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Spätschäden nach Methylchloridvergiftung

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Zusammenfassung

Es wird über eine Methylchloridvergiftung durch Einatmung bei einem 33jährigen Manne berichtet, bei welcher es nicht nur zu einem schweren akut-subakuten Intoxikationszustand unter länger anhaltender Bewußtlosigkeit und anschließendem mehrtägigen deliranten Verwirrtheitszustand mit psychomotorischer Unruhe neben Erbrechen, Schwindel und Sprachstörungen kam, sondern zu einer erheblichen Dauerschädigung. Diese war wesentlich durch hirnorganische Persönlichkeitsveränderungen und Hirnleistungsschwäche sowie durch eine chronisch verlaufende depressive Verstimmung gekennzeichnet; unter letzterer kam es 2 1/2 Jahre nach der akuten Vergiftung zu einem erfolgreichen Suicid mit Leuchtgas. Die pathologisch-anatomische und speziell auch neuropathologische Untersuchung ließ eindeutige Gewebsschäden an Gehirn, Schilddrüse und Hoden erkennen. Am Zentralnervensystem zentrierten sich die Gewebsveränderungen vornehmlich um die Gefäßgewebsschranke; hyalinofibrotische Wandverdickungen, vornehmlich in den äußeren, aber auch Mediaschichten, perivasale freiliegende und zellgebundene Pigment-Lipofuscin- und Fettablagerangen sowie perivasale Desintegrationen und fleckförmige Astrocytenwucherungen kennzeichneten das Bild. Seltenere lymphocytäre Gefäßinfiltrate waren als sekundär-symptomatisch aufzufassen; außerdem fand sich im Ammonshorn eine ältere herdförmige Gliazellwucherung. Die genannten Auffälligkeiten dürften als das Substrat der klinisch beobachteten Symptome im Sinne eines diffusen Dauerschadens am Zentralnervensystem (Methylchlorid-Encephalopathie) aufzufassen sein. Daneben aber dürften die auffallenden Vermehrungen und Sklerosierungen des interstitiellen Schilddrüsenbindegewebes mit regressiv-progressiven Veränderungen am Epithel und die beginnende primäre Hodenatrophie mit Vermehrung der Leydigschen Zwischenzellen möglicherweise ebenfalls mit der Methylchloridvergiftung in pathogenetischem Zusammenhang stehen. Soweit aus dem einschlägigen Schrifttum ersichtlich, sind derartige Residuen und Dauerschäden im Falle von Defektheilung nach schwerer akuter Methylchloridvergiftung noch nicht beobachtet worden. Unabhängig hiervon ließen sich frische Veränderungen am Zentralnervensystem in typischer Form auf Grund der letalen Kohlenoxydvergiftung erfassen.

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Jacob, H., Schröder, J. Spätschäden nach Methylchloridvergiftung. Arch. Toxikol. 17, 314–324 (1959). https://doi.org/10.1007/BF00577631

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