1 Einleitung: Immunzellen können Krebserkrankungen zurückdrängen

Der adoptive Transfer natürlich vorkommender tumorspezifischer T-Zellen wird seit mehr als einem Vierteljahrhundert bei Patienten mit schwarzem Hautkrebs (Melanom) erfolgreich eingesetzt. Beim adoptiven Transfer von T-Zellen werden lebende autologe (d. h. patienteneigene) T-Zellen oder allogene (patientenfremde) T-Zellen von passenden Spendern bzw. Patienten übertragen. Der Grundgedanke ist dabei, dass tumorspezifische T-Zellen, die den Hautkrebs infiltrieren, nach Isolierung und Vermehrung im Labor (in vitro) ihre Antitumoraktivität wiedererlangen und den Tumor zerstören können (Guedan et al. 2019). In vielen Fällen konnte bei dieser Form der individualisierten Therapie mit patienteneigenen tumorinfiltrierenden T-Zellen (tumorinfiltrierende Lymphozyten, TILs) eine anhaltende Tumorregression erzeugt werden. Immer mehr Daten deuten darauf hin, dass die Tumorregression nach TIL-Therapie auf der Erkennung tumorassoziierter oder neuer Antigene (Neoantigene) im Tumor beruht (Guedan et al. 2019). Tumorassoziierte Antigene sind beispielsweise MART-1 und gp100 beim Melanom sowie CEA beim Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Während beim Melanom die TIL-Therapie Erfolge erzielt, ist die breite Anwendung bei den meisten Tumoren jedoch begrenzt, da häufig die Tumoren nur von einer geringen Anzahl von TILs, wenn überhaupt, infiltriert werden und die Expression von Neoantigenen in den Tumoren selten und darüber hinaus sehr heterogen ist.

2 Eine neue Ära in der Immuntherapie: genetisch modifizierte Immunzellen

Um Therapien auch unabhängig von natürlich vorkommenden tumorspezifischen T-Zellen durchführen zu können, wurden Strategien entwickelt, den T-Zellen aus dem peripheren Blut in vitro eine definierte Tumorspezifität zu verleihen. Das wurde dadurch erreicht, dass die T-Zellen mit einem tumorantigenspezifischen T-Zellrezeptor (TZR) ausgestattet wurden, sodass die T-Zellen die Tumorzellen durch ihren neuen TZR erkennen und schließlich zerstören können (Guedan et al. 2019). Dies erfolgt durch genetische Modifikation der T-Zellen, wozu die Entwicklung geeigneter Gentransfertechnologien und Vektoren wesentlich beigetragen hat, wie beispielsweise geeignete γ-retrovirale,Footnote 1 lentiviraleFootnote 2 oder adenovirale VektorenFootnote 3 oder auch nichtvirale Vektoren (Guedan et al. 2019). Die Erkennung der Tumorzellen durch den TZR ist von der Präsentation des Antigens durch den HLA(Humanes Leukozytenantigen)-Komplex abhängig, der allerdings sehr individualspezifisch ist, was den TZR auf die Patienten einschränkt, die das passende HLA-Repertoire tragen. Außerdem ist derzeitig eine vergleichsweise geringe Anzahl von tumorspezifischen TZRs verfügbar, die zudem nur wenige Tumorentitäten erkennen.

