Zusammenfassung
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1.
Es wird versucht; durch gleichzeitige Anwendung morphologischer und physiologischer Methoden das Wesen der „Gassekretion“ zu ergründen.
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2.
Den Versuchsfischen (Flußbarschen) wird durch Punktion eine bestimmte Menge Gas aus der Schwimmblase entfernt; die hierdurch bedingte Volumabnahme des Fisches wird gemessen. Der Fisch ersetzt das verlorene Volumen. Die Größe dieses Volumersatzes wird ebenfalls gemessen. Auf dem gewünschten Stadium des Volumersatzes wird der Fisch zum zweitenmal punktiert. Die Gasdrüse wird fixiert. Die durch die Punktionen gewonnenen Gasgemische werden analysiert.
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3.
Vor dem Volumersatz hatte der Schwimmblaseninhalt unter den vorliegenden Versuchsbedingungen ungefähr die Zusammensetzung der atmosphärischen Luft, im Durchschnitt: 2,54% CO2,19,37%O2, 78,09%N2.
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4.
Es zeigte sich, daß bei dem durch die Punktion hervorgerufenen plötzlichen Volumersatz neben dem Sauerstoff in hervorragendem Maße die Kohlensäure beteiligt ist. Die durchschnittliche Zusammensetzung des Schwimmblaseninhaltes nach fast oder gerade vollendetem Volumersatz war: 21,4% CO2, 42,9% O2, 35,7% N2.
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5.
Nach der Punktion nimmt während des Volumersatzes zunächst besonders stark der Kohlensäuregehalt in der Schwimmblase zu, bis er eine bestimmte Höhe erreicht hat (etwa 24% CO2), die bis zum vollendeten Volumersatz nicht überschritten wird. Der Sauerstoffgehalt dagegen wächst stetig bis zu vollendetem Volumersatz. Dies beruht wahrscheinlich in erster Linie darauf, daß von einem bestimmten Grade der Kohlensäurespannung in der Schwimmblase an ebensoviel von diesem Gas durch die Schwimmblasenwand hinausdiffundiert, wie von der Gasdrüse aus hineinströmt; für den Sauerstoff dagegen wird die Wand der Schwimmblase relativ undurchlässig sein.
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6.
Bei dem Versuch, die Zusammensetzung des in die Schwimmblase einströmenden „Ersatzgases“ zu bestimmen, ergab sich, daß es zu ungefähr zwei Dritteln aus Kohlensäure, zu ungefähr einem Drittel aus Sauerstoff und ferner aus einer geringen Menge Stickstoff besteht. Eine genaue Bestimmung war indessen bei der angewandten Methode nicht möglich.
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7.
Nach vollendetem Volumersatz verschwindet die Kohlensäure relativ schnell, im Verlaufe von Stunden und wenigen Tagen wieder aus der Schwimmblase, langsamer, im Verlaufe von Wochen, auch der Sauerstoff. Stattdessen tritt Stickstoff in größerer Menge auf, bis schließlich wieder der Zustand vor der Punktion erreicht ist.
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8.
Es ließ sich zeigen, daß auch bei den geringen, unter natürlichen Bedingungen notwendigen Volumregulationen (bei den normalen Änderungen des Luftdruckes und bei geringen Änderungen des auf der Schwimmblase lastenden Wasserdruckes) die Kohlensäure eine bedeutende Rolle spielt.
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9.
In der Gasdrüse aller Tiere kann man mehrere Zellformen unterscheiden, die alle durch Übergänge miteinander verbunden sind. Die Bilder werden in folgender Weise gedeutet: Die Zellen der Gasdrüse sind typische Drüsenzellen; sie bilden ein flüssiges Sekret, das in Form von Granulis in der Zelle gespeichert wird und aller Wahrscheinlichkeit nach an die zahlreichen im Drüsengewebe vorhandenen Kapillaren abgegeben wird. Die Gasdrüse würde danach also als eine Drüse mit innerer Sekretion aufzufassen sein.
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10.
Die verschiedenen Zellformen kommen in verschiedenen Drüsen in wechselndem gegenseitigen Mengenverhältnis vor. Durch Auszählen der einzelnen Zellformen und durch den Vergleich der relativen Mengen dieser Zellformen bei Tieren mit stark tätiger bzw. nicht stark tätiger Gasdrüse konnten die aus der cytologischen Untersuchung gezogenen Schlüsse erhärtet werden. Vor allem ergab sich, daß Änderungen in der Struktur der Drüse in direkter Beziehung zu dem durch die Punktion notwendig gewordenen Volumersatz stehen.
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11.
Durch in gleichmäßigen Abständen wiederholte Volummessungen wurden bei mehreren Tieren Volumzuwachskurven erhalten. Sie zeigen, daß der Volumzuwachs nach einer Punktion nicht kontinuierlich, sondern rhythmisch verläuft. Die Gestalt der Kurven im einzelnen wurde einerseits auf eine rhythmische Tätigkeit der Gasdrüse, andererseits auf den Spannungswiderstand, den die in die Schwimmblase eindringenden Gase zu überwinden haben, zurückgeführt.
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12.
Die Kapillaren in den durch Punktion aktivierten Gasdrüsen haben ein viel weiteres Lumen als die in den Drüsen der nicht punktierten Tiere.
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13.
Auf Grund aller dieser Tatsachen wird als Arbeitshypothese eine neue Vorstellung vom Mechanismus der „Gassekretion“ entwickelt.
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Jacobs, W. Untersuchungen zur Physiologie der Schwimmblase der Fische. I. Über die „Gassekretion“ in der Schwimmblase von Physoklisten. Z. f. vergl. Physiologie 11, 565–629 (1930). https://doi.org/10.1007/BF00338175
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