Zusammenfassung
Gesellschaftliche Umbrüche der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die das gesellschaftliche Zusammenleben und dessen normative Paradigmen in ihren Grundsätzen gewandelt haben, führten nicht nur zu einer Auflösung von Traditionen und Bindungen, sondern auch zu einer Ausbreitung pathologischer Gefühlszustände wie Depression und Erschöpfung. Insbesondere die Emanzipation von etablierten Strukturen und Konventionen, die in soziale Transformationen und damit einhergehende rechtliche Neuerungen sowie Wandel von Organisationen und Unternehmen mündeten, bewirkten nicht allein eine Befreiung des Subjekts: Vielmehr lösten psychische Zwänge gesellschaftliche Zwänge ab und aus Erwartungen und Anforderungen an das Individuum, dem im Spätkapitalismus zunehmend Eigenverantwortung, Initiative und permanente Motivation abverlangt wird, resultiert ein krankhaftes, erschöpftes Subjekt. Die gesellschaftliche Ausbreitung der Depression ist daher keine zufällige Entwicklung, sondern die zwangsläufige Konsequenz der wachsenden ökonomischen, politischen und sozialen Eigenverantwortung im 21. Jahrhundert.
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- 1.
Ehrenberg schreibt die Ausdehnung beziehungsweise den »Erfolg« (ebd.: 3) der Depression auch der breiteren Anwendung des Begriffes zu. Da auch unspezifische Leiden wie beispielsweise die Angst oder Neurose zunehmend unter dem Begriff Depression ver- und behandelt werden, setzt sich die Depression als »Modekrankheit« (ebd.) so stark durch.
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Sauerborn, E. (2022). Alain Ehrenberg: Das erschöpfte Selbst. Depression und Gesellschaft in der Gegenwart. In: Senge, K., Schützeichel, R., Zink, V. (eds) Schlüsselwerke der Emotionssoziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37869-1_15
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
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