Die transanale Irrigation (TAI) hat sich in der Vergangenheit als Therapie bei zahlreichen funktionellen Darmproblemen bewährt. Sowohl bei pädiatrischen Erkrankungen (Spina bifida, Analatresie) sowie auch bei neurologischen Störungen galt die TAI bereits seit Längerem als Standardverfahren zur Durchführung einer kontrollierten Entleerung [1, 2].

Auch bei der in den 1990er Jahren des vergangenen Millenniums angewandten totalen anorektalen Rekonstruktion mittels Grazilisplastik wurde die TAI erfolgreich zur Kontrolle der massiv beeinträchtigenden Entleerungsstörungen eingesetzt [3]. Basierend auf diesen Erfahrungen lag es nach Erkennen der Problematik (und der ähnlichen Symptomatik) des „low anterior resection syndrome“ (LARS) nahe, die TAI als mögliche Option für funktionelle Störungen nach tiefer Rektumresektion einzusetzen.

Erste Erfahrungen mit der transanalen Irrigation bei LARS

Bereits 1989 berichteten Iwama und Mitarbeiter über 10 Patienten mit schweren „Entleerungsstörungen“ nach tiefer vorderer Resektion, welche durch Einsatz einer TAI mittels eines konventionellen Kolostomie-Irrigationssystem erfolgreich behandelt werden konnten [4]. Dabei kamen Irrigationsvolumen von 500–1000 ml zur Anwendung.

Durch die TAI konnten die Defäkationsepisoden bei Tag und Nacht signifikant reduziert werden

Trotz dieser sehr positiven Einzelerfahrung waren weitere Publikationen über TAI bei LARS eher sporadisch und beschränkten sich vor allem auf Patienten, welche an schweren funktionellen Störungen nach tiefer vorderer Resektion oder koloanaler Anastomosierung litten [5, 6].

Erst mit der Identifizierung der Problematik von LARS als eigene Krankheitsentität konnte in der Literatur ein Ansteigen der Publikationen, welche sich mit dieser Problematik auseinandersetzten, verzeichnet werden. Damit verbunden kam es auch zum vermehrten Einsatz von TAI als mögliche Behandlungsoption. So wurden im Rahmen einer österreichisch-schweizerischen Gemeinschaftsstudie 14 Patienten mit einer längeren LARS-Anamnese (Median: 19 Monate [9–48]) mittels TAI behandelt. Durch Einsatz eines medianen Irrigationsvolumens von 900 (500–1500) ml konnte eine signifikante Reduktion der Defäkationsepisoden bei Tag und Nacht erreicht werden. Damit verbunden kam es auch zu einer statistisch signifikanten Verbesserung des Wexner-Inkontinenz-Scores sowie der untersuchten Parameter der Lebensqualität [7].

Ähnliche Beobachtungen wurden auch von einer italienischen Arbeitsgruppe um Martellucci und Mitarbeiter berichtet. Hier wurden 27 Patienten mit LARS einer TAI zugeführt, wobei sich eine signifikante Verbesserung des LARS-Scores (Median: 35,1 vor TAI auf 12,2 nach 6 Monaten mit TAI) fand [8]. Auch in dieser Arbeit konnten die Autoren eine Verbesserung der untersuchten Lebensqualitätsparameter beschreiben. Nach Beendigung der Studie (6 Monate) verblieben 85 % bei der TAI. Sechs Patienten hatten die Irrigationstherapie während der Studie abgebrochen.

TAI als Prophylaxe

Die oben erwähnten positiven Erfahrungen mit der TAI bei schwerem oder chronischem LARS sowie das Bewusstsein der hohen Inzidenz von LARS bei tiefer Rektumresektion führten in weiterer Folge zur Planung einer multizentrischen, kontrollierten Studie, welche den prophylaktischen Einsatz der TAI unmittelbar nach Verschluss des protektiven Ileostomas untersuchen sollte [9].

Insgesamt gelangten 39 Patienten nach ultratiefer Rektumresektion (Anastomosenhöhe im Median 3 cm von der Linea dentata) mit protektiver Ileostomie zur Untersuchung. Am Tag vor Stomarückverlagerung (nach Verifizierung einer problemlosen Anastomosenheilung) wurde die Randomisierung in eine TAI-Gruppe (n= 19) und eine Kontrollgruppe (n = 20) mit supportiver LARS-Behandlung (Biofeedback, Diätberatung, Einsatz von Loperamid) vorgenommen.

Im TAI-Kollektiv wurde nach Einweisung durch eine spezialisierte Stomatherapeutin eine tägliche Irrigation mit 1000 ml H2O entweder mit dem Peristeen-System (Coloplast, Humblebaek, Dänemark) oder einem 28-Fr-Harnblasenkatheter begonnen. Die Anzahl der maximalen Defäkationsepisoden bei Tag und Nacht, LARS und Wexner-Score sowie die Evaluierung der Lebensqualität mittels SF 36-Fragebogen wurde nach 1 Woche, einem und 3 Monaten evaluiert. Dabei fand sich eine signifikante Erniedrigung der Defäkationsepisoden (Tag und Nacht) sowie des LARS-Scores nach einem und 3 Monaten im Vergleich zur Kontrollgruppe (Abb. 1, 2 und 3). Lediglich im Rahmen der ersten Evaluierung 1 Woche nach Stomarückverlagerung führte die TAI zu einer primären Verschlechterung der Beschwerden.

