Das Altern als Zukunft-Projekt untersucht Einflüsse von strukturellen Dynamiken in modernen Gesellschaften auf personalisierte und allgemeine Altersbilder, Zeitmanagement sowie Vorsorge- und Zukunftshandeln im Lebenslauf mit vielfältigen methodischen Ansätzen. In diesem Rahmen wurden multidisziplinäre, multikulturelle, multimethodische und längsschnittliche Vorgehensweisen miteinander verknüpft. Aus psychologischer, soziologischer und gerontologischer Perspektive wurden zentrale Konstrukte der drei, eng miteinander verzahnten Themenfelder über einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren in zunächst drei und in der letzten Erhebungsphase insgesamt sogar fünf Ländern (Deutschland, Vereinigte Staaten von Amerika, Hongkong, Taiwan und Tschechien) untersucht. In verschiedenen Teilbereichen des Projekts konnten dabei unterschiedliche empirische Methoden eingesetzt und miteinander kombiniert werden: problem-zentrierte und teilweise biographisch-narrative Interviews, strukturierte Fragebogenerhebungen und Online-Befragungen. Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die Vorgehensweise und den Ablauf der Erhebungen der verschiedenen Teilprojekte in Deutschland, USA, Hongkong sowie ab 2016 auch in Taiwan und Tschechien.

Die drei zentralen Themenfelder des Projekts Altern als Zukunft wurden mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen in den beteiligten Teilprojekten und Ländern im Zeitverlauf über drei gemeinsame Erhebungswellen im Abstand von fünf Jahren sowie zusätzlichen dazwischengeschalteten Erhebungen mit Online-Befragungen im 2-Jahres-Abstand untersucht. Der Schwerpunkt des Teilprojekts der Fragebogenstudie lag auf der Untersuchung der Determinanten, Bereichsspezifität und Wirkungen von Altersbildern; im Teilprojekt der Online-Befragungen lag der Schwerpunkt auf Determinanten, Erwartungen und Planung des Vorsorge- und Zukunftshandelns; das Teilprojekt der qualitativen Interviews fokussierte insbesondere auf das Thema des Zeitmanagements und der Zeitsouveränität. Abb. 2.1 gibt einen Überblick über die thematischen Schwerpunkte und methodischen Vorgehensweisen in den drei miteinander vernetzten Teilprojekten.

Abb. 2.1
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Themenschwerpunkte und Methoden der drei Teilprojekte

Zu Beginn (in den Jahren 2008/09) lag der Schwerpunkt stärker auf der Untersuchung von kontext- und bereichsspezifischen Einflüssen auf Altersbildern und auf der Erfahrung der Ambivalenz von Zeitlichkeitsstrukturen im Lebenslauf. In der zweiten gemeinsamen Erhebungswelle (2013/14) wurden dann schwerpunktmäßig Aspekte des Zusammenspiels von Altersbildern und dem Vorsorge- und Zukunftshandeln aus verschiedenen disziplinären, methodischen Zugängen fokussiert und im Hinblick auf kulturelle Differenzierungen analysiert. In der dritten generellen Erhebungswelle (2018/19) kamen dann weitere Schwerpunkte hinzu, die sich insbesondere der vierten Lebensphase, der Vulnerabilität und dem Umgang mit Endlichkeit und Lebensende widmeten. Darüber hinaus wurden im Rahmen der Online-Erhebungen drei zusätzliche Zwischenerhebungen in den Jahren 2012, 2016 und 2020 durchgeführt.

Im Folgenden werden die drei methodischen Ansätze (Fragebogen, Online-Befragungen, Interviews) im Detail beschrieben. In einem letzten Absatz gehen wir auf Fragen der Übersetzung der Erhebungsinstrumente und Leitfäden in die Sprachen der beteiligten Länder, auf die Vernetzung der Teilprojekte untereinander und auf das Vorgehen der Archivierung der Daten für zukünftige Forschungsarbeiten zu diesen Themen ein.

2.1 Die Fragebogenstudie

Für das Projekt wurde ein strukturierter Fragebogen entwickelt, der zu sämtlichen inhaltlichen Fragekomplexen des Projektes (Altersbilder, Vorsorge, Zeiterleben und -management) relevante Konstrukte enthält, der Schwerpunkt lag dabei auf einer differenzierten Erfassung von altersbezogenen Vorstellungen und Einstellungen. Tab. A1 in Anhang A enthält eine Übersicht der wesentlichen Inhaltsbereiche des Instrumentes. Nahezu alle Bestandteile des Fragebogeninstrumentes wurden für die Zwecke des Projektes neu entwickelt, um eine möglichst dichte und detaillierte Erfassung der relevanten Konstrukte zu ermöglichen. Insbesondere wurden für die Bereiche der Altersbilder, der altersbezogenen Vorsorge und des subjektiven Alters- und Zeiterlebens Skalen entworfen, die diese Konstrukte in bereichsspezifischer Form erfassen. Weiterhin wurden personalisierte, d. h. auf die eigene Person und das eigene Altern bezogene Vorstellungen separat von allgemeinen, d. h. auf die Gruppe älterer Menschen bezogenen Einstellungen erhoben. Mit diesen solchermaßen differenzierten Instrumenten ist eine multidimensionale und multidirektionale Erfassung des Alterserlebens und Altershandelns möglich, die auch innerhalb einzelner Individuen die inhaltliche Vielschichtigkeit altersbezogener Einstellungen abbilden kann.

Die Vielzahl der abgebildeten Konstrukte aus dem Bereich des Alterserlebens und Altershandelns sowie die multidimensionale Erfassung der einzelnen Konstrukte ist ein Alleinstellungsmerkmal der vorliegenden Fragebogenstudie. Dieser Ansatz geht über bisher existierende Panelstudien hinaus, in denen altersbezogene Konstrukte typischerweise als homogen aufgefasst und lediglich über eindimensionale Skalen (z. B. positives vs. negatives Altersbild) bzw. über Einzelaussagen (Menge der finanziellen Vorsorge, generelles Alterserleben – z. B. subjektives Alter, Ausmaß der erlebten Altersdiskriminierung) erfasst werden.

