Zusammenfassung
Teil 1
Versuche haben gezeigt, daß eine Entfernung der Augenborsten bei Bienen Veränderungen auf den Mechanismus der Sonnenwinkelmessung verursachen.
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1.
Die Abweichungen bei linkem und rechtem borstenfreien Auge sind dem Betrag nach etwa gleich groß, besitzen aber entgegengesetztes Vorzeichen. Bei beidseitiger, gleichsinniger Borstenausschaltung (auch von Augenteilen) kompensieren sich die Abweichungen wieder (kein Unterschied zum Normalverhalten).
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2.
Die Differenzen entstehen nicht erst beim Transponieren auf das Schwerefeld. Optische Faktoren allein verursachen ihr Auftreten.
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3.
Die Borstenentfernung im Fixierstellenbereich hat den entscheidenden Einfluß für das Auftreten des Fehlers in dieser spezifischen Situation (vgI. borstenfreier Mittelstreifen und Auftreten des Tendenzumsprunges).
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4.
Bei Orientierung allein nach dem polarisierten Himmelslicht (Horizontaltanz) sind keine Abweichungen vom Normalverhalten zu beobachten.
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5.
Größe und Vorzeichen des Fehlers sind abhängig vom Azimut der Sonne (bezogen auf die Flugbahn), nicht aber von der Sonnenhöhe.
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6.
Vordere rechte und hintere linke Augenhälfte (bzw. vordere linke und hintere rechte) sind gleichsinnig miteinander verknüpft.
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7.
Eine Kompensation der Fehler ist nicht feststellbar.
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8.
Es besteht kein ursächlicher Zusammenhang zur ‚'Restmißweisung“ der Bienen. Die Tanzwinkel sind nach Borstenentfernung den Idealwerten nicht stärker genähert.
Teil 2
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9.
Die Augenborsten der Bienen sind innerviert und ihrem Bau nach als Sensilla trichodea anzusprechen.
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10.
Durch Ausschaltungsversuche konnte gezeigt werden, daß die Borsten keinen erkennbaren Einfluß auf den Wabenbau ausüben.
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11.
Die Entfernung der Augenborsten löst nur unter extremen Flugbedingungen gesichert einen durch verschlechterte Seitenwindkompensation bedingten Effekt aus.
Summary
Part 1
If the sensory hairs on the compound eye of the honey-bee are removed, the mechanism for measurement of the sun-angle is changed in the following mode:
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1.
The deviations caused by this operation are the same, if the right or left eye is without bristles, but they have contrary signatures. The deviations are compensated, if both eyes are bristleless (or symmetrical parts of them).
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2.
The differences are caused exclusively by optic factors; they do not arise when bees have to transpose the sun-angle into the field of gravity during their dances.
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3.
If only a part of the bristles is removed, no deviation appears, except the middle region of the eye is without bristles.
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4.
Bees (without bristles on one eye) performing their dances on a horizontal plane do not deviate in any way in their orientation towards sun if the dancers have only sight towards blue sky.
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5.
Deviation does not depend either in size either in signature on the altitude of the sun, but on the azimut between sun and feeding-place.
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6.
In the sense of deviation mechanism the frontal right half of the eye is linked with the posterior half of the left eye (respectively the posterior right half is linked with the frontal left half of the eyes).
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7.
A compensation of these deviations after a longer period is not possible.
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8.
There is no relationship between these deviations and the similar irregularities (‚'Restmißweisung“ in the wagging-dances.
Part 2
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9.
The histology of the compound-eye bristles of honeybees confirms that they are sensilla trichodea.
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10.
In order to find out whether the sensory hairs on the eye control the construction of honey comb cells the bristles of all bees in one colony were removed. These “bristleless” bees build their combs as perfect as normal bees.
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11.
The sensory hairs on the compound-eyes take part on the control of sidewind deviation during flight. But only in extreme situations e.g. when the windflow was squally the compensation in “bristleless” bees was less than in normal bees.
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Herrn Prof. Dr. M. Lindauer möchte ich für die Problemstellung, die zahlreichen Anregungen und Diskussionen und Herrn Prof. Dr. H. Autrum für die Überlassung eines Arbeitsplatzes am Zoologisehen Institut der Universität München herzlich danken.
Diese Arbeit wurde unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und mit Geldern der Rockefeller Foundation, die mir Prof. v. Frisch dankenswerterweise zur Verfügung stellte.
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Neese, V. Zur Funktion der Augenborsten bei der Honigbiene. Zeitschrift für vergleichende Physiologie 49, 543–585 (1965). https://doi.org/10.1007/BF00367159
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