Zusammenfassung
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I.
Unter verhältnismäßig günstigen Beobachtungsbedingungen gelang es, das Zustandekommen einiger von anderer Seite gelehrter Zirkuskunststücke bei zwei Jungbären zu verfolgen. Das Temperament, die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Tier und menschlichem Lehrer und die gesamte körperliche Konstitution des Tieres entscheiden über die Erfolgsgrade, die am besten dort sind, wo das Tier wirkliche Freude an der Leistung hat.
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II.
Eigene Versuche während der Zeit, als ich die Tiere allein wartete und wenigstens mir gegenüber eine erheblich größere Zahmheit erreichte als zuvor, lehrten folgendes: Beide Jungbären erkennen den ihnen als Kameraden vertrauten Versuchsleiter unter nahezu allen Umständen.
In sein Erkennungs„schema“ für die Bären gehen Geruch, Stimme, Bewegung und ruhende Gestalt mit ein. Eine gewisse Umgebungsabhängigkeit besteht aber doch. In Bewegung erkennen sie mich optisch überall, in der Ruhe nur vom Zwinger aus, nicht im Garten. Der Geruch allein genügt als Teilmerkmal des Erkennens, ebenso die Stimme; dennoch spielt das Sehbild die Hauptrolle. Grobe Entstaltungen allein des Gesichts, wie des Körpers zerstören das Sehbild völlig, leichtere Entstaltungen stören es mehr oder minder. Es ist sehr reich an wesentlich bewerteten Einzelheiten. Auch das Sehbild der Artgenossen ist, Attrappenversuchen zufolge, recht gut ausgefüllt. Es wird auch in völliger Ruhe an wesentlichen Teilen erkannt. Plastik jedoch ist unentbehrlich; die ebene Attrappe ist unwirksam.
Die Vorliebe für bestimmte Futterarten ist ausgesprochen; das Beliebtere wird zuerst erbeutet und gefressen, auch wenn man die Schwierigkeit des Erbeutens sehr erheblich steigert.
Verstecktes, mit Sinnen nicht wahrnehmendes Futter suchen sie zielgerecht und behalten genau nicht nur „wo, sondern auch was es war“. Ortsgedächtnis und „freie Erinnerung“ wurden nachgewiesen.
Eine längere Reihe primärer Leistungen: Drähteheranziehen, Futteraufdecken, Kistenöffnen, Herausziehen aus hochhängenden Näpfen, Umwege, sprechen für das Vermögen „einsichtig“ zu handeln.
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Kuckuk, E. Tierpsychologische Beobachtungen an zwei jungen Braunbären. Z. f. vergl. Physiologie. 24, 14–41 (1936). https://doi.org/10.1007/BF00340965
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