1 Einleitung

Meldepflichtige lebensmittelbedingte Ausbrüche in der Schweiz beinhalten Lebensmittelinfektionen sowie Lebensmitteltoxiinfektionen. Solche Vorkommnisse werden in der Regel durch die kantonalen Gesundheitsbehörden, wie die kantonsärztlichen Dienste oder aber durch die kantonalen Lebensmittelkontrollbehörden erfasst. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) rapportieren auf nationaler Ebene jährlich über entsprechende epidemische Vorkommnisse, deren Anzahl, verursachende Agenzien und Organismen, deren Auswirkungen sowie über die implizierten Lebensmittel und Orte der Exposition. Die Ergebnisse werden auf europäischer Ebene, im Rahmen der Berichterstattung zum One Health Zoonoses Report, an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) übermittelt, welche ihrerseits, zusammen mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), jährlich einen Gesamtbericht für Europa publiziert. Dieser Artikel gibt eine Zusammenstellung der in der Schweiz gemeldeten Ausbrüche der letzten 15 Jahre wieder sowie Hinweise, welche Maßnahmen zur Optimierung der Meldungen getroffen wurden.

2 Rechtsgrundlagen und Herkunft der Daten

Was in der Schweiz unter einem lebensmittelbedingten Krankheitsausbruch verstanden wird, definiert die Verordnung über den Vollzug der Lebensmittelgesetzgebung (LMVV 2022). Es handelt sich dabei um eine Krankheit oder Infektion beim Menschen in mindestens 2 Fällen, oder um eine Situation, in der sich die festgestellten lebensmittelbedingten Krankheitsfälle stärker häufen als erwartet.

Grundsätzlich sind für den Vollzug des Lebensmittelgesetzes (LMG 2014) und des Epidemiengesetzes (EpG 2012) in der Schweiz die Kantone zuständig. Sie sind verpflichtet, die Krankheitsausbrüche in Zusammenhang mit Lebensmitteln abzuklären und Maßnahmen zu treffen. Sie melden dem BLV ihre Abklärungen umgehend. Die kantonalen Gesundheitsbehörden führen in ihrem Zuständigkeitsbereich epidemiologische Abklärungen durch, insbesondere über die Art, die Ursache, die Ansteckungsquelle und die Ausbreitung einer festgestellten oder vermuteten Krankheit. Sie können dazu das BAG beiziehen. Die Kantonsärztinnen und Kantonsärzte koordinieren ihre Tätigkeiten mit anderen an der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beteiligten Behörden und Institutionen. Der Bund beaufsichtigt den Vollzug des Gesetzes durch die Kantone. Zum Zweck der Koordination kann der Bund bei außerordentlichen Verhältnissen die Kantone anweisen, bestimmte konkrete Maßnahmen zu treffen.

3 Methodik

Die einzelnen kantonalen Lebensmittelkontrollbehörden melden, gemäß den rechtlichen Vorgaben, ihre Vorkommnisse an das BLV. Hierzu wird ein standardisiertes Formular verwendet, welches dem BLV elektronisch übermittelt wird. Die Auswertung der Daten erfolgt in 2 Richtungen. Einerseits dienen sie als Grundlage für die nationale Berichterstattung, andererseits aber auch zur Meldung an die europäischen Behörden. Die entsprechenden Daten können sich unterscheiden, da im nationalen Bericht auch Ereignisse aufgenommen werden, deren Daten nicht den Kriterien der europäischen Behörden an einen Ausbruch entsprechen. Die Kantone übermitteln die Erkenntnisse jeweils nach Abschluss einer Ausbruchsabklärung, oder aber, nach Aufforderung durch das BLV, am Ende des jeweiligen Kalenderjahres. Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf den Daten, welche die Schweiz der EFSA zwischen 2007 bis 2021 übermittelte.

4 Ergebnisse

Zahlreiche Ausbrüche wurden den Bundesbehörden in den vergangenen Jahren durch die kantonalen Behörden gemeldet. Wendet man die Kriterien der EFSA (2014) an, welche seit 2016 in der Schweiz verwendet werden, so zeigte sich bei insgesamt 114 Ausbrüchen in dieser Zeitperiode, bei 43 eine starke, bei 71 eine schwache Evidenz. Insgesamt wurden zwischen 2007 bis 2021 200 lebensmittelbedingte Krankheitshäufungen durch die Kantone gemeldet. Es erkrankten mindestens 4668 Personen, 303 Personen wurden hospitalisiert und 18 Personen verstarben in Zusammenhang mit einem lebensmittelbedingten Ausbruch. Die Zahl der Ausbrüche lag zwischen 0,15 und 0,43 Ausbrüchen je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner/Jahr (Abb. 1), bei einer Bevölkerungszahl zwischen 7,5 Mio. (2007) und 8,6 Mio. (2021). Der Median lag bei 0,14 mit steigendem Trend. Pro Ausbruch wurden durchschnittlich 23 Fälle, 1,5 Hospitalisierungen und 0,09 Todesfälle gemeldet. In 43% der Ausbrüche war weder ein verursachender Erreger noch ein Agens identifizierbar. Bei rund 32% der Ausbrüche konnte kein verursachendes Lebensmittel identifiziert werden (Abb. 2).

