Das familiäre Mittelmeerfieber (FMF) ist eine autoinflammatorische Erkrankung, die durch rezidivierende Fieberschübe, welche von klinischen Anzeichen einer Peritonitis, Pleuritis und/oder Arthritis begleitet werden können, charakterisiert ist. Bei unbehandelten oder unzureichend behandelten Patienten stellt die häufig lang anhaltende, zum Teil subklinische Entzündungsreaktion einen eindeutigen Risikofaktor für das Auftreten von Komplikationen, wie z. B. einer Amyloidose, dar [1]. Ätiopathogenetisch ist die Erkrankung mit Mutationen im MEditerranean FeVer-Gen (MEFV) assoziiert. Nach neueren Erkenntnissen liegt aber kein klassischer Erbgang vor, sondern es handelt sich vielmehr um eine Gendosis-Wirkungs-Beziehung [2].

Erklärtes Ziel des FMF-Managements ist es, FMF-Attacken und mögliche Komplikationen zu verhindern [3]. Die Hauptstütze der pharmakologischen Therapie ist die Behandlung mit Colchicin. Die klinische Wirksamkeit dieser Therapie wurde schon vor über 40 Jahren nachgewiesen, indem gezeigt wurde, dass klinisch apparente Attacken von FMF in den meisten Fällen komplett und darüber hinaus bei einem weiteren großen Teil der Patienten partiell verhindert werden können [4,5,6]. Zudem wurde gezeigt, dass die kontinuierliche Colchicin-Therapie einen wirksamen Schutz vor Amyloidose darstellt [7]. Evidenzempfehlungen für den Einsatz von Colchicin bei Patienten mit FMF wurden mit detaillierter Angabe von zugelassenen Dosierungen publiziert [3, 8, 9]. Ende 2017 wurde ein neues Colchicin-haltiges Arzneimittel – außer für die Behandlung der Gicht – auch für die Therapie von FMF in Deutschland zugelassen [10]. Dieses Präparat wird allerdings in Deutschland – im Gegensatz zu anderen Colchicin-Präparaten – noch nicht vertrieben [10].

In der Vergangenheit wurden Fallberichte und kleine Kohortenstudien veröffentlicht, die den erfolgreichen Einsatz einer IL(Interleukin)-1-Blockade bei Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf Colchicin beschrieben [11]. Mittlerweile liegen publizierte Ergebnisse randomisierter kontrollierter Studien für den Einsatz der IL-1-Antagonisten Rilonacept [12], Anakinra [13] und Canakinumab [14] bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität eines FMF trotz adäquat dosierter Colchicin-Therapie vor. Seit dem vergangenen Jahr ist Canakinumab für die Therapie des FMF in Deutschland zugelassen. Da auf der einen Seite nur relativ wenige Patienten für eine solche Therapie infrage kommen und auf der anderen Seite insbesondere die Behandlung mit Canakinumab mit hohen Kosten verbunden ist sowie keine Daten zur Langzeittherapie bei großen Kohorten vorliegen, sind eindeutige Empfehlungen für den Einsatz von Biologika bei therapierefraktärem FMF wünschenswert.

Da im Jahr 2016 EULAR(European League Against Rheumatism)-Empfehlungen zum Management von FMF publiziert worden sind, wurden diese als Ausgangspunkt gewählt. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, evidenzbasiert unter Berücksichtigung der neuesten Studienergebnisse und der aktuellen Zulassungssituation in Deutschland erweiterte Empfehlungen zur Therapie des FMF für Ärzte zu formulieren, die mit dem Management von FMF-Patienten betraut sind. Dies betrifft vorwiegend Rheumatologen und Pädiater mit Erfahrung in der Behandlung solcher Patienten.

Sowohl die übergeordneten Prinzipien als auch die Empfehlungen basieren auf den EULAR-Empfehlungen und einer aktualisierten systematischen Literatursuche. Alle Empfehlungen wurden nach intensiver inhaltlicher Diskussion in der Expertengruppe in voller Übereinstimmung konsentiert. Formal war initial eine erforderliche Mehrheit von 75 % vereinbart worden.

Methoden

Da in der wissenschaftlichen Literatur der Begriff „Colchicin-Resistenz“ nicht genau definiert ist bzw. unterschiedliche Definitionen publiziert wurden und bisher keine internationale Übereinstimmung erzielt werden konnte, ist davon auszugehen, dass das Management bei Patienten mit „Colchicin-resistentem familiärem Mittelmeerfieber“ uneinheitlich erfolgt. Daher und angesichts der neuen Therapiemöglichkeiten haben die Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) und die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e. V. (DGRh) auf Basis einer systematischen Literaturrecherche (SLR) eine gemeinsame Stellungnahme zur „Therapie des Colchicin-resistenten familiären Mittelmeerfiebers“ erarbeitet. Die Teilnehmer der Konsensusgruppe waren: Norbert Blank (DGRh), Jürgen Braun (DGRh, Koordinator), Eugen Feist (DGRh), Tilmann Kallinich (GKJR), Uta Kiltz (DGRH), Ulrich Neudorf (GKJR), Prasad Oommen (GKJR), Helmut Wittkowski (GKJR) und Christiane Weseloh (wissenschaftliche Mitarbeiterin der DGRh). Der medizinische Doktorand Tom Braun half bei der SLR, unterstützte die Volltextselektion und erstellte die Evidenztabellen. Um den Anforderungen einer evidenzbasierten Publikation gerecht zu werden, wurden die Interessenkonflikte der stimmberechtigten Mitglieder vor Projektbeginn von jedem Teilnehmer erhoben (s. Supplement). Die finale Bewertung wurde von U. Kiltz, T. Kallinich und J. Braun vorgenommen.