Die Kernbestandteile des Instrumentes wurden in nahezu unveränderter Form über sämtliche Messzeitpunkte hinweg eingesetzt, um längsschnittliche Vergleiche zu ermöglichen und somit Alters- und Kohorteneffekte voneinander trennen zu können. Andere Konstrukte wurden im Zuge der thematischen Erweiterung des Projektes in den Kanon der erfassten Variablen mitaufgenommen (siehe Anhang, Tab. A1).

Testtheoretische Gütekriterien und Messinvarianz der Fragebogenskalen

Zur Absicherung der messtheoretischen Eigenschaften der neu entwickelten Skalen wurden Faktoren- und Reliabilitätsanalysen eingesetzt. Insbesondere für die Instrumente zur Erfassung von Altersbildern und Altersvorsorge konnte die bereichsspezifische Struktur durch konfirmatorische Analysen bestätigt werden – offenbar sind die Einstellungen und Verhaltenstendenzen zu altersbezogenen Themen in verschiedenen Lebensbereichen (z. B. Familie, Arbeit, Freizeit, Gesundheit, Aussehen, Freunde) weitgehend unabhängig voneinander und bilden jeweils eigenständige Überzeugungs- und Verhaltensdispositionen ab (Kornadt & Rothermund, 2011a, 2014; Kornadt et al., 2020). Die Messgenauigkeit (Reliabilität) der neu entwickelten Instrumente ist zufriedenstellend bis sehr gut.

Ein wesentliches Ziel des Projektes besteht in einem systematischen Vergleich altersbezogener Einstellungen zwischen Altersgruppen und Ländern. Solche Vergleiche setzen voraus, dass die eingesetzten Skalen in den verschiedenen Gruppen und kulturellen Kontexten dasselbe messen. Technisch handelt es sich bei dieser Frage um die sogenannte Messinvarianz der Skalen, die über einen Vergleich der Korrelations- und Mittelwertsstruktur der Skalen in den verschiedenen Gruppen geprüft werden kann (Milfont & Fischer, 2010). Entsprechende Analysen konnten eine Messinvarianz der Instrumente zwischen Altersgruppen und Ländern bestätigen (de Paula Couto et al., 2021a; Kornadt et al., 2019; Voss et al., 2018).

Design, Stichprobe und Rekrutierung der Fragebogenstudie

Die Fragebogenstudie nutzt im Kern ein quersequentielles Design (Schaie & Hofer, 2001), bei dem an den Personen einer altersstratifizierten Stichprobe zu mehreren Messzeitpunkten in mehrjährigen Abständen dieselben Konstrukte/Variablen erhoben werden. Ein solcher Erhebungsansatz erlaubt die Trennung und separate Schätzung von Alters- und Kohorteneffekten: Altersbedingte Veränderungen werden über längsschnittliche Veränderungen, Generationeneffekte dagegen über den Vergleich von Altersgruppen innerhalb desselben Messzeitpunkts geschätzt. Messzeitpunkt- und -wiederholungseffekte lassen sich über den Vergleich von Personen gleichen Alters, die zu verschiedenen Messzeitpunkten befragt wurden, analysieren; hierzu werden auch Daten erstmalig mit bereits wiederholt befragten Teilnehmerinnen und Teilnehmern verglichen.

Für die deutsche Teilstichprobe wurden drei Messzeitpunkte in jeweils 5-jährigen Intervallen realisiert (2009, 2014, 2019), für die Stichproben in den USA und Hongkong liegen zwei Messzeitpunkte vor (2014, 2019), für die Länder Taiwan und Tschechien wurde eine Erhebungswelle durchgeführt (2019). Die Teilnehmende der deutschen Stichprobe deckten zum ersten Erhebungszeitpunkt den Altersbereich von 30–80 Jahren ab. Hierbei wurde darauf geachtet, dass die fünf Dekaden (30–40, 41–50, 51–60, 61–70, 71–80) jeweils gleich stark besetzt waren und ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis besaßen. Bei den Folgeerhebungen 2014 und 2019 wurden in den neu hinzugekommenen Ländern jeweils Stichproben rekrutiert, deren Altersbereich der – inzwischen um 5 bzw. 10 Jahre älteren – deutschen Stichprobe entsprach (Erhebung 2014: Altersbereich 35–85 Jahre; Erhebung 2019: Altersbereich 40–90 Jahre). Bei den Folgemessungen (D: T2, T3; USA, HK: T3) wurden zunächst die Teilnehmenden der vorangehenden Erhebung(en) kontaktiert und um eine erneute Teilnahme gebeten. Zusätzlich wurden neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer rekrutiert, um auch innerhalb der jeweiligen Messzeitpunkte innerhalb jedes Landes jeweils eine nach Alter und Geschlecht balancierte Stichprobe zu erhalten.

Die Rekrutierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfolgte in den verschiedenen Ländern auf unterschiedlichem Wege. Für die deutsche Stichprobe wurden uns von den Einwohnermeldeämtern der Städte Jena und Erlangen Adresslisten zur Verfügung gestellt, aus denen eine alters- und geschlechtsstratifizierte Zufallsauswahl von Personen schriftlich kontaktiert und um ihre Teilnahme an dem Forschungsprojekt gebeten wurde. Die Teilnahme wurde mit einer Aufwandsentschädigung vergütet. In den USA und in Tschechien wurde die Rekrutierung von Feldforschungsfirmen organisiert. Die Personen stammten dabei aus der Region Wake County (USA), sowie aus den Städten Pilsen und Brünn (Tschechien). In Hongkong und Taiwan wurden Personen über lokale Kontaktstellen (Gemeinden, Alterszentren) sowie über Feldforschungsfirmen rekrutiert. Die Erhebung in Taiwan beschränkte sich auf Bewohner der Stadt Tainan.

Die Tab. B1 (Anhang B) gibt einen Überblick über die jeweiligen Stichprobengrößen der insgesamt drei Messzeitpunkte in den beteiligten Ländern. Hier finden sich auch Angaben zu demographischen Merkmalen sowie zum Anteil der Personen, für die längsschnittliche Daten für die jeweiligen Intervalle (T1-T2, T1-T3, T2-T3, T1-T2-T3) vorliegen. Trotz unterschiedlicher Rekrutierungsstrategien in den verschiedenen Ländern wurden Stichproben gezogen, die als annähend repräsentativ für die jeweiligen Altersbereiche gelten können, wobei bestimmte gesellschaftliche Gruppen unterrepräsentiert sind (insbesondere ältere Menschen, die in Institutionen leben).

