FormalPara Zusammenfassung

Die Vergütung der Pflege im Krankenhaus steht seit vielen Jahren auf dem Prüfstand. Durch Maßnahmen wie beispielsweise die Pflegekomplexmaßnahmen-Scores gelang es nicht, eine angemessene Vergütung der Pflege herbeizuführen. Idealerweise sollte sich die Vergütung der Pflege an der erbrachten Pflegequalität orientieren. Allerdings ist die Pflegequalität derzeit nicht in ausreichendem Maße messbar. Wenn davon auszugehen ist, dass die tatsächlich geleisteten Pflegeminuten mit der erbrachten Pflegequalität positiv korrelieren, können leistungsorientierte Modelle wie zum Beispiel die LEP eine Vergütungsoption sein. Wir schlagen indessen einen anderen pragmatischen Ansatz zur Vergütung der „Pflege am Bett“ vor: die am Patienten erbrachten Pflegeminuten – differenziert nach Qualifikationsniveau. Sie könnten direkt mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Damit würde die Pflege stärker erlösrelevant und einen deutlich höheren Stellenwert im Krankenhaus erhalten. Eine aufwandsarme Messung der Pflegeminuten ist über die Nutzung digitaler Techniken realisierbar. Pflegeleistungen, die nicht direkt am Patienten erbracht werden, würden pauschal im Rahmen der DRG vergütet. Dieses Modell kann je nach Verfügbarkeit von Qualitätsmessinstrumenten in der Pflege mit der Zeit erweitert werden, um damit auch die Pflegequalität zu vergüten.

The payment of nursing care in hospitals has been under scrutiny for many years. Instruments such as the “nursing complex measure scores” have not succeeded in bringing about appropriate remuneration for nursing care. Ideally, the payment of nursing care should be based on the quality of care provided. However, quality of care is currently not sufficiently measurable. If we assume that the minutes of care provided correlate positively with the quality of care, performance-based models such as LEP could be an option for remuneration. We propose a different pragmatic approach to the remuneration of “bedside care”: the number of minutes of care provided to the patient – differentiated by the level of qualification. They could be billed directly to the health insurers. This would make nursing care more relevant to revenues, thus giving it a much higher status within the hospital. The use of digital technologies makes it easy to measure nursing minutes. Nursing services that are not provided directly to the patient would be reimbursed as part of the DRG. Depending on the availability of quality measurement instruments in nursing, this model can be expanded over time, so that the quality of nursing care can also be remunerated.

1 Bestandsaufnahme

In Deutschland wurde die Vergütung der Krankenhausleistungen im Jahr 2004 auf diagnosebezogene Fallpauschalen umgestellt (DRGFootnote 1-System). Seitdem erhalten Krankenhäuser je DRG eine pauschale Vergütung, die sich an den durchschnittlichen Kosten zur Erbringung der Leistung orientiert. Das Krankenhaus entscheidet dabei selbst, welche Ressourcen es zur Erbringung der Leistung einsetzt. Damit wird ein starker Anreiz zur effizienten Leistungserbringung innerhalb des Krankenhauses gesetzt und bei gegebener Leistungsmenge erfolgt ein sparsamer Umgang mit den Ressourcen.

Gleichzeitig setzt das DRG-System für das einzelne Krankenhaus auch einen Anreiz zur Erlösmaximierung. Da sich die DRG-Fallpauschalen in erster Linie an Prozeduren orientiert haben, wird die Erlösmaximierung vor allem über den ärztlichen Dienst erreicht. Der Pflegebedarf eines Patienten oder einer Patientin findet in den DRG dagegen bis 2012 keine explizite Berücksichtigung. Die Pflege ist im DRG-System damit wenig erlösrelevant (Leber und Vogt 2020). Dies schafft einen Anreiz, den Personalmix im Krankenhaus zugunsten des ärztlichen und zu Lasten des Pflegediensts auszurichten.

Da die Investitionsfördermittel der Länder den Investitionsbedarf der Krankenhäuser zum Erhalt und zur Modernisierung ihrer Unternehmenssubstanz seit vielen Jahren nicht decken, muss ein Krankenhaus ausreichend hohe Überschüsse erwirtschaften, um investitionsfähig zu bleiben und am Markt bestehen zu können (Augurzky et al. 2021). Dies verstärkt den Anreiz, den Personalmix im Krankenhaus zugunsten des ärztlichen Dienstes auszurichten.

Während im Jahr 2003 – vor der Einführung der DRG – auf eine Vollkraft im ärztlichen Dienst 2,81 Vollkräfte im Pflegedienst kamen, waren es im Jahr 2018 nur 2,01 (Destatis 2022). Zwar ist im Jahr 2019 die Relation auf 2,06 und 2020 auf 2,12 gestiegen, was aber zu einem relevanten Teil auf Umbuchungseffekte im Vorfeld und während der Einführung des weiter unten erläuterten Pflegebudgets zurückzuführen sein dürfte (Tab. 15.1). Die gesamte Zahl der Vollkräfte im Pflegedienst sank bis 2007, stieg 2008 leicht und 2009 stärker an, was auf das erste Pflegestellenförderprogramm 2009 zurückzuführen sein könnte. Das zweite Pflegestellenförderprogramm von 2016 könnte den überdurchschnittlichen Zuwachs der Zahl der Vollkräfte im Pflegedienst im Jahr 2016 erklären. Allerdings lag auch der Anstieg der Fallzahl in ähnlicher Größenordnung, sodass die Relation von Pflegedienst zu Fallzahl unverändert blieb.

