Skip to main content

Revolution oder Verschiebung? Das Neue als inszeniert Nicht-Neues. Ein Fallbeispiel aus wissenschaftssoziologischer Perspektive

  • Chapter
  • First Online:
Wie kommt das Neue in die Welt?

Part of the book series: Abhandlungen zur Medien- und Kulturwissenschaft ((AMK))

  • 454 Accesses

Zusammenfassung

Der Beitrag zeigt an einem Fallbeispiel aus der Geschichtswissenschaft, dass Innovationen in den Geisteswissenschaften nicht durch einen „Paradigmenwechsel“ im Zuge einer „wissenschaftlichen Revolution“ zustande kommen, sondern nur, wenn sie in einem komplexen Geflecht aus Institutionen, Diskursen, gesellschaftspolitischen Situationen sowie habitualisierten wissenschaftlichen Praktiken situiert sind. Das Fallbeispiel zeigt, dass die Etablierung der Sozialgeschichte zusätzlich erheblich davon profitierte, dass etwas Essenzielles nicht passierte: Es gab keine Kontroverse und keinen Konflikt um die Sozialgeschichte. Vielmehr wurde in einer sehr vagen Diskussion die Grenze zwischen akzeptablen und nichtakzeptablen Formen der Sozialgeschichte ausgelotet. Dadurch entstand ein Leerraum, der Sozialhistorikern die Möglichkeit bot, ihren Ansatz allmählich zu etablieren, während (und weil) sich die wissenschaftliche Konkurrenz nicht weiter dafür interessierte.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 74.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Similar content being viewed by others

Notes

  1. 1.

    Der Band ist kurz vor der Wende fertiggestellt worden und noch in der DDR erschienen. „Humanistisch“ verweist, liest man das Vorwort und andere Beiträge, auf den Marxismus-Leninismus.

  2. 2.

    Ich baue v. a. auf vier frühere Texte auf: Etzemüller (2001); Etzemüller (2007); Etzemüller (2013); Etzemüller (2019). – Einer der Ursprungstexte meiner eigenen Arbeit war Weber (1984). Wolfgang J. Weber hat als vielleicht erster deutscher Historiker wissenschaftssoziologische Ansätze auf die Geschichte der Geschichtswissenschaft übertragen und die sozialen Bedingungen auch der historiografischen Wissensproduktion hervorgehoben. Dieser Ansatz wird, wie zahllose Historikerbiografien seitdem zeigen, nach wie vor nur sehr unvollständig rezipiert. Eine der wenigen Ausnahmen ist Raphael (1994).

  3. 3.

    Historiker gingen seinerzeit davon aus, dass jede Erkenntnis zwar standortgebunden sei. „Objektiv“ war sie jedoch, wenn Historiker sich nicht „willkürlichen“ Vorgaben unterwarfen, z. B. einer Ideologie. Die Homologie zwischen Wissenschaft, bürgerlicher Gesellschaftsordnung und deutscher Nation ergab sich in ihren Augen dagegen aus der Empirie und bildete damit einen legitimen wissenschaftlichen Standpunkt gegen den Sozialismus; vgl. detailliert Etzemüller (2001, 296–309).

  4. 4.

    Sehr lesenswert allerdings der Aufsatz der Germanistin Marlies Janz über die „produktive Verniemandung“ von Professorengattinnen (Gummert [sic] 1979). – Die Verniemandung ist die Gegenpraxis zur Vf.-Werdung.

Literatur

  • Adamski, J. (2009). Ärzte des sozialen Lebens. Die Sozialforschungsstelle Dortmund 1946–1969. Klartext.

    Google Scholar 

  • Alkemeyer, T., & Buschmann, N. (2015). Praktiken der Subjektivierung – Subjektivierung als Praxis. In: H. Schäfer (Hrsg.), Praxistheorie. Ein soziologisches Forschungsprogramm (S. 115–136). Transcript.

    Google Scholar 

  • Anderle, O. F. (1958). Theoretische Geschichte. Betrachtungen zur Grundlagenkrise der Geschichtswissenschaft. Historische Zeitschrift, 185, 1–54.

    Google Scholar 

  • Bachmann-Medick, D. (2009). Cultural turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften (3. Aufl.). Rowohlt.

    Google Scholar 

  • Beaufaÿs, S. (2003). Wie werden Wissenschaftler gemacht? Beobachtungen zur wechselseitigen Konstitution von Geschlecht und Wissenschaft. Transcript.

    Google Scholar 

  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.). (2016). Zuviel Mainstream oder: Wie kommt das Neue in die Wissenschaft? Streitgespräche in den Wissenschaftlichen Sitzungen der Versammlung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am 5. Juni 2015 und am 27. November 2015. Verlag Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.

    Google Scholar 

  • Brix, E. (2003). Wesen und Gestalt kreativer Milieus. In W. Berka, E. Brix & C. Smekal (Hrsg.), Woher kommt das Neue? Kreativität in Wissenschaft und Kunst (S. 99–115). Böhlau.

