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1 Einleitung

Das Themenfeld Wohnen gewinnt in der Debatte um eine resiliente Stadt- und Quartiersentwicklung zunehmend an Bedeutung. In den Vordergrund rückt vor allem die soziale Dimension von Resilienz im Sinne einer sozial gerechten Wohnraumversorgung (Fekkak et al. 2016, S. 52 ff.; BMI 2021, S. 10). Um diese unabhängig von den Dynamiken des Wohnungsmarktes zu gestalten, wird eine „resiliente, zukunftsgewandte Wohnungspolitik“ gefordert (Aring et al. 2016, S. 2). Gleichzeitig hat der Klimaschutz im Gebäudesektor oberste Priorität – sowohl für den Neubau als auch für die Bestandserhaltung (Michalski et al. 2021). Die Europäische Kommission veröffentlichte 2020 ein Strategiepapier für eine europäische Renovierungswelle. Auf dem Weg zur EU-Klimaneutralität wird angestrebt, „die jährliche Quote der energetischen Renovierungen von Wohn- und Nichtwohngebäuden bis 2030 mindestens zu verdoppeln“ (Europäische Kommission 2020, S. 3). Energetische Sanierungen im Mietwohnungsbestand bewegen sich hierbei in einem sozial-ökologischen Spannungsfeld. Einerseits ist eine hochwertige Sanierung zur Stärkung der Resilienz gegenüber dem Klimawandel erforderlich; andererseits muss die Bezahlbarkeit des Wohnens gewährleistet werden. Dies kann zu Zielkonflikten führen (Fekkak et al. 2016, S. 55; Aring et al. 2016, S. 8).

Die zentrale Rolle bei der Umsetzung von Sanierungsvorhaben spielen die Wohnungsunternehmen. Sie entscheiden sowohl über Art und Umfang der Sanierungen ihrer Wohnungsbestände als auch darüber, wie intensiv die Bewohner*innen an Entscheidungen beteiligt werden. Letztere sind in ihrem Alltag am unmittelbarsten mit dem Sanierungsprozess konfrontiert. Daher ist ihre Perspektive besonders relevant.

Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der Beitrag mit Sanierungsprozessen in Bestandsquartieren, den Belastungen für die betroffenen Bewohner*innen und deren Beteiligungsmöglichkeiten sowie der Bezahlbarkeit des Wohnens nach Abschluss der Maßnahmen. Diese Themen werden an einem Fallbeispiel aus der Großwohnsiedlung Leipzig-Grünau illustriert.

Im Verhältnis zu innerstädtischen Wohngebieten ist der Anteil an bezahlbarem Wohnraum im mehrgeschossigen Mietwohnungsbestand in randstädtischen Großwohnsiedlungen vergleichsweise hoch (Altrock et al. 2018, S. 7). Dieser wird u. a. von den kommunalen Wohnungsunternehmen angeboten, die trotz der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit in Deutschland de facto gemeinnützigen Wohnraum zur Verfügung stellen (Droste und Knorr-Siedow 2014, S. 192). Sie sind wichtige Akteure einer sozial gerechten Wohnraumversorgung (Fekkak et al. 2016, S. 57; Aring et al. 2016, S. 5).

Die räumliche Bezugsebene der Fallstudie ist das Quartier – die „‚Heimat‘ der Wohnungswirtschaft“ (Michalski et al. 2021, S. 12). Wohnungsunternehmen können sowohl über ihre Bestandsbewirtschaftung als auch über ihr Engagement vor Ort einen bedeutenden Beitrag zu einer resilienten Quartiersentwicklung leisten (Kitzmann 2017). Für die Bewohner*innen ist das Quartier ihr alltäglicher Lebens-, Aktions- und Erfahrungsraum (siehe Schmidt et al. in diesem Band).

2 Sanierungen in Bestandsquartieren im Kontext urbaner Resilienz

Zur Stärkung der Resilienz von Bestandsquartieren angesichts des Klimawandels (z. B. gegenüber Hitzestress, siehe Hertel et al. in diesem Band) werden im Bereich Wohnen u. a. energetische SanierungenFootnote 1 durchgeführt. In der EU-Renovierungsstrategie heißt es: „Renovierungen können zahlreiche Möglichkeiten eröffnen und weitreichende soziale, ökologische und wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen“ (Europäische Kommission 2020, S. 2). Allerdings sind sie auch mit Herausforderungen verbunden und können zur Entstehung von Konflikten führen. Im Folgenden werden drei Aspekte von Sanierungen im Mietwohnungsbestand thematisiert, die einen Einfluss auf urbane Resilienz im Quartierskontext haben können.

2.1 Sanierung im bewohnten Zustand

Um Städte resilient zu gestalten, ist der Blick besonders auf die Bestandsquartiere zu richten. Die Sanierung des Wohngebäudebestandes erfordert die Beachtung von zahlreichen Faktoren und auch Hemmnissen. Dazu gehören z. B. Anforderungen an den Denkmalschutz und den Bestandsschutz oder komplexe Eigentümerstrukturen. Der Umfang von Sanierungsmaßnahmen kann je nach Projekt sehr unterschiedlich sein. Er reicht von Teilerneuerungen entsprechend der jeweiligen Zielsetzung (z. B. Energieeinsparung, Wohnwertverbesserung, Barrierefreiheit) bis zu umfassenden Modernisierungen, die entweder in einem Zug oder stufenweise durchgeführt werden (Streck 2011, S. 35 ff.).

