doppelt Geimpfte in den letzten Monaten ein falsches Sicherheitsgefühl entwickelt. Wirklich problematisch ist aber die Tatsache, dass es trotz aller Evidenz nicht nur unter Patienten, sondern auch beim medizinischen Personal noch ungeimpfte Personen oder sogar Impfgegner gibt. Unsere Empfehlungen stützen sich auf die erste Publikation von April 2020 [6], auf Empfehlungen der European Association of Cardiovascular Imaging [61] und auf den aktualisierten Leitfaden „ESC guidance for the diagnosis and management of CV disease during the COVID-19 pandemic“ [15, 16], dessen erste Version in Herz besprochen wurde [14].

Tab. 4 Empfehlungen zum Schutz von Patienten und Personal in kardiologischen Praxen oder Klinikambulanzen

Coronaschutzimpfung für Patienten und Personal

Bereits heute sollten Ärzte und medizinisches Personal sowie Patienten möglichst alle einschließlich einer 3. Impfung (Booster) geimpft oder genesen sein. Ungeimpfte Personen sollten tagesaktuell getestet werden (3-G[geimpft/getestet/genesen]-Regel). Ein Coronaschnelltest darf dabei nicht älter als 24 h, ein PCR-Test nicht älter als 48 h sein.

Die Krankenhausbasierte Onlinebefragung zur COVID-19-Impfung vom 04.10.2021 des RKI ergab eine Impfquote von mehr als 90 % (Ärzteschaft: 94 % vollständig geimpft – Pflegepersonal: 90 % vollständig geimpft; [62]).

Impfpflicht für Ärzte und ärztliches Personal

Am 10. Dezember 2021 beschlossen Bundestag und Bundesrat eine Impfpflicht für Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Mitarbeitende und Inhaber von Arzt- und Psychotherapeutenpraxen und Rettungsdienst, um das Infektionsgeschehen weiter wirksam zu bekämpfen. Die Impfbescheinigungen sind dem Arbeitgeber bis 15.03.2022 vorzulegen.

Bereitstellung einer geeigneten Schutzausrüstung

Für das medizinische Personal sollte eine suffiziente Schutzausrüstung, bestehend aus FFP2(„filtering face piece 2“)- oder N95-Masken, Handschuhen, Schutzkitteln und Schutzbrillen oder „face shields“, zur Verfügung stehen. Die Patientenanmeldung sollte durch eine große Plexiglasscheibe gegen Tröpfcheninfektionen und Aerosole geschützt werden. Personal und Patienten sollten FFP2-Masken tragen.

Screening aller Patienten beim ersten Telefonkontakt und nochmals an der Rezeption

Bereits beim ersten Telefonkontakt sollte eine Coronacheckliste abgefragt werden. Entscheidende Fragen betreffen den Impfstatus oder den Status als Genesener und die Frage nach typischen COVID-19-Leitsymptomen wie trockenem Husten, Luftnot, Fieber, Kopfschmerzen oder Geruchs- und Geschmacksverlust. Die gleichen Fragen müssen im persönlichen Kontakt bei der Patientenanmeldung nochmals wiederholt werden. Des Weiteren müssen Kontakte zu evtl. COVID-19-Patienten innerhalb der letzten 10 bis 14 Tage erfragt werden.

Kontaktlose Messung der Körpertemperatur

Durch eine kontaktlose Messung der Körpertemperatur mittels eines Infrarotthermometers können febrile Patienten identifiziert werden. Bei einer normalen Körpertemperatur kann eine COVID-19-Infektion niemals sicher ausgeschlossen werden, febrile Temperaturen sollten jedoch immer Anlass zu weiteren Testungen auf SARS-CoV‑2 geben.

Überprüfung der Untersuchungstermine im Hinblick auf Impfstatus und kardiologische Dringlichkeit

In einer epidemischen Welle und/oder in einem Hotspotgebiet sollten alle vereinbarten Untersuchungstermine und Untersuchungen im Hinblick auf Impfstatus und kardiologische Dringlichkeit überprüft werden. Bei nichtgeimpften Patienten mit niedrigem kardiologischen Risiko sollte geprüft werden, ob eine Terminverschiebung auf einen Zeitpunkt nach erfolgter Coronaschutzimpfung vertretbar ist.

