Zu unserem tiefen Bedauern haben wir aus China erfahren, dass Prof. Deng Zhongjia 邓中甲 am 26. Februar 2022 verstorben ist.

Prof. Deng Zhongjia 邓中甲 war einer der bedeutendsten chinesischen Rezepturspezialisten unserer Zeit (Abb. 1 und 2). Er genoss als Altarzt landesweit hohes Ansehen und war ein profunder Kenner der klassischen Schriften und der traditionellen Theorien der Chinesischen Medizin.

Abb. 1
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Prof. Deng Zhongjia 邓中甲 (1943–2022) (Foto: Deng Zhongjia)

Abb. 2
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Prof. Deng Zhongjia beim SMS-Kongress 2014 in der Evangelischen Akademie in Tutzing (Foto: Judith Pestel)

Im Jahre 2010 hatte ich leider nur kurz Gelegenheit, Prof. Deng in Chengdu kennenzulernen, und konnte deshalb sein umfangreiches Wissen über Rezepturen nur erahnen. Über die Vermittlung von Prof. Heiner Frühauf konnte die SMS Prof. Deng 2014 zum Kongress in Tutzing einladen. Es war eine einmalige Gelegenheit, an seinen profunden Kenntnissen und seiner klinischen Erfahrung teilzuhaben, die er in einem Prä-Workshop zum Thema „Konzepte für die Behandlung von Lungenkarzinomen und anderen Tumoren mit Chinesischer Medizin“ und einem Workshop zum Thema „Wichtige Methoden der geschickten Kombination zur richtigen Entfaltung von Arzneimittelwirkungen“ darlegte (s. den Artikel von Prof. Deng „Konzepte für die Behandlung von Karzinomen und anderen Tumoren mit Chinesischer Medizin“ in der Zeitschrift Chinesische Medizin, 2015; 30: Heft 3, 183–192).

Prof. Deng Zhongjia wurde im Oktober 1943 in der Stadt Jiangyin in Jiangsu geboren. In jungen Jahren erkrankte er an einer Optikusneuritis und wurde alsbald für blind erklärt. Mithilfe von Akupunktur, chinesischen Arzneimitteln und Qigong konnte er seine Sehkraft wiedererlangen, woraufhin er sich dafür entschied, sein Leben der Chinesischen Medizin zu widmen.

Von 1962–1970 studierte er an der Hochschule für TCM in Beijing und wurde anschließend in den Wirren der Kulturrevolution aufs Land in West-Sichuan geschickt, um dort zu arbeiten. Hier vertiefte er seine Studien in den klassischen klinischen Handbüchern der CM und verschrieb sich der Arzneimitteltherapie. 1979 wurde er zum Leiter des Instituts für Rezepturenlehre der TCM-Universität Chengdu und später zum Professor ernannt.

Während seiner 44 Jahre als Professor an Chinas traditionellster Universität für Chinesische Medizin hat er zahlreiche grundlegende Standardwerke veröffentlicht, darunter die Rezepturenlehre sowie 20 Monographien und über 40 Artikel. Viele seiner Studenten wurden später selbst renommierte Experten auf dem Gebiet der chinesischen Arzneimitteltherapie. Er erhielt zahlreiche Ehrungen und war Vorstandsmitglied in vielen chinesischen TCM-Vereinigungen. Außerdem war er Dekan der Chengdu-Universität für TCM, Ehrenprofessor an der Chang-Gung-Universität Taiwan und Ehrenprofessor am College of Classical Chinese Medicine an der National University of Natural Medicine.

Trotz seiner zahlreichen Ehrungen und großen Verdienste um sein Fach blieb Prof. Deng dem klassischen Denken der CM verpflichtet. So verfasste er mit Prof. Heiner Frühauf den bahnbrechenden Artikel „Chinese Medicine in Crisis: Science, Politics and the Making of TCM.“ (s. Artikel in Chinesische Medizin, 2005; 20: Heft 1, 1–12), der nicht nur im Westen eine heftige Debatte über die Neuausrichtung der Chinesischen Medizin auslöste, sondern auch in China für großes Aufsehen sorgte und bis heute Resonanz findet.

Prof. Deng wird uns als ein großer Gelehrter und Arzt in Erinnerung bleiben, der mit seinem unermüdlichen Einsatz für die Chinesische Medizin den Grundstock für eine Renaissance von deren wissenschaftlichen Wurzeln gelegt hat, die durch die Entwicklung der TCM im 20. Jahrhundert in Vergessenheit zu geraten drohten. Mit seinem systematischen Herangehen an die chinesische Drogenkunde mit ihren ausgefeilten Arzneimittelkombinationen und komplexen Rezepturen hat er überdies maßgeblich zur Weiterentwicklung der klinischen Anwendung der Chinesischen Medizin beigetragen.

Sein Tod ist für alle, die sich mit chinesischer Arzneimittelkunde befassen, ein großer Verlust, und wir werden ihn immer sowohl als wichtigen Lehrer als auch als vorbildhaften Menschen in Erinnerung behalten.

Ute Engelhardt, München