Systematische Literaturrecherche

Die systematische Literaturrecherche wurde am 28.01.2018 in den Datenbanken Medline (PubMed) und Cochrane Library für den Zeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2017 durchgeführt, da die SLR für die EULAR-Empfehlungen bis Ende 2014 terminiert war. Basis für die Suche waren die von der Gruppe zuvor konsentierten PICO-Fragen. Diese sowie der genaue Suchalgorithmus für Medline (PubMed) und Cochrane wird begleitend extra publiziert (s. Supplement). Die Suche ergab insgesamt 360 Treffer (nach Dublettenabgleich: 263 Treffer). Die Referenzen wurden in ein Abstractverwaltungstool (Rayyan) hochgeladen und vorselektiert. Die vorselektierten Abstracts standen den Arbeitsgruppen zur weiteren Selektion zur Verfügung. Als Selektionskriterien wurden im Vorfeld Ein- und Ausschlusskriterien definiert (s. Supplement). Eine Intervention war nicht zwingend vorgeschrieben.

Die Abstractselektion durch die Mitglieder der Arbeitsgruppen ergab zum Stichtag 01.03.2018 folgendes Ergebnis: eingeschlossen: 61, ausgeschlossen: 159, keine sichere Zuordnung: 43. In einem weiteren Schritt selektierten die Mitglieder der Konsensusgruppe teamweise diejenigen Arbeiten, die für die Publikation relevant waren und formal und inhaltlich den Vorgaben entsprachen. Die Gruppe wurde bei der Selektierung durch den Doktoranden unterstützt, der am Ende des Auswahlprozesses eine umfassende Evidenzbewertung vornahm. Dabei nahm er eine weitere Selektion der Studien anhand der formalen und inhaltlichen Eignung vor. Bei der Erstellung der Evidenztabellen (s. Supplement) wurde die Klassifikation des Oxford Center of Evidence-based Medicine-Levels of Evidence von 2009 benutzt (www.cebm.net). Schlussendlich blieben 64 Publikationen übrig, die für die Empfehlungen zu berücksichtigen waren.

Konsentierung der übergeordneten Prinzipien und Empfehlungen

Auf einem Projekttreffen im Rheumazentrum Ruhrgebiet in Herne am 19.04.2018 wurde auf Basis der gefundenen Evidenz die Sachlage in der Gruppe diskutiert, und es wurden übergeordnete Prinzipien und Empfehlungen konsentiert. Es waren 7 stimmberechtigte Teilnehmer der Gruppe anwesend. Das Ergebnis dieser Konsentierung wurde den Vorständen von DGRh und GKJR zur Prüfung und Freigabe vorgelegt. Änderungswünsche wurden diskutiert und partiell berücksichtigt. Diese Änderungen wurden erneut mittels einer elektronischen Abfrage zwischen den Autoren konsentiert. Die Kommission Pharmakotherapie der DGRh (Sprecher: Klaus Krüger) war in den Freigabeprozess der Publikation ebenso eingebunden.

Ergebnisse

Auf Basis der 64 Referenzen wurden die übergeordneten Prinzipien wie auch die Empfehlungen der EULAR-Empfehlungen zur Therapie des FMF innerhalb der Expertengruppe diskutiert und adaptiert und letztendlich 5 übergeordnete Prinzipien sowie 10 Empfehlungen konsentiert.

Die EULAR-Empfehlungen basieren auf einer systematischen Literatursuche und umfassen insgesamt 18 Empfehlungen [3]. Der Volltext ist über die Homepage der Zeitschrift Annals of Rheumatic Diseases frei zugänglich.

Übergeordnete Prinzipien

1. Prinzip

Das familiäre Mittelmeerfieber (FMF) ist eine monogene autoinflammatorische Erkrankung, die v. a. durch rezidivierende Fieberepisoden mit Peritonitis, Pleuritis und Arthritis gekennzeichnet ist und die im frühen Kindes‑, Jugend- und Erwachsenenalter auftritt.

(Übereinstimmung 100 %)

Das familiäre Mittelmeerfieber (FMF) ist klinisch durch episodisch auftretende kurz anhaltende Fieberattacken charakterisiert. Diese können von Zeichen einer Serositis wie Arthritis, Peritonitis und Pleuritis begleitet werden. Weitere Manifestationen sind z. B. erysipelartige Exantheme, Epididymitiden, protrahiert verlaufende Arthritiden und Myalgien [1]. Die Amyloidose ist die häufigste Langzeitkomplikation, die vor Einführung der Colchicin-Therapie bei 25–75 % der Patienten beobachtet wurde [1, 15, 16].