Großwohnsiedlungen bergen ein großes Potenzial im Hinblick auf Sanierungen. Im Vergleich zu innerstädtischen, viel heterogeneren Wohngebieten ist die Eigentümerstruktur hier recht homogen. Der Gebäudebestand befindet sich in der Hand einer überschaubaren Anzahl von Wohnungsunternehmen, die ihre Sanierungsvorhaben für ihren in der Regel großen Wohnungsbestand, der von mehreren Hundert bis zu mehreren Tausend Wohnungen reichen kann, planen und realisieren können. Ein weiterer Vorzug der in industrieller Plattenbauweise errichteten Großwohnsiedlungen ist die relativ einheitliche Gebäudestruktur. Damit ist die wiederholte Umsetzung einheitlicher Sanierungsprozesse verbunden, wodurch Zeit und Kosten eingespart werden (BBSR 2015, S. 14; Hunger 2012, S. 5). Die Sanierungsherausforderungen in innenstadtnahen Quartieren mit einer sehr heterogenen Eigentümerstruktur werden in diesem Band von Büttner und Rink am Beispiel energetischer Stadtsanierungsprojekte diskutiert.

Die Wohnungsunternehmen entscheiden, ob im Vorfeld der Sanierung die Gebäude leergezogen werden oder die Bewohner*innen während des gesamten Prozesses wohnen bleiben können. Sanierungen im bewohnten Zustand sind für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung (BBSR 2015, S. 84). Der Prozess einer Sanierung kann nicht nur als eine Reaktion auf Schocks und Krisen bzw. eine Anpassungsmaßnahme zur Stärkung urbaner Resilienz begriffen werden. Er stellt selbst eine zeitweise Störung oder eine Stresssituation für einzelne Quartiere und deren Bewohner*innen dar. Sanierungen in Bestandsquartieren gehen mit Behinderungen durch Baufahrzeuge, Absperrungen, Lärm und Schmutz einher. Diese potenzieren sich, wenn Gebäude in bewohntem Zustand saniert werden. Die Arbeiten innerhalb der Wohnung bedeuten einen unmittelbaren Eingriff in das soziale Umfeld, die Privatsphäre und die alltäglichen Routinen der Betroffenen (mit einem Fokus auf ältere Bewohner*innen: Geissler-Frank et al. 2017). Besonders prekär wird es, wenn während der Sanierungsmaßnahmen kein Rückzugsort vorhanden ist, wie z. B. in Einraumwohnungen. Sanierungen im bewohnten Zustand sind folglich mit erheblichen Belastungen für die Bewohner*innen verbunden.

2.2 Bewohnerbeteiligung im Sanierungsprozess

Im Memorandum Urbane Resilienz (BMI 2021, S. 11) wird darauf verwiesen, dass Partizipation „ein zentraler Bestandteil resilienter Stadtentwicklung“ ist.Footnote 2 Im Rahmen von Sanierungen und Modernisierungen im Wohngebäudebestand werden die Bewohner*innen jedoch meist nicht an den Entscheidungen der Wohnungsunternehmen beteiligt (mit Ausnahme von Wohnungsgenossenschaften). In Deutschland ist im Gesetz festgeschrieben, dass Modernisierungsmaßnahmen durch die Mieter*innen grundsätzlich – außer in begründeten Härtefällen – zu dulden sind (BGB § 555d). Anders sieht es z. B. in den Niederlanden aus, wo mindestens 70 % der Betroffenen den geplanten Maßnahmen zustimmen müssen (Oorschot et al. 2018, S. 15).

Generell können sich Zielkonflikte für die Wohnungsunternehmen ergeben, wenn bestimmte Sanierungsvorgaben erreicht werden müssen, die Maßnahmen durch die Mieter*innen jedoch abgelehnt werden und so das gesamte Projekt ins Stocken gerät (Suschek-Berger und Ornetzeder 2010, S. 35; Tappeiner et al. 2004, S. 19). Selbst wenn anfänglich ein zusätzlicher Kosten- und Zeitaufwand entsteht, zahlt sich eine umfassende Bewohnerbeteiligung langfristig aus, da sie der Entstehung von massiven Widerständen entgegenwirken kann (Ziehl 2020, S. 179).

Eine intensive Bewohnerbeteiligung im Sanierungsprozess kann verschiedene positive Effekte auslösen, darunter eine erhöhte Akzeptanz der Maßnahmen, eine Identifizierung mit dem Wohnumfeld, eine Stärkung des sozialen Zusammenhalts und eine Ermächtigung (empowerment) der Bewohner*innen (Tappeiner et al. 2004; Streck 2011, S. 84; Gustavsson und Elander 2016; Haug et al. 2017). Tappeiner et al. (2004, S. 141) beschreiben die Bewohnereinbindung bei Sanierungen gar als „Innovationsmotor“, unter Berücksichtigung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimensionen von Innovation.