Tab. 15.1 Veränderung der Zahl der Vollkräfte im ärztlichen und Pflegedienst 2003 bis 2020. (Quelle: Destatis: Grunddaten 2005 bis 2022, eigene Berechnungen)

Die Zahl der Vollkräfte je Fall ist im Pflegedienst seit Einführung des DRG-Systems bis etwa 2016 gesunken, was sich auf die Attraktivität des Pflegeberufs negativ auswirken kann. Im Jahr 2016 lag sie 10,1 % unter dem Niveau von 2003. Seitdem nimmt sie erstmals in relevanter Größenordnung zu, sodass sie 2018 noch 7,7 % unter dem Niveau von 2003 lag. In Bezug auf die Belegungstage blieb die Zahl der Vollkräfte im Pflegedienst bis etwa 2008 weitgehend konstant und ist seitdem deutlich gestiegen. 2018 war sie um 13,3 % höher als 2003. Anders im ärztlichen Dienst: Hier ist die Zahl der Vollkräfte je Fall seit 2003 deutlich gestiegen – im Jahr 2020 lag sie um 55 % höher als 2003.Footnote 2

Neben den erwähnten Pflegestellenförderprogrammen 2009 und 2016 wurde zur besseren Berücksichtigung der Pflege im DRG-System 2010 der Pflegekomplexmaßnahmenscore (PKMS) eingeführt. Er wurde zur Abbildung hochaufwendiger Pflegeleistungen unabhängig von der medizinischen Diagnose entwickelt. Damit ergab sich im DRG-System zum ersten Mal die Möglichkeit, Pflegeleistungen über ein Zusatzentgelt direkt zu vergüten. Allerdings betraf der PKMS lediglich circa 5 % der Krankenhausfälle und ist mit einem hohen bürokratischen Aufwand auf Seiten der Krankenhäuser verbunden. Seine Komplexität führt bei den Kostenträgern ebenfalls zu einem hohen Aufwand bei der Abrechnungsprüfung (Leber und Vogt 2020). In den Jahren 2017 bis 2019 wurde ein Pflegezuschlag in Höhe von 500 Mio. € jährlich gewährt.Footnote 3 2018 fand eine Erweiterung der Möglichkeiten zur Abbildung des Pflegeaufwands innerhalb des DRG-Systems statt. Für festgelegte Gruppen von DRG wurde eine bürokratiearme Möglichkeit geschaffen, den Pflegeaufwand für bestimmte Pflegegrade, die in der Pflegeversicherung Anwendung finden, ab einer Verweildauer von fünf Tagen über ein Zusatzentgelt abzurechnen.

Die weiter anhaltende Kritik an der Belastung der Pflege in Krankenhäusern und die zunehmende Zahl an offenen Stellen, die nicht ohne Weiteres besetzt werden konnten, führte schließlich im Jahr 2018 zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) und der konzertierten Aktion Pflege. Mit dem PpSG wurden weitreichende Schritte zur Behebung des Fachkräftemangels in der Kranken- und Altenpflege eingeleitet. Neben Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der pflegerischen Versorgung sowie für eine bessere Personalausstattung und Arbeitsbedingungen wurden Pflegepersonaluntergrenzen (PpUG) eingeführt. Die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) soll den bedarfsgerechten Einsatz des Pflegepersonals unterstützen und eine sichere Pflege gewährleisten (Stoff-Ahnis und Leber 2021). Sie regelt die Festlegung von Personaluntergrenzen in so genannten pflegesensitiven Krankenhausbereichen. Für 2019 wurden zunächst vier Bereiche festgelegt: Intensivmedizin, Geriatrie, Unfallchirurgie und Kardiologie. Im Jahr 2020 kamen vier weitere Bereiche hinzu: Neurologie, neurologischer Schlaganfall, neurologische Frührehabilitation und Herzchirurgie. Nach einer ausführlichen Evaluation wurden für 2021 mit der Inneren Medizin, der Allgemeinen Chirurgie, der Pädiatrie und der pädiatrischen Intensivmedizin vier weitere pflegesensitive Bereiche festgelegt. Im Jahr 2022 ergänzen der Bereich Pädiatrie unterteilt in allgemeine, spezielle und neonatologische Pädiatrie und die Orthopädie, Gynäkologie und Geburtshilfe die schon bestehenden pflegesensitiven Bereiche.

Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) ermittelt die pflegesensitiven Bereiche im Krankenhaus auf Grundlage des nach § 21 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHG) übermittelten Datensatzes sowie anhand von Indikatoren-DRG. Die Einhaltung der PpUG wird von jedem Krankenhaus anhand von monatlichen Durchschnittswerten ermittelt und dokumentiert. Für die Nichteinhaltung der PpUG sind zwei Sanktionsformen vorgesehen: Vergütungsabschläge und die externe Regulierung der Fallzahl. Die Art der Sanktionen wird zwischen den Krankenhäusern und den Krankenkassen vereinbart (Stoff-Ahnis und Leber 2021).

Außerdem wurde im PpSG die Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem DRG-System beschlossen (Abb. 15.1). Seit 2020 werden die Pflegepersonalkosten eines Krankenhauses nach dem Selbstkostendeckungsprinzip von den Krankenkassen vergütet (Wasem 2020). Es wird hier auch vom „Pflegebudget“ gesprochen. Im Gegenzug wurden die DRG-Fallpauschalen entsprechend abgesenkt. Das Pflegebudget soll alle Pflegepersonalkosten finanzieren, die für patientennahe Tätigkeiten in bettenführenden Bereichen anfallen. Die Pflegepersonalkostenabgrenzungsvereinbarung regelt, welche Pflegepersonalkosten für das Pflegebudget angesetzt werden dürfen, was sich in einigen Bereichen sehr kompliziert gestaltet, beispielsweise im Bereich von Aufnahmestationen.