Das FMF ist mit dem Vorliegen von Mutationen im MEFV-Gen assoziiert [17, 18]. Es liegt eine Gendosis-Wirkungs-Beziehung vor: Bei schwer betroffenen Patienten finden sich meist 2 hochpathogene Mutationen im MEFV-Gen, allerdings muss dieser Genotyp nicht zwingendermaßen zum klinischen Bild des FMF führen [2, 19]. Heterozygote Merkmalsträger leiden in den meisten Fällen nicht an FMF zuzuordnenden Symptomen. Allerdings treten bei diesen Patienten vermehrt unspezifische inflammatorische Symptome auf. Zudem zeigt sich eine Assoziation heterozygoter Merkmalsträger mit dem Auftreten einer Vielzahl von chronisch entzündlichen Erkrankungen [2]. Selten findet sich bei klinisch eindeutig klassifizierten Patienten keine Mutation im MEFV-Gen; diese Patienten haben eine mildere Krankheitsausprägung, das Colchicin wird bei solchen Patienten in der Regel nur niedrig dosiert eingesetzt [20].

2. Prinzip

Das Management des FMF orientiert sich an den EULAR-Empfehlungen von 2016. Nach diesen Empfehlungen besteht die Standardbehandlung in der dauerhaften Einnahme von ColchicinFootnote 1, das für die Therapie des FMF in Deutschland zugelassen ist. Die optimale Dosierung richtet sich nach der Krankheitsaktivität und wird individuell festgelegt. Eine konsequente Einnahme ist erforderlich, um die Entzündung zu kontrollieren und damit rezidivierende Attacken und die Entwicklung einer Amyloidose zu verhindern.

(Übereinstimmung 100 %)

Die dauerhafte tägliche Einnahme von Colchicin, um sowohl klinische Attacken als auch das Auftreten einer Amyloidose zu verhindern, wird allgemein empfohlen [3, 8, 9, 21]. Eine Cochrane-Analyse [22] sowie eine systematische Literaturrecherche [23] identifizierten 2 bzw. 3 randomisierte Studien [4,5,6] zum prophylaktischen Einsatz des Colchicins beim FMF. Obwohl die Qualität der Studien nicht als hochwertig eingestuft wurde, erscheint es angesichts des umfangreichen Einsatzes von Colchicin mit durchgängig positiven Erfahrungen [24,25,26,27,28] nicht vertretbar, weitere randomisierte Studien mit einer Plazebogruppe durchzuführen. Dagegen spricht insbesondere auch die Beobachtung, dass die Inzidenz von Amyloidosen bei ausreichender Compliance hinsichtlich der dauerhaften Einnahme von Colchicin deutlich zurückgeht [7].

Bei Kindern <5 Jahre wird empfohlen, mit ≤0,5 mg Colchicin/Tag zu beginnen. Im Alter zwischen 5 und 10 Jahren liegt die empfohlene Startdosis bei 1,0 mg Colchicin/Tag, bei Kindern über 10 Jahren sowie bei Erwachsenen sollte mit 1,5 mg/Tag Colchicin begonnen werden. Bei weiterbestehenden Attacken und/oder anhaltender Inflammation sollte die Colchicin-Dosis in Schritten von 0,5 mg Colchicin/Tag bis zu einer Maximaldosis von 2,0 mg Colchicin/Tag im Kindesalter und 3,0 mg Colchicin/Tag im Erwachsenenalter gesteigert werden [3, 8]. Die Bestimmung einer Kombination von Entzündungsmarkern unter Einschluss der S100-Moleküle ist möglicherweise ein sensitives Instrument, um Patienten mit hohem Risiko für eine künftige Dosiserhöhung in naher Zukunft rechtzeitig zu identifizieren [29].

3. Prinzip

Die Behandlung mit Colchicin ist in der Mehrheit der Fälle von FMF ausreichend wirksam. Bei einem kleineren Teil der Patienten ist Colchicin trotz optimaler Dosierung nicht ausreichend wirksam. In anderen Fällen kann die optimale Dosis wegen Unverträglichkeit nicht erreicht werden.

(Übereinstimmung 100 %)

Das langfristige Sicherheitsprofil einer Colchicin-Therapie ist als sehr günstig einzustufen [8, 30]. Allerdings treten unter der täglichen Einnahme häufig gastrointestinale Nebenwirkungen wie Bauchkrämpfe, Hyperperistaltik, Diarrhöen oder Erbrechen auf [31]. Bei einem kleinen Teil der Patienten kann die Symptomatik so gravierend sein, dass eine Dosissteigerung trotz entsprechender Gegenmaßnahmen (s. Empfehlung 4) nicht möglich ist. Zudem ist bei einem kleinen Teil der Patienten die Colchicin-Therapie trotz Applikation der maximal tolerablen Dosis nicht ausreichend wirksam (zur Definition einer unzureichenden Colchicin-Wirkung s. übergeordnetes Prinzip 4).

4. Prinzip

Es besteht keine einheitliche Definition einer unzureichenden Colchicin-Wirkung, die auch als „Colchicin-Resistenz“ bezeichnet wird. Eine erforderliche Therapieerweiterung orientiert sich an der Intensität der klinischen Symptomatik, dem Ausmaß der laborchemisch gemessenen Inflammation und möglichen Folgeschäden wie der Amyloidose.

