Zusammenfassung
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1.
Scutigera coleoptrata L. autotomiert auf mechanische, chemische thermische und elektrische Reize hin sehr leicht die Beine.
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2.
Autotomie wurde beobachtet nach Reizung von Tibia, Femur oder Präfemur. Reizung der oberen Tarsalglieder ruft nur selten Autotomie hervor. Die Autotomiestelle liegt zwischen Trochanter und Präfemur.
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3.
Narkotisierte, geköpfte Tiere und selbst Stücke von wenigen Segmenten sind imstande die Beine zu autotomieren. Die Autotomie ist mithin als reflektorischer Vorgang aufzufassen, der auch ohne Mitwirkung der im Kopf gelegenen Nervenzentren erfolgen kann.
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4.
Der Verlust von Beinen beeinflußt Rumpfhaltung, Beinstellung und Lokomotionsweise.
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5.
Nach Autotomie einer größeren Anzahl nebeneinanderliegender Beine erfolgt eine Krümmung des Rumpfes nach der beinlosen Seite, wodurch eine größere Stabilität erreicht wird.
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6.
Im selben Sinne wirkt auch die nach Autotomie zu beobachtende Veränderung der Beinhaltung. Die Summe der Seitenwinkel (Winkel zwischen jeweils vorderstem und hinterstem Bein) bleibt innerhalb der durch den Bauplan gesetzten Grenzen annähernd konstant.
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7.
Hinsichtlich der Fortbewegung wird der Beinverlust durch Änderung der Beinarbeit kompensiert; auch beinlose Tiere können sich durch Schlängelung und mit Hilfe der Kieferfüße fortbewegen.
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Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. J. v. Uexküll zum 70. Geburtstag am 8. September 1934 gewidmet.
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Lissmann, HW. Körperhaltung und Bewegungsform eines Myriopoden im Zusammenhang mit seiner Autotomie. Z. f. vergl. Physiologie 21, 751–766 (1935). https://doi.org/10.1007/BF00340919
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