Gesetzlich verankerte Institutionen zur Mietermitbestimmung gibt es in Deutschland nicht. In Berlin hat der Senat 2016 die Bildung von Mieterräten bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften beschlossen. Diese orientieren sich an den Vereinbarungen zur Mietermitbestimmung des kommunalen Wohnungsunternehmens der Stadt Gießen, der Wohnbau Gießen GmbH (Kuhnert und Leps 2017, S. 321). In für die Durchführung städtebaulicher Maßnahmen ausgewiesenen Sanierungsgebieten kann eine Beteiligung der Betroffenen gemäß Baugesetzbuch (BauGB § 137) beispielsweise in Form von Sanierungsbeiräten erfolgen (siehe Gängeviertel in Hamburg, Ziehl 2020).

2.3 Bezahlbarkeit des Wohnens nach der Sanierung

Das Vorhandensein bezahlbaren Wohnraums wird von mehreren Autor*innen als wichtiges Merkmal der resilienten Stadt angeführt (Vale et al. 2014, S. 22; Fekkak et al. 2016, S. 52 ff.). Doch innerhalb der letzten Jahrzehnte haben verschiedene Entwicklungen dazu geführt, dass bezahlbarer Wohnraum auf angespannten Wohnungsmärkten zunehmend knapper wird. Ursachen dafür sind u. a. die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit 1989, auslaufende Bindungen von Sozialwohnungen, die Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände und die wachsende Marktmacht börsennotierter Wohnungsunternehmen (Jensen und Schipper 2018, S. 322 f.). So sind energetische Sanierungen zunehmend in die Kritik geraten, denn infolge von Modernisierungen, die über eine bloße Instandhaltung hinausgehen und zu einer Verbesserung z. B. durch Energieeinsparung führen, dürfen Vermieter*innen die Investitionskosten durch die sogenannte ModernisierungsumlageFootnote 3 an die Mieter*innen weitergeben. Die jährliche Miete kann dann um acht Prozent der Kosten, die für die Wohnung aufgewendet wurden, erhöht werden (BGB § 559).

Fekkak et al. (2016, S. 72) verweisen auf den Zielkonflikt, der dadurch entsteht, „dass sich einkommensschwache Haushalte Robustheit z. B. bei der Gebäudetechnik kaum ‚leisten‘ können“. Robustheit wird hier im Sinne von Widerstandsfähigkeit, z. B. gegenüber Extremereignissen, verstanden (ebd., S. 13). Folglich können Investitionen in eine resiliente, energieeffiziente Gebäudeinfrastruktur zur Verdrängung von Bewohner*innen führen, falls diese die gestiegenen Mietkosten nicht mehr bezahlen können. Dies wirkt sich im Quartier negativ auf die bestehenden Netzwerke und den sozialen Zusammenhalt aus, die wiederum entscheidend für soziale Resilienz sind (Elmqvist et al. 2019, S. 270). Es ist dann von einer energetischen Gentrifizierung die Rede (Castello und Böcher 2018). Was zunächst als sozial-ökologisches Dilemma erscheint, wird von Grossmann (2019) als Verteilungskonflikt im Rahmen der Energiewende identifiziert.

In der Literatur werden vielfach die zweifelhaften Strategien renditeorientierter und börsennotierter Großvermieter diskutiert. Diese nahmen energetische Sanierungen vor der Einführung einer Kappungsgrenze auch gerne als Anlass, um Bewohner*innen „aus ihren Wohnungen ‚herauszumodernisieren‘“ und diese dann zu höheren Mietpreisen neu zu vermieten (Mellwig und Pehnt 2019, S. 6; Grossmann 2019). Durch die Finanzialisierung des Wohnungsmarktes sind Sanierungen bzw. Modernisierungen mit ambivalenten Konsequenzen verbunden (Heeg 2021, S. 109), die die soziale Resilienz von Städten und ihren Quartieren beeinflussen.

Im vorliegenden Beitrag liegt der Fokus auf der Rolle kommunaler Wohnungsunternehmen, die im Sinne ihrer Gesellschafteraufgabe sowohl eine soziale als auch eine ökologische Verantwortung bei der Wohnraumversorgung übernehmen. Doch auch sie handeln letztlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und sind in die Dynamiken einer neoliberalen Logik des Wohnungsmarktes eingebunden.

3 Fallstudie: Sanierungsprojekt im Quartier „Titaniaweg“

Die Fallstudie widmete sich der Einbindung von Bewohner*innen in den Sanierungsprozess sowie deren Wahrnehmungen und Entscheidungsspielräumen im Zusammenwirken mit den anderen beteiligten Akteuren. Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf vulnerable Bewohner*innen wie Ältere oder Hilfebedürftige gelegt. Das Forschungsvorhaben war in das internationale und interdisziplinäre Projekt uVITAL zur nutzerorientierten Aufwertung von Sozialwohnungsbeständen eingebunden (siehe Danksagung am Ende des Beitrags). Im Rahmen des Projektes wurden vergleichende Fallstudien in Brasilien, Großbritannien und den Niederlanden von den dortigen Partner*innen durchgeführt.