(Übereinstimmung 100 %)

In der Literatur existiert keine einheitliche Definition, ab welchem Ausmaß einer Symptomatik bzw. ab welchem Grad der (sub)klinischen Inflammation von einer unzureichenden Colchicin-Wirkung auszugehen ist. Eine Abfrage unter französischen Ärzten belegte, dass die Kriterien für das Vorliegen einer unzureichenden Colchicin-Wirkung variieren [33]. So gaben 42 % der befragten Ärzte an, von einer unzureichenden Colchicin-Wirkung auszugehen, wenn >6 Attacken/Jahr auftreten, während 26 % die Kriterien bei Vorliegen von >4 Attacken in den letzten 6 Monaten als erfüllt ansahen. Darüber hinaus wurden folgende Konstellationen beschrieben, die mit einer unzureichenden Colchicin-Wirkung vereinbar sind (% der Befragten):

  • anhaltende Inflammation (45 %),

  • persistierende Arthritis (23 %),

  • Amyloidose (22 %),

  • Intoleranz einer Dosiserhöhung des Colchicins (19 %).

In den EULAR-Empfehlungen wurde formuliert, dass bei Vorliegen von mindestens 1 Attacke/Monat über einen Zeitraum von 6 Monaten trotz Einnahme der maximal tolerierten Colchicin-Dosis und überprüfter Compliance von einem unzureichenden Ansprechen ausgegangen werden kann [3]. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass für manche Patienten auch eine geringere Häufigkeit von Attacken nicht ertragbar ist bzw. dass eine anhaltende systemische Inflammation das Risiko für die Ausbildung einer Amyloidose erhöht [3]. Vor allem bei Patienten mit bereits vorliegender Amyloidose oder mit einer Familienanamnese von Amyloidose trotz rechtzeitiger Behandlung ist unbedingt eine konsequente Entzündungsreduktion anzustreben. Allerdings gibt es keine definierten Grenzwerte, ab welchem Grad der subklinischen Inflammation mit der Ausbildung einer Amyloidose zu rechnen ist [34].

5. Prinzip

Neben der Wirksamkeit und Sicherheit der für die Therapie des FMF zur Verfügung stehenden Arzneimittel sind auch wirtschaftliche Aspekte der Behandlung, wie z. B. die zum Teil erheblichen Kosten der Medikation, und sozialmedizinische Aspekte wie Aktivität und Partizipation für die Therapieentscheidung von Bedeutung. Krankheits- und medikamentenbedingte Komplikationen müssen bei Kindern zum Teil besonders gewichtet werden.

(Übereinstimmung 100 %)

Canakinumab ist im Gegensatz zu Anakinra zur Therapie des FMF in Deutschland zugelassen, verursacht aber deutlich höhere Therapiekosten. Ein direkter Vergleich beider IL-1-Blocker in der Therapie des FMF existiert nicht, allerdings lassen die Studiendaten ein gutes Ansprechen beider Substanzen vermuten. Das FMF ist eine chronische Erkrankung, die die Lebensqualität der Patienten nachhaltig beeinträchtigen kann [35,36,37,38,39]. Diese betrifft verschiedene Bereiche von physischen, psychosozialen und emotionalen Anforderungen und Leistungen. Aufgrund von persistierenden bzw. rezidivierenden Attacken kann es zu erheblichen Problemen in Schule, Berufsausbildung und Berufsausübung kommen.

Evidenzbasierte Therapieempfehlungen zum familiären Mittelmeerfieber

1. Therapieempfehlung

Das Ziel der Behandlung sollte die Kontrolle der Entzündung sowie die Vermeidung von FMF-Attacken und Folgeschäden sein.

Diese Empfehlung entspricht den EULAR Recommendations.

(Evidenzgrad der EULAR-Empfehlungen 4, Grad der Empfehlung C, aufgrund der systematischen Literaturrecherche keine Änderung, Übereinstimmung 100 %)

Idealerweise sollte die Therapie des FMF zum völligen Sistieren der Attacken, zur kompletten Kontrolle der subklinischen Inflammation und zur Vermeidung von Komplikationen, wie z. B. einer Amyloidose, führen [3, 8]. Dies kann in den meisten Fällen durch die regelmäßige Einnahme von Colchicin erreicht werden [3].

2. Therapieempfehlung

Für die Beurteilung der Aktivität und Schwere der Erkrankung sollten neben der Intensität und Häufigkeit der Attacken, den Akutphaseparametern, dem Nachweis einer Amyloidose und anderer Folgeschäden auch das Arzt- und Patientenurteil herangezogen werden.

(Evidenzgrad 3, Grad der Empfehlung B, Übereinstimmung 100 %)

Zur Ermittlung der Krankheitsschwere und -aktivität bei Patienten mit FMF stehen verschiedene nicht validierte Messinstrumente zur Verfügung [40, 41], die nur begrenzt miteinander korrelieren [42]. Deshalb wurde durch eine internationale Task-Force das International Severity Scoring system for Familial Mediterranean fever (ISSF) entwickelt und validiert [43]. Mithilfe dieses Messinstruments werden schwer erkrankte Patienten bei Vorliegen von ≥6 (von 10) Punkten mit einem positiven prädiktiven Wert von 100 % identifiziert. Der Score berücksichtigt allerdings auch Folgeschäden, sodass nicht nur die aktuelle Krankheitsaktivität erfasst wird. Zudem werden globale Einschätzungen der Krankheitsaktivität durch den Arzt, die Patienten selbst bzw. deren Eltern ebenso wie eine Beurteilung der Lebensqualität nicht berücksichtigt [44].

