Schlafmittelvergiftungen in Hamburg (1945–1948)

Zusammenfassung

Insgesamt 609 Schlafmittelvergiftungen aus den Jahren 1945–48 im Bereich der Hansestadt Hamburg wurden statistisch erfaßt und eingehend ausgewertet. Die bisher festgestellte laufende Zunahme der Vergiftungs fälle war im Berichtszeitraum nicht mehr zu beobachten. Die Gesamtzahl der Vergiftungen in Hamburg wird auf jährlich rund 300–350 Fälle geschätzt. Die weit überwiegende Mehrzahl erfolgte suicidi causa. Der durchschnittliche Anteil an den Selbstmorden betrug etwa 14%. Die Neigung zur Benutzung von Schlafmitteln war bei weiblichen Selbstmördern mehr als doppelt so groß als bei männlichen. Die monatliche Häufigkeit der Schlafmittelsuicide hatte ihren Höhepunkt im Frühjahr. Es wurde versucht, die Schwankungen der Monatskurven aus den Zeitverhältnissen zu deuten. An Hand von Lebensaltersstatistiken wird die besondere Gefährdung der 40–50jährigen durch Schlafmittelsuicide aufgezeigt und mit den vorzugsweise dieser Generation aufgebürdeten Belastungen der Kriegs- und Nachkriegszeit erklärt. Im Gegensatz zu früheren Feststellungen ist die Mehrzahl der Vergifteten verheiratet, obwohl die relativ starke Beteiligung der Verwitweten und Geschiedenen auffällt. Es überwiegen die mehr geistig arbeitenden Berufe; die erhöhte Gefährdung der Medizinalberufe (9%) wird betont. Gemessen an der Häufigkeit seiner Verwendung wird auf die Vorzugsstellung des Phanodorms hingewiesen, während das Veronal hinsichtlich der Letalität an erster Stelle steht. Auf Dosierung und Applikation wird näher eingegangen. Nach kritischer Betrachtung von Motiven und Ursachen der Schlafmittelvergiftungen wird der Schluß gezogen, daß hier im Gegensatz zu den unspezifischen Selbstmorden schonleichte psychische Störungen eine besonders große Rolle spielen.