    Google Scholar 

  • Brühl, R. (2015). Wie Wissenschaft Wissen schafft. Wissenschaftstheorie für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. UTB.

    Google Scholar 

  • Brunner, O. (1980). Das „ganze Haus“ und die alteuropäische „Ökonomik“. In Ders., Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte (3. Aufl., urspr. 1958, S. 103–127). Vandenhoeck & Ruprecht.

    Google Scholar 

  • Conze, W. (1952). Die Stellung der Sozialgeschichte in Forschung und Unterricht. Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 3, 648–657.

    Google Scholar 

  • Conze, W. (1957). Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters als Aufgabe für Forschung und Unterricht. Westdeutscher Verlag.

    Google Scholar 

  • Daniel, U. (2006). Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter (5. Aufl.). Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Engler, S. (2001). „In Einsamkeit und Freiheit“? Zur Konstruktion der wissenschaftlichen Persönlichkeit auf dem Weg zur Professur. Halem.

    Google Scholar 

  • Etzemüller, T. (2001). Sozialgeschichte als politische Geschichte. Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft. De Gruyter.

    Google Scholar 

  • Etzemüller, T. (2007). „Ich sehe das, was Du nicht siehst“. Zu den theoretischen Grundlagen geschichtswissenschaftlicher Arbeit. In: J. Eckel & T. Etzemüller (Hrsg.), Neue Zugänge zur Geschichte der Geschichtswissenschaft (S. 27–68). Wallstein.

    Google Scholar 

  • Etzemüller, T. (2013). Der „Vf.“ als biographisches Paradox. Wie wird man zum „Wissenschaftler“ und (wie) lässt sich das beobachten? In T. Alkemeyer, G. Budde & D. Freist (Hrsg.), Selbst-Bildungen. Soziale und kulturelle Praktiken der Subjektivierung (S. 75–95). Transcript.

    Google Scholar 

  • Etzemüller, T. (2019). „It’s the performance, stupid“. Performanz → Evidenz: Der Auftritt in der Wissenschaft. In T. Etzemüller (Hrsg.), Der Auftritt. Performanz in der Wissenschaft (S. 9–43). Transcript.

    Google Scholar 

  • Fischer, H. R. (Hrsg.). (2013). Wie kommt Neues in die Welt? Phantasie, Intuition und der Ursprung von Kreativität. Velbrück.

    Google Scholar 

  • Fleck, L. (1993). Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv (2. Aufl., urspr. 1935). Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Forgan, S. (2003). Eine angemessene Häuslichkeit? Frauen und die Architektur der Wissenschaft im 19. Jahrhundert. In T. Wobbe (Hrsg.), Zwischen Vorderbühne und Hinterbühne. Beiträge zum Wandel der Geschlechterbeziehungen in der Wissenschaft vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart (S. 137–157). Transcript.

    Google Scholar 

  • Foucault, M. (1991). Die Ordnung des Diskurses. Fischer.

    Google Scholar 

  • Foucault, M. (1992). Archäologie des Wissens (5. Aufl.). Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Freyer, H. (1930). Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft. Logische Grundlegung des Systems der Soziologie. Teubner.

    Google Scholar 

  • Freyer, H. (1948). Weltgeschichte Europas (2 Bde). Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung.

    Google Scholar 

  • Freyer, H. (1955). Theorie des gegenwärtigen Zeitalters. Deutsche Verlagsanstalt.

    Google Scholar 

  • Gelhard, A., Alkemeyer, T. & Ricken, N. (Hrsg.). (2013). Techniken der Subjektivierung. Fink.

    Google Scholar 

  • Gummert, M. (1979). Rede einer selbstbewußten Professorenfrau. Ein Dokument. Kursbuch, 58, 85–100.

    Google Scholar 

  • Haar, I., & Fahlbusch, M. (Hrsg.). (2005). German scholars and ethnic cleansing, 1919–1945. Berghahn.

    Google Scholar 

  • Hnilica, S. (2018). Der Glaube an das Grosse [sic] in der Architektur der Moderne. Grossstrukturen der 1960er und 1970er Jahre. Park Books.

    Google Scholar 

  • Jantke, C. (1953). Bergmann und Zeche. Die sozialen Arbeitsverhältnisse einer Schachtanlage des nördlichen Ruhrgebiets in der Sicht der Bergleute. Mohr Siebeck.

    Google Scholar 

  • Kantorowicz, E. (1957). The King’s two bodies. A study in medieval political theology. Princeton University Press.

    Google Scholar 

  • Koelbl, H. (2020). Faszination Wissenschaft. 60 Begegnungen mit wegweisenden Forschern unserer Zeit. Knesebeck.

    Google Scholar 

  • Kuhn, T. S. (1989). Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen (10. Aufl.). Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Mackensen, R., et. al. (Bearb.). (1959). Daseinsformen der Großstadt. Typische Formen sozialer Existenz in Stadtmitte, Vorstadt und Gürtel der industriellen Großstadt. Mohr.