Bei einem anderen Scoringsystem (Auto-Inflammatory Disease Activity Index [AIDAI]) wird mittels einer dichotomen Erfassung von einzelnen Parametern über 30 Tage ein Punktwert ermittelt, der die Krankheitsaktivität widerspiegelt [45]. Da die Erfassung durch den Patienten bzw. die Eltern erfolgt, spiegelt dieser insbesondere die subjektive Einschätzung der Betroffenen wider, Entzündungswerte fließen in die Beurteilung nicht mit ein.

Darüber hinaus wurde ein Instrument (FMF-50) zur Messung des Ansprechens auf die Therapie entwickelt [46]. Hierbei wird von einem Ansprechen auf die begonnene Therapie ausgegangen, wenn es in 5 von 6 Kriterien zu einer 50 %igen Verbesserung gekommen ist, ohne dass in einem Kriterium eine Verschlechterung vorlag. Die Punkte dieses Scores beinhalten:

  1. I.

    die Attackenfrequenz,

  2. II.

    die Attackendauer,

  3. III.

    die globale Einschätzung der Erkrankungsschwere durch Patienten bzw. Eltern (VAS [visuelle Analogskala]),

  4. IV.

    die globale Einschätzung der Erkrankungsschwere durch den Arzt (VAS),

  5. V.

    die Frequenz der Arthritiden und

  6. VI.

    die Veränderung der Entzündungsmarker (CRP [C-reaktives Protein], SAA [Serumamyloid], BSG [Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit]).

Allerdings hat dieses Instrument bisher nur wenig Anwendung gefunden [12]. Zur Erfassung einer unzureichenden Colchicin-Wirkung ist dieses Instrument im Übrigen nicht geeignet, da die Schwere der persistierenden Symptome nicht erfasst wird [9].

Der Juvenile Autoinflammatory dIsease Multidimensional Asessment Report (JAIMAR) ist ein bei Kindern und Jugendlichen mit FMF validiertes Instrument zur Ermittlung der Lebensqualität von Patienten mit autoinflammatorischen Erkrankungen. Dieser multidimensionale Fragebogen umfasst die Graduierung der Schmerzen, den funktionellen Status, die Compliance und die Lebensqualität [47].

Während der Attacken und bei ca. 30 % der Untersuchungen im attackenfreien Intervall sind die Entzündungsparameter C‑reaktives Protein (CRP) und Serumamyloid A (SAA) typischerweise erhöht [48,49,50]. Zur Beantwortung der Fragen, welcher Inflammationsparameter am besten geeignet ist, um die Therapie des FMF zu überwachen und ab welchem Ausmaß der subklinischen Inflammation eine Amyloidose zu erwarten ist, wurde eine systematische Literatursuche durchgeführt [34]. Aufgrund der mangelnden Evidenzlage konnte aber keine abschließende Beurteilung erfolgen. In 2 aktuellen Studien waren SAA und CRP bei Patienten mit FMF im Hinblick auf die oben aufgeführten Fragen gleichwertig [29, 51]. In aktuellen Studien waren die S100-Moleküle aus der Gruppe der Calgranuline den beiden klassischen Biomarkern hinsichtlich der Sensitivität der Detektion von Inflammation bei Patienten mit FMF überlegen [52,53,54]. Eine Analyse der Daten aus dem deutschen Register für autoinflammatorische Erkrankungen (AID-Net-Register) erbrachte, dass bei symptomatischen pädiatrischen und jugendlichen FMF-Patienten eine Kombination aus Biomarkern mit Einschluss der S100-Moleküle den Vorhersagewert für eine erforderliche Intensivierung der Therapie deutlich erhöht [29].

Zusammenfassend kann der ISSF zur Bestimmung der Krankheitsaktivität herangezogen werden, wobei zu empfehlen ist, darüber hinaus auch die Einschätzung der globalen Krankheitsaktivitätsaktivität durch Arzt und Patienten bzw. deren Eltern zu berücksichtigen. Auch wenn das Vorliegen einer Amyloidose nicht Ausdruck einer aktiven Erkrankung ist, sollte diese Diagnose aber bei Therapieentscheidungen berücksichtigt werden, da wahrscheinlich eine ausgeprägte vergangene und möglicherweise persistierende Entzündungsaktivität vorliegt und weil zudem eine individuelle evtl. genetisch bedingte Suszeptibilität für das Auftreten von Amyloidose vorliegen könnte, die ebenfalls eine weitere Intensivierung der Therapie erforderlich machen würde.

3. Therapieempfehlung

Eine unzureichende Colchicin-Wirkung sollte fachärztlich festgestellt werden, wenn trotz optimaler Dosis und überprüfter Therapieadhärenz gehäuft typische Beschwerden und/oder klinisch relevante Entzündungsparameter vorliegen. Diese Konstellation sollte über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten bestehen und mehrfach dokumentiert werden. Darüber hinaus sollte auch die Beschwerdedokumentation der Patienten für die Gesamtbeurteilung mit herangezogen werden.

