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Die Temperaturregulierung im Nest der Feldwespe (Polistes gallica var. biglumis L.)

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Zusammenfassung

  1. 1.

    Zur Untersuchung kamen sechs Nester von Polistes gallica var. biglumis L., die in kleine Holzkästchen eingesetzt und größtenteils im Freien untergebracht waren. Die Bestimmung der Nesttemperatur wurde vermittelst eines Thermometers, dessen Behälter in eine von Brut umgebene Wabenzelle eingepaßt war, vorgenommen. Fünf weitere Meß-stellen im Inneren des Kastens ermöglichten eine sichere Feststellung der Umgebungstemperatur des Nestes. — Zum Vergleich wurde ein brutentleertes Nest, das mit den gleichen Mitteln und unter den gleichen äußeren Verhältnissen wie das brutbesetzte durchgemessen wurde, beigezogen.

  2. 2.

    Auf den sozialen Wärmehaushalt vermag weder die Eigenwärme der Brut noch die Wärmekapazität des Nestes praktisch einen Einfluß auszuüben.

    Die erstere gab sich bei einem Versuchsnest im Temperaturbereich von 20–26° durch eine Erhöhung der Nesttemperatur von 1/5–1/4° zu erkennen (=chemische Wärmeregulation der Brut). Auf die anderen Temperaturbereiche konnte die Untersuchung nicht ausgedehnt werden, jedoch deuteten einige Anzeichen in der überoptimalen Temperaturzone auf eine physikalische Wärmeregulation der Brut durch Wasserabgabe.

    Die Wärmekapazität des brutbesetzten Nestes ist sehr gering; sie bewirkte im Temperaturgang des Nestes gegenüber dem der Umgebungsluft eine Verzögerung von etwa 1/4°.

  3. 3.

    Ebenso vermag die chemische Wärmeregulation der Imagines den sozialen Wärmehaushalt nicht zu beinflussen, so daß das Nest auch von dieser Seite keine Wärmezufuhr erfährt. Seine einzigen Wärmequellen sind die Wärme der unmittelbaren Umgebung, besonders der Umgebungsluft, und die Insolation. Diese wirkt auf das Nest sehr entschieden ein vermöge der geringen Wärmekapazität und des hohen Wärmeabsorptionsvermögens des Wabenmaterials. Da aber die Nesthüllen fehlen, so kann eine Speicherung der Insolationswärme nicht stattfinden und der Temperaturabfall des unbesonnten Nestes geschieht ebenso rasch wie der durch die Insolation veranlaßte Temperaturanstieg erfolgte.

  4. 4.

    Die Gefahr einer Überhitzung des stark besonnten oder durch die Umgebungsluft stark erwärmten Nestes wird behoben durch eine Regulation der oberen Grenze des Entwicklungsoptimums, die von den Imagines vorgenommen wird. Der Temperaturgang eines Nestes weicht bei überoptimalen Umgebungstemperaturen deutlich von denselben ab und bewegt sich innerhalb der Grenzen von 34 und 371/2° (S. 474 u. Abb. 4–8). Nur in Ausnahmefällen erreicht die Nesttemperatur höhere Werte.

  5. 5.

    Die Mittel, mit denen dieser Effekt von den Feldwespen erreicht wird, sind das Fächeln und der Wassertransport. Bei steigender Temperatur setzt das erstere je nach der Lichteinwirkung im Mittel zwischen 311/2 und 353/4° ein. Als Ventilationsabkühlung wirkt es auf die Nesttemperatur schwach erniedrigend.

    Seine wirkliche Bedeutung erlangt das Fächeln aber erst in Verbindung mit dem Wassertransport, der im Temperaturbereich von 34 bis 371/2° beginnt. In dem Maße, wie die Nesttemperatur zu steigen droht, wird durch eine Steigerung der Ausflüge Wasser in die Wabenzellen eingetragen. Das Tätigkeitsschema einer Feldwespe, die der Temperaturregulierung obliegt, lautet: Abflug — Wasseraufnahme im Gelände — Einflug — Zellbesuch mit Wasserabgabe — Fächeln — Abflug (Zellbesuch und Fächern können sich dabei mehrere Male wiederholen). Dadurch wird bei einer Temperaturschwankung, die innerhalb der angegebenen Grenzen verläuft, ein Mittelwert der Nesttemperatur von 35,5° (in den Versuchen: 35,43°), der das Entwicklungsoptimum darstellt, erreicht.

  6. 6.

    Das eingetragene Wasser wird zum Teil benetzten Pflanzenteilen zum Teil beliebigen, einen Anflug begünstigenden Wasserstellen entnommen. Im Versuch konnten die Königinnen dreier Nester auf ein flaches Wasserbecken dressiert werden.

    Das frisch eingetragene Wasser enthält keinen Zucker, was durch den negativen Ausfall der Fehlingschen Reaktion erwiesen wurde; es liegt demnach nicht etwa eine Verwechslung des Wassertransportes mit dem Honigsammeln vor.

  7. 7.

    In der Ausübung des Wassertransportes ist eine strenge Arbeitsteilung zwischen den Bewohnern eines Nestes nicht vorhanden. Die Hauptarbeit desselben und damit der Temperaturregulierung besorgt allerdings die Königin. Die Hilfsweibchen können aber ergänzend oder stellvertretend mitwirken.

  8. 8.

    Der Wassertransport ist an den optimalen und überoptimalen Temperaturbereich gebunden; fällt die Nesttemperatur unter das Optimum, so erfolgt zwischen 35 und 31° ein Umschlag, indem Wasser, das sich auf der Wabe befindet, durch Absaugen und Ausspeien entfernt wird. Für den Ausfall der Wasserreaktion ist demnach der obige Temperaturbereich entscheidend, oberhalb desselben ist die Reaktion positiv = wasserfreundlich, unterhalb negativ = wasserfeindlich.

  9. 9.

    Durch das Auffangen des ausgespieenen Wassers konnte das Kropfvolumen der Feldwespe mit 30–35 cmm bestimmt werden. Die von einer Königin in 1 Stunde eingetragene Wasssermenge kann bei einer Höchstleistung etwa 3 ccm betragen, was einer Verdampfungswärme von 1830,92 g-Kalorien entspricht. Weitere physikalische Überlegungen lassen den hohen Wirksamkeitsgrad dieser Regulation deutlich hervortreten (S. 498).

  10. 10.

    Die Temperaturregulierung ist als eine mechanische Handlung (Instinkthandlung) aufzufassen, was aus der starken Mechanisierung einzelner Teilhandlungen derşelben hervorgeht, so besonders beim Fächeln und beim Wasserentfernen.

Da sie nur aus der Einwirkung auf die überoptimalen Temperaturer besteht und deshalb das Nest lediglieh vor Überhitzung aber nicht vor Abkühlung zu schützen vermag, so stellt sie die Anfangsstufe des sozialen Wärmehaushalts der wabenbauenden Hymenopteren dar.

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Steiner, A. Die Temperaturregulierung im Nest der Feldwespe (Polistes gallica var. biglumis L.). Z. f. vergl. Physiologie 11, 461–502 (1930). https://doi.org/10.1007/BF00338219

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