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Im „Journal Club“ werden Originalarbeiten aus der internationalen Fachliteratur referiert und kommentiert.

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Der kanadische Professor für Allgemeinmedizin, Kyle Sue, hatte schon lange den Verdacht, dass Männer nicht unbedingt weinerlicher sind, sondern tatsächlich länger und stärker unter Erkältungssymptomen leiden als Frauen und forschte nach. So führt er unter anderem die Grundlagenforschung an Mäusen ins Feld: So hätten mehrere Untersuchungen ergeben, dass weibliche Tiere besser mit Infekten umgehen können, was primär auf die Wirkung von Östrogenen zurückgeführt wurde. Diese würden bei einem Infekt vor allem die unspezifische Immunabwehr ankurbeln. Auch schütten weibliche Tiere mehr Kortikosteroide aus, wodurch sie die Erkältungssymptome vielleicht besser unterdrücken. Ein weiterer Hinweis: In Experimenten mit menschlichen Zellkulturen ließen sich mononukleäre Blutzellen von Frauen vor der Menopause weniger leicht mit Rhinoviren infizieren als die von gleich alten Männern. Stammten die Zellen hingegen von Frauen nach den Wechseljahren, ergab sich kein Vorteil. Andere Versuche konnten zeigen, dass nasale Schleimhautzellen von Frauen einen Influenzaangriff in vitro besser abwehren, wenn sie ausreichend Estradiol bekommen. Zellen von Männern brachte das Hormon hingegen keinen Vorteil. Wurden die Schleimhautzellen von Frauen mit Östrogenrezeptorblockern behandelt, waren sie Influenzaviren genauso schutzlos ausgeliefert wie die von Männern.

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Eine Frau hat nach circa anderthalb Tagen eine Erkältung überstanden — der Mann braucht meist drei Tage.

© Matthias Haas/iStock-Thinkstock (Symbolbild mit Fotomodell)

Männer sterben häufiger an Influenza

Zusätzlich verweist Sue auf höhere Sterberaten und vermehrte Klinikeinweisungen unter Männern während Influenzaepidemien. Die höhere Mortalität und Morbidität war auch dann noch gegeben, wenn Begleit- und Vorerkrankungen wie KHK, COPD oder Niereninsuffizienz berücksichtigt wurden. Ein anderer Beweisstrang führt über Impfreaktionen. Sue zitiert eine Studie, nach der Männer eine geringere Ansprechrate auf Influenzavakzinen zeigen, dabei wird vor allem ein Zusammenhang mit Testosteronspiegeln gesehen. Das Hormon scheint die Immunreaktion nach einer Impfung zu dämpfen.

Eine Umfrage unter Patienten, die wegen einer Erkältung einen Hausarzt aufsuchten, spreche ebenfalls gegen die These vom weinerlichen Mann, erläutert Sue. Schließlich kommt eine Studie mit über 2000 erkälteten Teilnehmern zu dem Schluss, dass Husten und Schnupfen bei Männern im Schnitt doppelt so lange dauern (drei versus anderthalb Tage) wie bei Frauen. Letztlich, so Sue, hätten all diese Studien ihre methodischen Schwächen, aber unterm Strich deute doch viel darauf, dass es Männer bei einer Erkältung härter und länger erwischt als Frauen. Die immunprotektiven Eigenschaften von Östrogenen und die eher immunsuppressive Wirkung von Testosteron könnten eine biologisch plausible Erklärung liefern.

Dass eine Erkältung Männer stärker aus der Bahn wirft, habe aber auch Überlebensvorteile: Sie ziehen sich dann zurück und vermeiden Auseinandersetzungen, bei denen sie im geschwächten Zustand den Kürzeren ziehen würden. Wenn erkältete Männer also den ganzen Tag auf der Couch oder im Bett liegen, sei dies ein evolutionär geprägtes Verhalten, dass ihrem Schutz diene.