1 Einleitung

Jahrelang hat die Nutztierhaltung in Deutschland zunehmend die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen und ihre Akzeptanz ist gefährdet: Die bestehenden Bedingungen in der Nutztierhaltung werden von vielen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland und anderen westlichen Ländern als unzureichend angesehen (Christoph-Schulz 2018). Wenn keine umfassenden Veränderungen erfolgen, könnte die gesellschaftliche Legitimation zur Produktion tierischer Produkte verloren gehen (Spiller und Kühl 2022). Ein zentrales Thema in dieser Diskussion ist das Tierwohl (Gröner und Bergschmidt 2019). Die Bevölkerung sieht das Wohl der Tiere darin, dass sie ausreichend Platz haben, Zugang zu Auslauf haben und ihr natürliches Verhalten ausleben können, was positive Emotionen zeigt (Spiller et al. 2016). Eine weitere wichtige Frage betrifft die Finanzierung der Transformation der Nutztierhaltung, ohne dies allein den landwirtschaftlichen Betrieben aufzubürden, was nicht umsetzbar ist (Isermeyer 2019; Spiller und Kühl 2022).

Um diese beiden Themen besser zu verstehen, ist es notwendig, die öffentliche Wahrnehmung in Bezug auf die Haltung bestimmter Tierarten zu kennen. Bisherige Studien deuten darauf hin, dass die Haltung von Masthühnchen als besonders verbesserungswürdig angesehen wird, gefolgt von Legehennen und Mastschweinen. Im Vergleich dazu halten die wenigsten Menschen die Haltung von Milchkühen für verbesserungswürdig (Christoph-Schulz und Rovers 2020; Faletar und Christoph-Schulz 2022). Die öffentliche Wahrnehmung zur Tierhaltung wird hauptsächlich durch die Anzahl der Tiere in einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben, den begrenzten Platz im Stall, den begrenzten Auslauf, die fehlende weiche Bodenbedeckung und den Mangel an natürlichem Futter bestimmt. Zudem wird angenommen, dass Tiere prophylaktisch Medikamente erhalten (Christoph-Schulz et al. 2018; Sonntag et al. 2019; Christoph-Schulz und Rovers 2020).

Der Weg zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung ist somit noch weit. Vor diesem Hintergrund untersucht dieser Beitrag die Wahrnehmung ausgewählter Haltungsaspekte, Vorstellungen über die heute vorherrschenden Haltungsformen der vier wichtigsten Nutztierarten (Mastschweine, Milchkühe, Masthühnchen und Legehennen), die allgemeine Bewertung, die Bewertungen des Tierwohlengagements unterschiedlicher Akteure und Finanzierungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Nutztierhaltung.

2 Vorgehensweise und Auswertung

Um diese Fragen zu untersuchen, wurden zwischen Mai 2021 und September 2022 drei deutschlandweite Online-BürgerbefragungenFootnote 1 durchgeführt. Die hier präsentierten Fragen wurden, mit Ausnahme der Fragen zur Wahrnehmung der vier Produktionslinien (Mastschweine, Milchkühe, Masthühnchen und Legehennen), von allen Befragten beantwortet. Die Gesamtstichprobe sowie die vier Teilstichproben (jeweils 500 Teilnehmende für Mastschweine, Milchkühe, Masthähnchen und Legehennen) für die Produktionslinien waren repräsentativ für die deutsche Bevölkerung, wobei es geringfügige Abweichungen hinsichtlich bestimmter soziodemografischer Merkmale gab (für die Stichprobenbeschreibung siehe Einleitung AP 1).

Die Wahrnehmung der Haltung von Mastschweinen, Milchkühen, Masthühnchen und Legehennen wurde anhand von jeweils 20 − 22Footnote 2 Statements auf einer siebenstufigen Likert-Skala mit der zusätzlichen Antwortmöglichkeit „kann ich nicht beurteilen“ untersucht. Die gleiche Skala wurde verwendet, um die allgemeine Einschätzung von konventioneller und biologischer Haltung dieser vier Tierarten zu erfassen. Die Frage nach der Vorstellung von den vorherrschenden Haltungsformen landwirtschaftlicher Nutztierarten wurde auf einer siebenstufigen Likert-Skala gestellt, während das Tierwohlengagement verschiedener gesellschaftlicher Gruppen auf einer fünfstufigen Likert-Skala bewertet wurde.