Abb. 15.1
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Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus der DRG-Vergütung. (1) Bis 2016 Versorgungszuschlag, (2) z. B. PKMS, Pflegegrade. (Quelle: Schaffert (2018))

Zur unterjährigen Liquiditätssicherung der Krankenhäuser hat das InEK auf Basis der fallspezifischen Pflegekosten tagesbezogene Bewertungsrelationen je DRG ermittelt. Die Summe dieser Bewertungsrelationen wird mit dem krankenhausindividuellen Pflegeentgeltwert multipliziert. Daraus ergibt sich das krankenhausbezogene Pflegebudget. Der individuelle Pflegeentgeltwert wird mit den Krankenkassen auf Basis der abgegrenzten Pflegepersonalkosten verhandelt. Bis zur Verhandlung des Pflegeentgeltwerts mit den Kostenträgern rechnet das Krankenhaus seine Leistungen auf Basis des vorläufigen gesetzlich festgelegten Pflegeentgeltwerts ab (Leber und Vogt 2020). Ein fehlender Abschluss in der Budgetverhandlung führt daher zu einer Vorfinanzierung, die die Liquidität eines Krankenhauses maßgeblich beeinflussen kann.

Weiterführend legt ein Änderungsantrag zum Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) fest, dass der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ein Personalbemessungsinstrument für die Pflege schaffen müssen, das ab Januar 2025 einsatzbereit ist. Die Basis hierzu soll ein wissenschaftliches Institut oder ein Sachverständiger auf analytischer Basis unter Einbeziehung empirischer Daten entwickeln. Die Verwendung des zu schaffenden Bemessungsinstruments und dessen Einfluss auf die Vergütung der Pflege wird im Gesetz nicht näher geregelt.

Veränderungen an der Regulierung und an den Vergütungssystemen führen zur Behebung oder Linderung von bestehenden Missständen, bringen aber stets auch unerwünschte Nebeneffekte mit sich. Beispielsweise schränken personaldirigistische Maßnahmen auf Bundesebene wie die PpUGV die unternehmerische Gestaltungsfreiheit ein. Damit kann lokalen Besonderheiten nicht mehr betriebsindividuell begegnet werden. Eine passgenaue Reaktion ist nicht mehr möglich und es kann zu Effizienzverlusten kommen, d. h. knappe Ressourcen werden zum Teil nicht mehr optimal eingesetzt. Darüber hinaus sind Pflegepersonaluntergrenzen ungenau, manipulationsanfällig und aufwändig in der Dokumentation. Ob sie einen Beitrag zu einer besseren Pflegequalität leisten, darf bezweifelt werden.

Mit der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem DRG-System ist zwar der Versuch erkennbar, Pflegeleistungen höhere Wertschätzung durch ein separates Vergütungssystem beizumessen. Sie ist jedoch mit erheblichen Fehlanreizen verbunden. Das grundsätzliche Problem von Selbstkostendeckung ist, dass die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Ressourcen und die Finanzierung der eingesetzten Ressourcen auseinanderfallen. Der Entscheidende hat damit keinerlei Anreiz, mit den Ressourcen sparsam umzugehen, was zur Folge hat, dass der Financier – in diesem Fall die Solidargemeinschaft der Versicherten – übermäßig belastet wird. Dies ist keine überraschende Erkenntnis und es bedarf dazu auch keines Grundkurses in Ökonomie. Hinzu kommt, dass die Definition der Kostenstellen für das eingesetzte Krankenpflegepersonal in der Krankenhaus-Buchführungsverordnung (KHBV) nicht trennscharf ausgestaltet ist. Einzig die Knappheit von Pflegekräften am Arbeitsmarkt setzt derzeit dem unbeschränkten Aufwuchs eine Grenze. Hinzu kommt, dass die Höhe der Ausgaben auf dem Konto „Pflege“ kein Maßstab für Pflegequalität ist.

Im Krankenhaus fehlt damit der Anreiz zur effizienten Leistungserbringung. Wenn der Pflegedienst im Krankenhaus vollständig durch Dritte finanziert wird, während das Krankenhaus alle anderen Dienste selbst vergüten muss, wird ein rational handelndes Haus sämtliche pflegenahen Tätigkeiten, die sich an andere günstigere Dienstarten delegieren ließen, nicht delegieren. Denn mit der Delegation würde die Selbstkostendeckung entfallen und es würden dem Krankenhaus Kosten entstehen. Ebenso führt die Trennung des Pflegediensts von den anderen Dienstarten dazu, dass das Krankenhaus sehr genau prüfen muss, welcher Dienstart Personal zugeordnet wird. Das betrifft vor allem den Funktionsdienst, der je nach Interpretation auch in Teilen dem Pflegedienst zugeordnet werden kann. Bei der bisherigen pauschalen Vergütung nach DRG hatte diese Zuordnung für das Krankenhaus keine finanziellen Konsequenzen. Unter dem Pflegebudget sind die finanziellen Konsequenzen jedoch enorm. Es überrascht daher nicht, dass es bereits im Jahr vor der Einführung des Pflegebudgets zu entsprechenden Umschichtungen gekommen ist. Die Zahl der Vollkräfte in der Pflege stieg 2019 um außergewöhnliche 4,2 % (Abb. 15.2). Das sind rund 3 Prozentpunkte mehr als in früheren Jahren. Dagegen sank die Zahl im Funktionsdienst um 1,4 % und liegt damit um rund 4 Prozentpunkte niedriger als in früheren Jahren. Im Jahr 2020 setzte sich diese außergewöhnliche Entwicklung fort.