3.1 Das Untersuchungsgebiet

Das Untersuchungsgebiet der deutschen Fallstudie, das Quartier „Titaniaweg“, liegt im Leipziger Ortsteil Grünau-Nord. Es ist somit in das Stadtlabor Leipzig des UFZ (siehe Banzhaf et al. in diesem Band) eingeordnet. Hier befinden sich vier Neungeschosser der Leipziger Wohn- und Baugesellschaft mbH (LWB), einem kommunalen Tochterunternehmen der Stadt Leipzig. Jedes der Gebäude umfasst ca. 100 Wohnungen, meist mit einem oder zwei Wohnräumen, offener Küche, Bad sowie Balkon. Die Wohnblöcke wurden zu Beginn der 1980er-Jahre als sogenannte „Rentnerwohnhäuser“ errichtet, das heißt, sie sind durch eine altersgerechte Ausstattung und Infrastruktur charakterisiert. Beispielsweise kann der Zugang stufenlos über Rampen erfolgen, und die Aufzüge fahren bis in den Keller. Außerdem befinden sich in den Erdgeschossen Service-Angebote speziell für Senior*innen (z. B. der Arbeiterwohlfahrt). Die soziodemographische Struktur wird dementsprechend durch einen sehr hohen Anteil älterer und hochaltriger Menschen aus unterschiedlichen Einkommensgruppen bestimmt. Viele von ihnen leben allein.

Das Quartier ist Teil der Großwohnsiedlung Leipzig-Grünau, die zwischen 1976 und 1989 in Plattenbauweise errichtet wurde. Seitdem hat sich die Siedlung sehr dynamisch entwickelt und kleinräumig ausdifferenziert (siehe Kabisch und Pößneck in diesem Band). Der Wohnungsbestand in der Großwohnsiedlung wird heute von 25 verschiedenen Wohnungsunternehmen verwaltet. Er erfährt momentan in Teilen eine neue Sanierungswelle (Kabisch und Pößneck 2021, S. 62). So saniert die LWB schrittweise ihre Bestände, basierend auf ihrem internen Plattenbau-Sanierungskonzept (LWB 2022, S. 13 f.). Das Wohnungsunternehmen führt in seinem Nachhaltigkeitsbericht 2021 die Bereiche „Klimaschutz“ und „bezahlbares Wohnen“ als die zentralen Herausforderungen auf kommunaler Ebene an (ebd., S. 7).

3.2 Komplexsanierung

In den Neungeschossern im Untersuchungsgebiet fanden in der Vergangenheit hauptsächlich Instandhaltungsmaßnahmen statt. Von 2020 bis 2022 wurden alle vier Wohnblöcke in bewohntem Zustand saniert (Abb. 7.1). Dieser Prozess konnte im Rahmen des uVITAL-Projektes umfänglich begleitet werden.

Abb. 7.1
figure 1

(Fotos: J. Pößneck)

Drei der vier Wohnblöcke im Quartier „Titaniaweg“ in unterschiedlichen Phasen des Sanierungsprozesses.

Ein Schwerpunkt der Komplexsanierung lag auf der Verbesserung der Energieeffizienz durch Wärmedämmung, der Optimierung der Heizungsanlage und dem Austausch von Fenstern. Im Zentrum stand außerdem die Erneuerung der Wasserleitungen. Es wurde eine sogenannte Strangsanierung durchgeführt. Das heißt, dass in jeder Wohnung die Wände aufgebrochen wurden und in fast allen Fällen die Küche vorübergehend ausgebaut werden musste. Weitere Sanierungsmaßnahmen umfassten u. a. die Erneuerung der Balkonbrüstung und einen neuen Fassadenanstrich. Pro Wohnung war die Dauer der Sanierungsarbeiten auf zwei Wochen angesetzt, wobei die Handwerker*innen wochentags zwischen 7 Uhr und 16.30 Uhr vor Ort waren. Bis am gesamten Gebäude alle Arbeiten abgeschlossen werden konnten, verging etwa ein Jahr.

Am Sanierungsprozess war eine Vielzahl von Akteuren vor Ort im Quartier beteiligt: die LWB als kommunales Wohnungsunternehmen (Geschäftsstellenleitung, Mieterbetreuung, Projektsteuerung), ein externes Architektur- und Ingenieurbüro für die Bauplanung, rund zehn verschiedene Baufirmen bzw. Gewerke (Trockenbau, Elektrik, Malerbetrieb, Gerüstbau etc.) und die Bewohner*innen.

