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Die COVID-19-Pandemie ist nicht vorbei. Dennoch lohnt es sich, nach über zwei Jahren Pandemie, einen Blick zurück und nach vorne zu wagen. Schließlich sind in den stürmischen Zeiten viele Geschehnisse bereits in Vergessenheit geraten. Auch wenn man jetzt noch kein finales Fazit ziehen kann, kann man doch wichtige Zwischenerkenntnisse für die nationale und vor allem die globale Gesundheitspolitik gewinnen.

1 Einsichten der deutschen Gesundheitspolitik

Im Fokus der Analyse des nationalen Pandemiepräventions- und Pandemiereaktionssystems steht das ambivalente Krisenmanagement des Staates und seiner gesundheitlichen Einrichtungen, die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik sowie den Schlussfolgerungen aus der Kompetenzverteilung während der Krise.

Nicht nur für die Gesundheit war das Virus eine Gefahr. Auch für die Wirtschaft, Bildung und freiheitlich-demokratische Grundordnung in unserem Land wurde die Pandemiebekämpfung zunehmend zu einem Stresstest. Dabei hat der Staat sehr ambivalent reagiert. Wurde in der ersten Pandemiewelle die Schnelligkeit gelobt, die Deutschland zu einem Vorreiterland im Umgang mit COVID-19 vor allem durch Tests gemacht hat, wurde die Reaktionsfähigkeit mit der Dauer der Pandemie träge und irrational.

1.1 Vorbereitung des Staates/Öffentlicher Gesundheitsdienst

Die Analyse staatlichen Handelns beginnt mit der Vorbereitung seiner Institutionen. Der Staat hätte nicht unvorbereitet sein dürfen. Schon im Dezember 2012 lag dem Deutschen Bundestag eine Risikoanalyse für eine Pandemie durch ein SARS-Virus vor [1]. Für die ersten Mittel zur Eindämmung der Pandemie, wie Kontaktnachverfolgung und Überprüfung der Einhaltung hygienischer Anordnungen, bedarf es eines starken öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD). Die Verantwortung über den ÖGD besitzen die Länder und Kommunen. In den Vor-Pandemie-Zeiten wurde erheblich an der Ausstattung des ÖGD gespart und folglich nicht in die notwendige Modernisierung investiert, sodass in diesen Einrichtungen zu Beginn der Pandemie vor allem Faxgeräte und Kugelschreiber Standard waren. Um die digitale Ausstattung der Gesundheitsämter zu verbessern und die Nachverfolgung zu vereinfachen, beschlossen die Länder gemeinsam mit dem Bund einen Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst [2]. In diesem Pakt wurde beschlossen, dass der Bund vier Milliarden Euro zur Förderung von Personal, Digitalisierung und moderne Strukturen zur Verfügung stellt. Dieser Beschluss war notwendig, um die Gesundheitsämter auf das für die Pandemie angemessene Level zu bringen. Es ist aber nicht Aufgabe des Bundes, regelmäßig für die Versäumnisse von Ländern und Kommunen einzustehen. Dies würde einen Fehlanreiz sondergleichen setzen.

1.2 Ambulante und stationäre Versorgung

Nachdem die Pandemie in Deutschland angekommen ist und sich verbreitete, lag die Last auf der medizinischen Versorgung im Inland. Hier war zunächst die ambulante Versorgung der erste Anlaufpunkt. Sechs von sieben Corona-Patienten wurden im Jahr 2020 durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte behandelt [3].

Auch hier hat der Bund unterstützt. Als die Schutzausrüstungen knapp waren, beschaffte die Bundesregierung diese zentral und unbürokratisch. Auch wenn es im Verfahren zu vielen Ungereimtheiten kam, war es dennoch richtig, entschlossen und schnell staatlich zentral zu handeln.

In den Krankenhäusern hat sich die Pandemie am drastischsten gezeigt. Damit ist vor allem das menschliche Leid gemeint: Sterbende, Leidende, aber auch das Personal, das überlastet, überfordert und alleingelassen wurde. Es war gut, dass die Pandemie den informellen Druck ausgeübt hat, der dazu führte, dass das DIVI-Intensivregister [4] aufgebaut wurde, um eine Übersicht der Belastung der Intensivstationen zu geben. Die Entwicklung der Kleeblattstruktur hat bei der Auslastungsverteilung geholfen. Diese Ansätze müssen weiterentwickelt werden zu modernen und digitalen Krankenhausmeldesystemen.

Die neue Bundesregierung nimmt sich viel vor, um die Versorgung in Deutschland stetig zu verbessern. Es wurde eine Krankenhauskommission eingesetzt, die Reformvorschläge erarbeitet, die nach und nach in die Gesetzgebung einfließen [5].