Verschiebung von elektiven Kontrolluntersuchungen ohne relevante Änderung des Patientenmanagements

Alle elektiven Kontrolluntersuchungen ohne relevanten Einfluss auf das nachfolgende Patientenmanagement sollten auf dem Höhepunkt einer epidemischen Welle und/oder in einem Hotspotgebiet auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden. Ausnahmen sollten nur bei Patienten mit einer neu aufgetretenen Symptomatik, insbesondere bei einem Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom, gemacht werden.

Terminverschiebung invasiver oder interventioneller Prozeduren bei stabilen Patienten mit chronischem Koronarsyndrom

In einer epidemischen Welle und/oder in einem Hotspotgebiet sollten elektive invasive oder interventionelle Prozeduren bei stabilen Patienten mit einem chronischen Koronarsyndrom auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Diese Strategie lässt sich durch die Ergebnisse der ISCHEMIA-Studie rechtfertigen [63].

Vermeidung kardiologischer Tests mit erhöhtem Risiko einer Aerosolbildung oder Viruskontamination

Die Indikationen für eine TEE sollten streng gestellt werden. Bei kardiologischen Stresstests sollten Verfahren mit respiratorischer Aerosolbildung (z. B. Belastungs-EKG mit ergometrischer Belastung, Stressechokardiographie mit ergometrischer Belastung oder Spiroergometrie) vermieden und stattdessen pharmakologische Belastungstests (z. B. Dobutaminstressechokardiographie) bevorzugt werden.

Räumliche Trennung von Patienten und Personal

Räumliche Trennung und Sicherung eines Abstands von mindestens 1,5 m zwischen Patienten und Personal sollten möglichst eingehalten werden. Patientenansammlungen im Bereich der Anmeldung oder in den Wartezonen müssen vermieden werden. Die Patientenkontaktzeiten sollten minimiert und der Patientenstrom nur in eine Richtung geleitet werden, um unnötige Mehrfachkontakte zwischen Patienten und Personal zu vermeiden.

Sorgfältige Hygiene und Desinfektion nach jedem Patienten

Medizinische Geräte, EKG-Kabel, Tische, Stühle, Türgriffe und Untersuchungsräume müssen nach jedem Patienten sorgfältig desinfiziert werden. Falls es unverzichtbar ist, einen positiv auf SARS-CoV‑2 getesteten Patienten kardiologisch zu untersuchen, sollte dieser Patient unter strengen Sicherheitskautelen als letzter Patient des Tages untersucht werden. Im Anschluss sollten Lüftung, Intensivreinigung und Desinfektion der benutzten Untersuchungsräume sichergestellt werden.

CT-Thorax zur schnellen diagnostischen Sicherung einer vermuteten SARS-CoV-2-Infektion

Bei Patienten mit akuter Dyspnoe unklarer Ursache und febrilen Temperaturen kann eine CT-Thorax-Untersuchung zur schnellen Diagnosesicherung einer SARS-CoV-2-Infektion in Erwägung gezogen werden (Tab. 4).

Weitere aktuelle Änderungen

Die Gültigkeit von Bescheinigungen Genesener als Ersatz für eine Impfung wurde auf 3 Monate verkürzt. Danach sollte eine 2. Basisimpfung, am besten mit einem mRNA-Impfstoff, erfolgen.

Infobox 1

  • Kardiovaskuläre Erkrankungen führen zu schweren Verläufen einer COVID-19-Erkrankung.

  • Herzinsuffizienz hat ein doppelt so hohes Risiko für einen schweren Verlauf.

  • Diabetes hat ein 2‑faches Mortalitätsrisiko.

  • Hypertonie, Niereninsuffizienz und Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit (Afrikaner, Asiaten) erhöhen das Risiko für eine COVID-19-Erkrankung mit schwerem Verlauf.

Infobox 2

  • Die durch erhöhte Troponin- oder hs-Troponin-Werte vermutete Inflammation im Myokard kontrastiert mit der histopathologischen Diagnose einer Myokarditis; diese wird wesentlich seltener diagnostiziert.

  • Auch in der Kardio-MRT finden sich wesentlich häufiger Befunde, die eine Inflammation im Herzgewebe nahelegen.

  • Eine Anpassung der Nomenklatur und eine pathophysiologische Erklärung sind erforderlich.