3.3 Forschungsdesign

Nach einer intensiven Vorbereitungsarbeit in Form von Dokumentenanalysen, der Auswertung von themenrelevanten Publikationen und der Abstimmung mit den internationalen Projektpartner*innen führten die Forscherinnen 2021 und 2022 leitfadengestützte Interviews mit Vertretern des kommunalen Wohnungsunternehmens LWB, der Bauplanung und der Baufirmen (einschließlich Handwerkern) sowie mit Bewohner*innen aus den vier Wohnblöcken durch. Des Weiteren konnten sie an zwei Treffen des kleinen Mieterbeirats im Juli und November 2022 teilnehmen, der sich nach der zwei Jahre dauernden coronabedingten Auszeit wieder traf. Dieser kleine Mieterbeirat ist ein informelles Gremium, bestehend aus interessierten Mieter*innen der vier Wohnblöcke.Footnote 4 An den Treffen beteiligen sich auch stets Vertreter*innen des Wohnungsunternehmens, um Themen und Probleme des Zusammenlebens in den Blöcken sowie Fragen zur Haustechnik und der Wohnumfeldgestaltung zu besprechen.

Durch die Interviews und die Teilnahme an Gesprächsrunden wurden die Interessen, Erwartungen und Bedürfnisse der unterschiedlichen Akteure in Bezug auf die Sanierung erfasst. Die Anzahl der Interviews musste aufgrund der Kontaktbeschränkungen im Rahmen der Coronakrise auf 14 begrenzt bleiben. Alle Interviews wurden aufgenommen und anschließend mit der Software MAXQDA transkribiert. Für das Gespräch mit den Handwerkern und für die Sitzungen des kleinen Mieterbeirats liegen Protokolle vor. Die erhobenen Daten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet. Im Folgenden werden die Untersuchungsergebnisse vorgestellt.

4 Sanierung im bewohnten Zustand als Herausforderung

Die Sanierung im bewohnten Zustand ist ein Beispiel für eine zeitlich begrenzte Störung der Privatsphäre und des alltäglichen Lebens, der sich die Betroffenen nur schwer oder gar nicht entziehen können. Es handelt sich um einen Prozess, auf den die Bewohner*innen im Quartier „Titaniaweg“ keinen entscheidenden Einfluss hatten, denn die vorgesehenen Maßnahmen mussten durchgeführt werden. Den Bewohner*innen blieb in der Regel nichts weiter übrig, als diese erhebliche Beeinträchtigung ihres Alltags gewissermaßen über sich ergehen zu lassen und sich damit zu arrangieren.

Im vorliegenden Fall wurde die Entscheidung zur Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen von der LWB getroffen. Nach ersten Informationen zum Vorhaben war den Mieter*innen zunächst nicht klar, welche Herausforderungen sie erwarten würden. Eine Bewohnerin sprach von „Gefühlschaos“ (Interview 6). Der Vertreter einer Baufirma meinte dazu: „Also ich kann mir nicht vorstellen, dass der Mieter weiß, was da drauf zukommt“ (Interview 2). Teilweise wurde Angst vor Mieterhöhungen geäußert (siehe Abschn. 7.2.3), welche in diesem konkreten Fall aus der Sicht der interviewten Bewohner*innen letztlich moderat und tragbar ausfielen. Weitere Sorgen betrafen den eigenen Gesundheitszustand oder das Wohlbefinden des Haustiers. Nur wenige Mieter*innen entschieden sich für einen kompletten Umzug in ein anderes Quartier, um sich den Belastungen durch die Sanierung nicht auszusetzen. Ein Bewohner begründete seine Entscheidung zu bleiben so: „Jetzt weißt du deine Nachbarn, deine Mieter … Wenn ich jetzt umziehe, weiß ich das nicht. Komme ich vom Regen in die Traufe vielleicht“ (Interview 9). Zudem wird im Quartier „Titaniaweg“ die altersgerechte Infrastruktur besonders geschätzt.

Die Sanierung wurde schließlich als notwendiges Übel anerkannt: „Man muss es eben nehmen, wie es kommt“ (Interview 6, Bewohnerin). So mussten Alltagsroutinen für die Zeit, in der die Küche ausgebaut oder das Wasser abgestellt war, angepasst werden. Vielfach wurden die mit den Bauarbeiten verbundenen Belastungen und Beeinträchtigungen beklagt. Ein Bewohner brachte es wie folgt zum Ausdruck: „Für meine Begriffe war es für die Mieter eine große Zumutung“ (Interview 10). Dies betraf vor allem Schmutz, Staub und Lärm. Für den Zeitraum der Sanierung erhielten die Mieter*innen als Entschädigung für die belastenden Umstände eine Mietminderung.

Trotz der genannten Belastungen, die sich negativ auf die physische und psychische Gesundheit auswirken können, blieben viele Bewohner*innen während der Bauarbeiten in ihrer kleinen Ein- oder Zweiraumwohnung. Einige entschieden sich bewusst dafür, andere hatten aufgrund von eingeschränkter Mobilität überhaupt keine Wahl. Die Mieter*innen verließen auch aus Misstrauen gegenüber den fremden Handwerker*innen ihre Wohnung nicht: „Wenn Fremde da sind, ist das mein Reich. Und da sollen sie machen, was ich möchte“ (Interview 9, Bewohner). Dennoch berichteten die Interviewten größtenteils von guten Kontakten zu den Handwerker*innen und boten ihnen z. B. Getränke an. Mehrfach wiesen die Bewohner*innen mit dem Ausspruch „Wie es in den Wald hineinruft …“ auf die Bedeutung eines respektvollen Umgangs miteinander hin. Dies ist umso bedeutender, da die Akteursgruppe der Handwerker*innen direkt in das Alltagsleben der Betroffenen eindrang.