Abb. 1
figure 1

Anzahl der maximalen Defäkationsepisoden bei Tag. (Contr Kontrollgruppe, TAI transanale Irrigation, Wk 1 eine Woche nach Stomarückverlagerung, Mo 1 ein Monat nach Stomarückverlagerung, Mo 3 drei Monate nach Stomarückverlagerung)

Abb. 2
figure 2

Anzahl der maximalen Defäkationsepisoden bei Nacht. (Contr Kontrollgruppe, TAI transanale Irrigation, Wk 1 eine Woche nach Stomarückverlagerung, Mo 1 eine Monat nach Stomarückverlagerung, Mo 3 drei Monate nach Stomarückverlagerung)

Abb. 3
figure 3

LARS-Score („low anterior resection syndrome score“). (Contr Kontrollgruppe, TAI transanale Irrigation, Wk 1 eine Woche nach Stomarückverlagerung, Mo 1 ein Monat nach Stomarückverlagerung, Mo 3 drei Monate nach Stomarückverlagerung)

In einer weiteren Untersuchung nach 12 Monaten zeigte sich, dass lediglich ein Patient aus der Kontrollgruppe die Möglichkeit der TAI ergriff, jedoch 9 Patienten aus der primären TAI-Gruppe auf dieses Verfahren verzichteten [10]. Als Hauptgrund dafür wurde die Länge des Irrigationsprozesses (n = 8) angegeben. Patienten, welche nach 12 Monaten weiter mit TAI behandelt wurden, zeigten dennoch eine statistisch signifikante geringere Anzahl an Defäkationsepisoden sowohl bei Tag (Median TAI 3 [1–6] vs. Kontrolle 5 [2–10]; p = 0,018) als auch bei Nacht (Median TAI 0 [0–1] vs. Kontrolle 1 [0–5]; p = 0,004).

Risiken und offene Fragen

Ein immer wieder aufkommender Kritikpunkt gegen den Einsatz der TAI ist die mögliche Verletzung des Rektums. In diesem Zusammenhang ist sicher der Nachweis einer intakten Anastomose mit radiologischer oder endoskopischer Technik obligat zu fordern. Zusätzlich ist die Ausbildung und Betreuung der Patienten durch eine für die TAI speziell ausgebildete Fachkraft einer der wesentlichen Faktoren für den Erfolg dieser Methode [11].

Obwohl Perforationen bei TAI im Rahmen anderer Erkrankungen als LARS berichtet wurden (Spina bifida, Analatresie), ergab ein Audit über die Sicherheit ein durchschnittliches Perforationsrisiko von 1 Perforation auf 167.000 Irrigationen, sodass die TAI bei guter Ausbildung des Patienten als sehr sicheres Verfahren angesehen werden kann [12].

Volumen und Intervalle

Ein extrem störendes Symptom von LARS stellt sicher die hohe Anzahl der Defäkationsepisoden mit ständigem (unproduktivem) Stuhldrang dar, wobei diese Problematik nur durch eine suffiziente Entleerung des Kolons kontrolliert werden kann. In diesem Zusammenhang konnte gezeigt werden, dass die regelrecht angewandte TAI in der Lage ist, eine Reinigung des Kolons bis ins Colon transversum zu erreichen [13]. Eine solche für den Patienten befriedigende Situation ist jedoch mit einer gewissen Zeitdauer bis zur vollständigen Evakuierung von Stuhl sowie Spüllösung verbunden. So wurde bei der oben angeführten randomisierten Prophylaxe-Studie eine mediane Toilettenzeit von über 40 min angegeben (bei 1000 ml Spülvolumen/alle 24 h; [9]). Dies wurde auch als mögliche Erklärung für das Abkommen von der sehr erfolgreichen TAI nach 3 Monaten bei 8 Patienten angegeben [10]. Nach 12 Monaten fand sich bei den verbliebenen TAI-Patienten ein medianes Spülvolumen von 600 ml (220–1000 ml), 5 Patienten irrigierten weiterhin alle 24 h, 3 Patienten alle 48 h und 2 Patienten lediglich zweimal pro Woche.

Dauer der TAI-Therapie

Neben der noch ungeklärten Problematik des Spülvolumens und Intervalls stellt sich auch noch die Frage nach der Gesamtdauer der TAI-Behandlung. Ist diese eine dauerhaft durchzuführende Maßnahme, oder kann sie nach einiger Zeit beendet werden?

Da eine spontane Verbesserung von LARS-Beschwerden nach 6–12 Monaten zu beobachtet ist [14], kann diese Tatsache vor allem beim frühen (prophylaktischen Einsatz) der TAI berücksichtigt und ein Ausschleichen der Irrigation (Reduktion der Spülvolumina) versucht werden. Bedingt durch die spontane Verbesserung von LARS sowie einen möglichen rehabilitativen Effekt im Neorektum und Neosigma können einige Patienten in weiterer Folge auch ohne Spülung eine akzeptable Lebensqualität erreichen [14].

Im Gegensatz dazu wird der Einsatz der TAI als Therapie bei chronischem LARS zweifelsohne als Dauertherapie angesehen werden müssen.

Fazit für die Praxis

  • Das „low anterior resection syndrome“ (LARS) ist eine häufige Problematik nach Rektumresektion.

  • Multiple Defäkationsepisoden bei Tag und Nacht mit ständigem unproduktivem Stuhlgang führen zu einer massiven Einschränkung der Lebensqualität.

  • Durch frühen Einsatz der transanalen Irrigation (TAI) können diese Funktionsstörungen positiv beeinflusst werden.

  • Eine intakte Anastomosenheilung sowie die Einweisung und Begleitung durch eine/einen mit Irrigationsanwendung erfahrenen Therapeutin/Therapeuten sind die wesentlichen Vorbedingungen für die erfolgreiche Anwendung der TAI bei LARS.