Die Digitalisierung der Unternehmenswelt wird von Diskursen rund um das Thema Akzeptanz begleitet. So schnell man sich dann bei Problemen in ‚akzeptanzförderlichen Maßnahmen‘ wiederfindet, so schnell droht man darüber auch aus dem Blick zu verlieren, welches Problem Anstoß dafür ist, dass all das Reden und all die Maßnahmen zur Akzeptanz bemüht werden. Wozu also Akzeptanz?

Die Hypothese, für die hier argumentiert werden soll, besteht darin, dass sich Unternehmensprojekte der Technisierung im Zuge der Digitalisierung am Akzeptanz-Begriff dafür sensibilisieren, dass sie sich in Organisationen und damit im Kontext von Entscheidungen bewegen. Die Digitalisierung stellt keine bloße technische Fixierung bestimmter Abläufe dar, sondern hat es in Organisationen mit Entscheidungen zu tun. Einerseits stehen im Zuge der Digitalisierung des Betriebs mit jeder neuen Technik Entscheidungen über deren Nutzung an. Andererseits verändert sich mit der Digitalisierung die Medialität der Organisation und damit der Kommunikation und Übertragung von Entscheidungen. Und drittens spalten Entscheidungen eine Organisation in diejenigen, die sie treffen, und diejenigen, die von ihr betroffen sind (Luhmann 1991, S. 65 f.) und lassen bei Letzteren die Frage entstehen, wie sie sich zu den Entscheidungen ersterer verhalten können und sollen.

1 Entscheidungen zur Nutzung – über die Akzeptanz der Digitalisierung

Für die Entscheidung der Nutzung einer eingeführten Form der Digitalisierung nennt Wanda J. Orlikowski drei unterschiedliche Aneignungstypen, die den Freiraum in der aktiven Aneignung neuer Digitalisierungsformen in Organisationen nur ansatzweise illustrieren (Orlikowski 2000, S. 422), und viele organisationsspezifische Abstufungen erahnen lassen:

  • Im Falle der „inertia“ erfolgt keine aktive Aneignung der neuen Technologie. Arbeitspraktiken bleiben in erster Linie unverändert.

  • Im Falle der „application“ erfolgt eine Aneignung der neuen Technologie, um bestehende Arbeitspraktiken zu verbessern. Grundlegend verändern sich die Arbeitspraktiken aber nicht.

  • Erfolgt ein „change“, wird Technik so angeeignet, dass sich die Organisation grundlegend verändert.

Die Reflexion von Prozessen der Digitalisierung auf die Akzeptanz der schlussendlichen Anwender der Digitaltechnik ermöglicht diesen Prozessen entsprechende Anpassungen. Ob im Sinne der Kommunikation mit Anwendern, der Übernahmen von kritischen HinweisenFootnote 1 oder auch der Hinzufügung bestimmter technischen Features: Akzeptanzmaßnahmen erscheinen als plausibles Mittel dafür, für eine erfolgreiche Einpassung des Digitalisierten in die lokalen Entscheidungs- und Arbeitszusammenhänge und ihre kreative Aneignung zu sorgen. Angestrebt wird eine Irritation und Prägung dessen, was Orlikowski an anderer Stelle als „interpretive flexibility“ (1992, S. 409) bezeichnet: die Flexibilität im Umgang mit der Technik, die ihrerseits von den Merkmalen der Technik und Charakteristiken der beteiligten Menschen des sozialen Kontexts abhängig zu sein scheint.

Diese Sensibilisierung von Digitalisierungsvorhaben für ihre organisationale Umwelt fällt dabei entsprechend der Singularität jeder Organisation jeweils unterschiedlich aus. Das KILPaD-Projekt weist dementsprechend eine große Varianz an Formen des Verständnisses und der Bearbeitung von Akzeptanzproblemen auf, die Digitalisierungsvorhaben neben ihren Lösungsangeboten sehr häufig mit sich bringen.

