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Konstruktivistische Pädagogik und Gilles Deleuze: Eine Annäherung

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Schule zwischen Wandel und Stagnation
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Zusammenfassung

Das Feld der Bildungs- und Lernforschung hat seit den 1970er Jahren vermehrt Einfluss von konstruktivistischen Theoriebezügen erfahren. Diese haben in unterschiedlichen Ausprägungen neue Perspektiven auf verschiedene Ebenen bildungstheoretischen Denkens eröffnet. Ludwig A. Pongratz hat in zahlreichen Arbeiten jene Auswirkungen konstruktivistischen Denkens auf Bildungstheorien, Bildungsreformen und daraus folgend pädagogischen Praktiken diskutiert. Er vertritt dabei die These, dass konstruktivistische Theoriebezüge neoliberale Tendenzen im Bildungssystem befördert habe. Der Beitrag nimmt Ausgang von dieser These und diskutiert, auf welche Weise sich das Verhältnis zwischen Konstruktivismus und Neoliberalismus in der Philosophie von Gilles Deleuze entfaltet. Dies geschieht unter der Annahme, dass in Deleuze‘ Arbeiten gerade im konstruktivistischen Denken die Möglichkeit von Kritik an funktionalen Subjektivierungen begründet ist.

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Notes

  1. 1.

    Neoliberalismus scheint heute als Containerbegriff zu fungieren, unter dem sich ein heterogenes Feld an Denktraditionen und -bezügen versammelt. Der Beitrag leistet keinen Beitrag zur Entwicklung und Bedeutungsvielfalt dieses Begriffes. Er wird in diesem Beitrag ausgehend vom Verständnis von Pongratz verwendet, bei dem zwar ebenfalls eine konkrete Definition ausbleibt, jedoch Neoliberalismus mit Ökonomisierung von Bildungssystemen und zweckrationaler, an wirtschaftlichen Interessen ausgerichteter Persönlichkeitsentwicklung in Verbindung gebracht wird.

  2. 2.

    Deleuze hat einige Werke gemeinsam mit dem Psychoanalytiker Félix Guattari verfasst. Hierzu zählen als Hauptwerke das zweibändige Band „Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie“ (1972) und „Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie II“ (1980). Ebenfalls gemeinsam verfasst ist das Werk „Was ist Philosophie?“ (1991). In den Werken selbst ist nicht gekennzeichnet, welche Gedankenführungen und Sätze von wem stammen. Da ich mich vordergründig auf Deleuze‘ philosophisches Denken und nicht auf psychoanalytische Fragestellungen beziehe, werde ich im Folgenden hauptsächlich von Deleuze sprechen.

  3. 3.

    Vgl. hierzu die Arbeit von Schleusener (2020), in welcher er ausarbeitet, dass der Begriff Neoliberalismus zwar im Werk von Deleuze nicht auftaucht, seine Ausführungen sich jedoch beispielsweise im Text „Postskriptum über die Kontrollgesellschaften“ (1993) mit gesellschaftlichen Phänomenen befassen, die wir heute unter Neoliberalismus fassen würden. Deleuze sucht in seiner dortigen Auseinandersetzung nach Formen des Widerstands und Möglichkeiten von Kritik. Die neuen Formen der Kontrolle bringt er in Verbindung mit Technologien und Kapitalismus und beschreibt deren Einfluss auf Subjektivierungen und verschiedene Lebensbereiche, beispielsweise auf das Schulsystem: „Im Schul-Regime: die Formen kontinuierlicher Kontrolle und die Einwirkung der permanenten Weiterbildung auf die Schule […]“ (Deleuze 1993, S. 261).

  4. 4.

    Vgl. hierzu exemplarisch Stojanovs Bildungsverständnis: „Bildung ist als die Entwicklung der spezifisch menschlichen Fähigkeit zur Selbst-Transformation durch begrifflich-objektivierende Artikulation der Wünsche, Bedürfnisse, Werte und Ideale der Person im Zuge ihrer verstehenden Befassung mit überindividuellen wissenschaftlichen und künstlerischen Wissensinhalten zu verstehen, welche Befassung zur Überschreitung der Grenzen der unmittelbar gegebenen natürlichen und soziokulturellen Umwelt der Person und somit zur Ermöglichung ihrer Autonomie und Freiheit führt“ (Stojanov 2014, Abschn. 39).

  5. 5.

    „Die Immanenzebene ist gleichsam ein Schnitt durch das Chaos und wirkt wie ein Sieb. Denn das Chaos ist weniger durch das Fehlen von Bestimmungen als durch die unendliche Geschwindigkeit gekennzeichnet, mit der sie sich abzeichnen und verflüchtigen […]“ (Deleuze und Guattari 2000, S. 50).

  6. 6.

    „Nietzsches Urteil zufolge erkennen wir nichts durch Begriffe, wenn wir sie nicht zunächst erschaffen, d. h. konstruiert haben in einer ihnen eigentümlichen Anschauung: einem Feld, einer Ebene, einem Boden, der sich nicht mit ihnen deckt, aber die Keime und die Personen, die sie pflegen, in sich birgt. Der Konstruktivismus verlangt, daß jede Schöpfung eine Konstruktion auf einer Ebene ist, die ihr eine autonome Existenz verleiht. Begriffe erschaffen heißt zumindest, etwas tun.“ (Deleuze und Guattari 2000, S. 12).

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Eich, C. (2022). Konstruktivistische Pädagogik und Gilles Deleuze: Eine Annäherung. In: Fuhrmann, L., Akbaba, Y. (eds) Schule zwischen Wandel und Stagnation . Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37943-8_8

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