Nachdem die Chirurgie des Kolonkarzinoms lange eher stiefmütterlich behandelt wurde, gibt es derzeit einen erfreulichen Innovationsschub. Dieser geht mit einer Ausdifferenzierung der therapeutischen Möglichkeiten einher, die nun von koloskopischen Eingriffen über laparoskopische Verfahren bis zu Maximalprozeduren, wie der zytoreduktiven Chirurgie mit HIPEC (hypertherme intraperitoneale Chemoperfusion), reichen. Allen Verfahren ist gemein, dass sich die Komplexität immer weiter erhöht und damit die notwendige technische Expertise entsprechend steigt. Ganz besonders augenfällig ist dies bei der CME („complete mesocolic excision“). Sie wurde in Anlehnung an das Konzept der TME („total mesorectal excision“) entwickelt und 2009 von Hohenberger publiziert [1]. Im Gegensatz zur TME befindet sie sich aber noch immer in einem Entwicklungsprozess, auch wenn sie entsprechend der Leitlinien den Standard in der Chirurgie des Kolonkarzinoms darstellt. Dementsprechend ist die Evidenzgrundlage noch nicht eindeutig und Gegenstand intensiver Diskussion. In dem Beitrag von Brunner et al., Chirurgische Universitätsklinik Erlangen, wird die derzeitige Datenlage ausführlich und kritisch dargestellt. Dabei wird deutlich, dass einerseits weitere Untersuchungen notwendig, anderseits aber randomisierte Studien zur Überprüfung der CME aus methodischen Gründen sehr problematisch sind.

Abgesehen von den noch laufenden Erhebungen zur Evidenz ist auch die Entwicklung der CME-Technik noch nicht abgeschlossen. Die Problematik beginnt bereits bei der chirurgischen Anatomie des Kolons und insbesondere der rechten Kolonseite. Die komplexe Anatomie der peritonealen Grenzlamellen, der großen Mesenterialgefäße und des Pankreaskopfes sowie die embryologischen Grundlagen der Peritonealverhältnisse des Pankreas werden auch unter Anatomen noch intensiv diskutiert. Wedel et al. gehen in ihrem Beitrag ausführlich auf diese Thematik ein. Hierbei wird bereits klar, dass die CME beim rechtsseitigen Karzinom nur dann sicher durchgeführt werden kann, wenn die Anatomie dieser Region sicher beherrscht wird. Dies gilt bereits für die offene Operation, bei der zentrale Anteile der Mesenterialwurzel disseziert werden müssen. Soll die Operation laparoskopisch durchgeführt werden, ist ein vorheriges intensives Training unverzichtbar, um schwere Komplikationen zu vermeiden. Wo im Einzelnen die Probleme liegen und wie diese vermieden werden können, wird im Beitrag von Reichert et al., Chirurgische Universitätsklinik in Kiel, sehr detailliert dargestellt.

Neben der sehr radikalen CME werden auch Verfahren mit geringerer Invasivität weiterentwickelt

Im Gegensatz zur CME, die eine deutliche Ausweitung der Radikalität bedeutet, werden gleichzeitig Verfahren weiterentwickelt, um frühe Tumorläsionen mit immer geringerer Invasivität zu entfernen. Diese koloskopiebasierten Methoden sind teilweise technisch höchst anspruchsvoll. Trotz ihrer Komplexität und ihres nicht unerheblichen Risikos stellen diese Neuentwicklungen aber eindeutig einen großen Fortschritt in der Behandlung benigner Tumoren inklusive High-Grade-Adenomen dar. Ob damit auch maligne Polypen außerhalb der derzeit gültigen Risikokriterien entfernt werden sollten, muss derzeit noch offen bleiben. Lymphknotenmetastasierungen auch kleiner Tumoren (T1sm2) sind ein Gegenargument. Bei der ganz neuen Technik der Vollwandexzision muss zudem bedacht werden, dass bei lokalen R1-Resektionen das theoretische Risiko einer peritonealen Dissemination besteht. In dem Beitrag aus der Universitätsklinik in Augsburg von Probst et al. werden der derzeitige Stand der technischen Möglichkeiten dargestellt und die möglichen Indikationsgebiete kritisch beleuchtet.

Die Behandlung des Kolonkarzinoms erfordert ein Maximum an interdisziplinärer Kooperationsfähigkeit

Mit der Darstellung der Themen für dieses Heft wird klar, dass die Komplexität der Behandlung des Kolonkarzinoms anderen viszeralen Tumorentitäten in nichts nachsteht. Dabei wurden lediglich einige Hotspots herausgegriffen, die im Moment besonders intensiv diskutiert werden. Themen wie das Ausmaß des Stagings, 3‑D-Bildgebung zur Operationsplanung, multimodale Therapiemöglichkeiten bei fortgeschritten Karzinomen, die Einführung der Robotik, die Reduktion der perioperativen Morbidität und Letalität und die gesamte konservative Therapie müssen hier unberücksichtigt bleiben. Auch auf die noch immer geführte Diskussion um die optimale Versorgungsstruktur kann nicht eingegangen werden. Dennoch ist eindeutig: Die Behandlung des Kolonkarzinoms erfordert nicht nur ein hohes Maß an chirurgisch/technischer Expertise, sondern auch ein Maximum an interdisziplinärer Kooperationsfähigkeit mit einer möglichst großen Kompetenzschnittmenge zu den Nachbardisziplinen.

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