1.3 Gesundheitskompetenz und Gesundheitsaufklärung

Dass diese Pandemie einhergeht mit einer Infodemie, war wohl vorab nur wenigen klar. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, sprach bereits bei der Münchner Sicherheitskonferenz Februar 2020 davon, dass die Welt nicht nur gegen eine Pandemie, sondern auch gegen eine Infodemie kämpfe [6]. Ein Überfluss an Informationen kann dazu führen, dass der oder die Einzelne Schwierigkeiten hat, vertrauenswürdige Quellen zu finden. Das erhöht die Chancen auf Verbreitung von Gerüchten, Fehl- und Desinformation und verursacht somit Verwirrung und Misstrauen [7]. Politisch wurde die Infodemie ausgenutzt. Gerade von Seiten der AfD wurde immer wieder der Einzelbericht gegen die Evidenz gesetzt. Bereits im Sommer 2020 wurde von der AfD die Pandemie für beendet erklärt [8].

Im Zeitalter der allzugänglichen Verbreitung von Information und Desinformation hat dies dazu geführt, dass die fortschreitende wissenschaftliche Erkenntnis um das Virus von einer politisch motivierten Desinformationsindustrie begleitet wurde. Das führte am Ende dazu, dass ich eine von Ärztinnen und Ärzten durchgeführte Aufklärungspflicht für die Impfung gegen das SARS-CoV-2 Virus gefordert habe. Studien in den USA lassen darauf schließen, dass auch die damalige Bundesregierung es nicht geschafft hat, mit Mitteln der Aufklärung einen Konsens innerhalb der Gesellschaft zu schaffen [9].

Das hat sich in einer schleppenden Steigerung der Impfquote niedergeschlagen und zeigt sich im Boom der Fake News. Eine weitere Folge war das sinkende Vertrauen in die politischen Entscheidungen und auch in die Ergebnisse der seriösen Forschung [10]. Hier müssen andere Wege gegangen werden. Es reicht nicht, auf der Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Informationen über richtiges Händewaschen zu finden. Im Ernstfall müssen Wissenschaft und Informationskanäle zum Wohl der Gesellschaft kooperieren [11].

Ein Grund dafür liegt in der mangelnden Gesundheitskompetenz. In Deutschland haben laut einer Studie aus dem Jahr 2021 rund 60 Prozent eine eingeschränkte oder unzureichende Gesundheitskompetenz [12]. Gesundheit ist etwas, das jeden selbst angeht. Zwar gibt es zahlreiche gut ausgebildete und kompetente Facharbeiter im Gesundheitssystem, von der Ärztin bis zum Physiotherapeuten, aber alle sind auf Patientinnen und Patienten angewiesen, die zumindest eine grundsätzliche Gesundheitskompetenz besitzen. Wenn zur Impfung nicht der Haus- oder Facharzt oder Apotheker berät, sondern der Heilpraktiker, dann ist die Vermittlung von Gesundheitskompetenz fehlgeleitet. Das gilt auch, wenn Menschen wegen eines Schnupfens in die Notaufnahme gehen oder glauben, dass Borax gegen SARS-CoV-2 hilft.

Menschen mit guter Gesundheitskompetenz stützen das Gesundheitssystem und ihre eigene Gesundheit. Sie sparen Kosten ein und haben mehr vom Leben. Gerade im Hinblick aufkommende Pandemien brauchen wir eine sehr gute Gesundheitskompetenz innerhalb der Bevölkerung, um Maßnahmen schnell, hart, aber maßvoll umzusetzen. Die Erkenntnis, dass Entscheidungen die eigene Gesundheit betreffend von der politischen Einstellung betroffen sind, kann und darf nicht die Zukunft sein [13].