3 Die Evolution der zellulären Immuntherapie geht weiter: synthetische Rezeptoren

3.1 Chimäre Antigenrezeptoren (CARs): universelle Werkzeuge für die zelluläre Krebsimmuntherapie

Aus der Limitierung der TZR-basierten T-Zelltherapie ergibt sich die Notwendigkeit, ein synthetisches Erkennungsmolekül zu entwerfen, das universell für eine Vielzahl von Patienten einsetzbar ist. Ende der 1980er-Jahre wurden erste Prototypen eines chimären Antigenrezeptors (CAR) entwickelt, die die Antigenerkennung mithilfe eines Antikörpers und die T-Zellaktivierung durch eine Signaldomäne aus dem TZR in einem synthetischen Transmembranrezeptor vereinen (siehe Abb. 10.1) (Eshhar et al. 1993). Die antikörpervermittelte Bindung erlaubt die Erkennung einer Zielstruktur auf der Oberfläche von Tumorzellen unabhängig von der Präsentation in dem individuellen HLA-Kontext, was eine breitere Anwendung erlaubt. Der CAR der ersten Generation liefert das primäre Signal zur T-Zellaktivierung (Signal-1); in den CARs der zweiten Generation ist zusätzlich eine kostimulatorische EinheitFootnote 4 (Signal-2) integriert (Finney et al. 1998; Hombach et al. 2001), was eine anhaltende T-Zellaktivierung mit Zytokinfreisetzung, T-Zellvermehrung und anhaltender Persistenz zur Erzielung einer effektiveren Antitumorantwort ermöglicht. In CARs der dritten Generation sind zwei kostimulatorische Einheiten mit dem primären Signal verknüpft, um terminal differenzierte, gealterte T-Zellen zu aktivieren.

Abb. 10.1
figure 1

Der modulare Aufbau der chimären Antigenrezeptoren (CARs) und die Funktionen der jeweiligen Module

Der modulare Aufbau der CARs ermöglicht die Kombination von Erkennungseinheiten verschiedener Spezifitäten mit unterschiedlichen Signaleinheiten zur gezielten Modulation der Immunzellantwort. Insbesondere beeinflussen die kostimulatorischen Domänen die T-Zellaktivierung auf verschiedenen Ebenen. Beispielsweise vermittelt die CD28-Kostimulation eine „Sofort“-Antwort mit erhöhter Glukoseaufnahme, während die 4-1BB-Kostimulation die Bildung der Gedächtnis-T-Zellen (Central-Memory-T-Zellen) und deren langfristiges Überleben unterstützt.

Da viele Tumorzellen Defekte in Antigenpräsentation und Antigenprozessierung aufweisen, erweist sich die HLA-unabhängige Erkennung von Zielstrukturen mithilfe eines Antikörpers als entscheidender Vorteil. Auch können dadurch nichtklassische T-Zellantigene erkannt werden wie Carbohydrate, Lipide oder Strukturvarianten eines Antigens, was das Spektrum potenzieller Ziele erheblich erweitert. Um Antigene auch im Inneren der Zielzellen zu erkennen, wurden CARs generiert, deren Bindedomäne HLA-präsentierte Peptide (kleine Eiweißfragmente, die durch intrazelluläre Zerstückelung großer Proteine durch spezialisierte Enzyme entstehen) erkennen, z. B. NY-ESO-1 im HLA-A2, sodass eine TZR-ähnliche Erkennung ermöglicht wurde (Stewart-Jones et al. 2009). Neben Antikörpern können auch andere natürliche Liganden, d. h. Zielstrukturen, die spezifisch an einen Rezeptor binden, als Bindedomänen genutzt werden wie Zytokine, Zytokinrezeptoren oder DARPins („designed ankyrin repeat proteins“). Während für die T-Zellaktivierung Signaldomänen des TZR genutzt werden, sind für die Aktivierung von natürlichen Killer(NK)-Zellen oder Makrophagen (Fresszellen) andere Signaldomänen wie DAP10 optimal.

3.2 CARs mit mehreren Spezifitäten erlauben die Erkennung eines Musters von Zielstrukturen auf Tumoren

Antigenverlust auf Tumoren während der Therapie stellt einen häufigen Grund für ein Tumorrezidiv, d. h. die Rückkehr eines Tumors, dar. Deswegen wird das Ziel verfolgt, die T-Zellen auf mehrere tumorassoziierte Antigene zu richten, um den Tumor langfristig kontrollieren zu können. Dies wird durch sog. bispezifische CARs erreicht, die gleichzeitig zwei verschiedene Bindedomänen „in tandem“ tragen („TanCAR“), sodass die CAR-T-Zelle zwei verschiedene Antigene auf Zielzellen unabhängig voneinander erkennen kann. In der klinischen Erprobung sind derzeitig bispezifische CARs, die beispielsweise CD20-CD19 (Shah et al. 2020), CD22-CD19 (Spiegel et al. 2021) oder auch CD19-CD123 binden können (Ruella et al. 2016).