2.2 Die Online-Studie

Im Rahmen der Online-Studie wurde das Vorsorgehandeln im Kontext von subjektiven Zeit- und Zukunftsvorstellungen im Zeitverlauf untersucht. Im Vordergrund der Online-Studien stand die Erhebung des Vorsorgehandelns im Hinblick auf zentrale Vorsorgethemen wie Finanzen, Pflege, Wohnen, Einsamkeit sowie Sterben und Tod. Dabei spielte eine wesentliche Rolle, wie sich persönliche Fristen der Planung des Vorsorgehandelns an die jeweiligen subjektiven Konstruktionen der eigenen Zukunft über die Zeit verschieben oder anpassen.

Für das Projekt wurde eine strukturierte Online-Erhebung programmiert, deren Schwerpunkt auf einer aktivitätsbezogenen, differenzierten und alltagsnahen Erfassung des Vorsorge- und Zukunftshandelns lag, sowie auf einer mehrdimensionalen Abfrage verschiedener Aspekte des persönlichen Zeit- und Zukunftserlebens. Einen Überblick über die Inhaltsbereiche der Online-Studie gibt die Tab. A2 in Anhang A.

Einige zentrale Bestandteile der Online-Befragung wurden völlig neu für das Projekt entwickelt. Zugleich wurden diese neuen Konstrukte ergänzt durch eine Erhebung zahlreicher schon gut etablierter Erhebungsskalen und -instrumente aus der Alterns- und Persönlichkeitsforschung, um eine möglichst zuverlässige und auch belastbare Einordnung der Befunde zu ermöglichen und um die Gültigkeit und Validität der erhobenen Konstrukte abzusichern.

Für die Bereiche der Vorsorgeplanung und des Zukunftsdenkens wurden anschauliche graphische Elemente bei der Online-Befragung eingesetzt, die es ermöglichten, auch komplexe Sachverhalte des Vorsorgehandelns, wie etwa subjektive Fristen der Vorsorgeplanung oder auch persönliche Bewertungen und Einschätzungen möglichst intuitiv und alltagsnah zu erfassen. Mit diesem Vorgehen erlaubte insbesondere eine differenzierte Erfassung von themenspezifischen und vielschichten Aspekten des Zukunftshandelns im Zusammenhang mit subjektiven Sichtweisen auf die eigene Zukunft. Darüber hinaus konnten im Rahmen der Online-Studie auch einige Fragen aus der oben dargestellten Fragebogenstudie eingesetzt werden, was auch einen Vergleich und Abgleich zwischen den Befunden aus beiden Studien erlaubte.

Alle Kernbestandteile des Instrumentes wurden in Verlauf der Online-Studie in überwiegend identischer Form über sämtliche Messzeitpunkte hinweg beibehalten, um längsschnittliche Vergleiche zu ermöglichen und zugleich auch Alters- und Kohorteneffekte voneinander trennen zu können.

Zuverlässigkeit und Validität der Online-Studie

Bei Erhebungen mit Online-Studien wird meist eingewendet, dass diese auch viele Nachteile haben, insofern sie beispielsweise eine Kenntnis im Umgang mit Computern und dem Internet erfordern. Während der Laufzeit des Projekts gab es in den beteiligten Ländern diesbezüglich auch große Fortschritte bei der Digitalisierung, die sich auch in einer zunehmenden Angleichung der Stichproben zwischen Online- und Fragebogenstudie im Zeitverlauf andeutet (vgl. Tab. B1 und B2 im Anhang B). Das gewählte Vorgehen der Online-Studie erschien aber auch aus mehreren Gründen besonders gut geeignet für die Untersuchung der zentralen Fragestellungen des Projekts Altern als Zukunft:

Erstens war es so möglich, eine Filterführung bei der Programmierung der Online-Befragung einzuplanen, bei der eine schnellere und erleichterte Bearbeitung möglich war, weil Fragen nur gestellt wurden, wenn diese zu vorangegangenen Antworten passten (z. B. wenn nur Eltern nach ihren Kindern gefragt werden).

Zweitens erlaubte es die Nutzung graphischer Elemente an einigen Stellen, wo dies geboten schien auf vorgegebene Antwort- bzw. Bewertungsstufen zu verzichten. So wurde beispielsweise die subjektive Position im eigenen Lebenslauf zwischen Anfang und Ende des Lebens anhand eines symbolischen Lebensstrahls erhoben, bei dem die Befragten mittels eines verschiebbaren Balkens genau einstellen konnten, an welchem Punkt ihres Lebenslaufes sie sich aktuell verorteten.

Drittens war es bei den Online-Befragungen auch möglich, die teilnehmenden Personen in verschiedene Gruppen aufzuteilen, in denen eine Aufgabe (z. B. die Planung des nächsten Tages) unter verschiedenen Bedingungen (z. B. „entspannter“ Tag versus „aktiver“ Tag) bearbeitet werden konnte (John & Lang, 2015).