Abb. 15.2
figure 2

Veränderung der Zahl der Vollkräfte nach Dienstarten im Krankenhaus 2014–2020. (Quelle: Augurzky et al. 2022)

Wenn die Lage auf dem Arbeitsmarkt angespannt ist, ist ferner davon auszugehen, dass Krankenhäuser eine Sogwirkung auf das Personal in der Altenpflege und in Rehabilitationskliniken entfalten. Denn Pflegeheime und Rehakliniken müssen ihr Pflegepersonal selbst vergüten. Ein Krankenhaus kann dagegen so viele Pflegekräfte einstellen, wie es möchte, ohne dass sich die von ihm zu tragenden Personalkosten erhöhen. Während zwischen 2018 und 2020 die Zahl der Vollkräfte im Pflegedienst der Krankenhäuser um 9,5 % gestiegen ist (Abb. 15.2), hat die Zahl der im Krankenhaus beschäftigten Altenpflegerinnen und -pfleger um 61 % zugenommen (Destatis 2022). Zwar ist das derzeitige Niveau noch gering: 10.466 der 363.256 Vollkräfte im Pflegedienst stammen aus der Altenpflege. Das Pflegebudget dürfte seine Wirkung in der Altenpflege aber erst noch richtig entfalten. Es ist zu befürchten, dass der Sog von der Altenpflege in die Krankenhäuser anhalten wird, womit es gesamtgesellschaftlich zu einer ungünstigen Allokation der Personalressourcen kommen kann. Denn der Bedarf in der Altenpflege wird aufgrund der starken Alterung der Bevölkerung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten stetig wachsen (Heger 2021). Gleichzeitig fehlt es an Nachwuchs. Rothgang et al. (2016) gehen bis 2030 von einer Versorgungslücke von rund 350.000 Vollzeitkräften in der Pflege aus. Damit dürften die Wartelisten in der Altenpflege länger werden.

Neben diesen Verwerfungen bei der Allokation knapper Personalressourcen schafft das Pflegebudget enormen bürokratischen Aufwand für Krankenhäuser und Krankenkassen. Die Verhandlung von Pflegebudgets nehmen äußerst viel Zeit in Anspruch. Während dieser Zeit besteht Planungsunsicherheit, was die Betriebsführung erschwert. Außerdem kann es bei manchen Krankenhäusern zu Liquiditätsengpässen kommen, wenn die Vorabzahlungen für die Pflegekosten unterhalb der tatsächlichen Kosten liegen. Zusätzlich bietet die Aufspaltung der Krankenhausrechnung in nunmehr zwei Komponenten durch ihre höhere Komplexität Raum für Manipulationsversuche. Dies führt zu einer Steigerung von Abrechnungsstreitigkeiten (Leber und Vogt 2020).

Die erwähnten Probleme, die sich aus dem Pflegebudget ergeben, waren vor seiner Einführung bekannt. Eine Diskussion findet sich zum Beispiel in Rüter (2018). Das Pflegebudget verstößt gegen grundlegende ökonomische Prinzipien und führt langfristig zu einer Verschwendung von wertvollen Ressourcen, die dringend benötigt werden, um eine stark alternde Gesellschaft qualitativ hochwertig versorgen zu können. Wir erachten daher das Pflegebudget als eine nicht nachhaltige Form der Pflegevergütung und aufgrund des mittelfristig angelegten ineffizienten Einsatzes knapper Ressourcen zudem als ethisch nicht vertretbar.

2 Ziele und Einordung von Vergütungsmodellen für die Pflege

Wie oben bereits angesprochen gibt es unterschiedliche Ziele bei der Vergütung von Pflegeleistungen, die mehr oder weniger explizit aufgeführt werden. Für die weitere Diskussion listen wir verschiedene Ziele auf, die unseres Erachtens wichtig und erstrebenswert sind. Im Zentrum stehen (1) die Erbringung einer hohen Versorgungsqualität für die Patienten und (2) die Gewährleistung der Finanzierbarkeit der Leistungen für die Solidargemeinschaft der Versicherten. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass (3) Verteilungsgerechtigkeit bei der knappen Ressource Personal unter den Krankenhäusern, zwischen Regionen sowie zwischen den Gesundheitssektoren erreicht wird. Um genügend Personal für die Pflege zu gewinnen, muss (4) der Pflegeberuf attraktiv sein. Um ein günstiges Verhältnis zwischen Kosten und Versorgungsqualität zu erreichen, braucht es (5) unternehmerische Freiheit, damit vor Ort eine effiziente Allokation der Ressourcen erreicht werden kann und zudem die Bereitschaft besteht, Innovationen in das System zu bringen. Schließlich sollte ein Vergütungsmodell (6) ein zu hohes Maß an Bürokratie vermeiden und möglichst wenig Interpretationsspielraum bei den Vertragspartnern lassen („Eindeutigkeit“), um Streitigkeiten zu minimieren.

Vergütungsmodelle und Regulierungssysteme können unterschiedlich klassifiziert werden. Wir ordnen sie fünf Kategorien zu: (i) personaldirigistisch, (ii) selbstkostenorientiert, (iii) leistungsorientiert (im Hinblick auf Pflegeleistung), (iv) pauschalierend und (v) orientiert am geschätzten Pflegebedarf. Die Zuordnung zu den einzelnen Kategorien ist dabei nicht trennscharf. Die Kategorien erreichen außerdem die in Abb. 15.3 genannten Ziele in unterschiedlichem Ausmaß.

Abb. 15.3
figure 3

Pflegepersonal-Regelung. (Quelle: Augurzky et al. 2021)

Beim DRG-System handelt sich um ein pauschalierendes und leistungsorientiertes Vergütungssystem. In pauschalierenden Vergütungssystemen kann das Krankenhaus eigenständig entscheiden, wie es die Erlöse betriebsintern verwendet. Sie erreichen damit eine hohe innerbetriebliche Effizienz. Je nach Ausgestaltung begrenzen sie den bürokratischen Aufwand. Das Pflegebudget ist dagegen ein selbstkostenorientiertes VergütungssystemFootnote 4, das die Attraktivität des Pflegeberufs steigern kann, wenn es nicht dazu führt, dass in zu großem Ausmaß die Delegation von einfacheren Tätigkeiten unterlassen wird. Hinsichtlich der anderen fünf Ziele schneidet es aber schlecht ab. Pflegepersonaluntergrenzen sind rein dirigistischer Natur, die nur indirekt mit der Vergütung zusammenhängen. Sie können jedoch die Attraktivität des Pflegeberufs erhöhen, wenn sich dadurch die Versorgung der Patientinnen und Patienten auf mehr Pflegekräfte verteilt und jede Pflegekraft mehr Zeit für ihre Patienten hat, wenn es nicht zu großen Verlagerungseffekten zwischen den Fachabteilungen führt. Sie können möglicherweise auch einen Beitrag zur Vermeidung von Pflegemängeln leisten. Hinsichtlich der anderen Ziele schneiden sie jedoch nicht gut ab.

