Schlüsselwörter

1 Einleitung

Außenpolitik hat, wie internationale Beispiele zeigen, seit langem auch eine regionale Dimension, in der subnationale Akteur*innen versuchen, regionale Interessen im grenzüberschreitenden Rahmen durchzusetzen, zuweilen mit Unterstützung der zentralstaatlichen Ebene, zuweilen aber auch gegen deren artikulierte Interessen. Beispiele sind in vertikaler Hinsicht die Bemühungen europäischer Regionen um die Erlangung von Einfluss auf der europäischen Ebene sowie in horizontaler Hinsicht ihre direkten Kontakte untereinander. Ob dies auch für Österreich und die Länder zutrifft und inwieweit dabei die föderale Ausgestaltung der Republik im Hinblick auf außenpolitisches Handeln der Glieder eine Rolle spielt, soll im nachfolgenden Beitrag näher untersucht werden. Ziel ist es außerdem, zu erfahren, wie sich außenpolitisches Handeln der Länder vollzieht und welche Plattformen dafür etabliert wurden.

Dabei wird zunächst der rechtliche Rahmen analysiert und geklärt, inwieweit er dem außenpolitischen Handeln der Länder neben Schranken auch Gestaltungsspielraum für ein eigenständiges Agieren eröffnet (2.). Im Folgenden wird untersucht, wie sich in praktischer Hinsicht eine Außenpolitik der Länder entwickelt hat (3.) und im Anschluss dargelegt, in welchen Ausformungen dieses Handeln zu Tage tritt (4.). Die weiteren Ausführungen widmen sich der Systematisierung der Handlungsinstrumente und analysieren aufgetretene Konfliktlagen zwischen Bund und Ländern (5.). Die Zusammenfassung (6.) schließt die Arbeit ab.

2 Bundesverfassungsrechtlicher Rahmen außenpolitischen Handelns

Die Rahmenbedingungen, welche die Bundesverfassung dem außenpolitischen Handeln der Länder zieht, sind unklarer als mitunter erwartet: Art. 10 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) bestimmt, dass die äußeren Angelegenheiten Zuständigkeit des Bundes in Gesetzgebung und Vollziehung sind, freilich „unbeschadet der Zuständigkeit der Länder nach Art. 16 Abs. 1“. Mit dieser Ausnahmebestimmung ist die Kompetenz der Länder zum Abschluss von Länderstaatsverträgen gemeint (Bußjäger 2016, 315). Bedeutet dies, dass das einzige zulässige außenpolitische Handeln der Länder im Abschluss eines Länderstaatsvertrages (dazu näher unter 5.2) besteht? Nicht unerwähnt soll gelassen werden, dass die Staatskanzlei 1919 in einer Studie zur Vorbereitung der Bundesverfassung zur Bundeskompetenz in den äußeren Angelegenheiten festhielt: „Als erster leitender Gesichtspunkt für die Kompetenz des Bundes muss die aus dem Wesen und Zweck des Bundesstaates sich unmittelbar ergebende völkerrechtliche (…) Einheit dieses staatlichen Gebildes hervorgehoben werden“ (zitiert nach Glantschnig 2011, 601).

Eine solche Reduktion außenpolitischer Befugnisse der Länder ist indessen nicht begründet. Abgesehen davon, dass die Länder als Träger von Privatrechten jenseits der Kompetenzverteilung handeln dürfen (Art. 17 B-VG) und daher auch in privatrechtliche Beziehungen mit Nachbarstaaten und deren Untergliederungen eintreten dürfen (Müller 2021, 128), impliziert der Vorbehalt in Art. 10 Abs. 1 Z 2 B-VG nach Auffassung des Autors, dass die Länder über die Kompetenzen verfügen müssen, mit anderen Staaten bzw. deren Teilstaaten überhaupt in außenpolitische Kontakte und in Beziehungen zu treten (Bußjäger 2016, 315; wohl auch Bittner 2007, 6; siehe dagegen Müller 2021, 128). Dass die Regelung erst 1988 in das B-VG übernommen wurde, schadet nicht: Es wurde damals lediglich eine bereits vorgefundene Zuständigkeit bestätigt, wonach sich aus der Generalklausel zugunsten der Länder in Art. 15 Abs. 1 B-VG in Verbindung mit Art. 17 B-VG eine „gewisse Basis transnationaler Kooperation auf Regionalebene“ ergab (Pernthaler 1975, 154).

Das außenpolitische Handeln der Länder kann sowohl hoheitlich als auch als Träger von Privatrechten erfolgen. Soweit Landesorgane das Land nach außen vertreten (gemäß Art. 105 Abs. 1 B-VG „vertritt“ der Landeshauptmann bzw. die Landeshauptfrau das Land) agieren sie in sogenannter schlichter Hoheitsverwaltung und erzeugen dabei völkerrechtliches Soft law (Müller 2007, 10). Klassisches hoheitliches Handeln würde dagegen ausgeübt, wenn die Landesorgane das – in der Praxis bisher nicht genutzte – Instrument des Länderstaatsvertrages gemäß Art. 16 Abs. 1 bis 3 B-VG in Anspruch nehmen würden.

Wenn also beispielsweise die Landeshauptleute von Tirol und Südtirol konferieren, liegt nicht etwa privatrechtliches Handeln des Landes Tirol vor, sondern schlichthoheitliches Handeln, was durchaus auch unterschiedliche Wirkungen im Hinblick auf die rechtliche Verantwortlichkeit nach sich ziehen kann. Es ist daher stets zu untersuchen, ob ein bestimmtes Handeln schlichthoheitlich ist (wenn etwa grenzüberschreitende Hilfe in Katastrophenangelegenheiten geleistet würde), was eine Haftung des Landes nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes nach sich ziehen würde oder ein privatrechtliches Handeln (wenn etwa ein Vertrag über einen gemeinsamen Lawinenwarndienst abgeschlossen wird), der nach den jeweils anzuwendenden privatrechtlichen Bestimmungen zu prüfen wäre.

Im selbständigen Wirkungsbereich der Länder (Art. 15 Abs. 1 B-VG) können diese auch insoweit außenpolitisch tätig sein, als sie Verwaltungsübereinkommen ohne rechtliche Bindungswirkung abschließen, privatrechtliche Verträge eingehen oder überhaupt informal handeln. Diese Handlungsinstrumente werden unter 4. näher untersucht.

