Zusammenfassung
Für die verschiedenartigen Oxydschichten auf Aluminiumoberflächen läßt sich ein gemeinsames Bauprinzip erkennen. Den Kern aller Schichten bildet eine Grundschicht, die aus γ-Aluminiumoxyd, einer Abart oder einer Vorstufe dieser Modifikation besteht. Durch diese Schicht können Aluminiumionen vom Aluminiumgrundmetall über die stöchiometrisch bedingten Fehlstellen des Spinellgitters wandern. Die Schicht wächst an der äußeren Oberfläche des Aluminiumoxyds durch Reaktion der Aluminiumionen mit Sauerstoff oder mit Anionen eines Elektrolyten.
In der Luftoxydschicht, die sich bei normalen Temperaturen auf Aluminiumoberflächen bildet, liegt eine sehr dünne Grundschicht, eingebettet in eine Gesamtschicht von größerer Stärke vor.
Bei anodischer Behandlung in geeigneten Elektrolyten, vor allem wässerigen oder alkoholischen Lösungen von Borsäure und Boraten wächst die Grundschicht unter den üblichen technischen Bedingungen auf Stärken bis 0,7 μm. Die dielektrische Grundschicht wächst nur, wenn die Feldstärke die Größenordnung 10 MV/cm überschreitet.
Durch Neben- und Sekundärreaktionen des Grundvorganges sind folgende Erscheinungen zu unterscheiden:
-
1.
Infolge stationärer Elektronenwanderung über Inhomogenitäten und über die Leerstellen der Oxydschicht fließt auch nach Aufhören des Schichtwachstums bei Feldstärken unter 10MV/ cm ein Reststrom über die Anode.
-
2.
Bei Erreichung bestimmter Schichtdicken wird infolge Elektronenanreicherung an der GrenzschichtAluminiumoxyd/Elektrolyt dieeldverteilungskurve im Aluminiumoxyd so stark abgeflacht, daß Elektronen unter Funkenerscheinung unmittelbar durchtreten können. Die Höhe der Funkenspannung ist in erster Linie abhängig von der Ionenkonzentration oder der Leitfähigkeit des Elektrolyten.
-
3.
In einer bestimmten Klasse von Elektrolyten, zu denen vor allem wässerige Lösungen von Schwefelsäure, Oxalsäure und Chromsäure gehören, bildet sich infolge lösender Wirkung auf die Grundschicht neben einer dünnen dielektrischen Grundschicht eine dicke poröse Schicht.
Schrifttum
E. Baur und R. Brunner, Über die Schmelzfläche im System Aluminium, Aluminiumoxyd, Aluminiumkarbid. Z. Elektrochem. 40, 154 (1934).
R. R. Ridgway, A. A. Klein und Wm. J. O'Leary, The preparation and properties of socalled „Beta-Alumina“. Trans. electrochem. Soc. 70, 71 (1936).
C. A. Beevers und S. Brohult, The formula of „β-Alumina“ Na2O, 11 Al2O3. Z. Kristallogr. A 95, 472 (1936).
W. Biltz, A. Lemke und K. Meisel, Über γ-Tonerde und Spinelle. Z. anorg. allg. Chem. 186, 373 (1930).
N. Parravano und V. Montoro, L'Allumina Blanc. Atti R. Accad. naz. Lincei (6) 7, 885 (1928); (6) 10, 475 (1929).
H. B. Weiser und W. O. Milligan, X-ray studies on the hydrous oxides. J. physic. Chem. 36, 3010 (1932).
R. Fricke, Hydroxyde und Oxydhydrate (Leipzig 1937), 57.
A. Steinheil, Struktur und Wachstum dünner Oberflächenschichten auf Metallen bei Oxydation an Luft. Ann. Physik 19, 465 (1934).
E. Belwe, Untersuchung von Aluminiumoxyden mittels Elektroneninterferenzen. Z. Physik 100, 192 (1936).
F. Ulrich, Notiz über die Kristallstruktur der Korund-Hämatitgruppe. Norsk Geol. Tidsskr. 8, 113 (1926).
T. Nakal und J. Fukami, Investigations on alumina. J. Soc. chem. Ind. Japan 39, 236 B. (1936).
F. Rinne, Morphologische und physikalischchemische Untersuchungen an Spinellen als Beispiele unstöchiometrisch zusammengesetzter Stoffe. Neues Jb. Mineral., Geol., Paläont. Beilagebd. A 58, 43 (1928).
G. Hägg, Solid solutions with a varying number of atoms in the unit cell. Z. Kristallogr. 91, 114 (1935); Z. physik. Chem., Abt. B 29, 88 (1935); Nature London 135, 874 (1935).
E. J. W. Verwey, The crystal structure of γ-Fe2O3 and γ-Al3O3. Z. Kristallogr. 91, 65 (1935).
E. Kordes, Kristallchemische Untersuchungenüber Aluminiumverbindungen mit spinellartigem Gitterbau. Z. Kristallogr. 91, 193 (1935).
H. B. Barlett, Occurence and properties ofcrystalline alumina in silicate melts. J. Amer. ceram. Soc. 15, 361 (1932).
E.J.W. Verwey, The structure of the electrolytical oxide layer on aluminium. Z. Kristallogr. 91, 317 (1935).
W. G. Burgers, A. Claassen und J. Zernike, Über die chemische Natur der Oxydschichten, die sich bei anodischer Polarisation auf den Metallen Aluminium, Zirkon, Titan und Tantal bilden. Z. Physik 74, 593 (1932).
E. Schmid und G. Wassermann, Röntgenographische Untersuchungen an elektrolytisch oxydiertem Aluminium. Aluminium Berl. 4, 100 (1932).