Abb. 1
figure 1

Von den kantonalen Lebensmittelkontrollbehörden gemeldete lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche in der Schweiz von 2007 bis 2021, absolut und je 100.000 Einwohner und Einwohnerinnen und Jahr. Die Bevölkerungszahl berücksichtigt die publizierten Daten des Bundesamtes für Statistik der entsprechenden Jahre jeweils am 01.01. (BfS 2022)

Abb. 2
figure 2

Zusammenstellung der gemeldeten Ausbrüche von 2007 – 2021 in der Schweiz, der Erreger und weiteren gemeldeten Ursachen, der identifizierten Lebensmittel, der Expositionsorte sowie das Vorkommen der häufigsten Erreger je Kalenderjahr

Die am häufigsten in Ausbrüchen nachgewiesenen Erreger waren Salmonella spp. (25), Campylobacter spp. (17) sowie Noroviren (16) und koagulase-positive Staphylokokken (16). Ausbrüchen von lebensmittelbedingten Erkrankungen fanden sich hauptsächlich in Gastronomiebetrieben (85), gefolgt von privaten Haushalten (19) sowie Kindergärten und Schulen (13) und bei Take-away-Verpflegungen (9). In Zusammenhang mit einem Ausbruch gemeldete Lebensmittel umfassten, in absteigender Reihenfolge, gemischte Produkte (z.B. zusammengesetzte Speisen) mit 27 Ausbrüchen, Fische und Fischprodukte (17), gefolgt von Milch und Milchprodukten (11) sowie Fleisch und Fleischprodukten (11) (Abb. 2).

Zwischen 2007 und 2021 wurden 18 Todesfälle in Zusammenhang mit einem lebensmittelbedingten Ausbruch gemeldet. Verursacht wurden diese durch Listeria monocytogenes (14), Hepatitis-E-Virus (2), Campylobacter spp. (1) und Noroviren (1). Einzelne Ausbrüche waren für eine Vielzahl von Fällen verantwortlich. Bezogen auf die Zahl der Erkrankten war dies insbesondere ein Ausbruch im Jahr 2015. Mit Norovirus kontaminiertes Trinkwasser führte zu 1194 erkrankten Personen und 5 Hospitalisierungen. Todesfälle waren keine zu verzeichnen. Ursache des Ausbruchs war ein außerordentliches Gewitter, bei dem innert 75 Minuten 60 mm Niederschlag fiel. Dieses Ereignis führte zu einer Kontamination des Trinkwassers. Dieser Ausbruch wurde genutzt zu testen, inwieweit soziale Medien für eine frühzeitige Identifikation eines Ausbruchs Verwendung finden könnten. Eine retrospektiv durchgeführte Analyse von mehr als 400.000 Tweets zeigte, dass entsprechende Meldungen via Twitter bereits am ersten Tag der Epidemie abgesetzt wurden (Casas et al. 2018). Es wäre demnach möglich, vorausgesetzt eine genügende Anzahl Personen twittert, einen größeren Ausbruch rechtzeitig zu identifizieren. Ein entsprechendes Konzept wurde, im Rahmen einer universitären Studie, weiter untersucht und die Herausforderungen identifiziert (Casas et al. 2020, 2021).

Ein weiterer Ausbruch mit kontaminierter Trinkwasserquelle ereignete sich im Jahr 2008, als Erreger konnte Campylobacter jejuni identifiziert werden. Es erkrankten 185 Personen. Eine Person wurde hospitalisiert.

Ein landesweiter Listeriose-Ausbruch wurde 2020 auf eine anhaltende Umgebungskontamination einer Käserei mit Listeria monocytogenes Serotyp 4b, Sequenztyp 6 zurückgeführt. Mit Hilfe der Ganzgenomsequenzierung (WGS) wurden klinische Isolate mit einer Käseprobe und mit Proben von zahlreichen Standorten in der Produktionsumgebung verglichen und so die Quelle identifiziert. Die WGS spielte eine Schlüsselrolle beim Nachweis der engen Verwandtschaft zwischen den Isolaten aus der Käseprobe und aus der Umwelt sowie bei der Verknüpfung von Listeriosefällen von 2018 mit dem Ausbruch von 2020 (Nüesch-Inderbinen et al. 2021). Bei diesem Ausbruch erkrankten 34 Personen an Listeriose, 10 Personen verstarben.

