Zusammenfassung
Es werden Riechschwellen für eine Anzahl verschiedener Duftstoffe bei der Honigbiene mit Hilfe der Dressurmethode bestimmt.
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1.
Zur Dosierung-bestimmter Kiechreize wird das Olfaktometer von Neuhaus (1953) in vereinfachter Form verwendet.
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2.
Es wurde ein Verfahren entwickelt, das mit drei nebeneinanderliegenden Versuchsplätzen arbeitet, an denen wahlweise Luft oder Duft und Wasser oder Futter (Zuckerwasser) offen dargeboten werden kann. Als Futterflaschen sind neue Trinkgefäße beschrieben.
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3.
Für Kontrollversuche wird eine 2. Dressuranordnung, die aus besonders gebauten Glaskästchen besteht, verwendet, wobei eine visuelle Beeinflussung der Bienen ausgeschaltet ist.
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4.
Als Riechstoffe wurden nur synthetisch hergestellte Substanzen mit bekannter chemischer Konstitution benutzt. Die Schwelle der Biene wurde für folgende Riechstoffe bestimmt: Citral, Nerol, Jonon α, Jonon β, Eugenol, Methylanthranilat. Phenylpropylalkohol, Phenyläthylacetat; die Äthylester der Capron-, Heptyl-, Capryl-, Pelargon-, Caprin- und Undecylsäure; die Fettsäuren Propion-, Butter-, iso-Valerian- und Capronsäure.
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5.
Die Honigbiene läßt sich auch auf biologisch fremde Düfte, mindestens aber auf Fettsäuren, dressieren.
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6.
Die Schwellenwerte für die untersuchten Riechstoffe liegen bei den Bienen zwischen 1,9 · 109 und 4,3 · 1011 Duftmolekülen/cm3. Sie können für chemisch verschiedene Verbindungen gleich hoch liegen (Phenylpropylalkohol, Phenyläthylacetat), andererseits aber bei derselben Substanz in Abhängigkeit von der Isomerie variieren (Jonon α und Jonon β).
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7.
Die Versuche in der homologen Reihe der Fettsäureäthylester ergeben ein Absinken der Schwelle bei ansteigender Kohlenstoffkettenlänge mit einem Tiefpunkt bei C12. In der Fettsäurereihe wird für die Bienen ein Maximum der Riechempfindlichkeit bei Buttersäure (C4) festgestellt. Eine Abhängigkeit der Schwellenlage von der (Wasser-, Fett-, oder Protein-)Löslichkeit wird angenommen.
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8.
Die Riechschärfe der Biene entspricht ungefähr der des Menschen. Blumige Düfte werden von ihr etwas besser, Fettsäuren und ihre Äthylester schlechter gerochen als vom Menschen, was der biologischen Bedeutung der Duftstoffe entsprechen würde. Die Schwellenkurven in den untersuchten homologen Reihen verlaufen bei Mensch und Biene gleichsinnig, für die Fettsäuren auch bei Hund und Ratte. Dies läßt auf eine physiologische Ähnlichkeit der Geruchsorgane der Wirbeltiere und der Insekten schließen.
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9.
Ein Vergleich der Riechschärfe der Biene mit der anderer Insekten läßt vermuten, daß die Biene ein etwas schärferes Geruchsvermögen habe als verschiedene andere Gliedertiere.
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Herrn Professor Dr. W. Neuhaus möchte ich für die Anregung und Leitung der Arbeit herzlich danken.
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Schwarz, R. Über die Riechschärfe der Honigbiene. Z. Vergl. Physiol. 37, 180–210 (1955). https://doi.org/10.1007/BF00298308
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