Zusammenfassung
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1.
Es wurde durch Markierung mit Hilfe der Vitalfärbung nachgewiesen, daß die Verdauungssäfte bei der Larve von Chaoborus vom Mitteldarm in den Pharynx gepumpt werden, wo der Aufschluß der Nahrung erfolgt. Die Speicheldrüsen spielen demgegenüber für die enzymatische Auflösung offenbar nur eine untergeordnete Rolle.
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2.
Als Verschluß des Pharynx zum Oesophagus dient ein Reusenapparat, als Verschluß des Mitteldarms zum Oesophagus die Valvula cardiaca, deren feiner Bau hier becehrieben wird.
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3.
Reizversuche mit Gewebebrei bei Tieren, deren Darminhalt durch Vitalfarbstoffe markiert worden war, ergaben, daß die Mitteldarmperistaltik und der Transport von Farbstoff (und Verdauungssaft) aus dem Mitteldarm in den Pharynx ohne direkte Nahrungsaufnahme ausgelöst werden kann. Bei der Perzeption des Reizes spielt vermutlich die mit Borsten ausgestattete Epipharynxspitze eine wichtige Rolle.
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4.
Diese Reizwirkung trat nach Ausschaltung einzelner Thorakalganglien kaum noch in Erscheinung. Die wenigen positiven Fälle sind durch direkte Reizung mittels „Reizsaft“ im Mitteldarm zu erklären.
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5.
Der bei der Ganglienausschaltung erzeugte Brenndefekt stellt für den Mitteldarm gleichfalls einen starken Reiz dar, als dessen Folge es zu heftiger Darmperistaltik und zum Übertritt von Farbstoff in den Pharynx kommt. Letzterer füllt sich dabei ebenso prall an wie sonst nur nach Nahrungsaufnahme.
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6.
Die Ergebnisse der Reizversuche mit Gewebebrei vor und nach experimenteller Unterbrechung der Ganglienkette im Thorax sowie die Wirkungen des Brennreizes auf die Peristaltik des Mitteldarmes führen zu der Schlußfolgerung, daß der für den Verdauungsvorgang hier wichtige Transport von Verdauungssaft aus dem Mitteldarm zum Pharynx durch reflexhafte Prozesse eingeleitet wird. Die weiteren Transportbewegungen vom Mitteldarm zum Pharynx sind vermutlich durch direkte Reizung bedingt.
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7.
Die Befunde weisen darauf hin, daß der bisher speziell für die höheren Wirbeltiere bekannte, zur Verdauung bedeutungsvolle Reflexmechanismus in ganz ähnlicher Weise auch bei Wirbellosen vorhanden sein kann.
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Gersch, M. Experimentelle Untersuchungen über den Verdauungstraktus der Larve von Chaoborus (Corethra). Z. Vergl. Physiol. 34, 346–369 (1952). https://doi.org/10.1007/BF00298049
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DOI: https://doi.org/10.1007/BF00298049