Im Folgenden stellen wir weitere Vergütungs- und Regulierungsmodelle für die einzelnen Kategorien vor und bewerten sie hinsichtlich der Erreichung der Ziele. Die Pflegepersonal-Regelung (PPR) war ursprünglich zur Ermittlung des Pflegepersonalbedarfs konzipiert worden, wurde aber indirekt auch zur Vergütung von Pflegeleistungen eingesetzt. In der PPR werden Pflegeminutenwerte für bestimmte Kategorien der allgemeinen und speziellen Pflege festgelegt. Jeder Patient wird einer Kategorie zugeordnet. Zusätzlich gibt es für den administrativen Aufwand je Tag und je Fall festgelegte Minutenwerte, die sogenannten Grund- und Fallwerte (Abb. 15.3). Bei der PPR handelt es sich um ein am geschätzten Pflegebedarf orientiertes Modell. Die Einstufungskriterien bieten einen breiten Interpretationsspielraum und es bleibt unklar, inwieweit die PPR den tatsächlichen pflegerischen Aufwand erfasst (FPP 2019).

Gleiches gilt auch für die überarbeitete Fassung PPR 2.0 (Osterloh 2019). Insgesamt ergeben sich in der PPR 2.0 im Durchschnitt höhere Minutenwerte je Fall als in der ursprünglichen PPR (Fleischer 2020). Da schon die durch die PPR verursachten Mehrkosten für die Pflege im Krankenhaus nicht finanzierbar waren (Osterloh 2019), bleibt zu befürchten, dass sich die Problematik der Finanzierung durch die PPR 2.0 eher verschärfen wird. Babapirali et al. (2021) zitieren eine Untersuchung des Klinikums Karlsruhe, die von einem Personalmehrbedarf von 25 bis 30 % ausgeht.

Manche Modelle zur Pflegevergütung verfolgen einen leistungsorientierten Ansatz, wie beispielsweise der Pflegekomplexmaßnahmenscore (PKMS), die belgischen Nursing Related Groups (NRG) und die schweizerische Leistungserfassungs- und Prozessdokumentation Pflege (LEP). Der PKMS wurde als Ergänzung zur PPR entwickelt, um hochaufwendige Pflege besser abbilden zu können (Blum et al. 2012). Er ist mit einem hohen Dokumentations- und Schulungsaufwand verbunden. Bis 2019 wurde der so dokumentierte Pflegeaufwand als Zusatzentgelt innerhalb des DRG-Systems vergütet. Die in Belgien angewandten NRGFootnote 5 (Stephani et al. 2018) ähneln dem PKMS. Auch sie bilden lediglich einen bestimmten Teil des Pflegebedarfs ab und das jeweilige Krankenhaus kannFootnote 6 eine zusätzliche Vergütung anhand des über die NRG ermittelten Pflegeprofils erhalten (Stephani et al. 2018).

NRG werden auch in Deutschland diskutiert. Die Überlegungen gehen dahin, ein Pflege-Fallgruppensystem zu entwickeln und die darin enthaltenen Fallgruppen über Pflegediagnosen und Pflegeinterventionen abzubilden. Neben den Pflegepersonalkosten müssten hierzu auch die Pflegesachkosten aus dem DRG-System ausgegliedert werden, weil Pflegepersonalbedarf und Pflegesachkosten korrelieren (Simon 2021).

Unter den betrachteten leistungsorientierten Vergütungssystemen bietet die schweizerische LEP die umfassendste Lösung (Thomas et al. 2014). Je Behandlungsfall werden alle Pflege-Einzelinterventionen erfasst. Für jede Intervention sind Zielwerte in Minuten festgelegt, die einrichtungsintern angepasst werden können. Es sind Interventionen sowohl mit als auch ohne Fallzuordnung vorgesehen. So werden auch patientenferne und administrative Tätigkeiten abgebildet. Auf Basis der Pflegeminuten werden in der Schweiz die Pflegekosten innerhalb der Swiss-DRG abgebildet. Die LEP bietet die Möglichkeit einer aufwandsgerechten Abrechnung von Pflegeleistungen sowie einer umfassenden Leistungstransparenz. In Abb. 15.4 zeigt ein Fallbeispiel zu einer Leistungsdokumentation über LEP mögliche Einzelinterventionen auf. Es beschränkt sich auf fallbezogene Interventionen.

Abb. 15.4
figure 4

Fallbeispiel Leistungsdokumentation über LEP. (Quelle: Augurzky et al. (2021); lep.ch)

Ergänzend zu den genannten Vergütungsmodellen gibt es dirigistische Regelsysteme, die den Einsatz des Pflegepersonals im Verhältnis zur Patientenzahl oder zu Pflegeminuten festlegen. Hierzu zählen die in Abschn. 15.2 beschriebenen Pflegepersonaluntergrenzen (PpUG) ebenso wie die in verschiedenen Ländern verwendeten Nurse-to-Patient Ratios. Diese werden unter anderem in Teilen der USA, Australien, Südkorea und Großbritannien angewendet. In diese Kategorie fällt außerdem der Pflegequotient, der das Verhältnis zwischen eingesetztem Personal und dem individuellen Pflegeaufwand auf Krankenhausebene festlegt (Babapirali et al. 2021).