Viertens war es im Rahmen der Online-Befragungen möglich verschiedene Zielgruppen aus unterschiedlichsten Kontexten, beispielsweise über die gezielte Ansprache in Online-Foren, sozialen Netzwerken und über schon vorhandene Listen von interessierten Personen, was auch eine hohe Heterogenität der Stichprobe in Bezug auf die Zusammensetzung nach Alter und sozialer Herkunft erlaubte. Ungeachtet dessen waren bei den Online-Befragungen, wie es aus anderen Online-Studien bekannt ist, bestimmte soziale Gruppen wie Frauen und höher gebildete Personen (z. B. mit Hochschulabschluss) eher überrepräsentiert. Allerdings konnten aufgrund der heterogenen Verteilung solcher Merkmale in der Stichprobe, mögliche verzerrende Einflüsse auf die Ergebnisse zumeist statistisch kontrolliert werden. Allerdings können weitergehende und nicht detektierte Verzerrungen der Befunde durch nicht beobachtete Merkmale in der Stichprobenselektivität auch hier nicht ausgeschlossen werden. Eine Strategie im Umgang mit dieser Problematik bestand darin, dass für einige zentrale Variablen auch Erhebungsinstrumente aus der Fragebogenstudie (siehe Abschn. 4.1) und aus repräsentativen Surveys (z. B. Deutscher Alterssurvey) eingesetzt wurden, so dass auch Abgleiche der Befunde anhand solcher Markervariablen möglich war, um Effekte der Stichprobenverzerrung zu erkennen. Hinzu kommt, dass die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer in den jeweils beteiligten Ländern je nach deren Rahmenbedingungen etwas unterschiedlich rekrutiert. In China wurden die Teilnehmer für die Online-Studie über eine eigens dazu beauftragte Firma rekrutiert, während in Deutschland und den USA über vorhandene Pools und Zeitungsaufrufe interessierte Personen für die Teilnahme gewonnen wurden.

Fünftens ermöglichte die Methode der Online-Befragung eine vereinfachte Übertragung des Erhebungs- und Abfrageprogramms in andere Sprachen wie Englisch, chinesische Schriftzeichen und Tschechisch und die Erhebungen konnten in den verschiedenen Partnerländen von einem gemeinsamen Rechenzentrum an der Universität Erlangen-Nürnberg aus durchgeführt und in einer gemeinsamen Datenbank verarbeitet werden.

Design, Stichprobe und Rekrutierung der Online-Studie

Die Online-Studie stützt sich auf ein gemischtes Quer- und Längsschnittdesign, welches mit erster Piloterhebung in Deutschland im Jahr 2009 begann. Die Tab. B2 (Anhang B) gibt einen Überblick über die jeweiligen Stichprobengrößen der insgesamt drei Messzeitpunkte in den beteiligten Ländern. In dieser ersten Phase des Projekts stand zunächst die Entwicklung des Erhebungsvorgehens und der Skalen im Vordergrund. Ab 2012 folgten dann alle 2 Jahre wiederholte Datenerhebungen, wobei in den verschiedenen Wellen vereinzelt auch Ergänzungen des Erhebungsinstruments vorgenommen wurden. Insgesamt wurden fünf Datenerhebungen in den Jahren 2009, 2012, 2014, 2016 und 2018 erfolgreich abgeschlossen.

In allen beteiligten Partnerländern wurden die Probandinnen und Probanden in einer jeweils gleichen Altersspanne von in der Regel zwischen 20 und 90 Jahren rekrutiert. Die ursprünglich deutsche Stichprobe mit 591 Personen wurde 2014 um 140 Personen aus den USA und 348 aus Hongkong erweitert. Im Jahr 2016 kamen dann 446 Personen aus Taiwan und im Jahr 2018 nochmals 529 Personen aus Tschechien hinzu. Somit nahmen insgesamt 2054 Personen aus fünf Ländern mindestens einmal an den Online-Befragungen teil.

Im Jahr 2016 nahmen über alle beteiligten Länder hinweg rund 55 % Prozent der Personen teil, die auch schon 2012 teilgenommen hatten. Über alle Erhebungszeitpunkte zwischen 2009 bis 2018 und über alle beteiligten Länder hinweg haben insgesamt 3644 an den Online-Befragungen teilgenommen. Von den 1717 Personen aus Deutschland nahmen 30 % mindestens zweimal an einer Befragung teil, von den 315 aus den USA nahmen rund 59 % mindestens zweimal teil, von den 448 aus Hongkong nahmen 61 % zweimal teil, von den 635 Personen aus Taiwan nahmen 15 % zweimal teil und die 529 Personen aus Tschechien nahmen nur an einer Erhebung im Jahr 2018 teil. An einer jüngsten Datenerhebungswelle in Deutschland, die abschließend im Jahr 2020 stattfand, nahmen insgesamt rund 2500 (wiederkehrende sowie erstmalige) Personen teil mit einer Ausschöpfungsquote zwischen 35 und 70 % (bezogen auf die vorangegangenen Erhebungswellen). Die Daten dieser Erhebungswelle wurden hier noch nicht berücksichtigt. Einen Überblick über die jeweiligen Stichprobengrößen in den beteiligten Ländern für jeweils mindestens zwei Messzeitpunkte gibt die Tab. A2 im Anhang A. Dargestellt werden Angaben zum Alter, Geschlecht und Bildung, sowie zum Anteil der Personen, die wiederholt an Erhebungen teilnahmen. Aus Gründen der sparsamen Darstellung finden sich dort nur Angaben für die Anteile derjenigen, die neben der aktuellen Erhebung an der vorhergehenden Erhebung (T2-T3, T3-T4) und an der ersten Erhebung (T1-T2, T1-T3, T1-T4) teilgenommen hatten. Trotz teilweise unterschiedlicher Rekrutierungsstrategien in den verschiedenen Ländern spiegeln die so gewonnenen Stichproben eine ausreichend große Heterogenität wider, um mögliche Verzerrungen durch die Selektivität der Rekrutierung statistisch überprüfen und kontrollieren zu können.