1.4 Wissenschaft, Forschung und Umsetzung

Das größte Licht in der Pandemie strahlte wohl von der Impfstoffforschung aus. Vor allem der Ansatz der agilen Plattformtechnologie von BioNTech hat gezeigt, dass wir Pandemien nicht mehr mit den Mitteln der letzten Jahrhunderte zu Leibe rücken müssen. Moderne Technik kann schnell und sicher Wirk- und Impfstoffe entwickeln, die Leben retten. Allerdings müssen dafür die Voraussetzungen geschaffen werden. Ausgründungen aus Universitätskliniken sollten stärker gefördert werden, damit Deutschland zum Forschungslabor der Welt wird. Und damit das Land auch wieder zur Apotheke der Welt wird, braucht es Forschung, Entwicklung und auch die Produktion in Deutschland und Europa. Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, was möglich ist. Es wurden neue Produktionsstätten in Deutschland eröffnet, die deutschen Forscher leisteten Pionierarbeit bei der Entwicklung der Impfstoffe, aber auch bei der Erforschung des SARS-CoV-2 Virus [14] Probleme, die unlösbar schienen, wurden gelöst. Das gilt für die Distribution der Impfstoffe, aber auch für die massenhaften Testungen, die Beschaffung von Masken und die Entwicklung von digitalen Apps. Wir dürfen dieses Momentum nicht verpassen. Es gab gute und schlechte Entwicklungen, aber eines ist klar: Wissenschaft und Forschung müssen gestärkt werden. Die Ergebnisse müssen evaluiert und Schlussfolgerungen daraus gezogen werden, die uns bei der nächsten Pandemie vor die Lage bringen.

Verstärken müssen wir auch die Interdisziplinarität und das das nicht-lineare Denken. Die mRNA-Technik hat ihre Stärke in einem Bereich gezeigt, für den sie erst einmal gar nicht gedacht war. Jetzt gilt es, sie weiterhin zu stärken und mit ihr den Kampf gegen den Krebs und anderer Krankheiten auf eine neue Stufe zu heben. Denn wir wissen, dass die Lösung eines gesundheitlichen Problems – gerade im Bereich der öffentlichen Gesundheit – nicht zum Zustand der allgemeinen und anhaltenden Gesundheit führt. Nach einer überstandenen Krankheit wartet bereits die nächste. Deshalb ist es dringlich, dass die Antiinfektiva-Forschung auf neue Füße gestellt wird. Die antimikrobiellen Resistenzen werden nicht umsonst als stille Pandemie bezeichnet. Jahr für Jahr werden mehr Menschen daran sterben, wenn es versäumt wird, neue Modelle der Erforschung zu ermöglichen. Denn auch hier droht der Verlust der Gesundheit der Bevölkerung, zumal jüngere Forscher gar nicht mehr das Wissen ausreichend vermittelt bekommen, wie man neue Antiinfektiva entwickeln könnte.

Forschung heißt für aber nicht nur Medikamente, Impfstoffe oder Therapien zu entwickeln. Es geht vermehrt auch um die Erforschung und Wirkung von Dienstleistungen. Viele erfahren die Telemedizin als Erleichterung und es kann sehr ressourcensparend sein, wenn der Notarzt nicht immer vor Ort sein muss. Es wäre auch ein Segen, wenn infektiöse Patienten nicht mehr für Banalitäten wie eine Krankschreibung oder für die Verschreibung eines Medikaments die häusliche Isolation verlassen müssen und damit andere Menschen gefährden. Aber diese Umstellungen müssen wissenschaftlich evaluiert und begleitet werden. Veränderungen und Neuentwicklungen müssen immer nachweislich im Sinne und zum Wohle des Patienten geschehen. Denn auch das hat die Pandemie gezeigt: Maßnahmen, die nicht wissenschaftliche begleitet werden, sind am Ende politisch und wissenschaftlich Eigentore.

2 Einsichten der globalen Gesundheitspolitik

Die COVID-19-Pandemie hat die Lücken in unserem nationalen Gesundheitssystem deutlich aufgezeigt. Während wir oft nur auf die Situation in Deutschland starren und starrten, darf nicht vergessen werden, dass eine Pandemie global ist. Neben der Stärkung der Pandemiereaktion im Inland, braucht es ein stärkeres globales Health Emergency Ökosystem. Denn nationale Notfallpläne greifen nur dann, wenn auch das regionale und internationalen Gesundheitssicherheitsnetzwerk funktioniert. Das ist jedoch an vielen Stellen gescheitert.