In Erweiterung der Strategie können CARs auch dazu genutzt werden, definierte Antigenmuster zu erkennen (Wilkie et al. 2012). Dies ist dann von Bedeutung, wenn kein tumorselektives Antigen vorliegt und das Risiko besteht, dass gesunde Zellen ebenfalls angegriffen werden. Deswegen wird angestrebt, dass nur Zellen mit zwei definierten Antigenen, nicht jedoch Zellen mit nur einem Antigen, angegriffen werden. Dies wird dadurch erreicht, dass die T-Zelle mit zwei CARs ausgestattet wird, wobei die CARs unterschiedliche Spezifitäten haben und ein CAR das primäre Signal (Signal-1) und der zweite CAR das kostimulatorische Signal (Signal-2) vermittelt. Die jeweiligen Signale komplementieren nur dann zur T-Zellaktivierung, wenn beide Antigene zugleich gebunden werden; die Bindung eines Antigens ist nicht ausreichend. Alternativ wurde ein sog. „synNotch“-Rezeptor entwickelt, der nach Antigenbindung einen zweiten CAR exprimiert, der zur Tumorzellerkennung beiträgt (Roybal et al. 2016). Die Kombinatorik komplementierender CARs erlaubt es auch, im umgekehrten Fall ein hemmendes Signal dann auszulösen, wenn beide Antigene erkannt werden, um eine Zelle, die beide Zielstrukturen trägt, zu verschonen.

3.3 „Universal CARs“

In dem klassischen CAR-Design muss für die Erkennung einer neuen Zielstruktur stets ein neuer CAR und damit ein neues CAR-T-Zellprodukt generiert werden. Dies stellt bei der dynamischen Entwicklung des Tumors und seiner Antigene während der Therapie eine besondere Herausforderung dar. Um diese Situation zu adressieren, wurden sog. „universal CARs“ entwickelt, die per se keine Tumorantigene erkennen, jedoch ihre Spezifität durch Bindung eines tumorspezifischen Antikörpers erhalten. Der CAR erkennt ein Epitop,Footnote 5 das an den tumorspezifischen Antikörper gekoppelt worden ist, z. B. ein Peptid (Cartellieri et al. 2016) oder AvidinFootnote 6 (Urbanska et al. 2012); durch Bindung des Antikörpers erhält der CAR seine Tumorspezifität. Diese Strategie ermöglicht eine flexible Antwort, sodass durch einen Antikörpercocktail dem CAR verschiedene Spezifitäten zugeordnet werden können. Dies ist dann von Vorteil, wenn Spezifitäten gewechselt werden müssen, sobald Rezidive mit Tumorzellen auftreten, die das primäre Zielantigen verloren haben. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass bei unerwarteter CAR-T-Zelltoxizität die Gabe der Antiköper reduziert oder gestoppt werden kann, sodass der CAR gesunde Gewebe nicht weiter schädigen kann.

4 CAR-T-Zellen werden lebende Fabriken: Produktion von Pharmazeutika im Patienten

Der große Vorteil der CAR-T-Zelltherapie besteht darin, dass eine Immunantwort spezifisch am Ort der Zielerkennung initiiert wird. CAR-T-Zellen können jedoch auch dazu genutzt werden, ein pharmazeutisch wirksames Protein dann freizusetzen, wenn sie ihr Zielorgan im Patienten erreicht haben. Für diese Zwecke werden T-Zellen mit einem CAR ausgestattet und zusätzlich mit einer induzierbaren Expressionskassette für die Freisetzung eines therapeutischen Proteins als „Nutzlast“. Bei CAR-Aktivierung durch Bindung an die Zielstruktur wird das therapeutische Protein produziert und freigesetzt; eine Beendigung der CAR-Aktivierung führt zum Stopp der Proteinproduktion und Freisetzung. Diese sog. TRUCKs („T cells redirected for unrestricted cytokine-mediated killing“) bilden die „vierte Generation“ der CARs und haben den Vorteil, dass das transgene Protein lokal in hoher Konzentration im Zielgewebe abgelagert wird bei gleichzeitiger Vermeidung einer systemischen Toxizität (Chmielewski et al. 2014). Dadurch werden CAR-T-Zellen zu „lebenden Fabriken“, die eine zielgerichtete und kontinuierliche Applikation eines Pharmazeutikums ermöglichen. Dieses könnte die klassische pharmazeutische Therapie, solange sie mit systemischen Nebenwirkungen behaftet ist, erheblich verändern.