Am Ende waren die Beteiligten froh, es „überstanden“ und „ertragen“ zu haben. Insgesamt zeigten sich die interviewten Bewohner*innen mit dem Ablauf und dem Ergebnis der Sanierung weitgehend zufrieden. Dennoch gab es auch bauliche Neuerungen bzw. Veränderungen, die mehrfach in den Interviews bemängelt wurden. Beispielsweise weist der neue Sicherungskasten in der Küche größere Abmessungen als der vorherige auf. Dadurch ist die Passfähigkeit der Hängeschränke in den Einbauküchen nicht mehr gegeben. In der Konsequenz mussten die Schränke höher angebracht werden, wodurch ihre Nutzbarkeit durch die Bewohner*innen eingeschränkt ist.

Eine weitere Veränderung, die bei manchen Gesprächspartner*innen Unmut auslöste, war die Isolierung der Heizungsrohre mit einer Kunststoffummantelung. Laut Modernisierungsankündigung der LWB dient diese Maßnahme dazu, die Heizkosten gerechter auf die einzelnen Mietparteien zu verteilen. Der individuelle Wärmeverbrauch könne so exakter gemessen werden, nämlich nur direkt an den Heizkörpern, die mit Messgeräten zur Heizkostenermittlung versehen sind. Die Bewohner*innen bedauerten die Neuerung insofern, als sie nun mehr heizen müssen als zuvor: „Da bin ich betrogen worden um das, was mir vorher geschenkt wurde“ (Interview 10, Bewohner). Dies führte dazu, dass manche Mieter*innen die Isolierung eigenmächtig entfernten.

Die genannten Beispiele sind vermeintliche Kleinigkeiten im Rahmen eines hochkomplexen Sanierungsprozesses. Für den Alltag jedes Bewohners und jeder Bewohnerin waren damit jedoch erhebliche Eingriffe in ihr privates Lebensumfeld und ihre alltäglichen Routinen verbunden.

5 Bedeutung der wohnungsnahen Grünflächen als Ausweichorte

Um den Mieter*innen die Zeit während der Bauarbeiten so erträglich wie möglich zu machen, sollten Ausweichräumlichkeiten angeboten werden (BBSR 2015, S. 84). Dazu gehören Gemeinschaftsräume in bereits sanierten Wohnblöcken oder Grünflächen, die zum Verweilen einladen.

Während der Aufenthalte im Untersuchungsgebiet im Sanierungszeitraum war es auffällig, dass nur selten Personen gesichtet wurden, die sich auf den wohnungsnahen Grünflächen aufhielten. In Erinnerung ist ein alter Mann geblieben, der buchstäblich vor dem Lärm im Haus nach draußen geflohen war – so seine Äußerung. Da im Rahmen der Arbeiten auch die Balkonbrüstungen erneuert wurden und die Balkone zum Teil monatelang, vor allem im Sommer, gesperrt waren, hätte man eine lebhaftere Nutzung des Wohnumfeldes erwarten können. In der Literatur werden zwei Gründe angeführt, die vermutlich auch auf das Quartier „Titaniaweg“ zutreffen. Erstens: Grünräume bleiben oft unbelebt, wenn für sie keine klare Nutzung definiert ist. Zweitens: Umgeben von Hochhäusern entsteht auf wohnungsnahen Freiflächen schnell das Gefühl, beobachtet zu werden (Althaus 2018, S. 301).

Zwar gibt es im nahen Umkreis der Wohngebäude Sitzgelegenheiten in geschützter Lage, doch dabei handelt es sich um drei reparaturbedürftige und mit illegalem Graffiti besprühte Bänke. Diese sind zudem aufgrund schiefer Gehwegplatten und zahlreicher Stolperfallen vor allem für Personen mit Gehhilfen oder Rollstühlen nur schwer oder gar nicht erreichbar. Gerne würden sich die Bewohner*innen öfter im Freien aufhalten, doch dies sei für sie mit Unannehmlichkeiten verbunden, denn „[a]uf diesen Bänken sitzen eigentlich nur die Alkoholiker“ (Interview 13, Bewohnerin). In der Vergangenheit gab es sogar weitere Sitzgelegenheiten im „Titaniaweg“. Diese wurden jedoch entfernt, da sich die Anwohnenden über Lärm durch die Banknutzer*innen beschwert hatten. Das kann allerdings nicht die Lösung sein, wie es ein Vertreter des Wohnungsunternehmens beschreibt: „Und dann bauen die die Bänke zurück, ja. Aber für die Älteren ist das natürlich auch der Genickschuss dann letztendlich“ (Interview 11). Stattdessen müsste es mehr und variierende Aufenthaltsmöglichkeiten im Freien für unterschiedliche Nutzer*innen geben, um die Attraktivität und die Qualität der wohnungsnahen Grünflächen zu steigern.

