Zusammenfassung
Exklusionserfahrungen verlaufen nicht nur entlang einzelner Heterogenitätskategorien, sondern sind miteinander verwoben. Die deutsche Behindertenbewegung hat im Laufe ihrer Auseinandersetzungen solche Intersektionen erkannt und in ihren Kämpfen thematisiert. So wurde bspw. die besondere Situation behinderter Frauen aufgegriffen. Auch Geflüchtete mit Behinderungen sind mit spezifischen Exklusionserfahrungen konfrontiert, die an umkämpfte Lebensbereiche der deutschen Behindertenbewegung erinnern. Entlang von Unterbringung, Zugang zu Informationen und Mitmenschlichkeit als Motivation für Hilfe wird dies hier ebenso nachgezeichnet, wie der Verweis auf die Schwierigkeiten kollektiver Widerständigkeit vollzogen wird. Deutlich wird entlang dieser Auseinandersetzung, wie das (selbstbestimmte) Leben behinderter Menschen in Deutschland weiterhin in Frage gestellt wird.
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Notes
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Das Landgericht Frankfurt am Main sprach am 25. Februar 1980 einer Urlauberin eine Teilminderung ihrer Reisekosten um die Hälfte zu und „führte zur Begründung sinngemäß aus, die sichtbare Anwesenheit Behinderter am Urlaubsort schmälere den Erholungswert“ (Miles-Paul, 2020).
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Hierbei ist anzuerkennen, dass sich die Art und Weise der Unterbringung stark unterscheiden kann, je nachdem in welche Kommune einzelne Personen umverteilt werden. Damit sind die hier gemachten Ausführungen nicht bundesweit zu generalisieren. Sie verweisen jedoch auch auf ein gängiges Motiv im Kontext Flucht und Behinderung: Die Abhängigkeit von Glück und Zufall. Diese zeigt sich hier bspw. in der fehlenden Möglichkeit zur Mitbestimmung bei der Verteilung auf deutsche Kommunen und in der Abhängigkeit von den damit einhergehenden Folgen.
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LGBT: Das Akronym steht für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender.
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Dies zeigen meine Begehungen von Sammelunterkünften.
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Lätzsch, C. (2022). Zur Kontinuität sich nicht wechselnder Paradigmen. In: Delić, A., Kourtis, I., Kytidou, O., Sarkodie-Gyan, S., Wagner, U., Zölch, J. (eds) Globale Zusammenhänge, lokale Deutungen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37356-6_9
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