Beispiele für „Nutzlasten“ von TRUCKs sind transgene Zytokine, Antikörper oder Immuncheckpointinhibitoren zur gezielten Modulation des suppressiven Tumormilieus. Ein Beispiel ist IL-12, das bei systemischer Verabreichung hochtoxisch ist, bei lokaler Produktion jedoch mit einer tolerierbaren Toxizität verbunden zu sein scheint und in experimentellen Modellen eine Wirksamkeit gegen Tumoren aufweist (Chmielewski et al. 2011). Lokal produziertes IL-12 rekrutiert und aktiviert zudem Makrophagen, die diejenigen Tumorzellen eliminieren, die ihre Zielstrukturen verloren haben und der spezifischen Immunüberwachung entgangen sind (Chmielewski et al. 2011). TRUCKs, die IL-18 freisetzen, verbessern erheblich die Antitumoraktivität von T-Zellen (Chmielewski und Abken 2017). CAR-T-Zellen, die lokal einen PD-1-blockierenden (Rafiq et al. 2018) oder PD-L1-blockierenden (Suarez et al. 2016) Antikörper produzieren, wirken der immunsuppressiven Tumorumgebung entgegen, ohne die systemische Immunität zu beeinträchtigen.

5 Die Herstellung von CAR-T-Zellen als patientenindividualisierter Prozess

CAR-T-Zellen werden individuell für jeden Patienten in einem aufwendigen Prozess entsprechend den Anforderungen der „Guten Herstellungspraxis“ („Good Manufacturing Practice“, GMP) hergestellt. Der Herstellungsprozess für CAR-T-Zellen dauert 7 bis 22 Tage, in der Regel 12 Tage, und wird manuell oder auch zunehmend automatisiert in geschlossenen Systemen durchgeführt (Köhl et al. 2018). Der Patient spendet seine T-Zellen mithilfe einer Leukapherese, der maschinellen Sammlung von Immunzellen aus dem Blut, daraus werden die T-Zellen isoliert und anschließend zur Expression des jeweiligen CARs genetisch modifiziert, expandiert, formuliert und schließlich dem vorbehandelten („lymphodepletierten“) Patienten wieder infundiert (siehe Abb. 10.2).

Abb. 10.2
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Die Herstellung des CAR-T-Zellprodukts ist ein Mehrstufenprozess, der mit der Gewinnung der patienteneigenen T-Zellen beginnt und die genetische Modifikation der T-Zellen und deren anschließende Vermehrung in vitro umfasst

In der überwiegenden Mehrzahl der klinischen Anwendungen werden für die genetische Modifikation der T-Zellen retro- oder lentivirale Vektoren eingesetzt, die im Vorfeld in großen Mengen hergestellt werden können und die sich als hocheffizient erwiesen haben (Levine et al. 2017). Alternativ werden virusfreie, transposonbasierte Vektoren wie „Sleeping Beauty“ oder „PiggyBac“ verwendet (Holzinger und Abken 2022). Das Transposon vermittelt eine stabile Integration von DNA-Sequenzen in das Wirtsgenom, wobei das Transposase-Enzym oder dessen codierende RNA zusammen mit der Transposon-DNA, die für den CAR codiert, durch TransfektionFootnote 7 oder ElektroporationFootnote 8 in die Zielzelle eingebracht wird. Die CARAMBA-StudieFootnote 9 ist ein Beispiel, bei dem CAR-T-Zellen durch Transposontechnologie hergestellt werden. Eine Erwartung für virusfreie Gentransfersysteme liegt darin, dass Herstellungskosten erheblich gesenkt werden können, da deren Produktion im Vergleich zu viralen Vektoren weniger zeit- und arbeitsintensiv ist.