(Evidenzgrad 3, Grad der Empfehlung B, Übereinstimmung 100 %)

Die Grundvoraussetzung für die Vermeidung von Attacken, die Verhinderung von Amyloidose und die Reduktion der Mortalität bei Patienten mit FMF ist die regelmäßige Einnahme von Colchicin [3]. Mögliche Gründe für fehlende Compliance bezüglich der regelmäßigen Medikamenteneinnahme sind die lebenslange tägliche Einnahme sowie Sorgen vor potenziellen Nebenwirkungen, Infertilität und Schädigung des ungeborenen Lebens [3]. Im Falle einer vermuteten Non-Compliance sollte der Patient nach ausführlichem Gespräch über die Notwendigkeit einer regelmäßigen Medikamenteneinnahme im Abstand von 4 Wochen über mindestens 3 Monate zur Kontrolle des klinischen Verlaufs und der Entzündungsparameter von einem in der Behandlung des FMF erfahrenen Pädiater oder Rheumatologen visitiert werden. Hierbei sollten die unter Punkt 2 aufgeführten Instrumente Anwendung finden. Zusätzlich können mithilfe der Medication Adherence Scale for familial MedIterranean Fever (MASIF) Fragen aus 4 Kategorien zur Colchicin-Compliance adressiert werden [55]. Das Ergebnis lässt Rückschlüsse auf die Medikamentenadhärenz zu. In einer aktuellen Arbeit aus der Türkei war Colchicin-Non-Compliance mit niedrigem sozioökonomischem Status assoziiert [56]. In einer französischen Arbeit gaben 40 % der Patienten mit unzureichender Colchicin-Wirkung an, das Medikament regelmäßig einzunehmen [33]. Die täglich einmalige Einnahme von Colchicin stellt gegenüber einer über den Tag verteilten Dosierung hinsichtlich Wirkung und Nebenwirkungen keinen Nachteil dar [57] und kann die Compliance des Patienten erhöhen.

Bezüglich einer „angestrebten optimalen Serumkonzentration des Colchicins“ gibt es keine guten Daten. Das liegt auch daran, dass das Medikament rasch in Leukozyten aufgenommen wird und dort seine Wirkung entfaltet [58, 59]. Durch eine Spiegelbestimmung kann aber der Nachweis erbracht werden, dass die Substanz überhaupt eingenommen wurde. Bei negativem Nachweis ist der Rückschluss auf Non-Compliance allerdings nicht möglich.

4. Therapieempfehlung

Wenn eine Colchicin-Unverträglichkeit vermutet wird, sollten zunächst entsprechende diagnostische Maßnahmen eingeleitet werden.

(Evidenzgrad 3, Grad der Empfehlung B, Übereinstimmung 100 %)

Gastrointestinale Nebenwirkungen wie Bauchkrämpfe, Hyperperistaltik, Diarrhöen und Erbrechen werden insbesondere bei präexistenter Laktosemalabsorption beobachtet, sodass bei entsprechenden Beschwerden eine Untersuchung auf das Vorliegen einer solchen Unverträglichkeit sowie ggf. die Einleitung entsprechender diätetischer Maßnahmen sinnvoll ist [60]. Eine Dosisreduktion mit anschließender Wiedereinführung kann zu einer Verbesserung der Verträglichkeit und damit der Compliance führen [61]. Im Besonderen ist zu beachten, dass eine Komedikation mit Cytochrom-p450-interferierenden Medikamenten, wie z. B. Makroliden, Cyclosporin, Kalziumkanalblockern, Ketoconazol und Ritonavir, sowie eine bestehende Nierenfunktionsstörung zu einer Erhöhung des Colchicin-Serumspiegels mit vermehrtem Auftreten von Nebenwirkungen bis hin zur Intoxikation führen kann [62, 63].

5. Therapieempfehlung

Wenn eine unzureichende Colchicin-Wirksamkeit oder -Unverträglichkeit vorliegt, soll eine Therapieintensivierung in Erwägung gezogen werden. Dabei sollte auch die individuelle psychosoziale und schulische/berufliche Situation berücksichtigt werden. Die Entscheidung zur Therapieintensivierung sollte durch einen Facharzt getroffen, begründet und dokumentiert werden.

(Evidenzgrad 3, Grad der Empfehlung B, Übereinstimmung 100 %)

Es existiert keine verbindliche Definition für das Vorliegen einer unzureichenden Colchicin-Wirkung (s. übergeordnetes Prinzip 4). Die Evaluation von 9 Definitionen einer unzureichenden Colchicin-Wirkung ist in Abstractform publiziert worden, aufgrund methodischer Bedenken wurde dieser jedoch nicht in die evidenzbasierte Auswertung aufgenommen [64]. In Tab. 1 des Supplements sind die aktuell publizierten Definitionen einer unzureichenden Colchicin-Wirkung dargestellt.

Tab. 1 Randomisierte klinische Studien zum Einsatz von verfügbaren IL(Interleukin)-1-Blockern bei unzureichender Colchicin-Wirkung

Da der individuelle Krankheitsverlauf sehr variabel ist, sollte im Falle von hoher Krankheitsaktivität der in der Behandlung des FMF erfahrene Pädiater oder Rheumatologe unter Anwendung der geeigneten Instrumente (s. Empfehlung 2) und Berücksichtigung der mehrfach bestimmten Entzündungsmarker (s. Empfehlung 2) nach Überprüfung der Compliance (s. Empfehlung 3) sowie nach Evaluation der individuellen psychischen und schulischen bzw. beruflichen Situation die Entscheidung zu einer Therapieintensivierung treffen, begründen und den Sachverhalt dokumentieren.