2.3 Die qualitative Interviewstudie

Anders als die quantitativ orientierte, mit großen Datensätzen operierende Sozialforschung zielen qualitative empirische Studien nicht auf statistische Repräsentativität, also darauf, durch eine geeignete Stichprobenziehung und weitere methodische Vorkehrungen valide wissenschaftliche Aussagen über große Bevölkerungsgruppen, z. B. über ältere Menschen in Deutschland, tätigen zu können. In der qualitativen Sozialforschung wird im Gegenteil mit kleinen Fallzahlen hantiert, und typischerweise geht es darum, über die Untersuchung von Einzelfällen sozialen Deutungsmustern, Handlungsorientierungen und Verhaltensstrukturen auf die Spur zu kommen (vgl. Flick et al., 2019). Etwas plakativ ließe sich sagen, dass qualitative Studien weniger in die Breite als vielmehr in die Tiefe ihres Gegenstandes gehen. Gleichwohl haben auch sie den – je nach Ansatz allerdings recht unterschiedlich ausgeprägten – Anspruch, sich über das Besondere des Einzelfalls das Allgemeine eines größeren Zusammenhangs zu erschließen, sprich in unserem Fall aus intensiven Gesprächen mit recht wenigen Älteren zu durchaus belastbaren Befunden über Strukturmomente der Lebensführung im Alter zu gelangen. Was in diesem Sinne von qualitativer Forschung bezweckt wird, ist die Sicherstellung der „theoretischen Repräsentativität“ ihrer empirisch hergeleiteten Konzepte (vgl. Muckel, 2011). Im Idealfall wird dann der Raum möglicher Positionierungen von gesellschaftlichen Subjekten zu Fragen des eigenen und des sozialen Lebens abgesteckt – so dass zwar nicht die quantitative Verteilung von mehr oder weniger Menschen auf die rekonstruierten Positionierungen bekannt ist, wohl aber deren qualitative Struktur und damit auch der Rahmen des zu bzw. in einer bestimmten Frage gesellschaftlich Sag- und Machbaren. Ganz in diesem Sinne sind etwa die im Zuge unseres Forschungsprojekts identifizierten, unterschiedlichen Spielarten von Alltags- und Lebenszeitstilen im Alter oder des individuellen Umgangs mit dem Wissen um die Endlichkeit der eigenen Existenz zu verstehen: Wir können – jedenfalls allein mit qualitativen Methoden – nicht sagen, wie verbreitet die einzelnen Varianten der Zeitstrukturierung oder des Endlichkeitshandelns unter älteren Menschen sind; wohl aber, dass es empirisch eine begrenzte Zahl und eine spezifische Struktur entsprechender Handlungs- und Orientierungsmuster gibt.Footnote 1

Unsere qualitativen Forschungen im Rahmen des Projekts Altern als Zukunft folgten vor diesem Hintergrund keiner vollkommen offenen Konzeption der Erhebung empirischer Daten, da das spezifische Erkenntnisinteresse durch den Projektzusammenhang bereits vorab gesetzt war: Wir wollten ältere Menschen nach ihren zeitbezogenen Wahrnehmungen und Deutungen sowie ihren Formen der alltags- und lebenspraktischen Zeitgestaltung fragen. Anders gesagt: Wir interessierten uns nicht für ‚alles‘ und auch nicht ausschließlich für die je eigenen Relevanzsetzungen der Befragten, sondern verfolgten eine bestimmte Fragestellung, was es geboten erschienen ließ, die Konstruktion des Instruments zur Datenerhebung auf eben diese Fragestellung auszurichten. Folgerichtig entschieden wir uns für das Erhebungsverfahren des leitfadengestützten, problemzentrierten Interviews, das wir mit biographisch-narrativen Anteilen anreicherten (siehe Anhang A, Tab. A3, Übersicht über Themen und Inhalte der verwendeten Leitfäden).

Das „Problemzentrierte Interview“ (PZI) ist ein maßgeblich von Andreas Witzel (2000) entwickeltes, halbstrukturiertes Befragungsverfahren, das – wie der Name bereits sagt – die Interviewführung gezielt auf das die Forscherinnen und Forscher interessierende Problem hin orientiert, in unserem Fall das Zeithandeln älterer Personen. Der Gesprächsführung liegt ein vorab konstruierter Interviewleitfaden zugrunde, der die Interviewten mithilfe von Erzählimpulsen möglichst frei zu Wort kommen lässt, der Interviewerin und dem Interviewer aber dennoch Gelegenheit gibt, die Befragten immer wieder zu der ‚eigentlichen‘ Problemstellung zurückzuführen. So sehr das Interview damit thematisch gerichtet und vorstrukturiert ist, so sehr gilt es in diesem Rahmen allerdings, eine größtmögliche Offenheit und Flexibilität für unerwartete Gesprächswendungen und den Eigensinn der Interviewpartnerinnen und Interviewpartner zu wahren und somit eine schematisch-sture Abarbeitung des Fragenkatalogs („Leitfadenbürokratie“, vgl. Hopf, 1978) tunlichst zu vermeiden. Von entscheidender Bedeutung für die inhaltliche Ergiebigkeit des PZI ist – wie bei allen qualitativen Interviewformen – die angemessene Formulierung der Einstiegsfrage, die im Erfolgsfall eine ausführliche, selbstbestimmte Eingangserzählung des bzw. der Befragten anregt, an die sich dann verständnisgenerierende Nachfragen oder aber weitere Erzählimpulse der Interviewerin oder des Interviewers anschließen lassen. Im Idealfall können so die vorab geplanten Fragen auf möglichst nahtlose, wie selbstverständlich erscheinende Weise in das Interview eingeführt und eingefügt werden, so dass gleichermaßen den eigenen Sinngebungen und Relevanzsetzungen der Befragten wie auch dem Erkenntnisinteresse der Forscherin oder des Forschers Rechnung getragen werden kann.

In der ersten Erhebungswelle unserer qualitativen Forschung ließen wir die Interviews mit der Frage beginnen, was die Befragten mit dem Begriff des ‚Ruhestands‘ verbinden. Dieser Einstieg war in aller Regel sehr ergiebig und führte mal direkt, mal auf kürzeren oder auch längeren Umwegen – z. B. über Nachfragen bezüglich der Umstände des Renteneintritts bzw. der Wiederherstellung des Alltags nach dem Erwerbsaustritt – zu dem uns im Kern interessierenden ‚Problem‘ der Zeitwahrnehmung und Zeitgestaltung im Alter. Als äußerst fruchtbar und Quelle vielfältiger Anschlüsse erwies sich auch die zumeist recht früh im Interview platzierte Aufforderung an die Befragten, den Ablauf des jeweiligen Vortages möglichst genau zu schildern. Nachdem die Einstiegsfrage nach der persönlichen Bedeutung des Ruhestands mit Abschluss der ersten Projektförderphase theoretisch gesättigt erschien, so dass also in weiteren Interviews keine strukturell neuartigen diesbezüglichen Erzählungen zu erwarten waren, eröffneten wir die Interviews der zweiten Phase mit der stärker biographisch-narrativen Frage nach den wichtigsten Lebensetappen. In ihrer konkreten Formulierung war diese Frage ein Ergebnis des Austausches insbesondere mit dem US-amerikanischen Forschungsteam, für dessen Interview-Personen das biographische Denken in einzelnen, aufeinander folgenden und in sich relativ abgeschlossenen ‚Kapiteln‘ (‚life chapters‘) – einschließlich eines ‚last chapter‘ des höchsten Alters – offenbar durchweg geläufig war. Im deutschen Fall brachte dieser Einstieg das äußerst interessante (in Kap. 5 weiter zu diskutierende) Ergebnis hervor, dass die subjektive Lebenserzählung in Etappen häufig mit dem Ende des Erwerbslebens abschloss, ‚das Alter‘ nicht wenigen Befragten also gar nicht als ein eigenes Kapitel in ihrem persönlichen ‚Buch des Lebens‘ erschien.