6 Sanierung als Chance zur Stärkung des Zusammenhalts im Quartier

Wie bei den meisten kommunalen Sanierungsprojekten hatten die Mieter*innen auch im vorliegenden Fall im Quartier „Titaniaweg“ keine umfassenden Mitbestimmungsmöglichkeiten.Footnote 5 Informationen zu den anstehenden Maßnahmen erhielten sie erst, nachdem bereits alle wichtigen Entscheidungen seitens des Wohnungsunternehmens und der Bauplanung getroffen worden waren. Es wurde deutlich, dass die Mitglieder des kleinen Mieterbeirats einen kleinen Informationsvorsprung hatten: „Ich bin im sogenannten kleinen Mieterbeirat. Ich wusste das schon lange, aber eigentlich inoffiziell“ (Interview 8, Bewohnerin). Alle Mieter*innen erhielten schließlich – wie gesetzlich bei Modernisierungsvorhaben vorgeschrieben – mindestens drei Monate vor Beginn der Arbeiten eine schriftliche Mitteilung. Zudem wurde mit jedem Haushalt ein Einzelgespräch geführt, in dem Erklärungen gegeben und zusätzliche Wünsche, die sich auf den persönlichen Wohnraum bezogen und finanziell möglich waren, aufgenommen wurden. Auch während der Sanierung waren immer Ansprechpersonen vor Ort. Seitens der Bewohner*innen wurde in den Interviews keine stärkere Beteiligung am Sanierungsprozess gefordert. Nichtsdestotrotz hätten sie z. B. in die Farbauswahl für den neuen Fassadenanstrich einbezogen werden können. Diese Entscheidung erfolgte gänzlich ohne Bewohnerbeteiligung, obwohl dies möglicherweise zu einer stärkeren Identifikation mit dem Quartier hätte beitragen können. Das Ergebnis wurde schließlich von den Mieter*innen kritisiert: „Gut, ich hätte mir es ein bisschen bunter gewünscht. Das ist mir zu eintönig“ (Interview 9, Bewohner).

Es hat sich gezeigt, dass die soziale Resilienz im Sinne von sozialem Zusammenhalt und sozialen Netzwerken im Quartier je nach Wohnblock unterschiedlich ausgeprägt ist. So erlangt die Etagennachbarschaft im Hochhaus eine eigene Bedeutung (Althaus 2018, S. 293), insbesondere in Zeiten der Sanierung. Daneben stellen Gemeinschaftsräume wichtige Orte der Begegnung dar (z. B. ein kleiner Klubraum mit Bibliothek im Quartier „Titaniaweg“). Hierbei ist Althaus (ebd., S. 306) zuzustimmen: „Die Belebung der Räume steht und fällt in der Tat mit den Menschen, die sich um sie kümmern.“ Gleiches gilt für den kleinen Mieterbeirat im Untersuchungsgebiet. Dessen Potenzial wird nicht ausgeschöpft. Die Aussage einer Bewohnerin, dass der Mieterbeirat eigentlich „ein Club der 100-Jährigen“ sei, verdeutlicht den Bedarf an Mitwirkenden. Es braucht engagierte Personen, die solch bedeutsame Institutionen und den aktiven Austausch kontinuierlich erhalten – sowohl seitens der Bewohnerschaft als auch seitens des Wohnungsunternehmens.

Gleichzeitig wurde in den Gesprächen mehrfach auf das Fehlen einer Hausgemeinschaft und die soziale Isolation vieler Alleinlebender verwiesen: „Um die Menschen kümmert sich niemand. Wie man so schön sagt: Jeder stirbt für sich allein“ (Interview 1, Vertreter Baufirma). Vor diesem Hintergrund können Sanierungen im bewohnten Zustand auch eine besondere Chance bieten, den Zusammenhalt in der Mieterschaft zu stärken. Alle sind gleichermaßen davon betroffen und machen ähnliche Erfahrungen, über die sie sich austauschen können. Gemeinsame Begehungen bereits sanierter Objekte im Quartier sind geeignet, um vorhandene Unsicherheiten oder Ängste zu verringern. Plattformen für gegenseitige Hilfsangebote während des Sanierungsprozesses könnten möglicherweise auch das Nachbarschaftsgefühl stärken und längerfristige freundschaftliche Verbindungen entstehen lassen.

Da die wohnungsnahen Grünflächen durch die Baufahrzeuge und das Aufstellen der Gerüste zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen wurden, sollte geprüft werden, ob nun direkt im Anschluss an die Gebäudesanierung eine gemeinsame Neugestaltung der Grünräume erfolgen kann. Damit würde sich eine weitere Möglichkeit ergeben, die Menschen im Quartier in Kontakt zu bringen. Dies könnte zur Stärkung der sozialen Resilienz auf Quartiersebene beitragen. Erste Überlegungen zur Gestaltung der wohnungsnahen Grünflächen beziehen auch die Erweiterung des Angebotes an Sitzgelegenheiten ein, um die Bewohner*innen zu bestärken, ihre Wohnungen häufiger zu verlassen.

