FormalPara Originalpublikation

Rees CJ et al (2016) Narrow band imaging optical diagnosis of small colorectal polyps in routine clinical practice: the Detect Inspect Characterise Resect and Discard 2 (DISCARD 2) study. Gut. doi:10.1136/gutjnl-2015-310584

FormalPara Hintergrund.

Die rein optisch gestützte Beurteilung kleiner Kolonpolypen ohne Histologie wird gegenwärtig viel vor dem Hintergrund ökonomischer Aspekte diskutiert. Die Frage, ob auch nicht-hochspezialisierte Zentren die notwendigen Qualitätsstandards mit dieser Strategie erreichen können, ist noch ungeklärt.

FormalPara Methoden.

In eine prospektiv-geblindete Multizenterstudie wurden n = 1688 Patienten mit Indikation zur elektiven Koloskopie (Beschwerden bzw. Fäkal-Okkult-Test positiv) eingeschlossen. Alle Endoskopiker an den 6 beteiligten Institutionen wurden in der NBI-Beurteilung inklusive NICE-Klassifikation von Kolonpolypen vorher geschult. Die Polypen wurden dementsprechend klassifiziert nach den Kategorien Adenom, hyperplastisch, Karzinom und Andere. Darüber hinaus musste jeweils eine Diagnosesicherheit von hoch bzw. niedrig angegeben werden. Die histologische Aufarbeitung erfolgte geblindet von den endoskopischen Ergebnissen. Im Studiendesign wurde eine Sensitivität von 95 % als Qualitätsmesslatte festgelegt. Die Sensitivität wurde neben anderen anhand von 2 Hauptkriterien im Vergleich optische Description-Histologie ermittelt (sog. Patienten-Level):

  • Vorliegen eines Adenoms (inkl. „high risk“, „low-risk“ etc.),

  • Indikation zur Nachsorge/Kontrolle.

Zusätzlich wurden Faktoren wie Polypenvariable, Patient, Endoskopiker und andere analysiert (sog. Polypen-Level).

FormalPara Ergebnisse.

Die Test-Sensitivität „optische Detektion Adenom“ betrug 83,4 %, damit signifikant weniger als die definierten 95 % (p < 0,001). Die Test-Sensitivität „Indikation zur Nachsorge“ betrug 73,0 %.

FormalPara Diskussion und Schlussfolgerung.

Aufgrund dieser Daten folgern die Autoren, dass derzeit die NBI-gestützte rein optische Diagnose kleiner Kolonpolypen für die klinische Routine nicht empfohlen werden kann.

Kommentar

Zum ökonomischen Hintergrund der rein optischen Beurteilung kleiner Kolonpolypen: Für die USA wurde beispielsweise eine dadurch entstehende potenzielle Kostenersparnis von ca. 30 Mio. USD kalkuliert [1].

In der Literatur wird von spezialisierten Zentren berichtet, welche eine solche NBI-gestützte optische Beurteilung mit adäquater Qualität durchführen können [2]. Allerdings wird eine sehr große Anzahl von sog. Routinekoloskopien an Institutionen ausgeführt, welche nicht diese hohe Spezialisierung aufweisen. Das Studiendesign ist fundiert und geeignet, die Frage zu klären, ob eine solche rein optische Beurteilung in größerem Rahmen abseits hochspezialisierter Zentren mit entsprechenden Qualitätsstandards möglich ist.

Die Ergebnisse erscheinen valide und zeigen klar, dass (zumindest derzeit) die rein optische Beurteilung abseits dieser hochspezialisierten Zentren nicht empfohlen werden kann. Somit stellt sich für die Zukunft die Frage, ob durch ein Endoskopiker-Teaching auf breiter Basis die nötigen Qualitätsstandards erreicht werden können und wenn ja, mit welchem Aufwand und welchen Kosten. Offensichtlich lassen sich die Daten von spezialisierten Zentren zumindest derzeit nicht auf das endoskopische Durchschnittssetting übertragen.

Darin lauert auch die Gefahr einer Qualitätsverschlechterung des Koloskopiescreenings: Wenn es nicht gelingt – oder es nicht möglich ist – mittels Training etc. flächendeckend mit der rein optischen Beurteilung die notwendigen Qualitätsstandards zu erreichen, wäre in letzter Konsequenz abzuwägen zwischen medizinischem Benefit für den einzelnen Patienten auf der einen und den ökonomischen Aspekten auf der anderen Seite. Mit anderen Worten: Screeningprogramme kosten Geld. Wenn sich diese als effektiv erweisen – wie im Fall der Koloskopie unbestritten – bleibt die Frage an Politik und Gesellschaft: Wie viel bin ich bereit dafür auszugeben bzw. welchen Preis akzeptiere ich für Einsparungen.