Zusammenfassung
Video- und Computerspiele hatten von Beginn an eine besondere Bedeutung für Heranwachsende. Seit einigen Jahren erfreuen sich Online-Multiplayer-Spiele wie Minecraft, FIFA, Fortnite und Die Sims sich bei Jugendlichen, ja bereits Kindern großer Beliebtheit. Sie sind nicht nur unterhaltsam und ermöglichen ein Abtauchen in virtuelle Welten, sondern dienen auch dem kommunikativen Austausch und der Vernetzung junger Menschen mit hoher Relevanz für Identitätsentwicklung. Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die Faszination der Games, erläutert die gesetzlichen Rahmungen des Kinder- und Jugendmedienschutzes und erläutert die Prüfkriterien der USK. Die Risiken digitaler Spiele für junge Nutzer*innen werden entlang inhaltsbezogener, konsumbezogener, kommunikationsbezogener und verhaltensbezogener Risiken betrachtet und damit der Fokus auf potenziell entwicklungsbeeinträchtigende Darstellungen von Gewalt und Extremismus, Kostenrisiken und Datenschutzbedenken sowie Sucht und exzessives Spielen gelegt. Um einen zeitgemäßen Schutz vor möglichen Gefahren für junge Menschen zu gewährleisten, sind neben den bekannten Altersfreigaben und technische Schutzmechanismen auch die Förderung von Medienkompetenz und angemessene Teilhabemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen mit kinderrechtebasierte Ansätze von zunehmender Relevanz.
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Notes
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Zu Battlezone führte das Zwölfer-Prüfgremium der BPjS im Entscheid E 3432 vom 13.12.1984 zum Beispiel aus: Das Spiel lässt „kriegerische Kampfhandlungen als positiven Wert erleben, Kriegsgeschehen wird als besonders reizvoll dargestellt“ und der Spieler wird „an kriegerischen Vernichtungshandlungen beteiligt, die er aufgrund der Ausgangssituation im Spielverlauf aktiv mitgestaltet und nachvollzieht“ (Hajok 2014, 16).
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Regelmäßig indiziert wurden Computerspiele ab Ende der 1990er-Jahre, „wenn sich Gewalt als einzig mögliche Spielehandlung gegen Menschen richtet, die Gewalttaten im Einzelnen visualisiert werden (blutende Wunden, zerberstende Körper, Todesschreie) und ein (mit Punktgewinn belohntes) erfolgreiches Durchspielen nur bei Anwendung von Gewalt möglich ist“ (Hajok 2015, S. 14).
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Mit den 2021 ergänzten Bestimmungen des § 10a JuSchG ist abseits medieninhaltebezogener Entwicklungsrisiken auch die persönliche Integrität junger Menschen bei der Mediennutzung als zentrales Schutzziel hervorgehoben. Ebenso sind gemäß § 10b JuSchG Mediennutzungs- und Interaktionsrisiken angemessen bei der Prüfung zu berücksichtigen. Für Medienanbietende lässt sich aus den neuen Bestimmungen indes nur ein fakultativer „Kann“-Charakter ableiten (Liesching und Zschammer 2021).
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Viele Forschungsarbeiten fokussieren auf einzelne Risiken, lassen lebensweltliche Kontexte aber außer Acht. Es mangelt an Studien, die untersuchen, wie aus Risiken Gefährdungen entstehen und welche protektive Faktoren Kinder und Jugendliche schützen (Stoilova et al. 2021, S. 10).
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Ein Fünftel der 6- bis 7-Jährigen und zwei Fünftel der 8- bis 9-Jährigen spielen bereits digitale Spiele für die sie – von den Altersfreigaben wissend – noch zu jung sind, bei den 10- bis 13-Jährigen ist es schon mehr als die Hälfte (mpfs 2023, S. 57). Ein prominentes Beispiel ist hier Fortnite, ein Shooter des Battle Royal Genres, das aufgrund der Comic Grafik „schon“ ab 12 Jahre freigegeben ist (USK 2019), aber viele Kinder eben schon früher fasziniert.
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Dokumentiert sind verbale Angriffe meist in Form von Vorwürfen, Häme und spielerischen Herabwürdigungen, seltener auch in Form von Beleidigungen, Pejorativa und abwertenden Metaphern. In Einzelfällen sind die verbalen Angriffe mit spielerischen Drohungen und Todeswünschen verbunden (Ohlwein 2021, S. 83).
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Im ICD-11, der seit 2022 in Anwendung ist, gilt die Gaming-Disorder als stoffungebundene abhängige Verhaltensform, wenn über einen Zeitraum von 12 Monaten eine verminderte Kontrolle durch die Verhaltensausführung, eine überhöhte Bedeutung des Spielens, welches andere Interessenfelder und Alltagsaktivitäten verdrängt, und eine fortgeführte Nutzung trotz damit zusammenhängender negativer Folgen zu beobachten ist.
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Klassische Strategien der Spielentwickler sind hierbei die Belohnung des täglichen Spielens, Strafen fürs Nicht Spielen, Belohnungen für die häufige Nutzung der Apps oder Push Benachrichtigungen, die in die App oder ins Spiel zurückholen sollen (jugendschutz.net 2022, S. 19).
Literatur
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de Baey-Ernsten, M., Hajok, D. (2023). Kinder- und Jugendschutz in digitalen Spielen. In: Bigl, B., Stoppe, S. (eds) Game-Journalismus. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-42616-3_20
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