Staatsverträge werden grundsätzlich vom Bund abgeschlossen (mit der schon dargelegten Ausnahme der Länderstaatsverträge gemäß Art. 16 Abs. 1 bis 3 B-VG) und bedürfen, soweit der selbständige Wirkungsbereich der Länder berührt wird, der Zustimmung des Bundesrates (Art. 50 Abs. 2 Z. 2 B-VG). Zum Verfahren der Ländermitwirkung beim Abschluss solcher Verträge und zur Mitwirkung an der Willensbildung in der Europäischen Union (EU) siehe 4.

Klarzustellen ist im Übrigen, dass der Bund auch nicht alleine über das Staatsgebiet bestimmen darf, da dieses auch gleichzeitig Landesgebiet ist (Art. 3 Abs. 1 B-VG: „Das Bundesgebiet umfasst die Gebiete der Bundesländer“). Staatsverträge, mit denen die Bundesgrenzen geändert werden, dürfen gemäß Art. 3 Abs. 2 B-VG nur mit Zustimmung der betroffenen Länder abgeschlossen werden (Bußjäger 2009, 122–126).

3 Entwicklungslinien

3.1 Regionale Außenpolitik ad hoc: An den Brennpunkten der österreichischen Zeitgeschichte

Außenpolitisches Handeln der Länder ist keine neue Erscheinung. Wie die zeitgeschichtliche Forschung ergeben hat, fanden in den Krisenzeiten nach 1918 und 1945 rege bilaterale Kontakte zwischen einzelnen Ländern und ihren Nachbarregionen im Ausland statt, etwa mit dem Ziel, die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. So schlossen die Länder Vorarlberg und Tirol mit der benachbarten Schweiz am 19. Dezember 1945 jeweils „Memoranden“ über den Austausch mit Wirtschaftsgütern unabhängig vom Bund (Eisterer 1995, 16–23).

Zuweilen verfolgten solche Kontakte auch das Ziel, das Ausscheiden eines Landes aus dem Staatsverband zu ermöglichen, wie etwa 1919/20 in Vorarlberg, oder, wie in anderen Bundesländern, einen Anschluss des gesamten Staates an Deutschland herbeizuführen. So traten in dieser Phase etwa Organe des Landes Vorarlberg in Kontakt mit Schweizer Stellen, auch gegen den erklärten Willen des Bundes (Bußjäger 2019, 352–356). In Tirol dagegen war 1919 das gesamte Bestreben der Politik darauf ausgerichtet, die Landeseinheit mit Südtirol zu retten, indem etwa ein Freistaat kreiert würde (Gehler 2008, 68–72). In Kärnten konnte die Landeseinheit dagegen mühsam gegenüber dem Zugriff Jugoslawiens gerettet werden. Auch hier gab es zwischen der Staatsregierung in Wien und der Landesregierung Differenzen über den Abwehrkampf, der von ersterer offiziell abgelehnt wurde (Fräss-Ehrfeld 2008, 196–197).

Nach 1945 bemühte sich etwa Salzburg bei den Alliierten um eine Abtretung Berchtesgadens an Österreich (Nachbaur 2007, 102–106). Die Rückgliederung des Kleinwalsertals erwies sich als mühsamer Weg, der den ganzen Einsatz des Landes Vorarlberg erforderte (Nachbaur 2007, 119–157).

Aber auch in anderer Weise waren Länder immer wieder in Territorialfragen involviert, wenn es beispielsweise um strittige Grenzverläufe ging, wie beispielsweise das Land Vorarlberg bei Grenzstreitigkeiten zwischen Österreich und Liechtenstein (Nachbaur 2007, 247–251). Hier musste das Land Vorarlberg gegen einen aus seiner Sicht allzu konzessionsbereiten Bund intervenieren (Nachbaur 2007, 248).

Angesichts der bestehenden bilateralen Kontakte verwundert es daher nicht, dass die Länder bereits in einem ihrer ersten Forderungsprogramme, dem Linzer Entwurf von 1969, das Verlangen nach einer völkerrechtlichen Vertragsabschlusskompetenz artikulierten (Burtscher 1988, 141). Freilich wurde die Forderung als offenbar illusorisch aufgegeben und zunächst (1970) durch das wenig später (1974) erfolgreiche Verlangen nach Einräumung eines Anhörungsrechtes vor dem Abschluss von Staatsverträgen des Bundes ersetzt (Burtscher 1988, 142).

Eine besondere Rolle stellt seit jeher in den bilateralen Beziehungen des Landes Tirol die Südtirolpolitik dar (Gehler 2008, 248–273; Pallaver 2004, 115–135)Footnote 1. Dies wird bereits dadurch sichtbar, dass das Land Tirol nach 1945 eine eigene Abteilung für Südtirolangelegenheiten einrichtete (Gismann 1989, 13; Lintner 2020, 248) und andererseits, dass das Land massiven Druck auf die jeweilige Bundesregierung ausübte, um diese zu einem entschlossenen Handeln gegenüber Italien zu bewegen (Wielinger 2007, 15). Die Steiermark musste einerseits Gebietsansprüche Jugoslawiens abwehren, andererseits war man im eigenen Interesse wie auch der deutschen Volksgruppe jenseits der Grenze um möglichst gute Beziehungen bemüht, was beispielsweise in der Einrichtung eines jugoslawischen Generalkonsulats in Graz im Jahre 1953 mündete (Wielinger 2007, 17). Kärnten wiederum war aufgrund der slowenischsprachigen Minderheit seinerseits ein Sonderfall. Die Nichterfüllung der Vorgaben des Staatsvertrags durch Österreich, die durch die Haltung in Kärnten bewirkt wurde, insbesondere bei den zweisprachigen Ortstafeln, belastete das Verhältnis Österreichs zu Jugoslawien bzw. Slowenien über Jahrzehnte (Karner 2008, 139–151; Maier 2013, 271–294).

