Zusammenfassung
Preisgünstige, traditionelle Versicherungsprodukte sind äußerst (kapital-)effizient, haben aber ihre Grenzen. Die Basis der (Rück-)Versicherung, das Gesetz der großen Zahlen, setzt den Aufbau hinreichend großer, homogener Risikokollektive voraus, was eine hohe Standardisierung der Risiken durch Risikoselektion und Risikoausschlüsse erfordert. Nur so kann eine zuverlässige Kalkulationsgrundlage für die Errechnung der Grundschadenlast eines Kollektivs geschaffen werden. Dies hat für die Absicherung von individuellen Risiken zur Konsequenz, dass es nur beschränkt zu einer Annäherung an individuelle, spezifische bzw. einmalige Kundenbefürfnisse kommen kann. Durch die Globalisierung werden die in großen Industrieunternehmen vorhandenen Risiken und Gefahren immer komplexer und individueller. In diesen Unternehmen übersteigen mittlerweile operationelle Risiken die klassisch versicherbaren Risiken und es besteht zunehmend der Wunsch, auch nicht klassische Risiken abzusichern. Hinzu kommt, dass es heute für viele Großunternehmen betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, die Eigentragung von versicherbaren Risiken auf Konzernebene zu erhöhen. Der Einsatz einer Captive bietet hier eine Erweiterung der Instrumente zur unternehmensinternen Risikobehandlung und ermöglicht individuelle Lösungsansätze, die traditionelle Risikotransferangebote abrunden, unternehmerische Freiräume schaffen und einen sukzessiven Ausbau der Risikotragfähigkeit durch das Unternehmen erlauben.
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Notes
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Nach dem „klassischen“ Kapitalmarktbewertungsmodell CAPM (Capital Asset Pricing Model), das von William Sharpe in den 1960er-Jahren entwickelt wurde, wirkt sich die hohe Volatilität einer Aktie (relativ zum Aktienmarkt, das sogenannte Beta) negativ auf den Unternehmenswert aus. Siehe auch unten Abschn. 2.6.2.
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Insurance Linked Securities („ILS“) sind Katastrophenrisiken, die in Form einer Unternehmensanleihe verbrieft werden. Die vollständige Rückzahlung der Anleihe erfolgt nur dann, wenn der gedeckte Katastrophenschaden nicht eingetreten ist. Die Ausfallwahrscheinlichkeit der Anleihe hängt daher direkt mit der Eintrittswahrscheinlichkeit der (rück)versicherten Naturereignisse zusammen.
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Beachtungswerte Ausnahmen sind die folgenden Verbriefungen („Cat Bonds“); Oriental Land (mit Tokyo Disneyland als Sponsor), Pylon Capital (mit Electricité de France als Sponsor), Avalon Re (mit Oil Casualty Insurance Ltd. als Sponsor) und Operational Re (mit Credit Suisse als Sponsor).
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CDOs sind mit Schadenexzedentenverträgen (Excess-of-Loss) im Rückversicherungsmarkt zu vergleichen. Risiken werden zuerst in einem Bestand gebündelt und in Tranchen an andere Risikoträger transferiert, wobei die einzelnen Tranchen in einer abgestimmten Kaskade befriedigt werden. Nachrangige Tranchen sind daher mit einem höheren Ausfallrisiko verbunden, vorrangige Tranchen sind demgegenüber relativ sicherer. Bei CDOs2 (oder CDOs Squared) werden diese Tranchen nochmals gebündelt und ebenfalls wieder in Tranchen an andere Risikoträger transferiert. Diese sind mit XL-on-XL im Rückversicherungsmarkt zu vergleichen, die Gegenstand der berühmt-berüchtigten „Lloyd’s Spirale“ am Ende des 20. Jahrhunderts waren, die fast zum Untergang von Lloyd’s of London führten, ähnlich wie die CDOs und CDOs2 fast das ganze Finanzsystem ins Wanken brachten.
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Am 2. Juli 2021 ist es einer Gruppe von Hackern namens Revil Group gelungen, die Aktivitäten von über 1000 Firmen auf fünf verschiedenen Kontinenten zum Stillstand zu bringen. Die Cyberattacke wurde auf Kaseya Ltd. in Miami, USA, verübt. Kaseya entwickelt und stellt IT-Outsourcing-Firmen (Managed Service Providers) Software bereit. Damit erledigen solche Firmen Backoffice-Arbeiten für Unternehmen, die selbst nicht über die dazu erforderlichen Ressourcen verfügen. Es war unter anderem die schwedische Supermarktkette Coöp betroffen, die eine Woche lang 800 Läden schließen musste. Für die Dekodierung verlangte Revil Group 70.000.000 US-Dollar (vgl. Kaseya VSA ransomware attack 2023).
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Selbstverständlich gibt es weitere Gefahren, die nicht identifiziert wurden und daher nicht in den Risikosteuerungsprozess eingebunden sind.
Literatur
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Makelaar, R., Reichard, P. (2023). Funktionen der Versicherung. In: Kraus, H., Rohlfs, T. (eds) Captives. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37912-4_2
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Publisher Name: Springer Gabler, Wiesbaden
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