7 Ein Dilemma: Sanierungsstandard vs. Bezahlbarkeit

Anhand des konkreten Fallbeispiels aus dem „Titaniaweg“ wird im Folgenden ein Konflikt bzw. ein Dilemma diskutiert, das im Zusammenhang mit dem Sanierungsprozess auftrat. Im Duden wird ein Dilemma beschrieben als „Zwangslage, Situation, in der sich jemand befindet, besonders wenn er zwischen in gleicher Weise schwierigen oder unangenehmen Dingen wählen soll oder muss“. Aber auch die Entscheidung zwischen zwei Alternativen, die gleichermaßen wünschenswert erscheinen, stellt ein Dilemma dar. Man befindet sich folglich in einer Zwickmühle, da das Ergebnis – egal, für welche Seite man sich entscheidet – nicht befriedigend oder gar unerwünscht sein wird (JPI Urban Europe 2019, S. 14).

Ein Dilemma besteht für die LWB als kommunales Wohnungsunternehmen darin, dass auf der einen Seite extreme Mietsteigerungen nach der Modernisierung verhindert werden sollen. Andererseits soll gleichzeitig ein hoher Sanierungsstandard erreicht werden, um Energieeffizienz und die Robustheit der Gebäudestruktur und -technik für die nächsten Jahrzehnte zu gewährleisten: „Da war halt unser Ansatz gewesen: Okay, wie gucken wir, dass wir hier mit dem Effekt einer Energieeinsparung und dem Effekt, sage ich mal, einer kleinen oder geringen Modernisierungsumlage zusammenkommen“ (Interview 1, LWB-Vertreter). Im Sinne der Gesellschafteraufgabe hatte die Bezahlbarkeit des Wohnraums in diesem Fall Priorität, sodass sich die LWB auf der Grundlage eines Gutachtens aus Kostengründen gegen bestimmte Maßnahmen entschied: „Wäre natürlich schön, wenn es eine Wärmerückgewinnung gäbe. Aber das ist natürlich auch ein Kostenfaktor“ (Interview 7, LWB-Vertreter). Dabei wurden nicht nur die reinen Investitionskosten betrachtet, sondern auch die zu erwartenden Wartungskosten, die wiederum erhöhte Nebenkosten für die Mieter*innen bedeutet hätten.

Positiv zu bewerten ist an dieser Stelle, dass die Sanierung im „Titaniaweg“ durch diese Entscheidung nicht zur Verdrängung von Bewohner*innen aufgrund erhöhter Mietkosten geführt hat. In Hinblick auf den Wohnungsneubau geben Fekkak et al. (2016, S. 57) Folgendes zu bedenken: „Unter Resilienzaspekten muss beachtet werden, dass nicht durch verringerte Standards die Sanierungsfälle von morgen geschaffen werden.“ Dies gilt auch für Sanierungen in Bestandsquartieren. So darf sich z. B. im Fall energetischer Sanierungen die Sozialverträglichkeit nicht zu Lasten ökologischer Fragen auswirken und andersherum (Betker 2018, S. 246). Bisher gibt es keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Zwar werden verschiedene Lösungen diskutiert, u. a. das „Drittelmodell“ zur gerechten Aufteilung der Kosten zwischen Mieter*innen, Vermieter*innen und Staat (Mellwig und Pehnt 2019; Michalski et al. 2021, S. 23), aber keine davon kam bisher erfolgreich zur Anwendung. Das ist nicht zuletzt das Resultat einer Neoliberalisierung der Wohnungspolitik (Aring et al. 2016; Jensen und Schipper 2018, S. 322). Daher wird seit Jahren eine „Neue Wohnungsgemeinnützigkeit“ (Kuhnert und Leps 2017) gefordert. Dies wird auch durch den Deutschen Mieterbund unterstützt, der 2022 ein Konzept dazu vorgelegt hat (Deutscher Mieterbund 2022).

8 Schlussbemerkung

Komplexe Sanierungen des Wohngebäudebestandes sind angesichts des Klimawandels unabdingbar, um Städte und ihre Quartiere resilient zu gestalten. An einem Fallbeispiel aus der Großwohnsiedlung Leipzig-Grünau konnte exemplarisch aufgezeigt werden, welche Herausforderungen mit einer Sanierung im bewohnten Zustand verbunden sind, welche Konflikte bzw. Dilemmata entstehen und welche Lösungsansätze es gibt. Es wurde deutlich, dass die Wohnungsunternehmen dabei eine zentrale Rolle spielen. Zugleich muss die Perspektive der betroffenen Bewohner*innen angemessene Beachtung finden. Insbesondere bei Sanierungen im bewohnten Zustand, die sich sehr stark auf deren Alltag auswirken, sollte eine frühzeitige und intensive Bewohnerbeteiligung Teil des Gesamtprozesses sein.