Zusammenfassung
Es wurde bei Kampffischen untersucht, wie weit die Ambivalenz eines Dinges, das sowohl Futterals auch Strafbedeutung hatte, durch Dressur diesen Bedeutungen gemäß in seine beiden Komponenten zerlegt werden konnte, so daß es vom Tier einmal nur als Futter, ein andermal nur als Feind aufgefaßt wurde.
Zur Kennzeichnung von Futter und Feind wurden bestimmte räumliche (optische) und zeitliche Bedingungen benutzt.
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1.
Durch sekundäre Merkmale bedingt, kann ein und dasselbe Ding in der Umwelt des Kampffisches eine wechselnde Bedeutung zwischen Futter und Feind erlangen.
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2.
Die diese wechselnde Bedeutung verursachenden sekundären Merkmale konnten sowohl räumlich als auch zeitlich sein.
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3.
Räumliche sekundäre Merkmale waren verschiedene Drehscheiben, vor denen der Kampffisch das Futter mit einer Pinzette dargereicht bekam. Die Dressur gelang sehr rasch und die Fische lernten es, bei bestimmten Scheiben zum Futter zu kommen und bei anderen, sich von der Futterpinzette zu entfernen.
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4.
Bei gleichzeitiger Wirkung der beiden sekundären Reizarten ergab sich ein Verhalten, das keiner der beiden Reizarten entsprach, sondern als Resultante der beiden aufgefaßt werden muß. Das Tier pflegte sich nicht zu nähern und sich nicht zu entfernen, sondern zögerte stets.
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5.
Bei der Zeitdressur stellten einmal eine längere und darauf eine kürzere Zeitdauer nach der letzten Reaktion des Tieres die sekundären Merkmale vor. Von drei Versuchstieren lernte eines nach zahlreichen Versuchen 40 Sek. oder mehr nach der letzten Reaktion zum Futter zu kommen und 3 Sek. darauf sich vom gezeigten Futter zu entfernen.
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6.
Aus den Versuchen geht hervor, daß der Kampffisch Zeitlängen unterscheiden kann.
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7.
Jede Reaktion des Tieres läßt sich als die Resultante der momentan wirkenden Faktoren seiner Um- und Innenwelt deuten, so daß man nicht sagen kann, daß die Reaktion ein „Versuch und Irrtum“ Verhalten darstellt.
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8.
Wurden die primären und sekundären Reize des Nahrungskreises durch Sättigung ausgelöscht, so bewirkten die primären Merkmale der Futterpinzette — die bei anderen sekundären Merkmalen die Feindesbedeutung erlangen konnte — immer eine Entfernung des gesättigten Tieres.
Literatur
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v. Uexküll, J.: Theoretische Biologie. Berlin: Julius Springer 1928.
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Für den Begriff des Funktionskreises siehe v. Uexküll: Theoretische Biologie. Berlin: Julius Springer 1928.
Am Schlusse dieser Arbeit möchte ich allen denjenigen, die zu ihrem Gelingen beigetragen haben, meinen Dank aussprechen. An erster Stelle gebührt dieser Dank meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor J. v. Uexküll, der die Arbeit in jeder Weise förderte. Ebenso danke ich dem Herrn Assistenten Dr. Fr. Brock für manchen guten Ratschlag. Herrn Dr. H. W. Lissmann danke ich am herzlichsten für die Hilfeleistung bei der Darstellung in deutscher Sprache. Ferner danke ich der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, deren Arbeitsplatz am Institut für Umweltforschung ich benutzen durfte.
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Beniuc, M. Bedeutungswechsel der Dinge in der Umwelt des Kampffisches Betta splendens Regan. Z. Vergl. Physiol. 18, 437–458 (1933). https://doi.org/10.1007/BF00395732
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