3.2 Vom Bilateralismus zum Regionalismus

Das auf Bilateralität ausgerichtete außenpolitische Handeln auf regionaler Ebene, das weitgehend informelle Züge trug, erfuhr einen wesentlichen Wandel mit dem Aufkommen des Regionalismus Ende der 1960er-/Anfang 1970er-Jahre, was in der Gründung der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer (Arge Alp) 1972 kulminierte. Dieser Zusammenschluss von insgesamt zehn Alpenregionen (Bayern, Graubünden, Lombarbei, Salzburg, St. Gallen, Südtirol, Tessin, Tirol, Trentino und Vorarlberg) aus insgesamt vier Staaten, mit dem Ziel einer gemeinsamen Vertretung regionaler Interessen vor allem gegenüber den zentralstaatlichen Ebenen und die Gemeinsamkeiten, vor allem in kultureller Hinsicht in der Alpenregion zu vertiefen (Bramanti und Ratti 2017, 108), war eine Art Initialzündung des Regionalismus der österreichischen Länder. In diese Zeit fällt auch die Gründung der Internationalen Bodenseekonferenz, an der das Land Vorarlberg gemeinsam mit dem Staat Liechtenstein, den beiden deutschen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg und den Schweizer Kantonen St. Gallen, Thurgau, Appenzell-Außerrhoden und Appenzell-Innerrhoden, Schaffhausen und Zürich partizipiert (Pallaver 2010, 103–104).

Der Regionalismus beherrschte in der Folge die außenpolitischen Aktivitäten der österreichischen Länder: Nach der Arge Alp wurde 1978 die Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria (Arge Alpe Adria) gegründet, in der die Länder Kärnten, Oberösterreich, Steiermark, den damaligen jugoslawischen Republiken Kroatien, Slowenien und den beiden italienischen Regionen Friaul-Julisch-Venetien und Venetien kooperierten (Wielinger 2007, 17–18). 1986 gelangten ungarische Komitate als aktive Beobachter, 1988 als Mitglieder hinzu, wofür noch die (informelle) Zustimmung Moskaus erforderlich gewesen sein soll (Wielinger 2007, 18). Die Brückenfunktion gerade dieser Arbeitsgemeinschaft in die damaligen sozialistischen Republiken des Ostens darf nicht unterschätzt werden.

1990 folgte die Arge Donauländer, nun freilich bereits nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, an der zunächst insgesamt 23 Regionen teilnahmen und die nunmehr 41 Regionen umfasst, darunter die österreichischen Länder Oberösterreich (welches im Gegenzug aus der Arge Alpe Adria ausschied), Niederösterreich, Wien und Burgenland. Die Arge Alpe Adria sucht mittlerweile eine vertiefte Kooperation mit der Arge Donauländer.

Mit dem Regionalismus wurde auch teilweise kompensiert, dass Österreich aus der sich immer tiefer integrierenden Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und dann Europäischen Gemeinschaft (EG) ausgeschlossen war. Er konnte natürlich nicht die wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen, die sich aus der mangelnden Teilhabe am Binnenmarkt ergaben, aber immerhin eine kulturelle-administrative Integration fördern.

Die lediglich informale Zusammenarbeit der Länder im Rahmen regionalistischer Kontakte mit dem Ausland darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit auch das Bewusstsein bereitet wurde, dass außenpolitisches Handeln des Bundes Rückwirkungen auf die Länder entfaltete und eine Partizipation der Länder daran daher auch gerechtfertigt war. In diesem Sinne wurde den Ländern mit der „Föderalismusnovelle 1974“ zur Bundesverfassung (B-VG-Novelle BGBl 1974/444) immerhin das Recht eingeräumt, vor Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen des Bundes eine Stellungnahmerecht zu erhalten (Glantschnig 2011, 601). Mittlerweile agieren die Länder in einer Vielzahl von horizontalen Kooperationsräumen, wie noch weiter unten dargestellt wird.

3.3 Vom Regionalismus zur Mitwirkung in der Europäischen Union und im Europarat

Ab den frühen 1990er-Jahren trat der EU-Beitritt in den Fokus der außenpolitischen Bestrebungen der Länder. Das österreichische Beitrittsgesuch wurde gerade von verschiedenen Ländern grundsätzlich unterstützt, wenngleich es auch Bremser gab. Einer der Impulsgeber war jedoch gewiss der damalige Vorarlberger Landeshauptmann Martin Purtscher (ÖVP). Freilich waren die Ländervertreter*innen keine Utopisten: Da ihnen klar war, dass der EU-Beitritt mit weiteren Kompetenzverlusten verbunden sein würde, forderten sie eine Bundesstaatsreform, welche seitens des damaligen Bundeskanzlers Vranitzky (SPÖ) auch zugesagt wurde, nicht zuletzt, weil die Unterstützung der Länder für die erforderliche Volksabstimmung über den avisierten EU-Beitritt erforderlich war (Bußjäger 2015a, 360).

Mit dem EU-Beitritt rückte die Mitwirkung der Länder am Entscheidungsprozess in der Union in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Sichtbar wurde dies in der Einrichtung der Regionalbüros von insgesamt acht Ländern in Brüssel (mit Ausnahme Vorarlbergs). Außerdem richtete die Verbindungsstelle der Bundesländer eine Zweigstelle bereits im Mai 1990 (!) in Brüssel ein (Fischer 2011, 69), die ein Teil der österreichischen Vertretung in Brüssel bildet (Schweisgut 2011, 77). Das Land Tirol richtete bereits 1995 in Brüssel ein gemeinsames Verbindungsbüro mit den italienischen Provinzen Südtirol und Trentino ein, was insbesondere von Rom, aber auch von Wien aus kritisch beäugt wurde (Bußjäger 2007, 37).

Die Aufmerksamkeit der Länder konzentrierte sich in der Folge auf diese neue europäische Entscheidungsebene, die mit ihren Richtlinien und Verordnungen ja auch die Länderkompetenzen massiv berührte und andererseits mit dem Ausschuss der Regionen (AdR) und informalen Organisationen wie den Regions with Legislative Power (RLEG) oder der Conference of European Legislative Assemblies (CALRE) neue Kooperationsmöglichkeiten eröffneten. Diese neue vertikale Mitwirkung war für Kooperationsräume und -plattformen, die weitgehend in der EU liegen, wie eben die horizontalen regionalistischen Organisationen, mit einem Verlust an öffentlicher Aufmerksamkeit verbunden. Dies bedeutet aber nicht, dass sie unwichtig geworden wären, vielmehr bieten sie für die beteiligten Regionen weiterhin die Chance einer intensiveren Vernetzung im Rahmen eines „neuen Regionalismus“ (Pallaver 2004, 127–128) in einem „Europa der Regionen“. Der zuletzt genannte Begriff ist freilich eine pragmatische Reaktion auf die Entstehung neuer wirtschaftlicher Ballungsräume auf übergeordneter europäischer und globaler Ebene, diente aber auch als Mittel der symbolischen Politik und zur Verschleierung realer Machtverhältnisse, nämlich der drohenden Bedeutungslosigkeit und der verengten Handlungsspielräume von Regionalpolitik, die sich nicht mehr nur nationalen und zwischenstaatlichen, sondern mehr denn je auch überstaatlichen und europäischen sowie globalen und multilateralen Rahmenbedingungen unterzuordnen gezwungen sah (Gehler 2018, 32).