T-Zellen können durch Übertragung von mRNA, die für den CAR codiert, ebenfalls modifiziert werden. Dabei wird die RNA durch einen elektrischen Puls (Elektroporation) in die T-Zelle übertragen. RNA-modifizierte T-Zellen haben im Gegensatz zu viral veränderten T-Zellen nur eine kurzfristige CAR-Expression, da die RNA in der Zelle schnell abgebaut wird. Die Persistenz der CAR-T-Zellen im Patienten ist deswegen sehr begrenzt, was eine wiederholte Applikation des CAR-T-Zellprodukts erforderlich macht (Beatty et al. 2018).

Es zeigte sich in den letzten Jahren, dass sich der Herstellungsprozess entscheidend auf die therapeutische Potenz der T-Zellen im Patienten auswirkt. Für die fortlaufende Optimierung des Herstellungsverfahrens kommt allerdings erschwerend hinzu, dass zahlreiche Variablen Einfluss auf die Qualität des finalen CAR-T-Zellprodukts haben, u. a. die Effizienz der genetischen Modifikation, die Stärke der CAR-Expression, die Anzahl der CAR-DNA-Kopien pro Zelle und der Reifungsgrad der CAR-T-Zellen. Basierend auf den klinischen Erfahrungen erscheinen naive oder junge „Central-Memory“-T-Zellen mit einer akut inflammatorischen Signatur für die Eliminierung von Tumoren besonders geeignet zu sein.

CAR-T-Zellen werden als „Arzneimittel für neuartige Therapien“ („Advanced Therapy Medicinal Products“, ATMP), eine Klasse innovativer, forschungsorientierter Biopharmazeutika, eingestuft (Hanna et al. 2016). Der rechtliche und regulatorische Rahmen für ATMPs wurde von der EU-Kommission mit der Richtlinie 2009/120/EG festgelegt (Köhl et al. 2018; Iglesias-López et al. 2019). Die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von ATMPs werden vom Ausschuss für neuartige Therapien (CAT) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) geprüft (Schneider et al. 2010). Dabei werden die CAR-T-Zellen innerhalb der ATMP-Kategorie als „Gentherapiearzneimittel“ (Gene Therapy Medicinal Product, GTMP) klassifiziert (Hartmann et al. 2017). Das finale CAR-T-Zellprodukt versteht sich als genetisch modifizierte „lebende Zellen“ mit der Fähigkeit, Zielzellen spezifisch zu erkennen und mit einem definierten Programm von Effektorfunktionen darauf zu reagieren.

Die im Europäischen Arzneibuch (Europäische Pharmakopöe, Ph. Eur.) veröffentlichten Standards bilden die rechtliche und wissenschaftliche Grundlage für die Qualitätskontrolle der ATMPs in Europa. Dazu gehören u. a. der Nachweis der Zellidentität, der Ausschluss prozessbedingter Verunreinigungen, von Mykoplasmen, Endotoxin, mikrobiologischer Kontaminationen sowie von replikationskompetenten Retroviren/Lentiviren (RCRs/RCLs) (Köhl et al. 2018). Um die funktionalen Kapazitäten der CAR-T-Zellen zu erfassen, werden die CAR-Expression und die Freisetzung von Botenstoffen (Zytokinen) unter standardisierten Bedingungen bestimmt. Der Hersteller muss schließlich nachweisen, dass das Zellprodukt gleichbleibend in einer definierten Qualität hergestellt wird und dass das Produkt in der Anwendung sicher und wirksam ist. Um unerwünschte Langzeitwirkungen bei den behandelten Patienten zu erkennen, empfiehlt die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) eine Nachbeobachtungszeit der Patienten von 15 Jahren (Holzinger und Abken 2022).