Die Richtlinie zur Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-RL, G-BA 2022) ist eine Mischung aus einem am geschätzten Bedarf orientierten und einem dirigistischen Modell. Hier findet die Ermittlung der Vollkraftstunden je Behandlungsbereich anhand von festgelegten Minutenwerten je Patientin bzw. Patient statt. Der Umsetzungsgrad im Hinblick auf die einrichtungsindividuellen verbindlichen Mindestvorgaben wird anhand des Verhältnisses zwischen den tatsächlich erbrachten Vollkraftstunden zu den Vollkraftstunden gemäß der vorgegebenen Mindestbesetzung gemessen. Ab dem 01.01.2024 müssen die Mindestvorgaben eingehalten werden, bis dahin gilt eine Übergangsregelung. Bei Nichteinhaltung der Mindestanforderungen an die Personalausstattung entfällt der Vergütungsanspruch des Krankenhauses. Daneben gibt es auch Abschläge bei nicht fristgerechter Erfüllung der Mitwirkungspflicht, die seit dem 01.01.2022 wirksam sind.

Abb. 15.5 verortet die einzelnen Modelle im Raum der fünf Kategorien. Alle Modelle besitzen Vor- und Nachteile. Personaldirigistische Modelle setzen auf nationale Vorgaben hinsichtlich des Einsatzes von Personal, ohne auf betriebliche Besonderheiten zu achten. Dadurch geht Flexibilität verloren, was im Einzelfall zu einer ungünstigen Allokation von Personalressourcen führt. Selbstkostenorientierung kann helfen, die Attraktivität des Pflegediensts zu erhöhen, wenn prinzipiell unbegrenzt viel Personal eingesetzt werden kann, um Pflegekräfte zu entlasten. Allerdings führt die Selbstkostenorientierung ohne eine Deckelung langfristig zu immer weiterwachsenden Kosten und der Grenznutzen der eingesetzten Personalressourcen hinsichtlich der Versorgungsqualität sinkt.

Abb. 15.5
figure 5

Einordnung verschiedener Vergütungs- und Regelsysteme für Pflegepersonal im Krankenhaus. (Quelle: Augurzky et al. 2021)

Die Orientierung am geschätzten Pflegebedarf würde hier Abhilfe schaffen, wenn nur die Pflegestellen finanziert würden, die sich aus dem geschätzten Pflegebedarf ergeben und zusätzlich sichergestellt ist, dass der Bedarf auch wirklich gedeckt wird. Ebenso würde er, wenn er auf der Hausebene ansetzte, eine größere unternehmerische Gestaltungsfreiheit erlauben, womit im Betrieb eine günstigere Allokation der Personalressourcen erreicht werden kann. Allerdings handelt es sich nur um eine Schätzung der Bedarfe. Erfahrungen mit der PPR haben gezeigt, dass die Schätzungen deutlich höher ausfielen als der Ist-Bestand an Personal. Ob gerechtfertigt oder nicht würde dies den Ressourcenbedarf für die Krankenhausversorgung stark erhöhen. Es stellt sich dann die Frage nach der optimalen gesamtwirtschaftlichen Allokation von Personal, d. h. auch unter Berücksichtigung anderer Branchen. Ein Mehr im Gesundheitswesen bedeutet ein Weniger in anderen Branchen, was die Qualität von anderen Lebensbereichen verschlechtern kann. Offen ist auch, ob der Zusatznutzen hinsichtlich der Versorgungsqualität durch einen deutlichen Zuwachs an Personalressourcen in der Krankenhausversorgung groß genug ist, um die damit verbundene höhere Belastung der Versichertengemeinschaft zu rechtfertigen.

Pauschalierende Systeme wie die DRG erlauben ebenfalls große Gestaltungsfreiheit auf der betrieblichen Ebene, leiden aber unter den in Abschn. 15.1 erwähnten Nachteilen in der Pflege. NRG können diesbezüglich eine Verbesserung darstellen, weil sie anders als die DRG die pflegerischen Bedarfe und Leistungen in den Fokus rücken. Allerdings versprechen sie auch nicht automatisch eine höhere Pflegequalität. Analog zum DRG-System müssten auch für ein NRG-System zahlreiche Vorgaben und Regelungen getroffen werden, um unerwünschte Nebeneffekte zu vermeiden. Entsprechend wird die Einführung eines NRG-Systems eine erhebliche Komplexitätssteigerung des bereits komplizierten Finanzierungssystems zur Folge haben.

Zudem gibt es eine Reihe weiterer Probleme im Zusammenhang mit der Einführung eines NRG-Systems. Es fehlt an einem bundesweit einheitlich angewendeten Pflegeklassifikationssystem analog zur Internationalen statistischen Klassifikation von Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) im DRG-System. Des Weiteren werden die Pflegesachkosten im DRG-System nicht separat abgebildet, was eine Ausgliederung kompliziert gestaltet. Auch im verbleibenden DRG-System werden bei Ausgliederung der Kosten für Pflegeleistungen Probleme entstehen. Beispielsweise sind bei Kostenvarianzen innerhalb der Pflegepersonalkosten die nach der Ausgliederung verbleibenden DRG nicht mehr kostenhomogen und es müsste ein großer Teil der DRG neu kalkuliert werden. All dies hätte weitere Konsequenzen in Hinblick auf die Verteilung des Gesamterlösvolumens. Es käme zu Umverteilungen zwischen DRG, Kliniken und Bundesländern (Simon 2021).

Unsere Bewertungen der einzelnen Modelle in Bezug auf ihre Zielerreichung fasst Abb. 15.7 zusammen.