W. Hartmann, Elektrische Untersuchungen an oxydischen Halbleitern. Z. Physik 102, 709 (1936).
K. Werner, Über den elektrischen Widerstand einiger feuerfester Stoffe bei hohen Temperaturen. Diss. (Breslau 1930) und Sprechsaal 63, 537 (1930).
H. E. White, Electrical resistivity of specialized refractories. J. Amer. ceram. Soc. 15, 598 (1932).
E. J. W. Verwey, Electrolytic conduction of a solid insulator at high fields. Physica 2, 1059 (1935).
R. Fellinger, Über die Dielektrizitätskonstante einiger natürlicher und synthetischer Edelsteine. Ann. Physik 60 [4], 181 (1919); A. Güntherschulze und F. Keller, Die Dielektrizitätskonstanten einer Anzahl Oxyde. Z. Physik 75, 78 (1932).
A. Güntherschulze und H. Betz, Die Dielektrizitätskonstante der Al2O3-Sperrschicht. Z. Physik 73, 580 (1932).
N. B. Pilling und R. E. Bedworth, The oxidation of metals at high temperatures. J. Inst. Met. 29, 529 (1923).
A. Jenny, Die elektrolytische Oxydation des Aluminiums (Dresden 1938), 37ff.
E. Pietsch und E. Josephy, Zur Topochemie der Korrosion und Passivität I. Z. Elektrochem. 37, 823 (1931).
U. R. Evans und E. Pietsch, Korrosion, Passivität und Oberflächenschutz von Metallen. (Berlin 1939); U.R. Evans, Thin films in relation to corrosion problems. Metal Ind., London 39, 267 (1931).
Chr. Wachenhusen, Das vollständige Ersatzschaltbild des Elektrolytkondensators. Z. Hochfrequenztechn. 57, 125 (1941).
W. Herrmann, Neuere Elektrolytkondensatoren und ihre Eigenschaften. Siemens-Z. 21, 120 (1941).
B. Gudden und W. Schottky, Probleme der Ionen- und Elektronenleitung in nichtmetallischen festen Körpern. Z. techn. Physik 16, 323 (1935).
C. Wagner, Physikalisch-chemische Grundlagen der Entkohlungs- und Verzunderungsvorgänge bei Eisen und Stahl. Arch. Eisenhüttenw. 11, 449 (1938); Z. physik. Chem., Abt. B 21, 25 (1933); 22, 226 (1933); 32, 447 (1936).
W. Herrmann, Zum Mechanismus der Oxydschichtbildung auf Aluminiumanoden von Elektrolytkondensatoren. Wiss. Veröff. Siemens-Werke, Werkstoff-Sonderheft 1940, 188.
A. Güntherschulze, Über das Verhalten von Aluminiumanoden. Ann. Physik 21, 929 (1906); A. Güntherschulze und H. Betz, Der Strömungsmechanismus in den Sperrschichten der Ventilmetalle. Z. Physik 73, 586 (1932); siehe auch A. Güntherschulze und H. Betz, Elektrolytkondensatoren (Berlin 1937).
S. Wernick, The anodic oxidation of aluminium and its alloys. Metal. Ind., London 45, 63 (1934).
A. Güntherschulze und H. Betz, Spitzenwirkung bei elektrolytischen Ventilanoden. Z. Physik 107, 633 (1937).
T. P. Hoar und L. E. Price, Elektrochemische Deutung der Wagnerschen Theorie der Anlaufvorgänge. Trans. Faraday Soc. 34, 867 (1938).
R. Gadeau, L'aluminium raffiné. Schweiz. Arch. angew. Wiss. u. Techn. 1935.
W. Herrmann und W. Prang, Untersuchungen über den Einfluß von Halogenen in Elektrolyten auf die elektrolytische Ventilwirkung von Aluminium. Wiss. Veröff. Siemens-Werke, Werkstoffsonderheft 1940, 262.
A. Güntherschulze, Der Einfluß der Elektrolyte auf die Maximalspannung der elektrolytischen Ventilwirkung. Ann. Physik 34, 657 (1911); A. Güntherschulze, Der Zusammenhang zwischen Maximalspannung und Ionenkonzentration des Elektrolyten bei Aluminium. Z. Physik 9, 197 (1922).
W. Ch. van Geel, Percement électrique des minces couches d'oxyde d'Aluminium dans un électrolyte. Physica 1, 989 (1934).
Th. Rummel, Über Wachstum und Aufbau elektrolytisch erzeugter Aluminiumoxydschichten. Z. Physik 99, 518 (1936).
W. Baumann, Entstehung und Struktur elektrolytisch erzeugter Aluminiumoxydschichten. Z. Physik 111, 708 (1939).
H. Fischer und F. Kurz, Übermikroskopisches Bild anodischer Oxydfilme auf Aluminium und ihr Wachstum. Korrosion und Metallsch. 18, 42 (1942).
J. Zlotowski, Über die Struktur und die Eigenschaften der dielektrischen Schichten, die sich auf Aluminiumelektroden während der anodischen Polarisation bilden. Bull. int. Acad. polon. Sci. Lettres Ser. A 1936, 164.
W. H. J. Vernon, Second experimental report to the atmospheric corrosion research comittee. Trans. Faraday Soc. 23, 150 (1927).
G. D. Preston und L. L. Bircumshaw, The oxide film on aluminium. Philos. Mag. 22, 654 (1936).
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Herrmann, W. Über die Oxydschichtbildung auf Aluminium, insbesondere auf Anoden von Elektrolytkondensatoren. Kolloid-Zeitschrift 102, 113–127 (1943). https://doi.org/10.1007/BF01521387
Received:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF01521387