Die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie (TTC) ist eine primäre Herzmuskelerkrankung, die durch eine transiente, vornehmlich linksventrikuläre myokardiale Dysfunktion charakterisiert ist. Gemäß der Klassifikation der American Heart Association (AHA) wird die TTC zu den erworbenen Formen der Kardiomyopathien gezählt (Abb. 1) [1]. Diese klinisch als akuter Myokardinfarkt imponierende Erkrankung mit akutem Brustschmerz, typischen EKG-Veränderungen und Anstieg der myokardialen Marker im Blut wurde erstmals 1990 in Japan beschrieben [2]. Der Begriff „Tako-Tsubo“ bedeutet in der japanischen Sprache Tintenfischfalle, ein bauchiges Gefäß mit engem Hals (Abb. 1 in [3]). Aufgrund der einem „Tako-Tsubo“ ähnelnden Morphologie des linken Ventrikels während der Systole erfolgte die Namensgebung für diese Erkrankung durch die Erstbeschreiber. Nachdem zunächst angenommen wurde, die TTC sei eine auf den asiatischen Raum begrenzte Erkrankung, konnte mittlerweile über ein nahezu weltweites Vorkommen berichtet werden.

Abb. 1
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Klassifizierung der primären Kardiomyopathien gemäß der American Heart Association [1]. ARVC arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie; DCM dilatative Kardiomyopathie; HCM hypertrophe Kardiomyopathie; NCCM isolierte Non-Compaction-Kardiomyopathie

Trotz der steten Zunahme publizierter Fallberichte/Studien (Abb. 2) ist die Pathogenese der TTC nur unzureichend verstanden. Ebenso besteht Unklarheit hinsichtlich der optimalen Therapie und Langzeitprognose bei Patienten mit TTC. Komplizierend erscheint zudem die uneinheitliche Nomenklatur dieses Krankheitsbilds. Entsprechend finden sich in der Literatur Bezeichnungen wie beispielsweise ampulläre Kardiomyopathie, stressinduzierte Kardiomyopathie, Broken-Heart-Syndrom und neuromyokardiales Syndrom. Gegenwärtig ist jedoch davon auszugehen, dass es sich trotz unterschiedlicher Bezeichnungen bzw. divergierender morphologischer Veränderungen (d. h. typische apikale Ballonierung, atypische mittventrikuläre Ballonierung, invertierte basale Ballonierung; mit oder ohne rechtsventrikuläre Beteiligung) sehr wahrscheinlich nur um eine Krankheitsentität handelt. Folglich wird daher im vorliegenden Schwerpunktheft der Zeitschrift Herz einheitlich die Bezeichnung Tako-Tsubo-Kardiomyopathie (TTC) benutzt.

Abb. 2
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Englischsprachige PubMed-Publikationen der Jahre 2000–2009 zu den Stichwörtern „Tako-Tsubo cardiomyopathy, apical ballooning, stress-induced cardiomyopathy, broken heart syndrome, ampulla cardiomyopathy“

Primäres Ziel dieses Schwerpunkthefts ist es, neben der Darstellung von neuem Wissen zur TTC auf die aktuellen Fragestellungen zu diesem Krankheitsbild einzugehen und idealerweise auch entsprechende Antworten zu geben.

M. Madhavan & A. Prasad aus der Mayo Clinic in Rochester, MN, USA, stellen im ersten Beitrag die aufgrund typischer klinischer und nichtinvasiver/invasiver Befunde abgeleiteten Mayo-Clinic-Kriterien für die Diagnosestellung einer TTC vor [4]. Da den Mayo-Clinic-Kriterien eine besondere Bedeutung in der Diagnose der TTC beigemessen wird, sollen an dieser Stelle noch einmal die grundsätzlichen Änderungen im Kontext zu den erstmals im Jahre 2004 vorgeschlagenen Kriterien [5] hervorgehoben werden: 1. Linksventrikuläre Wandbewegungsstörungen können sich in den mittventrikulären und/oder den apikalen Segmenten finden. 2. Ein „Stressfaktor“ ist häufig, aber nicht immer vorhanden. 3. Eine TTC und koronare Herzerkrankung können koinzidentell vorkommen. 4. Es sind neue EKG-Veränderungen (ST-Strecken-Hebung und/oder T-Wellen-Negativierung) oder eine moderate Erhöhung des kardialen Troponins vorhanden. 5. Das Vorliegen eines Schädel-Hirn-Traumas, einer intrazerebralen Blutung oder einer hypertrophen Kardiomyopathie ist kein Ausschlusskriterium für eine TTC.