3 Alternatives Vergütungsmodell

Am besten für die Patientenversorgung ist die Orientierung der Vergütung an der erbrachten Pflegequalität. Damit würde das Ziel einer hohen Versorgungsqualität unmittelbar erreicht. Gleichwohl müsste beachtet werden, dass Qualitätssteigerungen auch mit Kostensteigerungen verbunden sein können und es einen Punkt geben dürfte, ab dem weitere Qualitätssteigerungen so teuer würden, dass sie die Finanzierbarkeit des Systems untergraben würden. Die direkte Vergütung der Pflegequalität würde außerdem maximale unternehmerische Freiheit erlauben und Kreativität freisetzen, auf welche Art und Weise Qualität erreicht werden kann. Die Attraktivität des Pflegeberufs könnte ebenfalls gewinnen, wenn eine höhere Vergütung von Qualität teilweise auch an die einzelne Pflegekraft weitergegeben werden könnte. Allerdings scheitert dieser Ansatz derzeit an der Messbarkeit der Pflegequalität. Die damit verbundene Komplexität und die Anforderungen an Daten würden überdies den bürokratischen Aufwand erhöhen.

Wenn davon auszugehen ist, dass die tatsächlich geleisteten Pflegeminuten mit der erbrachten Pflegequalität positiv korrelieren, können alternativ leistungsorientierte Modelle wie zum Beispiel die LEP eine kurzfristig realisierbare Option darstellen. Ein anderer pragmatischer Ansatz zur Vergütung der „Pflege am Bett“ orientiert sich an Pflegeleistungen, die direkt am Patienten erbracht werden. Am einfachsten messbar sind die am Patienten erbrachten Pflegeminuten, die direkt in die Abrechnung mit den Krankenkassen einfließen können. Damit würde die Pflege erlösrelevant und im Krankenhausbetrieb einen deutlich höheren Stellenwert erhalten. Auch Patientinnen und Patienten würden von der pflegerischen Zuwendung profitieren, was sich positiv auf die Pflegequalität und die Patientenzufriedenheit auswirken dürfte.

Eine weitgehend aufwandsfreie Messung der Pflegeminuten ist über die Nutzung digitaler Techniken (Barcodes, RFID, Touchscreens, optimierte Erfassungsmasken) realisierbar. Sie kann zum Beispiel über ein Armband der Pflegekraft automatisiert erfolgen. Das Armband müsste so eingestellt sein, dass es die Zeiterfassung automatisch startet, wenn die Pflegekraft das Patientenzimmer betritt und sich ihrem Patienten widmet.Footnote 7 Die Zeiterfassung erfolgt ohne Zuordnung zur Pflegekraft, sondern nur zum Patienten, um sie mit der Versicherung des Patienten abrechnen zu können. Eine Leistungsüberwachung der einzelnen Pflegekraft wird damit ausgeschlossen.

Außerdem müsste durch eine entsprechende Differenzierung des Armbands unterschieden werden, ob die Pflegeminuten durch eine examinierte Pflegekraft, eine Pflegehilfskraft oder eine ungelernte PflegekraftFootnote 8 geleistet werden. Auf der Gesamthausebene kann der Medizinische Dienst prüfen, ob zum Beispiel die Zahl der Armbänder je Qualifikationsniveau mit der Zahl der Pflegekräfte je Qualifikationsniveau übereinstimmt. Die Erfassung der Pflegeminuten würde mit der digitalen Zeiterfassung aufwandsarm erfolgen und damit bürokratische Tätigkeiten in der Pflege reduzieren können. Die Attraktivität des Pflegeberufs würde dadurch steigen. Sie würde aber auch dadurch steigen, dass Zeit beim Patienten nicht mehr ein Kostenfaktor, sondern dann ein Erlösfaktor wäre.

Im Rahmen der Abrechnung von Pflegeleistungen würde sich auch eine einheitliche Pflegefachsprache anbieten, um Interoperabilität zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern zu schaffen. Dies ließe sich sowohl über eine Pflegeklassifikation als auch über eine Pflegeterminologie abbilden. Steht allein die Abrechnung im Fokus, ist eine Pflegeklassifikation ausreichend. Im Hinblick auf eine Verringerung der Bürokratie bietet sich eine Pflegeterminologie als Basis für die Abrechnung an, da diese im Gegensatz zur Klassifikation eine möglichst genaue Abbildung des Gegenstandsbereichs versucht (bvitg 2017). So könnten die Daten zur Pflegedokumentation und Pflegeabrechnung in einem Schritt dokumentiert werden und es würde kein weiterer Aufwand entstehen. Mit der ICNP (International Classification of Nursing Practice) besteht bereits eine durch die World Health Organisation (WHO) anerkannte Referenzterminologie im Bereich Pflege, mit der die derzeit existierenden Modelle zusammengeführt werden könnten.

Das Tätigkeitsspektrum von Pflegekräften beinhaltet allerdings noch weitere Leistungen, die nicht direkt am Patienten erbracht werden. Auch sie müssen vergütet werden. Wir empfehlen, all diese patientenfernen Tätigkeiten pauschal im Rahmen der DRG zu vergüten. Darunter fallen zum Beispiel die Stationsübergabe, Visitenausarbeitung, Telefondienst, Dienstplanung, Hol- und Bringdienste, Dokumentation von Vitalwerten, Fort- und Weiterbildung. Durch die pauschale Vergütung in den DRG wird für diese Tätigkeiten ein Anreiz gesetzt, sie möglichst ressourcensparend zu erbringen.

Die Vergütungshöhe bzw. der Preis je Pflegeminute hängt vom Qualifikationsniveau der Pflegekraft ab. In dem vorgeschlagenen Modell gäbe es damit drei Minutenpreise. Die Preise je Minute sollten nicht bundesweit einheitlich festgelegt werden. Der Arbeitsmarkt für Pflegekräfte ist stärker lokal geprägt als der Arbeitsmarkt für Ärzte. Daher muss das lokale Lohnniveau der Pflegekräfte eine Rolle bei der Festlegung der Preise je Minute spielen. Der regionale Preis je Minute könnte aus der Personalstatistik der Krankenhäuser der Region bestimmt werden. Aus den Personalkosten je Qualifikationsniveau, der Zahl der Vollkräfte und der Arbeitszeit einer Vollkraft lässt sich ein Minutenpreis errechnen.