Das BAG verzeichnete von Januar bis Mai 2021 eine ungewöhnliche Häufung von Hepatitis-E-(HEV) Fällen. Von Januar bis Mai wurden über die ganze Schweiz verteilt insgesamt 105 Fälle gemeldet, fast dreimal so viele Fälle wie im gleichen Zeitraum der Vorjahre. Das BLV führte ein Monitoring zu HEV in Fleisch und Fleischwaren durch, insbesondere an rohem Schweinefleisch, roher Schweineleber und rohem Hirschfleisch. Insgesamt konnten 198 Proben, durch 20 kantonale Lebensmittelkontrollbehörden und das Fürstentum Liechtenstein, in den verschiedensten Betrieben sowie eine weitere Probe direkt durch das BLV erhoben werden. Zwei (4,3%) Schweinelebern und 3 (2%) Kochwurstwaren (2 Leberwürste mit Pilzen und eine Streichleberwurst) waren HEV-PCR positiv. Die Sequenzierung der Virenisolate aus den Lebensmitteln gestaltete sich technisch schwierig und gelang nur bei einer Schweineleber, die mit keiner der humanen Sequenzen identisch war. Trotz der systematischen Befragung der Fälle im Rahmen einer Fall-Kontroll-Studie und zahlreichen Lebensmittelanalysen konnte keine Infektionsquelle identifiziert werden (BAG 2022).

5 Diskussion

Die meisten lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüche treten lokal nach einer punktuellen Exposition auf, aber nur wenige werden durch analytische epidemiologische Studien untersucht. Diese von Werber and Bernard (2014) aufgestellte Hypothese findet sich auch im vorliegenden Daten-Set. Offensichtlich gibt es Hindernisse für den Einsatz analytisch-epidemiologischer Studien bei Ausbruchs-Untersuchungen auf lokaler Ebene. Die Gründe, warum solche Studien nur selten eingesetzt werden, dürften vielfältiger Natur sein. Umfassende fehlende personelle oder technische Ressourcen, widersprüchliche Prioritäten im Bereich der öffentlichen Gesundheit, spätes Erkennen von Ausbrüchen und mangelnde Erfahrung bei der Durchführung solcher Studien könnten Gründe sein. Dies bedeutet, dass möglicherweise neue Erreger-Matrix-Kombinationen nicht erkannt werden. Mehr noch, es bedeutet auch, dass verschiedenste Ausbrüche weder auf einen Erreger noch auf eine Matrix zurückgeführt werden können.

Diese Herausforderung adressierend erarbeitete das BLV einen Werkzeugkasten für die zuständigen kantonalen Lebensmittelkontroll- und Gesundheitsbehörden, welcher erlaubt, auch ohne große Praxiserfahrung, Ausbruchsabklärungen zielgerichtet anzugehen. Das Bundesamt stellt auf der Webseite «Abklärung lebensmittelbedingter Krankheitsausbrüche (ALEK)», Unterlagen zur Verfügung, um solche Krankheitsausbrüche zu bewältigen. ALEK richtet sich dabei an Mitarbeitende kantonaler Behörden und Behörden des Bundes, die mit der Abklärung solcher Ereignisse beauftragt sind (BLV 2020). Dieser Werkzeugkasten umfasst eine eigene Webseite, einen Praxisleitfaden, welcher in knapper Form die Vorgehensweise erläutert sowie ein Set von vier Handbüchern unterschiedlicher Szenarien (z.B. für lokale Ausbrüche, nationale oder internationale). Weiterführende Hilfsmittel erlauben die direkte Meldung von möglichen Ereignissen an die zentralen Behörden mit dem elektronisch verfügbaren Formular. Sie erlauben aber auch Fragbögen zu generieren oder statistische Auswertungen mit minimalem Aufwand durchzuführen.

Eine weitere Herausforderung ist die WGS-Zuordnung der Isolate/Fälle bei den Krankheitsausbrüchen, da sich noch keine Standards für Allel-Unterschiede etabliert haben, um verschiedene Erreger-Cluster zu definieren. Durch Anwendung molekularbiologischer Methoden und Typisierungen gelingt es vermehrt, vermeintlich individuelle Erkrankungen einem Ausbruch zuzuordnen. Diese Zuordnung erfolgt nicht nur geografisch sondern auch zeitlich. So konnten beispielsweise 2018 festgestellte Listeriosefälle zweifelsfrei einem Ausbruch in 2020 zugeordnet werden. Das bedeutet, dass Fälle aus vorangegangenen Jahren als zum Ausbruch zugehörig erkannt werden können bzw., dass ein Ausbruch über mehrere Jahre andauern kann. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine Datenzusammenführung der Daten aus Gesundheits-, Lebensmittelkontroll- und Veterinärbehörden. Werden Ausbrüche frühzeitig identifiziert, so besteht die Möglichkeit zeitnah zu intervenieren. Maßnahmen können verordnet und damit die Krankheitslast einer Bevölkerung verringert werden.

6 Fazit

Der Trend der Ausbrüche ist steigend, und es ist zu erwarten, dass er mit neuen molekularbiologischen Typisierungsmethoden wie WGS weiter steigen dürfte. Vorausgesetzt, es gelingt die heute dezentralen Daten zusammenzuführen und einer weitergehenden Analyse zugänglich zu machen. Dass dies möglich wird, setzt voraus, dass die zuständigen Behörden Ausbrüche identifizieren und konsequent einer Abklärung zuführen. Dazu braucht es personelle Ressourcen und das Wissen und den Willen solche Abklärungen durchzuführen. Das BLV hat die Voraussetzungen hierfür geschaffen, indem es einen Werkzeugkasten auf einer öffentlich zugänglichen Webseite allen zur Verfügung stellt.