Einerseits besteht je nach Organisation ein unterschiedliches Verständnis darüber, an welchen Stellen das implementierte Digitalisierungsvorhaben es mit solchen Entscheidungszusammenhängen zu tun bekommen könnte, die den Erfolg des Vorhabens beeinflussen. Häufig fokussieren die Implementierungsprojekte einzelne Entscheidungszusammenhänge, während andere, an und in denen das Digitalisierungsvorhaben ebenfalls einen Unterschied macht, ausgeblendet werden. Doch digitale Werkaufträge haben häufig nicht nur für die Maschinenbedienung Folgen, sondern auch für Produktionsleitung, Disposition und Kommissionierung.

Andererseits erscheinen Digitalisierungsvorhaben je nach Organisation unterschiedlich rigide gefasst zu werden. Akzeptanzmaßnahmen fallen dann entweder nur unterstützend im Sinne der Förderung der bereits entschiedenen Digitalisierung aus oder haben auch eine Veränderung der konkreten Digitalisierung im Sinne ihrer technischen Ausgestaltung zum Gegenstand.

2 (Digitale) Kommunikation und Übertragung von Entscheidungen – Akzeptanzregime

Walker zufolge bauen Digitalisierungsvorhaben – häufig unbeobachtet – auch bestehende Anerkennungsregime der Organisation um (2016, S. 81), da die Digitalisierung auch die Wertigkeit von Arbeitsinhalten verändere. Dieser Befund für die normative Ordnung des Betriebs und seine digital induzierte Um-Ordnung führt auf einen weiteren Sachverhalt, auf den der Akzeptanz-Begriff im Kontext von Digitalisierungsvorhaben verweisen kann. Digitalisierungsvorhaben greifen immer in bereits bestehende Akzeptanz-Regime irritierend ein, mit denen die Übernahme bzw. Übertragung von alltäglichen Entscheidungen ermöglicht und organisiert wird. Der Kollege aus der Arbeitsvorbereitung, der im Blaumann gekleidet und mit jahrzehntelanger Produktionserfahrung die Werkaufträge aus der Konstruktion an die Produktionsschritte übergibt, sichert auch die Entscheidungen ab, die jeder dieser Werkaufträge in sich vereint, und macht sie für die Produktion relevant.

Wird dieser Zusammenhang von Verwaltung und Produktion digitalisiert und werden dadurch Auftragsinformationen automatisiert und digital direkt am Arbeitsplatz in der Produktion einsehbar, wird zugleich auch das alte Akzeptanz-Regime irritiert, in dem das Vertrauen in die fachliche Autorität des Arbeitsvorbereiters die Übernahme von Entscheidungen aus der Verwaltung in der Produktion absicherte. Wird diese Übertragung digitalisiert, müssen die Werkaufträge und mit ihnen die Konstruktion unter veränderten Bedingungen Akzeptanz gewinnen.

Solche etablierten und nun durch die Digitalisierung irritierten Akzeptanz-Regime unterscheiden sich von Organisation zu Organisation. Im einen Fall ist die fachliche Autorität entscheidend, im anderen Fall die gemeinsame Professionsidentität, und an anderer Stelle mögen gar freundschaftliche Beziehungen helfen, Entscheidungen relevant zu machen. Dementsprechend erscheinen Best Practices zur Akzeptanzgewinnung im Zuge der Digitalisierung zwar durchaus als anregend, jedoch gilt es diese nur unter den Vorzeichen der spezifischen Organisationsgeschichte und sich darin bewährender Akzeptanz-Regime zu übertragen. Denn je nach Organisationsgeschichte stehen Digitalisierungsprojekte und ihre Entscheidungen unter unterschiedlichen Vorzeichen, einschließlich des Misstrauens, am Ende nur der Kontrolle der Werker durch die Produktionsleitung zu dienen.

