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Über Gehör und Erschütterungssinn bei Locustiden

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Zusammenfassung

Die Wirkungen von Luftschall und von Bodenerschütterungen auf die Sinnesorgane in den Vorder-, Mittel- und Hinterbeinen von Locusta und Decticus werden durch Beobachtung der Aktionspotentiale untersucht.

Es werden quantitative Methoden ausgearbeitet, die es gestatten, die Größe von Luftschall- und Erschütterungsreizen für den Bereich von 100–10 000 Hz meßbar zu verändern, so daß für den Luftschall die Schwellendrucke (in μbar), für die Erschütterungen die Schwellen-amplituden bestimmt werden können.

Die Temperaturabhängigkeit der Aktionspotentiale der Crista acustica wird untersucht. Zwischen 20° und 35° C ist die Größe der Aktionspotentiale optimal; das Maximum liegt bei 30° C.

Die Entfernung, bis zu der das Männchen im Freien den Gesang des Weibchens hören kann, beträgt für Locusta cantans 38 m, für Conocephalus dorsalis 3 m. Der Stridulationsschall des Männchens wird nur mit dem Tympanalorgan der Vorderbeine wahrgenommen, die tibialen Sinnesorgane der Mittel- und Hinterbeine sprechen auf den Gesang nicht an.

Sowohl bei Einwirkungen von Luftschall als auch von Erschütterungen zeigen Vorder-, Mittel- und Hinterbeine von Locusta und Decticus Reaktionen. Die zur Reizung erforderlichen Schwellenwerte werden für die Frequenzen von 100–10000 (bzw. 8000) Hz bestimmt und kurvenmäßig dargestellt.

Auf operativem Wege wird versucht, Luftschall- und Erschütterungswahrnehmung bestimmten Sinnesorganen zuzuordnen. Das Organ für die unmittelbare Luftschallwahrnehmung ist die Crista acustica.

Das Erschütterungssinnesorgan der Insekten ist das Subgenualorgan.

Die Leistungen der Crista acustica werden entscheidend durch die zu ihr in Beziehung tretenden Hilfsapparate (Trommelfelle, Tracheenmembran) bestimmt. Die untere Hörgrenze für das Tympanalorgan der Vorderbeine liegt bei 1000 Hz und einem Schwellendruck des Schalles von 4 μbar bei Decticus und 0,3 μbar bei Locusta. Mit steigender Frequenz nimmt die Empfindlichkeit rasch zu und liegt bei Locusta für alle Frequenzen über 3000 Hz, bei Decticus über 6000 Hz unter 0,04 μbar. Das Optimum liegt im Ultraschallgebiet.

Die Mittelbeine haben demgegenüber nur eine geringe Schallempfindlichkeit im Bereich von 3000–7000 Hz; höhere Töne werden nicht wahrgenommen. Die Schwellenschalldrucke liegen in diesem Bereich bei 6 bis 8 μbar. Die Schwellenintensitäten für die Mittelbeine verhalten sich zu denen der Vorderbeine in diesem Frequenzbereich wie 10000:1,5.

Im optimalen Bereich (oberhalb 10000 Hz) beträgt die Schwellenleistung, die dem Tympanalorgan angeboten werden muß, schätzungsweise höchstens 7 · 10−10 erg/sec. Sie hat die gleiche Größenordnung wie die Schwellenleistung beim menschlichen Ohr (7.10−10 erg/sec) in dessen optimalem Hörbereich, von der bekannt ist, daß sie aus physikalischen Gründen nicht kleiner sein kann.

Für die Subgenualorgane aller drei Beinpaare werden die Schwellen für sinusförmige Erschütterungen der Unterlage im Bereich von 100 bis 8000 Hz bestimmt. Die Schwingungsweiten an der Schwelle liegen zwischen 4 · 10−9 und 10−4 cm.

Die absolut kleinste Schwingungsweite, die noch einen Reiz auf das Subgenualorgan ausübt, beträgt 0,36 Å (3,6 · 10−9 cm; Reizfrequenz 2000 Hz; Mittelbein von Decticus). Demnach sprechen die Subgenualorgane auf Erschütterungen von atomarer Größenordnung an (Durch-messer der ersten Elektronenbahn des H-Atoms: 1,1 Å).

Es wird wahrscheinlich gemacht, daß im Bereich von 100–1400 Hz die Beschleunigung die eigentliche Reizgröße für das Subgenualorgan darstellt; ihr Betrag ist in diesem Bereich nahezu konstant. Oberhalb dieser Frequenzen treten andere Erscheinungen auf.

Luftschall unter 1000 Hz und von genügender Intensität wird mit den Subgenualorganen wahrgenommen. Jedoch wirken die Luftschwingungen hier nicht unmittelbar als Reiz, sondern durch die Erschütterungen der Unterlage (vielleicht auch des Tieres und der Extremitäten selbst), die sie hervorrufen.

Tarsale Sinnesorgane reagieren ebenfalls auf Vibrationen, jedoch sind die erforderlichen Schwellenreize unverhältnismäßig viel größer als beim Subgenualorgan.

Die Dornen und Härchen auf den Extremitäten von Locusta und Decticus sind am Hör- und Erschütterungssinn nicht beteiligt. Die beweglich eingelenkten Dornen ergeben bei Ablenkung aus der Ruhelage Aktionspotentiale, wobei nur Bewegung, aber nicht konstante Auslenkung einen Reiz darstellt. Die Härchen sind anscheinend gar nicht innerviert.

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Autrum, H. Über Gehör und Erschütterungssinn bei Locustiden. Z. Vergl. Physiol. 28, 580–637 (1941). https://doi.org/10.1007/BF00297960

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