Der hier geschilderte Ansatz hat Vor- und Nachteile. Einige Vorteile wurden bereits genannt: (i) Die Pflege am Bett wird erlösrelevant, (ii) die Pflegekraft spürt keinen zeitlichen Druck, wenn sie sich den pflegebedürftigen Patentinnen und Patienten widmet, wodurch die Attraktivität des Pflegeberufs und vermutlich auch die Pflegequalität steigen, (iii) die Messung der Pflegeminuten erfolgt bürokratiearm, (iv) für patientenferne Tätigkeiten entsteht ein Anreiz, sie möglichst effizient zu erbringen.

Gleichwohl ergeben sich – wie bei jedem regulierten Vergütungssystem – auch Nachteile bzw. Probleme. Ein Problem ist das des Missbrauchs. Denkbar ist, dass Pflegeminuten in einem leeren Patientenzimmer erbracht werden, um leistungslos Erlöse zu generieren. Allerdings müssen diese Pflegeminuten stets einer Patientin oder einem Patienten zugeordnet werden, damit sie abgerechnet werden können. Dies könnte ein Patientensensor unterstützen. Statistische Analysen der Abrechnungsdaten können systematische Verzerrungen aufzeigen und entsprechende Fragen des Medizinischen Dienstes nach sich ziehen. Wichtig dafür ist, dass der Pflegegrad eines Patienten mit erhoben wird, um die Korrelation zwischen Pflegegrad und Pflegeminuten analysieren zu können. Ferner ist es möglich, dass eine Pflegekraft zwar durchaus Zeit mit einem Patienten verbringt, aber ohne pflegerische Maßnahmen durchzuführen, sondern nur um die „Zeit totzuschlagen“. Wenn „Zeit totschlagen“ in einem Krankenhaus gehäuft vorkäme, würden wiederum statistische Analysen entsprechende Auffälligkeiten zeigen. Der Medizinische Dienst kann daraufhin das Gespräch mit dem Krankenhaus suchen. Möglicherweise sind auch technische Lösungen denkbar, um die Erfassung der Pflegeminuten über das Armband der Pflegekraft vor Missbrauch zu schützen. So könnte die Erfassung im Patientenzimmer nur dann starten, wenn auch der richtige Patient im Zimmer anwesend ist.

Abgesehen von echtem Missbrauch entsteht aber auch der Anreiz für ein Krankenhaus, die Zahl der Pflegeminuten so weit wie möglich auszuweiten. Wenn die patientenfernen Tätigkeiten über die DRG bereits vergütet sind, entsteht mit jeder Pflegeminute ein gewisser positiver Deckungsbeitrag für das Krankenhaus. Dieser Anreiz ist zwar gewollt; er hat aber keine Grenze nach oben. Es braucht also zusätzlich eine „Bremse“, um einen ungebremsten Mengenanreiz zu vermeiden. Wir schlagen dazu vor, eine Menge M0 an Pflegeminuten festzulegen, oberhalb derer der Preis je Pflegeminute sinkt, und darüber hinaus eine Menge M1, oberhalb derer keine Pflegeminuten mehr abgerechnet werden können (Abb. 15.6). Zu diskutieren ist, ob M0 und M1 zusammenfallen sollen. Dann würde der Preis nicht erst langsam fallen, sondern abrupt auf null gehen. Wir empfehlen, die Mengengrenzen auf der Hausebene, nicht auf der Fallebene festzulegen, sodass das Krankenhaus auf unterschiedliche Pflegebedarfe von Patientinnen und Patienten reagieren kann.

Abb. 15.6
figure 6

Die Abrechnung nach Pflegeminuten braucht eine Obergrenze. (Quelle: Augurzky et al. 2021)

Die Mengengrenzen M0 und M1 könnten zum Beispiel als Ergebnis aus einer Bedarfskalkulation nach § 137k SGB V hervorgehen. Die Kosten wären damit nach oben gedeckelt und es würden nur die beim Patienten erbrachten Pflegeminuten vergütet. Damit gäbe es – anders als im Pflegebudget – Grenzen, die das System stabilisieren. Abb. 15.7 zeigt die Bewertung der in Abschn. 15.2 und 15.3 genannten Modelle.

Abb. 15.7
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Bewertung aller Modelle in Bezug auf Zielerreichung1) zur Nutzung der dezentralen Managementkompetenz. (Quelle: Augurzky et al. 2021)

Das hier vorgeschlagene Modell der Vergütung von erbrachten Pflegeminuten kann im Laufe der Zeit erweitert werden, um sich dem oben genannten idealen Vergütungsmodell anzunähern. Je nach Verfügbarkeit von Qualitätsmessinstrumenten in der Pflege kann schrittweise auch die Pflegequalität vergütet werden. Manche pflegesensitiven Qualitätsindikatoren könnten schon heute genutzt werden, z. B. bei Stürzen, Dekubitus, nosokomialen Infektionen, Lob und Beschwerden. Zu- und Abschläge für die Pflegequalität können dabei auf der Hausebene, der Fallebene oder auf der Ebene der Pflegeminuten festgelegt werden. Welche Ebene hierfür sinnvoll ist, hängt vom Qualitätsmaß ab und muss diskutiert werden. Auch eine Kombination aller Ebenen kann eine Option sein. Zuschläge sind grundsätzlich motivierender als Abschläge. Jedoch braucht es einen Mechanismus, um ein Budget für die Vergütung von Qualitätszuschlägen aufzubringen. Es könnte über einen anteiligen Abschlag auf den Preis für eine Pflegeminute und/oder auf die fallbezogene DRG-Pauschale aufgebracht werden.