In Bezug auf die Finanzierung zur Verbesserung der Nutztierhaltung hatten die Probanden die Aufgabe, Geld aus einem oder mehreren von zehn Bundeshaushalten umzuverteilen, um die Nutztierhaltung in Deutschland zu verbessern. Bei dieser Frage bestand auch die Möglichkeit, anzugeben, dass die Befragten nichts an der aktuellen Situation ändern möchten oder dass sie diese Entscheidung nicht treffen können oder möchten. In der dritten Befragungswelle hatten die Teilnehmenden auch die Möglichkeit, eigene Finanzierungsquellen für die Verbesserung der Nutztierhaltung zu nennen.

Nicht alle Fragen, die zum Modul "Wahrnehmung" gehörten, waren in allen Befragungswellen vertreten (siehe Ergebnisse in Kapitel 3). Die univariate Datenanalyse wurde mithilfe der Software SPSS 26 durchgeführt und in Tabellenform dargestellt.

3 Ergebnisse

3.1 Wahrnehmung der Haltung

3.1.1 Mastschweine

Zwischen 62% und 67% der Befragten gaben an, dass Mastschweine in ihrem Stall nicht genug Platz haben und zwischen 62% und 73%, dass ihr Zugang ins Freie nicht ausreicht. Zwischen 56% und 62% waren der Meinung, dass die Ernährung der Mastschweine nicht dem entspricht was sie natürlicherweise fressen würden (Tab. 1). Aus Sicht von 37% bis 43% der Befragten war der Boden der Mastschweineställe nicht mit weichem Material eingestreut, und 43% bis 54% waren der Meinung, dass Medikamente nicht nur in Krankheitsfällen eingesetzt werden, sondern prophylaktisch. Die Anzahl der gehaltenen Tiere in den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben bewerteten 50% bis 60% der Befragten als zu hoch. Unentschlossen bei der Bewertung waren zwischen 8% und 23% der Befragten und zwischen 9% und 20% konnten oder wollten keine Bewertung abgeben (Tab. 1).

Tab. 1 Wahrnehmung der Haltungsaspekte von Milchkühen und Mastschweinen

3.1.2 Milchkühe

Die Hälfte der Befragten war der Meinung, dass Milchkühe nicht genug Platz für Bewegung haben (49% − 56%). Zwischen 42% und 53% fanden den Weidegang nicht ausreichend und zwischen 39% und 49% hielten die Ernährung nicht für tiergerecht (Tab. 1). Für 24% bis 34% der Befragten war der Boden in Milchkuhställen nicht mit weichem Material eingestreut. Zwischen 31% und 43% waren der Ansicht, dass die Tiere Medikamente prophylaktisch bekommen und zwischen 38% und 45%, dass einzelne Milchkuhhalter zu viele Tiere halten. Zugestimmt wurde  Unentschlossen bei der Bewertung waren zwischen 15% und 26%, und zwischen 8% und 23% der Befragten konnten oder wollten diese Aussagen nicht beurteilen (Tab. 1).

3.1.3 Geflügel: Masthühnchen und Legehennen

Bei den Masthühnchen bewerteten zwischen 56% und 64% der Befragten den verfügbaren Platz im Stall als unzureichend, während zwischen 56% und 67% den begrenzten Auslauf ins Freie bemängelten (Tab. 2). Etwa 57% bis 58% der Teilnehmer gaben an, dass die Ernährung der Masthühnchen nicht ihren natürlichen Fressgewohnheiten entspricht. Zwischen 28% und 36% der Befragten gaben an, dass es in den Masthühnchenställen keine weiche Einstreu gibt, während zwischen 41% und 50% der Meinung waren, dass Medikamente nicht nur in Krankheitsfällen eingesetzt werden. Über die Hälfte der Befragten (53% − 56%) empfand, dass einzelne landwirtschaftliche Betriebe zu viele Tiere halten. Zwischen 11% und 25% waren in ihrer Bewertung unentschlossen, und zwischen 11% und 26% konnten oder wollten zu bestimmten Aussagen keine Stellung nehmen (Tab. 2).