Als autologes Zellprodukt werden die CAR-T-Zellen für jeden Patienten individuell hergestellt. Aufgrund des daraus resultierenden hohen Arbeitsaufwands werden große Anstrengungen unternommen, um das manuelle Herstellungsverfahren in einen vollautomatischen Herstellungsprozess für eine reproduzierbare und überwachte CAR-T-Zellproduktion umzuwandeln. Beispiele für Prozessautomaten sind der BioreactorTM (Octane Biotech) (Iyer et al. 2018) oder der CliniMACS ProdigyTM (Miltenyi Biotec) (Kaiser et al. 2015). Mithilfe derartiger Geräte wird die dezentrale und standardisierte Herstellung von Patientenzellen am „Point-of-Care“ (POC), d. h. in der behandelnden Klinik, ermöglicht (Aleksandrova et al. 2019). Allerdings erfordert die dezentrale Herstellung ein in GMP-Prozessen kontinuierlich geschultes Personal. Die Gesamtkosten für den Betrieb einer GMP-Produktionseinheit sind hoch und für akademische Einrichtungen eine Herausforderung, die langfristig nur durch starke akademische Netzwerke geleistet werden kann. Letztendlich werden zwei Produktionslinien benötigt: die lokale Produktion in der behandelnden Klinik, um die Sicherheit und Wirksamkeit eines neuen T-Zellprodukts bei der ersten klinischen Anwendung zu evaluieren, und die zentralisierte Produktion, die eine Hochskalierung der Produktion bei gleichzeitiger Kosteneffizienz ermöglicht, wenn sich ein neues Produkt als wirksam und sicher erwiesen hat. Derzeitig ist jedoch die klinische Anwendung von CAR-T-Zellprodukten noch auf spezialisierte Produktionseinheiten und Kliniken begrenzt.

6 Genomeditierte allogene CAR-T-Zellen

Die individualisierte Herstellung von patienteneigenen CAR-T-Zellen könnte möglicherweise durch allogene CAR-T-Zellen von gesunden Spendern ersetzt werden. Durch die Deletion des TZRs wird die Fähigkeit der T-Zellen aufgehoben, Fremdantigene (allogene Antigene) zu erkennen, wodurch das Risiko einer Graft-versus-Host-Krankheit (GvHD)Footnote 10 verringert wird. Um solche allogenen CAR-T-Zellen andererseits für das Wirtsimmunsystem weniger sichtbar zu machen, werden die MHC-Moleküle dieser Zellen durch Genome-Editing-Technologien ausgelöscht (Holzinger und Abken 2022). In ersten klinischen Studien wird die Sicherheit und Wirksamkeit von entsprechend veränderten allogenen anti-CD19-CAR-T-Zellen untersucht.Footnote 11 Die Behandlung von zwei Kindern mit rezidivierter, hochrefraktärer CD19+ B-ALLFootnote 12 mit TALEN-editierten, TZR-defizienten universellen CAR19(UCART19)-T-Zellen führte zu molekularen Remissionen, was die prinzipielle Machbarkeit dieses Ansatzes belegt (Qasim et al. 2017).

Während derzeitig im klinischen Einsatz CAR-T-Zellprodukte aus T-Zellen des peripheren Blutes hergestellt werden, sind induzierte pluripotente Stammzellen („induced pluripotent stem cells“, iPSC) eine alternative Quelle, wobei man sich deren unbegrenzte Vermehrungsfähigkeit zunutze macht (Mazza und Maher 2021). Ein aus iPSC hergestelltes CAR-T-Zellprodukt (FT819) wurde durch Reprogrammierung und gezielte Einfügung eines CD19-spezifischen CAR in beide Allele des TZR-∝-LokusFootnote 13 erzeugt und befindet sich in der klinischen Erprobung.Footnote 14