Es fehlt an wirksamen globalen Systemen, um Pandemien zu erkennen, zu verhindern und darauf zu reagieren. Trotz jahrzehntelanger Warnungen und mehrerer Gesundheitsbedrohungen wie dem SARS-Ausbruch und dem Ebola-Ausbruch in Westafrika, wurden Investitionen zum Aufbau und zur Stärkung von Pandemievorsorge- und Pandemiereaktionssystemen vernachlässigt. Die COVID-19-Pandemie hat gravierende Schwachstellen in dem internationalen Regelwerk zur Vorbeugung, Überwachung und Bekämpfung der internationalen Ausbreitung von akuten Gesundheitsgefahren, sowie in den Krisenfinanzierungsmechanismen offengelegt. Das Global Preparedness Monitoring Board hat bereits in seinem ersten Bericht aus dem Jahr 2019 davor gewarnt, dass Finanzierungsmechanismen für längere Ausbrüche unzureichend sind und für eine sich schnell ausbreitende globale Pandemie, insbesondere mit einem Erreger der Atemwege, nicht ausreichen [15]. Wie die COVID-19-Pandemie gezeigt hat. greifen zudem die internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) nicht mehr, die das völkerrechtliche Fundament der globalen Bekämpfung von Infektionskrankheiten sind. Staaten haben die Vorschriften nur teilweise eingehalten. Auch die internationale Unterstützung für den Aufbau der nach den IGV benötigten Kernkapazitäten in den ärmsten Ländern war unzureichend. So verfügten 2018 nur ein Drittel der Länder über die gemäß den IGV (2005) erforderlichen Kapazitäten [15]. Derzeit ist die Welt daher nicht in der Lage, eine weitere Pandemie zu verhindern.

2.1 COVID-19 als Gamechanger

Reformen in der globalen Gesundheitsarchitektur sind dringend notwendig, damit auf zukünftige Gesundheitskrisen reaktionsschnell, effizient und effektiv reagiert werden kann. Verschiedene internationale Foren und Gremien wie das Independent Panel for Pandemic Preparedness and Response (IPPPR), das International Health Regulations (IHR) Review Committee, die WHO Sustainable Financing Working Group, das G20 High Level Independent Panel, die Working Group on Strengthening WHO Preparedness and Response to Health Emergencies (WGPR) oder das Global Preparedness Monitoring Board (GPMB) haben konkrete Empfehlungen vorgelegt. Darauf aufbauend wurden unzählige Prozesse und Initiativen zur Verbesserung globaler Strukturen gestartet [16].

Dazu zählt die Einrichtung des Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Berlin, das seine Arbeit im September 2021 aufgenommen hat. Das Zentrum soll weltweit Daten erheben und analysieren, um zukünftige Pandemieausbrüche frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Das Hub spielt als weltweiter Datenknotenpunkt auch eine zentrale Rolle für den Pakt für Pandemie-Bereitschaft (Pact for Pandemic Readiness), der kürzlich von den G7 beschlossen wurde. Der Pakt hat zum Ziel die Erkennung von möglichen Ausbrüchen, die Überwachung und schnelle Reaktionsfähigkeit zu stärken. Grundlegend hierfür ist der Aufbau einer ausgebildete Pandemic Workforce, die in einem internationalen Netzwerk zusammenarbeitet [17].

Ein weiterer entscheidender Schritt ist die Stärkung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV). Sie stellen das zentrale Instrument im Umgang mit Krankheitsausbrüchen mit internationalen Gefahrenpotential dar. Vor dem Hintergrund der SARS-Epidemie 2003 wurden sie überarbeitet und 2005 von den Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation verabschiedet. Sie sind aber heute in einem völlig neuen politischen und wirtschaftlichen Kontext nicht mehr ausreichend und müssen überarbeitet werden [18]. Die USA haben hierzu weitreichende Vorschläge vorgelegt. Bei der 75. Weltgesundheitsversammlung haben sich die WHO Mitgliedsstaaten auf eine Verkürzung des Prozesses von Änderung der IGV verständigt.

Weitere Abstimmungsprozesse zur Änderung der IGV verlaufen parallel und kohärent zu den Verhandlungen für ein Pandemieabkommen beziehungsweise Pandemieinstrument. Ziel ist es, durch einen ganzheitlichen Ansatz besser auf Pandemien zu reagieren [19]. Am 1. Dezember 2021 haben sich die Mitglieder der Weltgesundheitsorganisation auf den Beginn des Prozesses geeinigt. Dabei wurde die Etablierung eines Verhandlungsgremiums (intergovernmental negotiating body, INB) für ein neues internationales Pandemieabkommen oder Pandemieinstrument beschlossen. Dieses soll bis zum 1.8.2022 erste inhaltliche Elemente erarbeiten. Geplant wird, dass bei der 77. Weltgesundheitsversammlung im Mai 2024 ein Verhandlungsergebnis vorgelegt wird. Das Übereinkommen könnte ein Gamechanger für die globale Gesundheitssicherheit sein. Auch wenn das neue Instrument nicht ein Allheilmittel ist und nicht alle Probleme der globalen Gesundheit lösen kann, kann es an vielen Stellen Mängel beheben [20]. Die Verhandlungen müssen aber mit der Adressierung von Finanzierungslücken in der globalen Pandemieprävention und Pandemiereaktion einhergehen. Der Financial Intermediary Fund (FIF), dessen Gründung von der Weltbank Ende Juni dieses Jahres zur besseren Vorbereitung auf künftige Pandemien formal beschlossen wurde, muss diese kohärent adressieren [21]. Es sind langfristige Investitionen in Forschung und Entwicklung, Laborkapazitäten, Digitalisierung, Krankheitsüberwachungssysteme im Sinne von One Health und Gesundheitssysteme erforderlich [22]. Entscheidend ist, dass hierfür zusätzliche Mittel mobilisiert werden und es nicht zu einer weiteren Fragmentierung der globalen Gesundheitslandschaft kommt.