Tab. 2 Wahrnehmung der Haltungsaspekte von Masthühnchen und Legehennen

Bei den Legehennen fanden zwischen 50% und 63% der Befragten, dass der verfügbare Platz in ihren Ställen nicht ausreicht, um sich zu bewegen (Tab. 2). Zwischen 47% und 61% empfanden den Zugang ins Freie und zwischen 47% und 55% die Ernährung der Legehennen als unangemessen. Etwa 25% bis 37% der Befragten gaben an, dass in den Ställen kein weiches Material zur Bodenbedeckung verwendet wird, und zwischen 33% und 49% waren der Meinung, dass Medikamente prophylaktisch eingesetzt werden. Zwischen 52% und 61% der Befragten waren der Ansicht, dass einige landwirtschaftliche Betriebe zu viele Legehennen halten. Zwischen 14% und 23% waren in ihrer Bewertung unentschlossen, und zwischen 11% und 25% konnten oder wollten zu diesen Aussagen keine Stellung nehmen (Tab. 2).

3.2 Bürgerliche Einschätzung der Nutztierhaltung

Die Ergebnisse zeigen, dass der höchste Prozentsatz der Befragten, nämlich 71%, sowohl die Haltung von landwirtschaftlichen Mastschweinen als auch die von Masthühnchen als verbesserungswürdig erachtet. Bei der landwirtschaftlichen Legehennenhaltung beträgt dieser Prozentsatz 69%, während 60% der Teilnehmenden die landwirtschaftliche Milchkuhhaltung für verbesserungswürdig halten (Tab. 3). Zwischen 11% und 23% der Befragten empfinden die Haltung der untersuchten landwirtschaftlichen Tierarten als zufriedenstellend, und 8% bis 9% konnten keine Bewertung abgeben. Im Hinblick auf die Bio-Haltung sehen die meisten Befragten die Masthühnchenhaltung (44%) als verbesserungswürdig an, gefolgt von der Mastschweinehaltung (41%), Legehennenhaltung (39%) und Bio-Milchkuhhaltung (33%). Zwischen 28% und 42% der Teilnehmenden empfinden die  Bio-Nutztierhaltung als zufriedenstellend. Eine Bewertung dazu konnten zwischen 12% und 13% der Befragten nicht abgeben (Tab. 3).

Tab. 3 Einschätzung der Haltung von vier Nutztierarten

3.3 Bürgerliche Vorstellung über die Nutztierhaltung

Der höchste Prozentsatz der Teilnehmenden gab an, klare Vorstellungen zur Haltung von Milchkühen (60 − 61%) zu haben, gefolgt von Mastschweinen (53 − 55%) und Legehennen (52 − 55%). Die geringste Anzahl der Befragten hatte konkrete Vorstellungen von der Masthühnchenhaltung (47 − 48%). Etwa 15% bis 20% der Teilnehmenden hatten weder klare noch vage Vorstellungen von der Haltung dieser Tierarten. Bei 33% fehlte eine klare Vorstellung zur Masthühnchenhaltung, während dies bei der Mastschweinehaltung auf 29%, bei der Legehennenhaltung auf 29% bzw. 28%, und bei der Milchkuhhaltung auf 24% bzw. 23% der Befragten zutraf (Tab. 4).

Tab. 4 Vorstellung über Haltung einzelner Tierarten

3.4 Engagement unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen für das Tierwohl

Zwischen 96% und 99% der Teilnehmenden sind der Ansicht, dass alle gesellschaftlichen Gruppen sich in unterschiedlichem Maße aktiv für das Thema Tierwohl engagieren sollten (Tab. 5). Etwa 51% bis 53% der Befragten glauben, dass Landwirtinnen und Landwirte besonders aktiv für das Tierwohl eintreten sollten, während dies für die Politik bzw. den Staat von 39% bis 41% der Teilnehmenden und für Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) von 34% bis 37% gilt. Etwa 29% bis 30% der Befragten sind der Meinung, dass der Handel eine besonders aktive Rolle beim Tierwohl spielen sollte und 26% bis 27% denken, dass dies auch für Verbraucherinnen und Verbraucher gilt. Insgesamt befürworten 35% bis 36% der Befragten ein aktives Engagement seitens des Handels, 34% seitens der Verbraucherschaft, 35% bis 32% seitens der NGOs, 31% bis 28% seitens der Landwirtschaft und 30% bis 28% seitens der Politik. Zwischen 14% und 28% der Befragten halten ein moderates Engagement dieser Gruppen für ausreichend (Tab. 5).

