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Raum- und Materialunterscheidung bei der grauen Hausmaus

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Zeitschrift für vergleichende Physiologie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

  1. 1.

    Ein die Einförmigkeit einer Hinderniswand unterbrechender Spalt bedeutet für die Maus einen starken Anreiz, an dieser Stelle mit ihrer Nagetätigkeit einzusetzen, wenn sie nicht direkt zu ihrem Ziel durchzuschlüpfen vermag.

  2. 2.

    Treten mehrere für den direkten Durchschlupf viel zu schmale, verschieden breite Spalten miteinander in Wettbewerb, so entscheidet sich die Maus mit Sicherheit für die jeweils breiteste. Diese Sicherheit ist so groß, daß elf Mäuse in 37 Versuchen nicht ein einzigesmal einen „Fehler“ in dem Sinne machten, daß der Durchbruch an einem schmaleren Spalt erfolgt wäre. Dagegen ist bei einer geringen Verschiedenheit der lichten Weiten ein „prüfendes“ Benagen mehrerer Spalten häufig, wenn auch nicht die Regel.

  3. 3.

    Die Wahl zwischen mehreren verschieden breiten Spalten ist nach relativen Merkmalen orientiert. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, daß man die Maus auf eine bestimmte Spaltbreite dressieren kann, so daß sie über der „Dressurspalte“ andere, selbst breitere Spalten vernachlässigt.

  4. 4.

    Die Maus ist bei der Wahl zwischen mehreren verschieden breiten Spalten nicht auf die optische Orientierung angewiesen, die Sicherheit leidet nicht bei völliger Verdunkelung des Raumes.

  5. 5.

    Ebensowenig ist die Maus auf das Vorhandensein der Sinushaare angewiesen, die Unterscheidung wird vermutlich durch die taktilen Sinnesorgane der Schnauzenspitze vermittelt.

  6. 6.

    Die Unterscheidungsschwelle liegt bei der hier verwendeten Größenordnung (ungefähr 20mm Spalthöhe, 7–2mm Spaltbreite) zwischen 0,5 und 0,1 mm Breitendifferenz.

  7. 7.

    Die Grenze, bei der ein Spalt aufhört, als Anreiz zum Durchnagen zu wirken, liegt etwa zwischen 1,5 und 1 mm Spaltbreite.

  8. 8.

    Der Trieb zum Durchnagen bedeutet kein „blindes Nach-vorwärtsDrängeln“. Die Maus ist nicht so fest an das Ziel gebunden, daß sie nicht die Bewegungsfreiheit zu gründlicher Untersuchung, des Raumes und zu Umwegen hätte.

  9. 9.

    Die Maus ist zu der Unterscheidung imstande, ob ein Spalt das Material ganz durchdringt oder ob er in einer gewissen Tiefe, die die Maus nicht ertasten kann, aufhört. Es ist wahrscheinlich, daß Luftbewegungen, die den Spalt durchströmen (Temperaturschwankungen im Raum) oder durch das Schnüffeln der Maus erzeugt werden, diese. Orientierung ermöglichen. Dagegen scheint es für diese Art der Orientierung nicht erforderlich, daß spezifisch anlockende Duftstoffe durch den Spalt dringen.

  10. 10.

    Der Anreiz, den ein solcher das Material ganz durchdringender Spalt ausübt, ist so stark, daß die Maus ihm gegenüber selbst einen breiteren, nicht durchgehenden Spalt für den Durchbruch vernachlässigt.

  11. 11.

    Strukturen, die einen weiteren Anreiz für die Nagetätigkeit darstellen können, sind „Ecken“, sowohl die einspringenden konkaven Ecken, die die Hinderniswand mit den Seitenwänden bildet, wie konvexe Vorsprünge auf der Wand selbst.

  12. 12.

    Die feinere Oberflächenstruktur (Rauhigkeit, sowohl der gesamten Wand wie der Spalten) dient an sich nicht als Anreiz zum Nagen.

  13. 13.

    Die Struktur eines Gitters wird von der Maus nicht „verstanden“, d. h. das Gitter wird nicht als solches behandelt. Die Maus versucht nicht, wie der Mensch tun würde, einen hindernden Gitterstab zu entfernen, sondern sie erweitert um durchzubrechen einen Spalt nach beiden Seiten in die Gitterstäbe oder in einen Stab und in die Nachbarwand hinein. Sie bevorzugt einen am Ende der Spaltreihe gelegenen Spalt vor einem mittleren.

  14. 14.

    Die Maus unterscheidet auch ohne sichtbar werdendes Probieren zwischen gleichen Spalten, die in verschieden hartem Material liegen und bevorzugt dabei das weichste Material.

  15. 15.

    Sie zieht aber den breitesten Spalt auch dann vor, wenn dieser in dem härtesten Material liegt. Es ist daher anzunehmen, daß innerhalb der Untersuchungsgrenzen die Struktur für die Maus bedeutungsvoller ist als das Material.

  16. 16.

    Die Härte des Materials ist ein wesentlicher, zu der Struktur hinzutretender Faktor für das Durchnagen. Ein nur schwacher Anreiz, wie ihn z. B. die Ecken des Raumes darstellen, genügt nicht mehr, um die Maus zum Durchnagen zu bringen, wenn die Hinderniswand aus sehr hartem Material (reiner Gips) besteht. Dagegen genügt dieser Anreiz unter Umständen, wenn die Hinderniswand weicher ist (Mischung Gips-Sägemehl). Die Ausdauer und Beharrlichkeit, mit der die Maus angreift, ist gering.

  17. 17.

    Die schwache Nachgiebigkeit, die eine dünne elastische Wand (völlig glatt gespanntes Papier) gegenüber Druck besitzt, bedeutet keinen genügend starken Anreiz, um die Maus zum Durchbruch zu veranlassen. Man kann daher sagen, daß völlig fugenlose Wände auch bei nicht sehr hartem Material einen sicheren Mäuseschutz darstellen.

Zum Schlusse sei mir gestattet, Frl. Dr. Hertz für die Überlassung des Themas sowie die weitgehende Hilfe meinen Dank zum Ausdruck zu bringen. Nicht weniger danke ich Herrn Prof. Dr. Hesse für seine Ratschläge und die Überlassung eines Arbeitsplatzes.

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Literaturverzeichnis

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Schaff, W. Raum- und Materialunterscheidung bei der grauen Hausmaus. Z. f. vergl. Physiologie 18, 622–653 (1933). https://doi.org/10.1007/BF00338360

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