Im Verlauf der Interviews setzten wir – allerdings nur in der ersten Erhebungswelle – auch visuelle Methoden ein, nämlich Fotografien mit symbolischem Alters- und Endlichkeitsbezug (ein Baum im Wechsel der vier Jahreszeiten, die Jahresringe eines Baums, der Sandstrahl in einer Sanduhr) sowie stark stilisierte Zeichnungen (unterschiedliche Formen auf- und absteigender bzw. horizontal verlaufender Schlangenlinien sowie verschiedene Varianten spiralförmiger Linien), die allesamt Lebenslinien darstellen sollten. Die an die Interviewten gerichtete Bitte, die auf ihren eigenen Lebensverlauf bzw. ihr Bild vom Altern am ehesten passende Darstellung auszuwählen, führte gleichfalls häufig zu ausführlichen und ergiebigen Stegreiferzählungen. Interessanterweise stellte sich hier heraus, dass bestimmte Bilder (wie der Jahreszeiten-Baum) durchaus interkulturell ‚funktionierten‘, andere hingegen nicht (weswegen z. B. das Forschungsteam in Hongkong nach den ersten Interviews auf das Zeigen des Jahresringe-Bildes verzichtete).

Unsere methodische Vorgehensweise bei der Erhebung und Analyse des Datenmaterials orientierte sich eng an der etablierten Methodologie der Grounded Theory. Dieser, auf die US-amerikanischen Soziologen Barney Glaser und Anselm Strauss zurückgehende und häufig kurz als „GTM“ apostrophierte, qualitative Forschungsansatz (vgl. Mey & Mruck, 2011) zielt im Kern auf eine konsequent empirische – empirisch ge- bzw. begründete – Theoriebildung. Die Entwicklung von analytischen Konzepten und Kategorien hat demnach konsequent aus dem empirischen Material – hier also dem transkribierten Wortlaut der Interviews – heraus zu erfolgen, und nicht etwa durch materialenthobene Ableitungen aus bestehenden Theorien (in unserem Fall z. B. aus dem gegebenen Arsenal soziologischer Alters-, Subjekt- oder Handlungstheorien). Die GTM erschien uns vor allem auch deswegen für unser Vorhaben passend, weil sie das soziale Geschehen gewissermaßen als strukturell situationsabhängig begreift: als eine Frage der Alltagspraxis, deren reale Dynamik und subjektive Deutung nicht etwa vorgegeben ist, sondern sich erst in der Praxis selbst ergibt und sich für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dementsprechend auch erst durch die Praxis hindurch erschließt.

Forschungspraktisch bedeutet dies zum einen, dass im Auswertungsprozess der Interviews ein beständiges Hin- und Herwechseln erfolgt zwischen der engen Arbeit am empirischen Material und der von diesem schrittweise abstrahierenden Theoretisierungsarbeit.Footnote 2 Zum anderen folgt die Zusammenstellung des Samples, also des Kreises der zu untersuchenden Fälle, dem zur empirischen Theoriebildung gewissermaßen komplementären Prinzip der theoretischen Empiriebildung: Es sind, und waren auch im hier präsentierten Forschungsprojekt, die aus der Analyse der ersten Interviews sich ergebenden theoretischen Befunde, die die weitere Rekrutierungsstrategie von Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern bestimmen – und damit letztlich die Struktur des Samples. Gebrochen wurde dieses Prinzip eines sogenannten theoretical sampling im vorliegenden Fall allerdings durch die zu Projektbeginn vorgenommene Festlegung, Personen aus zwei verschiedenen Altersgruppen (60- bis 70- sowie 75- bis 85-Jährige) bzw., im Rahmen der zweiten Erhebungswelle, verstärkt hochaltrige Menschen (über 80 Jahre) befragen zu wollen. Jenseits dessen aber ergaben sich die Charakteristika der im nächsten Forschungsschritt zu suchenden Befragungspersonen aus den jeweils zuvor generierten, empirisch basierten theoretischen Erkenntnissen: Stellte sich in einem Fall das Statusmerkmal des Alleinlebens bzw. der Verwitwung als bedeutsam für die konkrete Form des Alltags- oder Lebenszeithandelns dar, so suchten wir im nächsten Schritt verheiratete bzw. verpartnerte Ältere als kontrastierende Fälle. In analoger Weise war etwa die empirisch feststellbare Bedeutung des Vorliegens von Sorgearbeitsverpflichtungen für das individuelle Zeitmanagement von Frauen Anlass dafür, zum Vergleich auch ältere, ihre Partnerinnen und Partner pflegende Männer in das Sample miteinzubeziehen.

Im Ergebnis wurden im deutschen Fall insgesamt 80 Interviews (in den USA, Hongkong und Taiwan 60, in Tschechien 30 Interviews) geführt, wobei sich die Samples zwar nicht als bevölkerungsrepräsentativ, soziodemographisch und sozialstrukturell aber als durchaus heterogen erwiesen (vgl. Übersicht der Interviewten in Anhang B, Tab. B3). Im deutschen Sample konnten durch die zwei Erhebungszeitpunkte im Rahmen der beiden Projektförderphasen, aber auch durch Rückgriffe auf in früheren Forschungsprojekten befragte PersonenFootnote 3, in insgesamt 18 Fällen Zweitbefragungen ein und derselben Person vorgenommen werden. Die Erstbefragten wurden mithilfe von Aushängen in Senioreneinrichtungen, über Zeitungsanzeigen, ein (theoretisch begründetes) Schneeballprinzip sowie bestehende Datenbanken mit Probandinnen und Probanden der quantitativen Teilprojekte rekrutiert. Die Erhebungen fanden in einer west- und einer ostdeutschen Stadt und deren unmittelbar angrenzenden Gemeinden statt, beide Städte wiesen eine ähnliche Einwohnerzahl und Soziodemographie sowie eine vergleichbare soziale Infrastruktur auf.