    Google Scholar 

  • Oberkrome, W. (1993). Volksgeschichte. Methodische Innovation und völkische Ideologisierung in der deutschen Geschichtswissenschaft 1918–1945. Vandenhoeck & Ruprecht.

    Google Scholar 

  • Parthey, H. (Hrsg.). (1990a). Das Neue. Seine Entstehung und Aufnahme in Natur und Gesellschaft. Akademie.

    Google Scholar 

  • Parthey, H. (1990b). Entdeckung, Erfindung und Innovation. In H. Parthey (Hrsg.), Das Neue. Seine Entstehung und Aufnahme in Natur und Gesellschaft (S. 97–148). Akademie.

    Google Scholar 

  • Pitz, E. (1964). Geschichtliche Strukturen. Betrachtungen zur angeblichen Grundlagenkrise der Geschichtswissenschaft. Historische Zeitschrift, 198, 265–305.

    Article  Google Scholar 

  • Raphael, L. (1994). Die Erben von Bloch und Febvre. Annales-Geschichtsschreibung und nouvelle histoire in Frankreich 1945–1980. Klett.

    Google Scholar 

  • Ritter, G. (1950). Gegenwärtige Lage und Zukunftsaufgaben deutscher Geschichtswissenschaft. Eröffnungsvortrag des 20. Deutschen Historikertages in München am 12. September 1949. Historische Zeitschrift, 170, 1–22.

    Article  Google Scholar 

  • Ritter, G. (1951). Zum Begriff der „Kulturgeschichte“. Historische Zeitschrift, 171, 293–302.

    Article  Google Scholar 

  • Ritter, G. (1955). Leistungen, Probleme und Aufgaben der internationalen Geschichtsschreibung zur neueren Geschichte. In Relazioni del X. Congresso Internazionale degli Scienze Storiche (Bd. VI, S. 169–330). Sansoni.

    Google Scholar 

  • Ritter, G. (1966). Wissenschaftliche Historie einst und jetzt. Betrachtungen und Erinnerungen. Historische Zeitschrift, 202, 574–602.

    Article  Google Scholar 

  • Rüsen, J. (1983). Historische Vernunft. Grundzüge einer Historik I: Die Grundlagen der Geschichtswissenschaft. Vandenhoeck & Ruprecht.

    Google Scholar 

  • Rüsen, J. (1986). Rekonstruktion der Vergangenheit. Grundzüge einer Historik II: Die Prinzipien der historischen Forschung. Vandenhoeck & Ruprecht.

    Google Scholar 

  • Rüsen, J. (1989). Lebendige Geschichte. Grundzüge einer Historik III: Formen und Funktionen des historischen Wissens. Vandenhoeck & Ruprecht.

    Google Scholar 

  • Schregel, S. (2016). Interdisziplinarität im Entwurf. Zur Geschichte einer Denkform des Erkennens in der Bundesrepublik (1955–1975). NTM. Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin, 24, 1–37.

    Article  Google Scholar 

  • Schülein, J. A., & Reitze, S. (2012). Wissenschaftstheorie für Einsteiger (3. Aufl.). WUV.

    Google Scholar 

  • Seiffert, H. (1983/1985). Einführung in die Wissenschaftstheorie (3 Bde). Beck.

    Google Scholar 

  • Wagner, F. (1961). Begegnungen von Geschichte und Soziologie bei der Deutung der Gegenwart. Historische Zeitschrift, 192, 607–624.

    Article  Google Scholar 

  • Weber, W. (1984). Priester der Klio. Historisch-sozialwissenschaftliche Studien zur Herkunft und Karriere deutscher Historiker und zur Geschichte der Geschichtswissenschaft 1800–1970. Lang.

    Google Scholar 

  • Weingart, P. (Hrsg.). (1973/1974). Wissenschaftssoziologie (2 Bde.). Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Wittram, R. (1958). Das Faktum und der Mensch. Bemerkungen zu einigen Grundfragen des Geschichtsinteresses. Historische Zeitschrift, 185, 55–87.

    Article  Google Scholar 

  • Wolgast, E. (1992). Die neuzeitliche Geschichte im 20. Jahrhundert. In J. Miethke (Hrsg.), Geschichte in Heidelberg. 100 Jahre Historisches Seminar. 50 Jahre Institut für Fränkisch-Pfälzische Geschichte und Landeskunde (S. 127–157). Springer.

    Google Scholar 

  • Zill, R. (2020). Der absolute Leser. Hans Blumenberg. Eine intellektuelle Biographie. Suhrkamp.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Thomas Etzemüller .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2023 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Etzemüller, T. (2023). Revolution oder Verschiebung? Das Neue als inszeniert Nicht-Neues. Ein Fallbeispiel aus wissenschaftssoziologischer Perspektive. In: Jaeger, F., Voßkamp, S. (eds) Wie kommt das Neue in die Welt?. Abhandlungen zur Medien- und Kulturwissenschaft. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-65196-4_12

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-65196-4_12

  • Published:

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-662-65195-7

  • Online ISBN: 978-3-662-65196-4

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

Publish with us

Policies and ethics