V. Kurowski et al. aus dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, berichten über die Patientenversorgung in der akuten Phase der TTC [6]. Wie beim akuten Herzinfarkt können auch bei TTC alle Komplikationen bis hin zum kardiogenen Schock und Kammerflimmern auftreten. Daher sollte sich die initiale Überwachung von Patienten mit TTC oder akutem Myokardinfarkt bei Krankenhausaufnahme bzw. nach durchgeführter Herzkatheterdiagnostik in keinerlei Weise unterscheiden. Festzuhalten gilt ferner aus den Beiträgen von M. Madhavan & A. Prasad [4] und V. Kurowski et al. [6], dass die Langzeitprognose bei Patienten mit TTC im Gegensatz zu ursprünglichen Annahmen nicht uneingeschränkt als gut anzusehen ist. Dies liegt u. a. an der hohen Prävalenz und Inzidenz maligner Grunderkrankungen. Da bei TTC-Patienten eine Vielzahl von Krebsentitäten gefunden wurde [7, 8], erfordert dies eine gründliche klinische und apparative Diagnostik. Am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, wird bereits seit 2008 bei allen Patienten mit TTC zusätzlich zur Routinediagnostik eine „kleine Tumorsuche“ durchgeführt [6].

Bei etwa 90% der von einer TTC betroffenen Patienten handelt es sich um Frauen in der Postmenopause [9], bei denen aufgrund des fortgeschrittenen Lebensalters naturgemäß eine hohe Prävalenz kardiovaskulärer Risikofaktoren vorliegt. Daher kann, wie M. Madhavan & A. Prasad [4] und D. Haghi et al. [10] aus dem Universitätsklinikum Mannheim berichten, angenommen werden, dass die koronare Herzerkrankung und die TTC häufig gemeinsam auftreten. Eine typische Kasuistik hierzu ist im Beitrag von D. Haghi et al. dargestellt [10]. Im Einzelfall kann es jedoch schwierig sein, zwischen beiden Entitäten zu unterscheiden. In diesen Fällen sind zur Differenzierung zusätzliche bildgebende Verfahren notwendig. Aus diesem Grund freuen sich die Herausgeber dieses Schwerpunkthefts, dass sie Y.J. Akashi et al. von der St. Marianna University School of Medicine, Kawasaki, Japan, gewinnen konnten, ihre Erfahrungen auf dem Gebiet der nuklearmedizinischen Bildgebung bei Patienten mit TTC vorzustellen [3]. Tab. 1 in dem Artikel von Y.J. Akashi et al. listet in sehr schöner Weise eine vergleichende Zusammenfassung bisher durchgeführter nuklearmedizinischer Untersuchungen bei Patienten mit TTC auf.

Dennoch bleiben die pathogenetischen Zusammenhänge der TTC weitgehend unbekannt. Dies liegt aus unserer Sicht an zwei wesentlichen Faktoren: 1. Die TTC ist ein seltenes Krankheitsbild. 2. Es existiert zum aktuellen Zeitpunkt kein geeignetes experimentelles (Tier-)Modell.

Vor diesem Hintergrund ist es leicht zu verstehen, warum die bisherigen pathophysiologischen Konzepte einen ausgeprägten hypothetischen Charakter haben. S. Szardien et al. aus der Arbeitsgruppe um H.M. Nef aus der Kerckhoff-Klinik Herz- und Thoraxzentrum in Bad Nauheim haben sich diesem schwierigem Thema in der abschließenden Arbeit des vorliegenden Schwerpunkthefts gewidmet [11]. Neben der Darstellung historischer (und auch weitgehend verlassener) pathophysiologischer Konzepte wird in sehr fundierter Weise auf gegenwärtige pathophysiologische Vorstellungen eingegangen. Demnach liegt der TTC eine überschießende (inadäquate) Aktivierung des sympathischen Nervensystems ursächlich zugrunde, in deren Folge es zu komplexen und sich gegenseitig beeinflussenden strukturellen Veränderungen (z. B. am kontraktilen Apparat und an der extrazellulären Matrix) und funktionellen kardialen Veränderungen (z. B. in der Calciumhomöostase, der Mikrozirkulation und der Adrenozeptor-nachgeschalteten Signaltransduktion) kommt.

Sind nun alle Unklarheiten bezüglich der TTC beseitigt? Diese Frage muss mit einem klaren Nein beantwortet werden. Ganz im Gegenteil: In Anbetracht der bisherigen Daten müssen wir davon ausgehen, dass wir zum aktuellen Zeitpunkt erst am Anfang des Verständnisses für dieses Erkrankungsbild stehen. Die Herausgeber dieses Schwerpunkthefts sind daher der Meinung, dass die Initiierung weiterführender internationaler Studien und Register dringend nötig ist, um die TTC in ihrer Komplexität zu verstehen und adäquate Therapiestrategien zu entwickeln.