3 Akzeptanz statt hierarchische Macht

Das Thema Akzeptanz wird auffälliger Weise immer dann thematisiert, wenn man es vermeiden möchte oder es als unattraktiv ansieht, die Nutzung von Technik und die erfolgreiche Kommunikation und Übertragung von Entscheidungen mit hierarchischer Macht durchzusetzen. Die Gründe hierfür mögen vielfältig sein. Im Sinne Orlikowskis könnte das Veränderungsmanagement auf eine kreative Nutzung/Aneignung der Veränderung abzielen oder auch reflektieren, dass es die Einhaltung/Befolgung der angestrebten Veränderung nicht beobachten könnte, um im Falles des Falles entsprechende hierarchische Sanktionierungen anschließen zu können.

Wir haben es also bei der Reflexion von Akzeptanzthematiken in Projekten der Veränderung (ob bei der Einführung neuer Organisationskonzepte oder auch neuer Techniken) damit zu tun, dass das Veränderungsmanagement den Erfolg der Veränderung als abhängige Variable der lokalen Aneignung der Veränderung reflektiert, die nicht mithilfe von Macht durchgesetzt werden kann. Anpassungen von Veränderungsprojekten, Versuche des ‚Mitnehmens‘ oder ‚Abholens‘ von Anwendern oder auch ausgetüftelte Kommunikationsstrategien beschreiben Versuche, jene Akzeptanz zu gewinnen, auf die man mit dem entsprechenden Veränderungsprojekt angewiesen ist.

Luhmann interpretiert die Frage des Akzeptierens von Entscheidungen als Frage danach, ob Betroffene von Entscheidungen diese als Entscheidungsprämissen übernehmen (Luhmann (1978) [1969], S. 33). Auch wenn sich deshalb bei jeder Veränderung des Entscheidens der Organisation die Frage der Akzeptanz neu stellt, erscheint die Digitalisierung von Organisationen als besonderer Kulminationspunkt dieser Frage danach, wie sich das Entscheiden der Organisation in der Übernahme neuer und veränderter Entscheidungen als Entscheidungsprämissen wieder beruhigt. Wie Luhmann für die Politik gezeigt hat, reicht es in komplexen Systemen nicht mehr aus, auf die Kongruenz zwischen Motiv/Moral und Entscheidungen zu bauen, um letztere mit Erfolgsaussichten auszustatten. Stattdessen wird in der modernen Gesellschaft die „Generalisierung des Anerkennens von Entscheidungen“ (Luhmann (1978) [1969], S. 32) entscheidend, da Entscheidungen anders kaum mit der nötigen Akzeptanz rechnen können. Für die Politik schreibt Luhmann diese Leistung solchen Verfahren zu, welche lange unspezifiziert lassen, wie schlussendlich entschieden werden wird. Damit erwecken sie mit ihren fallunabhängigen Verfahrensregeln den Eindruck einer „Gleichheit der Chance, befriedigende Entscheidungen zu erhalten“ (Luhmann (1978) [1969], S. 30). Weil genau hierin Gleichheit unterstellt werden kann, können Entscheidungen, die sich nicht gegenüber allen beteiligten Motivlagen, Überzeugungen und Moralauffassungen kompatibel zeigen, akzeptiert werden und so in den Genuss der „Legitimation durch Verfahren“ kommen.