Wesentliche Teile der skizzierten Methoden der Datenerhebung und -analyse wurden durch die internationalen Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner übernommen und in analoger Weise durchgeführt, dabei aber an die lokalen Gegebenheiten sowie an die fachlichen Qualifikationen der jeweiligen Projektteams angepasst. Die amerikanische Erhebung fand in einer Großstadt des Mittleren Westens und deren Einzugsgebiet statt, die tschechische Erhebung in einer dortigen Großstadt. Die Befunde aus der hochgradig internationalisierten Metropolregion Hongkong konnten in der zweiten Förderphase mit Daten aus einer ländlicheren, kulturell traditionelleren Region Taiwans verglichen werden. Im Fall Hongkongs ergab sich die Besonderheit, dass die Interviewten aus dem Kreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den dortigen quantitativen Studien rekrutiert wurden, weswegen deren soziodemographische und sozialstrukturelle Zusammensetzung besonders ausgeglichen war.

Im deutschen Sample hingegen, aber auch im US-amerikanischen, war im Endeffekt ein deutlicher Überhang von Befragten aus Mittelschichtshaushalten zu verzeichnen (ein Umstand, der in Kap. 5 zu problematisieren sein wird). Für die deutsche Studie, die bei der Darstellung der Forschungsbefunde in diesem Band im Vordergrund stehen wird, ist darauf hinzuweisen, dass der Altersunterschied zwischen der jungen Interviewerin und den älteren, teilweise hochaltrigen Befragten in einem Teil der Interviews durchaus thematisch wurde und im Einzelfall auch die Positionierungen der Probandinnen und Probanden zu den verhandelten Fragen beeinflusst haben dürfte.

Die methodischen Herausforderungen einer interkulturell vergleichenden, mehrsprachig durchgeführten qualitativen Alter(n)sforschung wurden in dem langjährigen Prozess unserer internationalen Forschungskooperation ausführlich und wiederkehrend thematisiert und mündeten in einen gemeinsamen wissenschaftlichen Artikel zur Frage der „Betriebsblindheit“ der jeweiligen Forscherinnen und Forscher für die kulturellen, sozialen und institutionellen Spezifika ihres lokalen Kontexts (Lessenich et al., 2018).

2.4 Vernetzung der Teilstudien

Die methodologischen Vorteile des Projekts Altern als Zukunft ergeben sich aus der Diversität sich ergänzender Methoden und die umfassenden Datensätze, welche im Rahmen des Projektes durch die kombinierte Expertise von Forschern unterschiedlicher Disziplinen und aus verschiedenen Ländern entstanden sind. Quantitative Studien wurden mit qualitativen Interviews innerhalb und über Länder hinweg kombiniert und über den Zeitraum von zehn Jahren zwischen 2010 und 2020 durchgeführt. Alle Fragebögen, Skalen und Interviewleitfäden wurden in enger Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Projektteilen und mit den internationalen Kooperationspartnern entwickelt. Die Entwicklung der Instrumente fand in einem mehrstufigen Prozess statt, welcher Interviews und Gruppendiskussionen mit älteren Erwachsenen umfasste. Obwohl jedes der Teilprojekte einen eigenen Forschungsschwerpunkt hat, gab es auch Überschneidungen zwischen den inhaltlichen Themenstellungen der Teilprojekte sowie Überlappungen in den untersuchten Stichproben welche einen Austausch der Ergebnisse und eine kombinierte Analyse der Daten erlauben. Im Folgenden stellen wir zunächst das Vorgehen bei der Entwicklung und Übersetzung der eingesetzten und großenteils neu entwickelten Skalen und Fragen der Erhebungsinstrumente vor. Daran anknüpfend stellen wir exemplarisch einige der Vernetzungen und Querbezüge der verschiedenen Teilprojekte dar, um den Mehrwert der sich so ergebenden Erkenntnisse zu verdeutlichen. Abschließend wird auf die Archivierung des entstandenen Datenkorpus und dessen Bereitstellung für zukünftige Forschung und den wissenschaftlichen Nachwuchs eingegangen.

2.4.1 Entwicklung und Übersetzung der neu entwickelten Skalen

Jedes Messinstrument und der Interviewleitfaden durchliefen einen sorgfältig ausgeführten Prozess der Übersetzung und Rückübersetzung und wurden für den internationalen Gebrauch pilotiert und optimiert bevor sie in den USA, in China, Taiwan und in Tschechien eingesetzt wurden. Dieser Prozess der Selektion und Übersetzung hat zu den guten statistischen Eigenschaften der im Rahmen der Altern als Zukunft Studie verwendeten Maße, Konstrukte und Skalen beigetragen. Für die meisten der neu entwickelten Skalen wurden zunächst offene Interviews zu den jeweiligen Themenbereichen mit Menschen unterschiedlichen Alters geführt, um die Bereichsvielfalt und das Spektrum der wesentlichen Inhalte zu diesen Themen zu sammeln und zu sichten (Kornadt & Rothermund, 2011a, 2014). In einem nächsten Schritt wurden diese Inhalte in ein standardisiertes Fragebogenformat übersetzt und an Pilotstichproben getestet. Auf der Basis dieser Ergebnisse wurde die finale Fassung des deutschsprachigen Fragebogeninstruments erstellt.