Auch der Europarat bot eine Plattform für Vernetzung und Kooperation von Regionen: 1975 wurde den Regionen erstmals die Möglichkeit eröffnet, in der Ständigen Konferenz der Gemeinden und (nunmehr) Regionen Europas zu partizipieren, aus welcher 1994 der heutige Kongress der Gemeinden und Regionen Europas als beratendes Organ des Europarates wurde. Das Engagement österreichischer Repräsentanten zeigt sich darin, dass der frühere Tiroler Landeshauptmann Herwig van Staa (ÖVP/FI) von 2012 bis 2014 nach vielfältigen Funktionen im Europarat Präsident des Kongresses war und Österreich seit 2010 mit dem Salzburger Andreas Kiefer den Generalsekretär stellt.

Der Europarat war es aber auch, der grenzüberschreitende Zusammenarbeit noch vor der Europäischen Union besonders gefördert hat: Das Europäische Rahmenabkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften (Madrider Abkommen) aus dem Jahre 1980 hat der Kooperation von Regionen wesentliche Impulse verliehen (Woelk 2018, 177–178; Pallaver 2010, 99).

4 Aktuelle Ausformungen außenpolitischen Handelns der Länder

In diesem Abschnitt werden die gegenwärtigen Erscheinungen außenpolitischen Handelns der Länder vor dem Hintergrund der unter 2.2 dargestellten Entwicklung erläutert. Es wird gezeigt, dass es vielfältige Kooperationsräume und Kooperationsformen gibt. Zu unterscheiden sind insgesamt vier Erscheinungsformen: I) Bilateralismus, II) Regionalismus, III) Mitwirkung in der Europäischen Union, IV) Mitwirkung am Zustandekommen völkerrechtlicher Verträge des Bundes.

Der ursprüngliche Ausgangspunkt außenpolitischen Handelns der Länder, dem nach wie vor Bedeutung zukommt, sind Beziehungen mit angrenzenden Staaten bzw. deren Untergliederungen im Sinne des Bilateralismus. Bemerkenswert in der geschilderten Entwicklung ist allerdings, dass dieser Austausch im Laufe der Zeit weit über die Nachbargrenzen hinausging. Bilaterale Beziehungen in Form von Freundschaftskontakten zwischen österreichischen Bundesländern und fernöstlichen Regionen sind, um nur ein Beispiel zu nennen, keineswegs mehr ungewöhnlich (siehe etwa zu den Kontakten Oberösterreichs mit der chinesischen Provinz Shandong bereits Institut für Föderalismus 2005, 269; Bittner 2007, 6–7).

Trotz der Bedeutung des Regionalismus spielen bilaterale Beziehungen der Länder weiterhin eine Rolle, zuweilen auch bilaterale Konfliktlinien, wie etwa die von der etwa Mitte der 1970er-Jahre bis heute andauernde kritische Haltung Vorarlbergs gegenüber Schweizer Kernkraftwerken, deren Ursprung die Kritik an dem in den 1970er-Jahren geplanten grenznahen Atomkraftwerk Rüthi war. Diese kritische Haltung gegenüber der Atomkraft teilen praktisch alle Bundesländer, vor allem die hauptbetroffenen Länder Oberösterreich/Niederösterreich (Temelín/Tschechien bzw. Mohovce/Slowakei) oder Steiermark/Kärnten (Krško/Slowenien). Hinsichtlich Temelin machte das Land Oberösterreich im Zusammenhang mit den Beitrittsverhandlungen Tschechiens zur Europäischen Union massiven Druck (Institut für Föderalismus 2001, 145–146; Institut für Föderalismus 2003, 73–74; Institut für Föderalismus 2006, 288).

Zuweilen, wenngleich in bizarren Einzelfällen, waren die bilateralen Beziehungen der Länder sogar geeignet, die Außenpolitik des Bundes zu konterkarieren, wie im Falle der Irak-Reisen und Libyen-Kontakte des seinerzeitigen Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider (FPÖ). Auch wenn die Reisen nach außen als Privatangelegenheiten Haiders dargestellt wurden, rechtlich waren sie dies nach der hier vertretenen Auffassung nicht. Die Treffen bzw. Kontakte Haiders (FPÖ) mit den Diktatoren Saddam Hussein und Muammar al Gadaffi führten jedenfalls dazu, dass sich die Landeshauptleute erstmals auf ein gemeinsames Vorgehen bei Auslandskontakten verständigen (Institut für Föderalismus 2003, 10; Bußjäger 2007, 36). Dass solche Kontakte von Landesorganen mit Organen von Staaten, die unter Umständen auch mit Sanktionen von Seiten der EU konfrontiert sind, einerseits heikel, andererseits aber auch erwünscht sein können, zeigt das Beispiel eines Besuches des Europaausschusses des Vorarlberger Landtages in der Region Gomel in Belarus, die von der Kernkraftkatastrophe von Tschernobyl besonders betroffen war. Trotz bestehender Sanktionen erachtete das Außenministerium im Jahre 2007 einen derartigen Freundschaftsbesuch Vorarlberger Parlamentarier als Stärkung der Zivilgesellschaft in Belarus und stimmte der Reise zu (Bußjäger 2016, 318).

Die zweite wichtige Ausformung außenpolitischen Handelns der Länder bleibt der Regionalismus. Er besteht in der Gründung von Plattformen der regionalen Zusammenarbeit wie der Arge Alp, der Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria, der Arge Donauraum oder der Internationalen Bodenseekonferenz (Pallaver 2010, 103–104).

Dadurch entstanden neue Kooperationsräume, die sich teilweise auch überlappen. Die Produkte waren koordiniertes Vorgehen, gemeinsame Projekte, die das Verständnis für Besonderheiten und Anliegen in den jeweils anderen Regionen und das Zusammengehörigkeitsgefühl in den Regionen, zumindest unter den politischen Akteur*innen, wesentlich förderten. Die Beiträge dieses Regionalismus, gerade auch für die europäische Integration, sollten nicht unterschätzt werden.