Für das Entscheiden von Unternehmensorganisationen lässt sich von einer ähnlichen Unwahrscheinlichkeit des „erstaunliche(n) Phänomen(s) eines durchgängigen Akzeptierens“ (Luhmann (1978) [1969], S. 28) von Entscheidungen ausgehen, wenn durch ihre Digitalisierung wie beschrieben wichtige Anteile ihrer Anerkennungsregime ins Wanken geraten. Doch hier scheint sich die Funktion von Prozessen in Unternehmen von jener von Verfahren in der Politik zu unterscheiden, die es ermöglichen, eine ‚Gleichheit der Chance, befriedigende Entscheidungen zu erhalten‘ zu unterstellen. Zu prekär ist der Bestand von Unternehmensorganisationen und der Erhalt ihrer Zahlungsfähigkeit, als dass jeder Initiator von Veränderungsprozessen komplett offenhalten könnte, wo Entscheidungsprozesse am Ende landen könnten. Wenn aber jene Gleichheit de facto nicht mehr gewährleistet werden kann, dann stellt sich unmittelbar die Frage, wie Entscheidungsprozesse in Unternehmen für die Transformation der Digitalisierung ähnliches leisten können wie Verfahren für die Politik. Beobachtungen im KILPaD-Projekt deuten darauf hin, jenen Entscheidungsprozessen der Einführung neuer Digitaltechniken größere Akzeptanzchancen einzuräumen, in welchen die von ihnen Betroffenen den Eindruck gewinnen, in ihrer Chance, den Entscheidungsprozess zu beeinflussen, relativ gleich beteiligt zu werden. Wo Lösungen mitproduziert werden, werden sie tendenziell auch mitgetragen. Wer beteiligt worden ist, kann nicht mehr so tun, als wisse er oder sie nichts vom Veränderungsprozess und habe nicht widersprechen können. In genau diesem Einbezug testen Entscheidungen, auf welche Beobachtungswinkel sie – einmal entschieden – stoßen werden, und können sich bereits an diesen orientieren, bevor es zum Clash kommt und die häufig vernommenen Ex-post-Klagelieder ob fehlender Akzeptanz angestimmt werden.

In verschiedenen Implementierungsprojekten im KILPaD-Projekt zeigte sich das bewährte Vorgehen, bei der Implementierung neuer Techniken der Digitalisierung der lokalen Bestimmung durch Anwender eigene Freiheitsgrade zu lassen, um die Technik und ihre Entwicklung an deren Arbeitssituationen auszurichten. Häufig wird beispielsweise nur ein Teil neuer Bedienoberflächen fertig entwickelt, bevor dann deren besonders anwendungsrelevante Bereiche mit den Anwendern besprochen wurden.

Auf der Grundlage dieser Ausführungen und der Beobachtungen aus dem KILPaD-Projekt lässt sich folgende Hypothesen zur Akzeptanzförderlichkeit der Implementierung von Digitaltechniken begründen: Je unmittelbarer die Probleme der analogen Praxis an ihrer Digitalisierung beteiligt sind und die Chance haben, die Digitaltechnik kennenzulernen, mit Feedback zu versehen und an ihrer konkreten Ausgestaltung mitzuarbeiten, desto innovativer ist die neue digitalisierte Praxis und desto stärker wird die Setzung der neuen Prämissen aus dem Digitalisierungsprojekts akzeptiert. Für die Gewinnung von Akzeptanz geht es also darum, die Frage nach der Akzeptanz so zu stellen, dass die Betroffenen von Digitalisierungsentscheidungen zu ihren Mitentscheidern werden.

Interessanterweise stellt sich diese Orientierung von Digitalisierungsvorhaben an ihren schlussendlichen Anwendern und an einem kommunikativen Einbezug dieser Anwender in die nötigen Entscheidungen auch für die Intelligenz dieser Digitalisierungslösung als kritisch heraus, wenn mit Intelligenz die Passung zwischen den analogen Verhältnissen und ihren neuen digital grundierten Anteilen beschrieben werden soll. Das Digitale unterstützt die analogen Entscheidungsverhältnisse der Organisation besonders dann, wenn die ‚Anwender‘ jener Digitaltechnik auf deren Ausgestaltung Einfluss nehmen können. In der Orientierung an Anwendern geben sich die Fragen der Akzeptanz und der Intelligenz in Implementierungsprozessen im Rahmen der Digitalisierung die Klinke in die Hand. Und vielleicht ja auch darüber hinaus. Jede Veränderung scheidet aufs Neue die Teilnehmer der Entscheidungskommunikation von Organisationen in Gestalter und Betroffene und ruft dazu auf, diese Unterscheidung bereits zu berücksichtigen, bevor sie ‚fertig‘ entschieden ist.