Für die Erhebungen in den USA, China (Hongkong, HK), Taiwan (TW) und Tschechien (CZ) wurde der deutsche Fragebogen in die jeweiligen Landessprachen übersetzt. Hierbei wurde ein aufwändiges Verfahren gewählt, bei dem die erste Übersetzung von einer weiteren unabhängigen Person in die Ausgangssprache rückübersetzt und von den Entwicklern der Studie mit der Originalversion verglichen wurde. Im Falle von Abweichungen wurde die Übersetzung nochmals modifiziert, um die Aussagen der Ausgangsversion möglichst optimal und bedeutungsnah auch in der Übersetzung abzubilden. Für die englischsprachige und tschechische Variante wurde die Übersetzung jeweils auf der Basis der deutschen Fragebogenversion vorgenommen, die chinesischen Fragebögen wurden auf der Basis des englischen Fragebogens übersetzt. Sämtliche Übersetzungen wurden von Personen vorgenommen, die über einen Hintergrund in der Altersforschung verfügen, und die die Zielsprache des Instruments als Muttersprache sprechen und die Ausgangssprache ebenfalls flüssig beherrschen.

2.4.2 Schwerpunktthemen und Vernetzung der Teilprojekte

Alle drei Teilprojekte zu den Fragebogen-, Interview- und Online-Studien innerhalb des Altern als Zukunft Projekts haben in enger Vernetzung jeweils verschiedene Schwerpunktthemen über mehr als 10 Jahre im Zeitraum zwischen 2009 und 2019 in den beteiligten Ländern Deutschland, USA, Hongkong, Taiwan und Tschechien untersucht. Die Abb. 2.2 gibt eine Übersicht des zeitlichen Verlaufs des Gesamtprojekts und der jeweiligen Schwerpunktsetzungen innerhalb der verschiedenen Teilprojekte. Bei den dargestellten Stichprobengrößen wurde nicht unterschieden zwischen Teilnehmenden, die wiederholt und denen, die zum ersten Mal teilnahmen. In aller Regel wurden bei allen Erhebungen immer sowohl die Befragten früherer Erhebungen kontaktiert, als auch jeweils neue Personen für die Studien einbezogen. Eine detaillierte und vollständige Übersicht über die Merkmale der untersuchten Stichproben im längsschnittlichen Verlauf findet sich in Anhang B2.

Abb. 2.2
figure 2

Übersicht der Schwerpunkte und des zeitlichen Ablaufs der Teilprojekte. (Anmerkung: Dargestellt sind angestrebte Altersbereiche. Abweichungen der realisierten Stichproben [Anhang B] ergeben sich u. a., da für spätere Erhebungen teilweise neu rekrutiert wurde)

In der Abb. 2.2 wurde auch darauf verzichtet, die inhaltlichen Vernetzungen der Projekte auf den jeweiligen Ebenen detailliert darzustellen. Beispielsweise bestand innerhalb der Arbeitsgruppen in Deutschland zu Beginn zwischen 2009 bis 2012 ein kontinuierlicher inhaltlicher Forschungsaustausch, etwa im Hinblick auf die jeweiligen Schwerpunktsetzungen und Fragestellungen, als auch im Hinblick auf die neu entwickelten Erhebungsinstrumente. Ab dem Jahr 2012 konnten dann auch weitere Forschungspartner aus Hongkong und aus den USA in das Projekt Altern als Zukunft eingebunden werden. Dabei wurde der Austausch und die Vernetzung der Teilprojekte auch in den beteiligten Ländern fortgeführt und intensiviert. In Hongkong wurden beispielsweise die Erhebungen zu allen drei Teilprojekten an der Chinese University of Hong Kong gebündelt. In den USA wurde das Teilprojekt zu den qualitativen Interviews an der University of Kansas durchgeführt und die beiden Teilprojekte der Fragebogen-Studie und der Online-Befragungen an der North Carolina State University in Raleigh. Ab dem Jahr 2016 gelang es auch Forschergruppen aus Taiwan (Tainan University) und aus Tschechien (Universität Prag) in das Projekt Altern als Zukunft einzubinden. Die Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Teilprojekten und Forschergruppen umfasste über 30 Forscherinnen und Forscher aus fünf beteiligten Ländern und verfolgte im Wesentlichen drei Ziele.

Erstens wurden in allen Teilprojekten neben den jeweils eigenen Schwerpunktsetzungen und projektspezifischen Skalen und Fragen auch gemeinsam genutzte Erhebungsinstrumente und Themen zu Altersbildern, Altersvorsorge und Zeitmanagement genutzt. Trotz der spezifischen Schwerpunktsetzungen jedes Teilprojekts konnten somit auch Querbezüge, Validierungen und Replikationen zu den Analysen und Befunde der anderen Teilprojekte hergestellt werden.

Zweitens gab es in allen beteiligten Ländern auch zahlenmäßige Überlappungen in den jeweils untersuchten Stichproben, von denen somit auch Daten aus mindestens zwei Teilprojekten vorliegen. Auf eine Darstellung dieser Überlappungen verzichten wir an dieser Stelle aus Platzgründen. Die so generierten Daten dienten primär der methodischen Validierung der neu entwickelten Skalen und inhaltlichen Fragestellungen, erlaubten aber beispielsweise auch die Untersuchung vertiefender Fallstudien, bei denen eine Vielzahl von Daten für einzelne Personen über einen längeren Zeitraum verfügbar sind.

Drittens schließlich zeigte sich die Vernetzung auch in der Beteiligung der verschiedenen Länder, mit der es möglich war, kulturspezifische Einflüsse auf beobachtete Zusammenhänge und Befunde der Teilprojekte zu überprüfen und auch zu vertiefen.

2.4.3 Archivierung und Bereitstellung des Datenkorpus

Alle im Rahmen des Projekts Altern als Zukunft erhobenen Daten werden zum Abschluss des Projekts in für die Wissenschaft weltweit zugängigen Datenarchiven abgelegt und damit öffentlich für die Forschung und Sekundäranalysen zugänglich gemacht. Auch die Archivierung des Datenmaterials aller qualitativen Erhebungen wurde zum Abschluss gewährleistet. Somit stehen die entsprechenden Datensätze zur wissenschaftlichen Nachnutzung beim Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID; Fragebogenstudie und Online-Studie) sowie die qualitativen Interviews beim Forschungsdatenzentrum Qualiservice an der Universität BremenFootnote 4 abrufbereit zur Verfügung.