Zusammenfassung
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1.
Bewegungen eines Beobachters beeinflussen die Fluchtrichtungen, welche Velia caprai Tam. auf einer trockenen Arena einschlägt, daher wurde eine „Durchsichtarena“ gebaut, in deren Mitte die Tiere ungestört eingesetzt werden konnten, die Laufrichtungen ließen sich durch eine Mattscheibe hindurch sehen, das Tier selbst kann den Beobachter während des Versuchs nicht sehen.
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2.
Weder im Freien noch im geschlossenen Raum hielten die Bachläufer, die aus der Umgebung Graz stammten, auf der Flucht einen kompaßtreuen Südkurs ein. Im Freien richteten sie sich vorzüglich nach dem Wind, im geschlossenen Raum, mit einer Lampe als Orientierungshilfe, steuerten sie vorwiegend positiv phototaktisch gegen sie.
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3.
Die Anemotaxis ließ sich im geschlossenen Raum nur ungenügend simulieren, zahlreiche Tiere liefen mit der Luftströmung, in den Freilandversuchen (Pailgrabenversuch, Felieferhofversuch) überwogen die positiv anemotaktisch orientierten Läufe. Bei gleichzeitiger Darbietung von Licht und Luftströmung aus verschiedenen Richtungen, wirkte das Licht stark anziehend.
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4.
Die Fluchtrichtungen von Velien ohne Antennen sind im Strömungsfeld nicht (im windzugewandten Halbkreis) oder nur schlecht (im windabgewandten Halbkreis) gerichtet. Velien, die nur eine Antenne haben, bevorzugen die Strömungsrichtung deutlich, die Läufe sind darüber hinaus so orientiert, daß vorwiegend die antennentragende Körperseite dem Wind zugekehrt wird. An der anemotaktischen Einstellung sind die Antennen maßgeblich beteiligt.
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5.
Es wird die Möglichkeit diskutiert und durch Versuche gestützt, daß im Freien Geruchskomponenten eine positiv anemotaktische Einstellung induzieren, wie das sonst von vielen Insekten bekannt ist.
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Mit Unterstützung durch Mittel der Rockefeller Foundation, die mir Herr Prof. v. Frisch überließ.
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Heran, H. Anemotaxis und Fluchtorientierung des Bachläufers Velia caprai Tam. (= V. currens F.). Zeitschrift für vergleichende Physiologie 46, 129–149 (1962). https://doi.org/10.1007/BF00341547
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