Eine effektivere, besser abgestimmte, inklusive Pandemieprävention, Pandemievorsorge und Pandemiereaktion kann nur mit einer gestärkten WHO sichergestellt werden. Doch ihr Finanzierungsmodell schränkt ihre Handlungsfähigkeit ein. Rund 80 Prozent des WHO-Haushalts sind freiwillig und meist zweckgebunden [23]. Das ermöglicht Gebern, ob öffentlich oder privat, Einfluss auf die Arbeit der Organisation zu nehmen und ist für Krisensituationen absolut ungeeignet. Das Ergebnis ist, dass einige Programme viel mehr Geld erhalten als vorgesehen, während andere Programme wie beispielsweise das World Health Emergency Programm chronisch unterfinanziert sind. So kann die WHO ihre entscheidende Führungs- und Koordinierungsfunktion im Bereich globaler Gesundheit nicht vollumfänglich ausführen. Umso wichtiger ist die historische Entscheidung bei der 75. Weltgesundheitsversammlung, den Anteil der Pflichtbeiträge für die WHO auf 50 Prozent des Kernbudgets bis spätestens 2030–2031 anzuheben. Das ist ein wesentlicher Schritt, um die Welt vor zukünftigen Gesundheitsgefahren zu schützen und die internationalen Gesundheitsziele zur erreichen [24]. Zudem ist eine nachhaltigere Finanzierung der WHO wirtschaftlich sinnvoll. Eine aktuelle Studie zeigt, dass jeder in die WHO investierte US-Dollar eine Kapitalrendite von mindestens 35 US-Dollar liefert [25]. Das neue Finanzierungsmodell muss aber mit einer Reform der WHO einhergehen, um ihre Leistungsfähigkeit und Agilität zu steigern. Dies ist dringend notwendig, denn nie zuvor waren die gesundheitlichen Herausforderungen globaler und der Bedarf an Multilateralismus dringender. Zudem darf es keine Lücken in der globalen Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich geben. Jeder relevante Akteur der Welt muss sich beteiligen können. Das heißt auch, dass Taiwan zur Mitarbeit in der Weltgesundheitsorganisation zurückkehrt.

2.2 Gesundheitsschutz global denken

Eine Lehre aus der Corona-Pandemie ist: Wir müssen Gesundheitsschutz globaler denken. Nur so gelingt es, aktuellen und zukünftigen Gesundheitsherausforderungen Herr zu werden. Um in Zukunft besser reagieren zu können, müssen die neu geschaffenen Institutionen, Gremien und Instrumente aufeinander abgestimmt sein und sich gegenseitig ergänzen. Deutschland hat in den letzten Jahren eine führende Rolle in der globalen Gesundheit eingenommen. Das Land gehört weltweit zu den größten Gebern im Bereich der Weltgesundheit [16]. Entsprechend liegt es im eigenen Interesse, die aktuellen Prozesse aktiv mitzugestalten, voranzutreiben und sie stets unter dem Aspekt von „lessons learned“ zu prüfen.

3 Fazit

Die nächste Pandemie wird kommen. Der Klimawandel und die Zerstörung von intakten Ökosystemen erhöhen die Gefahr neuer Infektionskrankheiten. Bis 2070 werden sich laut einer aktuellen Studie 4000 Viren erstmals zwischen Säugetieren ausbreiten – auch zwischen Tieren und Menschen [26]. Damit erhöht sich auch das Risiko für zukünftige Pandemien. Die Vorbereitung auf Gesundheitsnotfälle muss bereits heute sowohl auf nationaler und internationaler Ebene erfolgen und langfristig auf der politischen Agenda bleiben. Denn es gibt viel zu tun. Um besser zu reagieren, müssen Daten und Informationen rechtzeitig ausgetauscht werden, in Produktionsstätten, Forschung und Entwicklung investiert, Gesundheitssysteme weltweit gestärkt und ein One Health Ansatz, der die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt berücksichtigt, verfolgt werden. Nur so kann der Kreislauf von Panik und Vernachlässigung ein für alle Mal durchbrochen werden.