6. Therapieempfehlung

Bei Vorliegen einer unzureichenden Colchicin-Wirkung und/oder -Unverträglichkeit sollte eine Behandlung mit IL-1-AntagonistenFootnote 2 erwogen werden. Die laufende Colchicin-Medikation sollte nach aktuellem Kenntnisstand beibehalten werden.

(Evidenzgrad 2, Grad der Empfehlung B, Übereinstimmung 100 %)

Eine systematische Literaturrecherche fasst die Ergebnisse einer gegen IL-1 gerichteten Therapie bei Patienten mit FMF und einer unzureichenden Colchicin-Wirkung oder einer Colchicin-Unverträglichkeit zusammen. Hierzu wurden 22 Fallberichte bzw. Fallserien (Anakinra und Canakinumab), 2 offene prospektive Studien (Canakinumab) und ein randomisierte plazebokontrollierte Studie (Rilonacept) analysiert. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass unter Therapie mit Anakinra in 76,5 % und unter Therapie mit Canakinumab in 67,5 % der Fälle eine klinische Remission eintrat [11]. Die systematische Literaturrecherche erbrachte weitere Fallserien von FMF-Patienten, die mit Biologika therapiert wurden (Anzahl der Patienten therapiert mit Anakinra: 151 [65], 32 [66], 24 [67], 14 [68], 13 [69], 12 [70], 11 [71], 10 [72], 8 [73], 4 [74], 4 [75]; Anzahl der Patienten therapiert mit Canakinumab: 21 [65], 14 [76], 12 [74], 9 [71], 8 [68], 8 [70], 6 [66], 4 [73], 4 [75], 3 [72], 2 [67]).

Neben den gegen IL-1 gerichteten Biologika wurden FMF-Patienten auch mit Substanzen behandelt, die TNF(Tumornekrosefaktor)-α und IL-6 blockieren (Anzahl der Patienten therapiert mit TNF-α-Blockern 4 [68], 3 [71], Anzahl der Patienten therapiert mit Tocilizumab: 8 [77]). IL-1 blockierende Substanzen wurden in den meisten Fällen bei Vorliegen einer unzureichenden Colchicin-Wirkung mit persistierenden Attacken und ggf. anhaltender Inflammation eingesetzt, während die Fallserie mit Tocilizumab Patienten mit bereits bekannter Amyloidose eingeschlossen hat. Für die 3 zur Verfügung stehenden IL-1 blockierenden Substanzen liegen Daten aus randomisierten Studien vor [12,13,14]. Die Tab. 1 fasst die Ergebnisse der Studien zusammen, in denen die Wirkung der in Deutschland verfügbaren Medikamente untersucht wurde. Die Ergebnisse des Einsatzes von Canakinumab lagen zum Zeitpunkt der Literatursuche nur als Abstract vor [78,79,80], einige Details wurden aber dennoch aus dem mittlerweile publizierten Manuskript extrahiert [14].

Die regelmäßige Einnahme von Colchicin unterdrückt unabhängig von einer möglichen weiteren Persistenz der Attacken die Ausbildung einer Amyloidose [28]. Für den Einsatz einer IL-1-Blockade wurde dieser Effekt, v. a. auch aufgrund der kurzen Therapiezeit, bisher noch nicht beschrieben. Daher wird zurzeit allgemein empfohlen, die Colchicin-Therapie auch bei Einsatz eines IL-1-Blockers fortzuführen.

7. Therapieempfehlung

Im Hinblick auf die Differenzialindikation zwischen den beiden aktuell verfügbaren IL-1-Inhibitoren Anakinra und Canakinumab sollten neben der Wirksamkeit die Häufigkeit der Injektionen und die Schwere lokaler Injektionsreaktionen berücksichtigt werden. Darüber hinaus sind die Wirtschaftlichkeit, d. h. auch der Preis der Medikation, und der Zulassungsstatus zu beachten.

(Evidenzgrad 3, Grad der Empfehlung B, Übereinstimmung 100 %)

Es gibt keine direkt vergleichende Studie zur Wirksamkeit von Anakinra und Canakinumab bei Patienten mit unzureichender Colchicin-Wirkung. Canakinumab ist für die Therapie des FMF ab dem 2. Lebensjahr zugelassen, der Zulassungstext sieht eine Gabe alle 4 Wochen vor. Selten werden Hautreaktionen beobachtet. Anakinra wurde bei Erwachsenen meist in einer Dosierung von 100 mg/Tag eingesetzt, es gibt jedoch auch Berichte über Patienten, die mit einer Tagesdosis von 300 mg (das entspricht 3 Spritzen) behandelt wurden [65]. Die Aspekte der Applikationshäufigkeit sowie der nicht selten schmerzhaften Hautreaktionen [81] unter Anakinra sollten im Kindesalter unbedingt in differenzialtherapeutische Erwägungen einbezogen werden.