Tab. 5 Engagement für das Tierwohl

3.5 Finanzierung der Verbesserung der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in Deutschland

Die Analyse ergab, dass 7% der Teilnehmenden aus der ersten Befragungswelle und 8% aus der dritten Befragungswelle der Meinung sind, dass die Nutztierhaltung in Deutschland in ihrer aktuellen Form bleiben sollte  und kein Geld aus anderen Haushalten für eine Verbesserung verwendet werden sollte. Zwischen 22% (1. Befragungswelle) und 29% (3. Befragungswelle) der Befragten konnten oder wollten diese Frage nicht beantworten. Andererseits wären 71% (1. Befragungswelle) bzw. 62% (3. Befragungswelle) der Teilnehmenden bereit, finanzielle Mittel aus einem der zehn HaushalteFootnote 3 zu verwenden, um die Nutztierhaltung in Deutschland zu verbessern. In der dritten Befragungswelle gaben 1% der Probanden an, dass sie die Verbesserungen aus einer anderen Finanzierungsquelle unterstützen würdenFootnote 4.

4 Diskussion und sSchlussfolgerungen

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die wahrgenommenen Haltungsaspekte bei verschiedenen Tierarten zwar variieren, jedoch ein erheblicher Anteil der Befragten die präsentierten Aspekte bei allen vier Tierarten und in allen Befragungswellen als verbesserungswürdig ansieht. Ein Großteil bewertete vor allem den Mangel an Platz und fehlenden bzw. unzureichenden Zugang ins Freie/Weidegang, den Medikamenteneinsatz und das Fehlen von Stroh auf dem Stallboden als kritisch. Dies deckt sich mit früheren Untersuchungen zur Wahrnehmung dieser Haltungsaspekte.

Die Ergebnisse der allgemeinen Einschätzung der Haltung landwirtschaftlicher Nutztierarten spiegeln weitgehend die Wahrnehmung einzelner Tierarten wieder. Die Mehrheit der Befragten ist mit der Milchkuhhaltung, gefolgt von Legehennen-, Mastschweine- und Masthähnchenhaltung, als zufriedenstellend. Die "Zufriedenheit" mit der Bio-Nutztierhaltung liegt etwas höher.

In Bezug auf die Vorstellungen der Teilnehmenden zur Haltung einzelner Tierarten zeigte sich, dass diese am konkretesten sind, bei denen die Haltungsaspekte als weniger verbesserungswürdig bewertet wurden. Dies deutet darauf hin, dass persönliche Vorstellungen und wahrgenommene Realität in gewisser Weise miteinander verknüpft sind.

Die Mehrheit der Befragten war der Meinung, dass sich alle gesellschaftlichen Gruppen aktiv für das Tierwohl einsetzen sollten. Landwirtinnen und Landwirte werden jedoch als besonders verantwortlich angesehen, gefolgt von der Politik, NGOs, dem Handel und den Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Was die Finanzierung der Verbesserung der Nutztierhaltung angeht, zeigt sich, dass ein signifikanter Anteil der Befragten bereit wäre, Geld aus einem der zehn übrigen Bundeshaushalte dafür zu verwenden. Allerdings gab es auch Personen, der sich schwer damit taten, eine Entscheidung zur Finanzierung zu treffen.

Die Bedeutung dieser Studie liegt in den Informationen zu den Ansichten der Bevölkerung über die Nutztierhaltung in Deutschland aus verschiedenen Blickwinkeln. Diese Erkenntnisse sind für Landwirtinnen und Landwirte, Branchenvertreter und die politische Entscheidungsfindung relevant. Zukünftige Studien sollten weitere Faktoren wie Wissen, Interesse und persönliche Erfahrungen einbeziehen, um die Wahrnehmung noch besser zu verstehen und gezielte Aufklärungskampagnen zu entwickeln, die zu einer verbesserten Wahrnehmung und Akzeptanz der Nutztierhaltung beitragen können.