Der klassische Regionalismus, zu welchem seit dem EU-Beitritt auch die Kooperation in diversen Euregios und Interreg-Projekten hinzukam, ist mittlerweile um das europäische Rechtsinstrument des Europäischen Verbundes Territorialer Zusammenarbeit (EVTZ) ergänzt worden. Die EVTZ-Verordnung (EVTZ-VO Nr. 1082/2006) ermöglicht die Bildung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die grenzüberschreitend agiert und deren Mitglieder Gebietskörperschaften oder andere Körperschaften öffentlichen Rechts verschiedener Mitgliedstaaten der Union, ja sogar Drittstaaten sein können. Ein besonders prominentes, weil auch im europäischen Vergleich besonders aktives Beispiel ist der EVTZ Europaregion Tirol – Südtirol – Trentino (Bußjäger 2018, 163–169). Weitere EVTZ mit österreichischer Beteiligung sind der EVTZ European Campus of Studies and Research (Oberösterreich – Bayern) und der EVTZ Senza Confini (Kärnten, Slowenien, Friaul-Julisch-Venetien) sowie der EVTZ Geopark Karawanken (Kärnten, Slowenien). Die verschiedenen Kooperationsräume, die sich durch die regionalistischen Plattformen sowie die EVTZ ergeben, sind in den Abb. 1 und 2 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

(Quelle: Institut für Föderalismus)

Kooperationsräume der Länder.

Abb. 2
figure 2

(Quelle: Institut für Föderalismus)

Beteiligung der Länder an den Kooperationsräumen.

Außenpolitisches Handeln erfolgt in dritter Weise im Rahmen der Mitwirkung der Länder an der Willensbildung in der Europäischen Union einerseits im Wege formalisierter, andererseits mittels informaler Instrumente. Formalisierte sind die Instrumente, die einerseits das Europäische Recht, andererseits die Bundesverfassung den Ländern zur Verfügung stellt. Zu ersteren zählt der Ausschuss der Regionen, in dem die österreichischen Länder gemäß Art. 23c Abs. 4 B-VG im Ergebnis neun Vertreter*innen sowie der Österreichische Städtebund und der Österreichische Gemeindebund drei Vertreter*innen stellen (Bußjäger 2015a, 365–366). Formalisiert ist die Möglichkeit, den zuständigen Bundesminister bei Beratungen und Abstimmungen in der EU durch einheitliche Länderstellungnahmen zu binden (dazu weiter unten).

Ein in der Praxis überaus bedeutsames Instrument ist die Entsendung von gemeinsamen Ländervertreter*innen in die Arbeitsgruppen gemäß Art. 8 der Bund-Länder-Vereinbarung über die Mitwirkung der Länder an der Willensbildung in der europäischen Integration, auf Unionsebene. Mit Stand Juni 2015 waren in 18 Ratsarbeitsgruppen insgesamt 24 gemeinsame Ländervertreter*innen, in 67 Ausschüssen der Kommission 98 gemeinsame Ländervertreter*innen eingebunden (Bußjäger 2015a, 379). Mit Juni 2021 sind 16 Ratsarbeitsgruppen mit 20 gemeinsamen Ländervertreter*innen tätig, 75 Kommissionsausschüsse und Netzwerke sind mit 107 gemeinsamen Ländervertreter*innen nominiert (Institut für Föderalismus, eigene Erhebung).

Diese Mitwirkung darf nicht mit der in Art. 23d Abs. 2 B-VG vorgesehenen und praktisch bedeutungslosen Möglichkeit verwechselt werden, dass ein/eine Ländervertreter*in an Stelle des/der zuständigen Ministers/Ministerin Österreich in den Beratungen und Abstimmungen vertritt (Bußjäger 2016, 364–365). Der Grund, weshalb dieses Instrument nicht in Anspruch genommen wird, ist, dass der/die jeweils zuständige Bundesminister*in zumindest dann kein Interesse an einer Übertragung der Vertretungsbefugnis hat, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, in der sich Österreich durchsetzen kann und in umgekehrter Konstellation auch keine Akteur*ennen auf Landesseite Interesse an einer Vertretung Österreichs haben (Bußjäger 2016, 365).

Informalisiert ist die Mitwirkung der Länder im Rahmen von Organisationen, die der Interessenvertretung von Regionen auf EU-Ebene dienen, wie der RLEG, der CALRE oder der Assembly of European Regions (AER). Im Falle der RLEG handelt es sich um die Vereinigung der Regierungen von Regionen mit Gesetzgebungshoheit, bei der CALRE um jene der Parlamente der Regionen mit Gesetzgebungsbefugnissen. Zwar ist die Effizienz dieser Mitwirkungsmöglichkeiten, da eben informal, insgesamt gesehen begrenzt (Bußjäger 2015b, 309–323), es darf aber nicht übersehen werden, dass die österreichischen Länder als Träger von legislativen Befugnissen gegenüber der Rechtsetzung der Union gerade auch in demokratischer Hinsicht deutlich exponierter sind als Regionen mit lediglich vollziehenden Kompetenzen. Dazu kommt, dass gerade die CALRE den Landesparlamenten eine Bühne in der Europäischen Union bietet, die sonst nur das Betätigungsfeld der Exekutiven ist (Bußjäger 2015a, 377–378).

Eine Mitwirkung auf der Unionsebene erfolgt auch durch Teilnahme der Landtage an der Subsidiaritätsprüfung durch die nationalen Parlamente, die mit dem Vertrag von Lissabon institutionalisiert wurde. Dies setzt eine gute Kooperation mit dem Bundesrat voraus, der zwar eine der aktivsten nationalen Parlamentskammern ist, was die Mitwirkung an der Subsidiaritätsprüfung betrifft, die Interaktion mit den Landtagen ist jedoch nach wie vor verbesserungsfähig.

Die vertikale Mitwirkung der österreichischen Länder wurde in den letzten Jahren um eine Partizipation in den verschiedenen Strategien der Union ergänzt, wie der Donauraumstrategie (EUSDR) (Institut für Föderalismus 2011, 50) oder der makroregionalen Alpenstrategie (EUSALP), die eine Ausformung von Multi-Level-Governance darstellt (Bußjäger 2016, 321–327).

In all diesen Belangen ist das Ausmaß des regionalen Engagements unterschiedlich. Die nachstehende Abb. 3 veranschaulicht die vertikalen Partizipationsmöglichkeiten der Länder im europäischen Mehrebenensystem.

Abb. 3
figure 3

(Quelle: Institut für Föderalismus)

Mitwirkung der Länder in Europa.