Bisher liegen keine Daten zur Dosisreduktion bzw. zu einer kurzfristig zu wiederholenden Therapie bei Auftreten eines Schubes vor, sodass hierzu keine Empfehlung gegeben werden kann. Eine solche kurzfristig wiederholte Therapie, die mit einer geringeren Anzahl von Injektionen verbunden wäre, erscheint aber grundsätzlich möglich. Bei der Entscheidungsfindung zur Behandlungsindikation für Biologika sollten darüber hinaus auch die zum Teil erheblichen und durchaus unterschiedlichen Kosten für diese Medikamente berücksichtigt werden.

8. Therapieempfehlung

Bei der grundsätzlichen Wahl der Strategie können auch die Möglichkeit einer On-Demand-TherapieFootnote 3 und die Möglichkeit einer Dosisreduktion von Biologika berücksichtigt werden.

(Evidenzgrad 5, Empfehlungsgrad 0, Übereinstimmung 100 %)

Die bisher vorliegenden Daten für den Einsatz von Anakinra und Canakinumab beschreiben eine kontinuierliche Medikamentengabe, die Frage einer Dosisreduktion wurde im Gegensatz zu anderen Indikationen bisher nicht adressiert [82, 83]. Zudem zeigt sich im individuellen Krankheitsverlauf häufig eine schwankende Aktivität, die möglicherweise auch durch Faktoren wie körperlichen oder psychischen Stress beeinflusst wird, sodass der Patient ggf. von einer temporären Therapieintensivierung profitieren könnte. Analog zu Untersuchungen bei der Therapie der Mevalonatkinasedefizienz [84] und dem Tumorrezeptor-assoziierten periodischen Syndrom [85] ist es auch vorstellbar, dass eine On-Demand-Therapie zu Beginn des Schubes die Krankheitslast senkt. Hierzu gibt es allerdings ebenfalls keine Untersuchungen bei Patienten mit FMF.

9. Therapieempfehlung

Im Falle persistierender Arthritiden bei Patienten mit FMF sollte in Abhängigkeit von der Krankheitsaktivität die zusätzliche Gabe von nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAR), lokalen Glukokortikoiden und Methotrexat* sowie von TNF-Inhibitoren in Erwägung gezogen werden.

*Adaptierte EULAR-Empfehlung

(Evidenzgrad der EULAR-Empfehlungen 2b, Grad der Empfehlung C, aufgrund der systematischen Literaturrecherche keine Änderung, Übereinstimmung 100 %)

Chronische destruktive (Hüft‑)Arthritiden [86, 87] sowie HLA-B27-negative seronegative Spondyloarthritis [88, 89] sind als gesondert zu betrachtende Manifestationen des FMF anzusehen, die sich häufig durch Colchicin nicht ausreichend therapieren lassen. In diesen Fällen kann der Einsatz von nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAR), lokalen Glukokortikoiden, Methotrexat oder auch TNF-Blockern sinnvoll sein [3, 90]. Kontrollierte Studien liegen hierzu aber nicht vor.

10. Therapieempfehlung

Im Falle von FMF-bedingten protrahiert verlaufenden febrilen Myalgien sollte vorübergehend zusätzlich Prednisolon gegeben werden.

Diese Empfehlung entspricht den EULAR Recommendations.

(Evidenzgrad der EULAR-Empfehlungen 2b, Grad der Empfehlung C, aufgrund der systematischen Literaturrecherche keine Änderung, Übereinstimmung 100 %)

Protrahiert verlaufende febrile Myalgien sind eine weitere Sonderform des FMF, die meist mit dem Genotyp einer homozygoten M694V-Mutation assoziiert sind. Die Dauer der Symptome überschreitet in der Regel den Zeitraum von 1 Monat und ist von dem häufigeren Symptom der eher belastungsinduzierten Myalgien abzugrenzen. Der Einsatz von Glukokortikoiden führt zu einer raschen Symptombesserung [91,92,93], in manchen Fällen lassen sich die Symptome durch NSAR oder hoch dosierte Glukokortikoide beeinflussen [91, 94]. Zwei Fälle eines positiven Einsatzes von Anakinra bei dieser Problematik wurden beschrieben [95].

Zusammenfassung

Die Standardtherapie des familiären Mittelmeerfiebers besteht in der prophylaktischen kontinuierlichen Gabe von Colchicin. Sowohl zur Effektivität (Vermeidung von Attacken und der Ausbildung einer Amyloidose) wie auch zur Sicherheit einer Langzeittherapie existieren umfangreiche Daten. Allerdings ist bei einem Teil der Patienten diese Therapie nicht ausreichend wirksam, bzw. es kommt zu nicht tolerablen Nebenwirkungen.

Fallserien sowie kontrollierte Studien mit einer begrenzten Anzahl von eingeschlossenen Patienten zeigen eine gute Effektivität der IL-1-Blockade bei Patienten mit unzureichender Wirkung von Colchicin bzw. bei intolerablen Nebenwirkungen der Colchicin-Therapie. Daten zur längerfristigen Effizienz gerade auch im Hinblick auf die Prophylaxe einer Amyloidose sowie zur Sicherheit bei dauerhafter Anwendung stehen allerdings noch aus. Unter sorgfältiger Abwägung sollten IL-1 blockierende Substanzen in Fällen einer unzureichenden Colchicin-Wirkung bzw. bei intolerablen Nebenwirkungen Anwendung finden.