7 Klinische Erfolge und erste pharmazeutisch zugelassene CAR-T-Zellprodukte

Bis heute wurden mehr als 500 CAR-T-Zellstudien initiiert, die meisten in Ostasien, gefolgt von den USA und Europa. Mehr als die Hälfte dieser Studien zielt auf die Behandlung von B-Zellneoplasien (bösartige Erkrankungen abstammend von B-Zellen, z. B. Lymphdrüsenkrebs) ab, die meisten mit CD19-spezifischen CAR-T-Zellen. Eine immer noch geringe, aber wachsende Zahl von CAR-T-Zellstudien hat die Behandlung von soliden Tumoren zum Ziel (Schaft 2020). Derzeit gibt es sechs CAR-T-Zellprodukte, die von der FDA und der EMA zur Behandlung von B-Zellmalignomen zugelassen sind (siehe Tab. 10.1). Mit diesen CD19-spezifischen CAR-Konstrukten kann bei 50–75 % der Patienten ein Ansprechen erzielt werden, wobei in ca. 50 % der Fälle komplette Remissionen erreicht werden (Bethge et al. 2022). Darüber hinaus zeigten sich kommerziell erhältliche CAR-T-Zellprodukte auch in der ZweitlinienbehandlungFootnote 15 des diffus großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL; häufige Lymphdrüsenkrebserkrankung) ähnlich hochwirksam (Locke et al. 2022). Erst kürzlich wurde Axicabtagen-Ciloleucel als erstes CAR-T-Zellprodukt für die Zweitlinienbehandlung bei Patienten mit refraktärem oder rezidivierendem DLBCL zugelassen. Trotz vielversprechender Ergebnisse rezidivieren 30–60 % der Patienten nach einer CD19-spezifischen CAR-Therapie (Rafiq und Brentjens 2018), was auf einen Verlust des CD19-Antigens auf den Tumorzellen sowie auf eine begrenzte Persistenz und Expansion der übertragenen CAR-T-Zellen zurückgeführt wird.

Tab. 10.1 Kommerzielle CAR-T-Zellprodukte

Eine häufige Nebenwirkung nach CAR-T-Zellgabe ist das Zytokinfreisetzungssyndrom („Cytokine release syndrome“, CRS) (Lee et al. 2019), das sich als akutes bis subakutes Krankheitsbild mit Fieber nichtinfektiöser Ursache, grippeähnlichen Symptomen, Hypotonie (niedriger Blutdruck) und Hypoxie (Sauerstoffmangel) typischerweise in der ersten Woche nach CAR-T-Zellgabe manifestiert. Die Ursache ist eine CAR-vermittelte, überaus starke Aktivierung der T-Zellen, wobei große Mengen proinflammatorischer Zytokine freigesetzt werden, was zu einer immunologischen Kaskade mit der Aktivierung anderer Immunzellen, u. a. Makrophagen, führt. Leichte Formen des CRS treten bei der Mehrheit aller Patienten nach CAR-T-Zellgabe auf; schwere CRS-Manifestationen, die eine Aufnahme auf die Intensivstation nötig machen, sind eher selten. Therapeutisch stehen immunsuppressive Maßnahmen wie die Gabe des Zytokinrezeptorblockers Tozilizumab bei leichten Formen und Kortikosteroide bei schweren Verläufen im Vordergrund.

Eine weitere häufige Nebenwirkung ist eine Neurotoxizität („immune effector cell-associated neurotoxicity syndrome“, ICANS) (Lee et al. 2019), die nur unzureichend verstanden, jedoch mit CRS gemeinsame pathogenetische Ursachen zu haben scheint, insbesondere in der T-Zellaktivierung und in der Aktivierung einer entzündlichen Immunkaskade. Klinisch äußert sich das ICANS initial durch eine Beeinträchtigung kognitiver Funktionen. Im weiteren Verlauf sind eine Minderung des Bewusstseins und das Auftreten epileptischer Anfälle charakteristisch, was nicht selten eine intensivmedizinische Betreuung erforderlich macht. Therapeutisch werden Kortikosteroide verabreicht. Trotz aller Dramatik sind sowohl CRS als auch ICANS bei entsprechender Therapie heilbare Nebenwirkungen.

8 Fazit

Chimäre Antigenrezeptoren (CARs) sind synthetische Rezeptor-Signal-Hybride, um Immunzellen, insbesondere T-Zellen, spezifisch gegen definierte Zielstrukturen zu richten. Durch seine Antikörper-abgeleitete Bindedomäne ist der CAR universell gegen eine Vielzahl von Zellen und Geweben einsetzbar; durch Kombination verschiedener Signalketten kann die T-Zellantwort gezielt moduliert werden. Dieses Werkzeug aus der Synthetischen Immunologie kann für die Krebstherapie, aber auch für die Therapie von chronischen Entzündungserkrankungen eingesetzt werden und wird langfristig die zellbasierte Immuntherapie revolutionieren.