Zusammenfassung
Bei lange überlebenden Rückenmarksfröschen kann in einer normalen Versuchsreihe die Anzahl der Wischbewegungen, die auf eine Serie von 100 Reizen erfolgen, als Maß für das Quantum zentralnervöser Erregungsfähigkeit gewertet werden.
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1.
Bei unmittelbarer Folge zweier solcher Reizserien auf zwei verschiedene rezeptorische Felder, deren Reizung jeweils einen anderen Bewegungstyp hervorruft, zeigte die gleichbleibende Höhe der Anzahl an Wischbewegungen, daß beide Bewegungsaktionen ein spezifisches Quantum an Erregungsfähigkeit besitzen.
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2.
Wurden zwei Reizserien unmittelbar nacheinander auf zwei verschiedene Reizorte, die beide den gleichen Wischbewegungstyp hervorrufen, appliziert, so wurde die nachfolgende Serie von wesentlich weniger Wischbewegungen beantwortet als die voraufgehende. Dies zeigt, daß das spezifische Quantum an Erregbarkeit nicht an einen Reaktionsweg gebunden ist, sondern dem Bewegungstyp zugeordnet ist.
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3.
Wurde in eine der Versuchsreihen eine 10tägige Ruhepause eingeschaltet, so zeigte sich hiernach eine Zunahme (Kumulierung) der Erregbarkeit, die nämlich jetzt durch die von einer Serie ausgelösten Wischbewegungen nicht verbraucht werden konnte, sondern zur Auslösung von mehreren hundert Wischbewegungen befähigte.
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4.
Nach dieser 10tägigen Ruhepause ließ sich die kumulierte Erregungsfähigkeit aber nur ganz verbrauchen, wenn man eine am Ende jeder Reizserie auftretende Ermüdung entweder zeitlich umging (Folge mehrerer Reizserien im Abstand von 30 min) oder örtlich umging (unmittelbare Folge mehrerer Reizserien im Wechsel auf zwei Reizorte).
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5.
Diese Versuche lassen vermuten, daß das Quantum an Erregungsfähigkeit eine Funktion zentralnervöser Strukturen ist (angenommen als trophischer Zustand der Zwischenneuronen, die die Bewegung koordinieren), daß die Ermüdung dagegen an den afferenten Weg gebunden sein muß (angenommen als Funktion der Synapsen zwischen afferenter Bahn und spezieller Gruppen von Zwischenneuronen, die die Wischbewegung koordinieren).
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6.
Neben der Aufgabe, den völligen Verbrauch des Quantums aktionsspezifischer Erregbarkeit von einem Reizort aus zu verhindern, scheint die Ermüdung in der Afferenz dafür zu sorgen, daß nach mehrmalig erfolglosem Ablauf der spezifischen Bewegung nun auch andere Bewegungsformen zur Reizabwendung durch die gleichen Erregungen der Peripherie aktiviert werden können.
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Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. B. Rensch, danke ich für Anregungen, Diskussion und Arbeitsmöglichkeit zu diesen Untersuchungen.
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Franzisket, L. Untersuchungen zur Spezifität und Kumulierung der Erregungsfähigkeit und zur Wirkung einer Ermüdung in der Afferenz bei Wischbewegungen des Rückenmarksfrosches. Z. Vergl. Physiol. 34, 525–538 (1953). https://doi.org/10.1007/BF00297921
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DOI: https://doi.org/10.1007/BF00297921