Ein vierter Aspekt ist die Mitwirkung der Länder am Zustandekommen völkerrechtlicher Abkommen des Bundes. Die Länder werden durch den Abschluss von Staatsverträgen durch den Bund in mehrfacher Hinsicht berührt. Zum einen erzeugt Völkerrecht Wirkungen für den Gesamtstaat, so sind die Länder und ihre Organe im Vollzug von Staatsverträgen oder der entsprechenden Gesetze, die ihrer Umsetzung dienen, betroffen. Zum anderen kann aber auch der selbständige Wirkungsbereich der Länder betroffen sein, indem beispielsweise ein Staatsvertrag die Länder gemäß Art. 16 Abs. 4 B-VG zu legislativen Umsetzungsmaßnahmen in ihrem Bereich zwingt (Berchtold 1967, 244; Weber 2017, Rz 55). Ein aktuelles Beispiel stellt die Aarhus-Konvention im Bereich des Umweltrechts der Länder dar (Kahl und Müller 2020).

Das B-VG trägt dieser besonderen Situation dadurch Rechnung, dass es seit der B-VG-Novelle 1974 den Ländern in Art. 10 Abs. 3 die Möglichkeit einräumt, vor dem Abschluss eines Staatsvertrags des Bundes gehört zu werden und seit 2008 darüber hinaus die Möglichkeit der Länder vorsieht, den Bund an einheitliche Stellungnahmen der Länder zu binden (Bußjäger 2013a, 111; zur Praxis näher unter 5.3). Gerade in dieser Entwicklung manifestiert sich eine wachsende Rolle der Länder auch in Angelegenheiten, die in klassischer Sichtweise die Prärogative des Gesamtstaates darstellten.

Eine besondere Form der Ländermitwirkung stellt – wie auf der Unionsebene – die Entsendung von sogenannten gemeinsamen Ländervertreter*innen in Vertragsverhandlungen oder auch bei der Umsetzung von Staatsverträgen des Bundes dar. Dies ermöglicht eine informale Einflussnahme auf Vertragsinhalte wie auch die Praxis der Umsetzung. Aus Kapazitätsgründen erfolgt eine Entsendung gemeinsamer Ländervertreter*innen nur im Falle besonderer Betroffenheiten (siehe Beispiele Institut für Föderalismus 2002, 167–168). Mit Juni 2021 waren in insgesamt 27 Arbeitsgruppen auf internationaler Ebene im Rahmen von Staatsverträgen 30 Ländervertreter*innen tätig (Institut für Föderalismus, eigene Erhebungen).

5 Praxis der Handhabung der außenpolitischen Handlungsinstrumente der Länder

5.1 Allgemeines

In diesem Kapitel soll die Inanspruchnahme diverser Instrumente behandelt werden, die das Recht den Ländern zur Wahrnehmung außenpolitischen Handelns zur Verfügung stellt. Dabei ist vorauszuschicken, dass außenpolitisches Handeln auch auf Landesebene von der Dominanz der Exekutive geprägt ist. Die Aktivitäten der Länder in diesem Bereich werden im Wesentlichen von den Regierungen wahrgenommen und dabei vornehmlich durch die Landeshauptleute, die von der Bundesverfassung (Art. 105 Abs. 1 B-VG) zur Vertretung der Länder berufenen „Staatsoberhäupter“.

Eine Mitwirkung der Landtage ergibt sich allenfalls aus der Diskussion von Berichten der Landesregierungen sowie in gewisser Hinsicht im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung von Vorhaben der Europäischen Union. Aber auch diesbezüglich sind die Landesparlamente weitgehend marginalisiert. Von daher ist die Mitwirkung der Landtage bzw. ihrer Präsident*innen auf europäischer Ebene im Rahmen der CALRE von einer gewissen Bedeutung, was die Bildung von Netzwerken, aber auch im Hinblick auf ihre Sichtbarkeit betrifft, auch wenn die Durchschlagskraft der Organisation insgesamt bescheiden ist.

Bedeutung kommt daher aber auch interparlamentarischen Kooperationsformen zu, dessen bedeutendste Ausprägung in Österreich seit 1992 der „Dreier-Landtag“ zwischen Tirol – Südtirol – Trentino darstellt, an dem von 1993 bis 1996 auch Vorarlberg partizipierte (Bußjäger 2013b, 179–182). Dadurch bleibt die intensive Kooperation im EVTZ Europaregion Tirol – Südtirol – Trentino keine ausschließliche Angelegenheit der Exekutiven. Eine ähnliche, wenngleich deutlich kleinere Form parlamentarischer Mitwirkung an der Außenpolitik (nämlich jener in der Internationale Bodenseekonferenz (IBK)) stellt die Parlamentarierkonferenz Bodensee dar (Bußjäger 2013b, 182–184).

5.2 Länderstaatsverträge, Verwaltungsübereinkommen, Gentlemen´s Agreements

Was die Länderstaatsverträge betrifft (siehe oben 2.) wurde bisher von der in Art. 16 Abs. 1 bis 3 verankerten Möglichkeit der Länder, einen Staatsvertrag mit einem an Österreich angrenzenden Staat bzw. Teilstaat abzuschließen, nicht Gebrauch gemacht. Dies ist insoweit überraschend, als die Einräumung dieses Instruments wie dargestellt ein langjähriger Teil des Forderungsprogramms der Bundesländer war und eine Errungenschaft der B-VG-Novelle 1988, BGBl 685, darstellte.

Die Gründe dürften in der komplizierten Handhabung und dem Umstand zu suchen sein, dass die Landeshauptleute in diesem Verfahren eben nicht gleichsam als Staatsoberhäupter teilsouveräner Glieder auftreten, sondern wie untergeordnete Organe nicht nur die Vertragsabschlusskompetenz des Bundespräsidenten bzw. der Bundespräsidentin hinnehmen müssen, sondern bereits um die Zustimmung zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen bitten müssen (Institut für Föderalismus 2020, 116–117). Die Länder machen von dem Instrument aber vor allem deshalb keinen Gebrauch, weil es viel flexiblere Instrumente außenpolitischen Handelns gibt, deren rechtliche Verbindlichkeit zwar niedriger ist, die sich in der Praxis aber gut bewähren. Der schwerfällige Länderstaatsvertrag mit seinen diversen Kautelen und Ratifikationshürden schreckt demgegenüber eher ab.

Deutlich weniger formalisiert als Staatsverträge sind Verwaltungsübereinkommen, die keine völkerrechtlichen Verträge sind. Sie stellen lediglich Absprachen zwischen Verwaltungen dar, die mitunter allerdings einen recht hohen Detaillierungsgrad aufweisen. Aus der dargestellten außenpolitischen Kompetenz der Länder ergibt sich, dass diese sehr wohl zu solchen Absprachen ermächtigt sind.

Inwieweit die Länder das Instrument der Verwaltungsübereinkommen in Anspruch nehmen, ist einerseits mangels Transparenz andererseits aufgrund der unterschiedlichen verwendeten Terminologie nicht leicht zu klären, sie werden, wie auch die meisten vergleichbaren Rechtsakte des Bundes, in den Rechtsquellen nicht veröffentlicht. Derartige Übereinkommen können rechtlich unverbindlich sein, wenn sie gleichsam in schlichter Hoheitsverwaltung getroffen werden, aber als privatrechtliche Verträge sogar einklagbar sein. Das Zustandekommen hängt freilich von der privatrechtlichen Rechtsfähigkeit der Vertragsparteien ab, die für die österreichischen Länder unzweifelhaft gegeben ist und vermöge des Art. 17 B-VG sogar in Angelegenheiten gilt, in denen sie hoheitlich gar nicht zuständig sind.

Ein Bespiel für derartige Verwaltungsübereinkommen ist das „Zivilschutzabkommen im Rahmen des EVTZ „Euregio Senza Confini – Euregio Ohne Grenzen mbH“ vom 22. Dezember 2014 zwischen dem Land Kärnten und den Autonomen Regionen Friaul Julisch Venetien und Veneto. Das Abkommen ist insofern bemerkenswert, als es unter dem Dach des EVTZ, also einer juristischen Person des Unionsrechts abgeschlossen wurde, und dass es einerseits ein derartiges Abkommen zwischen den Republiken Österreich und Italien auf zentralstaatlicher Ebene nicht gibt.

Noch weniger formalisiert sind „Gentlemens´agreements“, die in der Außenpolitik sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene generell eine große Rolle spielen. Darunter können sowohl mehr oder weniger inhaltsleere Freundschaftsabkommen verstanden werden (Bittner 2007, 6–7) als auch ins Detail gehende Vereinbarungen über koordiniertes Vorgehen durch politische Funktionsträger*innen. Auch über diese vielfältigen Erscheinungsformen außenpolitischer Gestion der Länder existieren keine Angaben. Sie werden nicht dokumentiert und können daher auch nicht gezählt werden.

5.3 Stellungnahmen gegenüber Bundesorganen

Die Stellungnahmen der österreichischen Länder in europapolitischen Angelegenheiten gemäß Art. 23d B-VG sind zahlreich und können aus Abb. 3 entnommen werden. Nur verschiedentlich nahm der Bund seine Möglichkeit, „aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen“ von der einheitlichen Stellungnahme abzuweichen, wahr. Im Jahr 2017 bemängelten die Länder ein Abweichen des Bundes von der einheitlichen Länderstellungnahme im Zusammenhang mit dem „EU-Dienstleistungspaket“. Die Länder waren auch nur im Nachhinein über das Abweichen des Bundes informiert worden, zudem war eine Bindungswirkung bei den nicht berücksichtigten Länderförderungen bezweifelt worden (Institut für Föderalismus 2018, 79). 2018 wurde die Kritik von Seiten der Landesamtsdirektorenkonferenz wiederholt und auf die Beispiele „Dienstleistungspaket“ sowie „Winterpaket 2017“ verwiesen (Institut für Föderalismus 2019, 91). Auf die politische Ebene wurde dieser Konflikt nicht gespielt. Demgegenüber ist auffallend, dass seit der Neuregelung Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 B-VG im Jahre 2008 keine einzige bindende einheitliche Stellungnahme in außenpolitischen Angelegenheiten verabschiedet wurde (Institut für Föderalismus, eigene Erhebungen).

Der Unterschied offenbart, wie unvergleichlich dringlicher aus Sicht der Länder die Mitwirkung am europäischen gegenüber dem internationalen Entscheidungsprozess ist. Es darf auch nicht übersehen werden, dass umstrittene Verträge, wie etwa das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) und das Comprehensive Economic and Trade Agreement EU-Kanada (CETA), als Angelegenheit der Willensbildung in der Europäischen Union betrachtet worden sind (Institut für Föderalismus 2019, 91–92) und daher nicht in den Anwendungsbereich des Art. 10 Abs. 3 B-VG fielen.

Die Berücksichtigung von Länderinteressen beim Abschluss von Staatsverträgen dürfte, insbesondere im Wege der Einbeziehung von gemeinsamen Ländervertreter*innen hinreichend erfolgen, wenngleich gelegentlich Klagen über eine späte Information (wenn Vertragsverhandlungen bereits sehr weit gediehen sind oder gar vor dem Abschluss stehen) erfolgen (Institut für Föderalismus 2006, 247; Institut für Föderalismus 2011, 207).

5.4 Informales Handeln

Ein großer Teil der außenpolitischen Aktivitäten von Landesorganen beruht auf informalem Handeln, das als solches rechtlich nicht verbindlich ist, aber der sogenannten schlichten Hoheitsverwaltung zuzurechnen ist. Das informale Handeln findet im Rahmen der diversen bilateralen Austausche und Gesprächsrunden sowie der regionalistischen Plattformen statt. Es dient im Allgemeinen der Koordination des Handelns der Verwaltungen und der Kooperation.

Informales Handeln liegt aber auch vor, wenn Bundes- und Landesorgane sich in außenpolitischen Fragen abstimmen. Ein besonderer Fall dieses Handelns ist am Beispiel der österreichischen Position zum Grenzverlauf im Bodensee vorzufinden: Die heute von Österreich vertretene Kondominiumstheorie ist das Ergebnis eines langwierigen Abstimmungsprozesses zwischen dem Bund und dem Land Vorarlberg, in welchem der Bund 1961 letztlich die nach 1945 dazu entwickelte Position Vorarlbergs übernahm (Bußjäger 2004, 109–117).

5.5 Konfliktlagen

Konflikte zwischen Bund und Länder in außenpolitischen Angelegenheiten sind selten sichtbar artikuliert worden. Die maßgeblichen Eckpunkte der Außenpolitik der Länder, möglichste Intensivierung grenzüberschreitender Kontakte, besondere Berücksichtigung der Stellung Südtirols, Ergreifung aller rechtlich zulässigen Maßnahmen gegen grenznahe Atomkraftwerke, wurden stets auch von der Bundesregierung vertreten. Umgekehrt unterliefen die Länder im Regelfall aber auch nicht außenpolitische Bemühungen oder Ziele des Bundes. Dies betrifft insbesondere den Kontakt mit Repräsentant*innen von Staaten, gegen welche europäische oder nationale Maßnahmen ergriffen wurden.

Dennoch traten auch Konfliktlagen auf: Zum einen die sichtbare Zurückhaltung des Bundes bei der Einrichtung eines gemeinsamen Büros des Landes Tirol mit Südtirol und Trentino in Brüssel und die Auslandsreisen des damaligen Landeshauptmannes von Kärnten, Jörg Haider (FPÖ), in den Irak und nach Libyen 2002. Auch die Minderheitenfrage der Slowenen in Kärnten führte immer wieder zu Problemen einerseits gegenüber Jugoslawien und Slowenien, andererseits im Verhältnis Bund und Land.

Ersterer Konflikt endete damit, dass die Bundesregierung geschaffene Tatsachen zur Kenntnis nahm, insbesondere, nachdem sich abzeichnete, dass kein offener Konflikt mit Italien zu befürchten war. Der zweite Konflikt war virulenter, aber auch auf den Einzelfall Haider bezogen. Die Landeshauptleute versprachen (siehe oben 3.1.) eine bessere Abstimmung mit dem Bund.

Ein anderer wichtiger Punkt stellte die Alpenkonvention und ihre Protokolle dar. Besonders umstritten war das Verkehrsprotokoll mit seinem Verbot der Errichtung neuer hochrangiger Straßen für den alpenquerenden Transit. Diesbezüglich gab es auch innerhalb der Länder nicht immer Einigkeit, die aber insgesamt das Verbot solcher neuen Straßenverbindungen wesentlich betrieben. So stimmte das Land Tirol 1999 dem Verkehrsprotokoll (noch) nicht zu (Institut für Föderalismus 2000, 52). Letztlich war aber der Druck der Länder mitentscheidend dafür, dass sich Österreich mit seiner Forderung nach dem Verbot hochrangiger alpenquerender Transitrouten durchsetzte (Institut für Föderalismus 2001, 147).

In der Europapolitik gab es ebenfalls selten offene Konflikte, im Gegenteil: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in europapolitischen Angelegenheiten ist seit dem EU-Beitritt grundsätzlich positiv zu bewerten, was wie oben dargestellt allerdings nicht ausschließt, dass dann und wann Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern über die Bindungswirkung von einheitlichen Länderstellungnahmen auftreten bzw. der Bund von solchen ohne Begründung abweicht.

Der Umstand, dass hier wie dort im Großen und Ganzen abgestimmt vorgegangen wurde, hat freilich auch mit der Tatsache zu tun, dass zumindest die legislativen Kompetenzen der Länder relativ schmal sind. Daher sind die Landesinteressen in vielen Fällen nicht so stark betroffen wie jene des Bundes, sodass die Länder vergleichsweise seltener in die Lage versetzt werden, die Berücksichtigung ihrer Interessen einfordern zu müssen.

Exkurs: Die Rolle der Städte und Gemeinden in der Außenpolitik

Eine Darstellung der Außenpolitik auf subnationaler Ebene wäre unvollständig, wenn sie die Rolle der kommunalen Ebene ausblenden würde. Zu erwähnen sind insbesondere die vielfältigen kommunalen Städte- und Gemeindepartnerschaften. Aus diesen ergeben sich zwar keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen, aber zahlreiche Kooperationen, die über bloße wechselseitige Freundschaftsbesuche hinausgehen. Bereits in einer Untersuchung aus dem Jahre 1997 wurden 719 derartige Partnerschaften erhoben (KDZ 1997, 5). Einer Darstellung des Österreichischen Gemeindebundes (Österreichischer Gemeindebund 2021) zufolge dürften derzeit zumindest 900 Gemeinden eine formelle Gemeindepartnerschaft oder Kooperation unterhalten. Eine besondere Bedeutung nehmen dabei die Entwicklungszusammenarbeits-Gemeindepartnerschaften ein, in deren Rahmen ein Austausch mit Kommunen und Regionen des globalen Südens stattfindet. Insgesamt zeigt sich auch hier, dass außenpolitisches Handeln auch auf der untersten staatlichen Ebene stattfindet.

6 Zusammenfassung

Die Außenpolitik der Länder ist vielfältig. Sie betreiben in den Gesamtstaat eingebettete, aber durchaus eigenständige Aktivitäten. Daraus ergeben sich gelegentlich Konfliktlagen, in der Gesamtbetrachtung überwiegen jedoch die kooperativen Elemente deutlich. Dabei soll und darf es sich um keine Einbahnstraße handeln. Die Bundesverfassung überträgt dem Bund verschiedene Verpflichtungen, die Länder über seine europapolitischen und außenpolitischen Vorhaben zeitgerecht zu informieren und ihre Interessen zu berücksichtigen. Dieses Kooperationsverhältnis hat sich bis heute grundsätzlich bewährt.

Bemerkenswert ist, dass die Länder bisher keine Veranlassung gesehen haben, sogenannte Länderstaatsverträge abzuschließen, aber stattdessen in eine Vielzahl regionaler Kooperationsplattformen involviert sind. Dies alles trägt dazu bei, dass grenzüberschreitendes Handeln zunehmend eine Selbstverständlichkeit ist. Dazu trägt auch das Unionsrecht bei, das den Ländern mit dem EVTZ ein Instrument in die Hand gibt, das grenzüberschreitende Kooperationen erleichtern soll.

Weiterführende Quellen

Eine Übersicht über die außenpolitischen einschließlich der europapolitischen Aktivitäten der Länder liefern die seit 1976 erscheinenden Berichte des Instituts für Föderalismus (Braumüller bzw. new academic press) über den Föderalismus in Österreich. Es gibt keine öffentlich zugängliche Darstellung, in welchen insbesondere der Regionalismus der Länder in dieser Form zugänglich sind.

Von Interesse ist auch die Reihe Grenz-Räume (Nomos) (herausgegeben von Walter Obwexer, Peter Bußjäger, Anna Gamper, Esther Happacher, Günther Pallaver und Martin Schennach), bisher in drei Bänden erschienen.

Zahlreiche Belege in diesem Beitrag sind weiters dem von Stefan Hammer und Peter Bußjäger herausgegebenen Band über die Außenbeziehungen im Bundesstaat (2007) entnommen.