Zusammenfassung
Kristalle und Computerspiele stehen in einem besonderen Wechselverhältnis. Sie sind nicht nur Symbol und Topos auf dem Bildschirm, sondern Teil der Hardware, vor allem in Form von Halbleiterkristallen, wie dem monokristallinen Silizium, das zur Chipproduktion benötigt wird. Wie realisiert sich dieses Wechselspiel des Kristalls auf symbolischer und materieller Ebene und inwiefern schreibt sich eine romantische und christliche Mythologie des Kristalls in die verschiedenen Ebenen ein? Mit Methoden der Kultur- und Medienwissenschaft wird der Kristall als Mythos sowohl auf semantischer als auch auf materieller Ebene befragt. Computerbauteile und vor allem Grafikkarten, die für die Gaming-Branche hergestellt werden, arbeiten mit der Semantik und mit den Metaphern von technologischer Erhabenheit und rufen durch red–green–blue-Beleuchtung (RGB-Beleuchtung) kristalline Glitzer- und Glanzeffekte hervor. Bei dem Kristall handelt es sich um ein utopisches Versprechen materieller Immaterialität und Zeitlosigkeit, der jedoch als Rohstoff unter körperlicher Schwerstarbeit meist in ausbeuterischen Verhältnissen gewonnen und verarbeitet wird. Während der Kristall in der Computerspielkultur als materielles, utopisches Versprechen und Artefakt eines technologischem Fortschrittsglaubens gehandhabt wird, sucht der Beitrag die Kehrseite dieser Utopien zu beschreiben, sowie ihre historischen Kontinuitäten aufzudecken.
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Notes
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Das erste von Crystal Dynamics entwickelte Spiel der Tomb Raider Serie ist Tomb Raider: Legend (Eidos Interactive, 2006).
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Apperley und Jayemane bezeichnen diese Tendenz der Game Studies als ihren „material turn“ (vgl. Apperley & Jayemane, 2012). Jüngst haben kulturwissenschaftliche und medienökologische (vgl. Guins, 2014) oder designtheoretische Ansätze (vgl. Guins, 2020) innerhalb der Game Studies für eine Destabilisierung und Neujustierung in der Forschung gesorgt. Für diesen Artikel ist insbesondere das erstarkte Interesse an der Materialität von Computerspielen relevant (vgl. GamesCoop, 2020). Auch Christian Huck beschreibt die Notwendigkeit einer Kulturgeschichte von Computerspielen, die kulturelle Praktiken und Ästhetiken von Hardware in den Fokus rückt: „Eine […] Kulturgeschichte des Motherboards steht noch aus: Auch Platinen sind verlötete Kultur. Auch Software und Algorithmen, so wird die Kulturwissenschaft des 21. Jahrhunderts sichtbar machen müssen, sind keinesfalls reine Mathematik, sondern Anwendungen – und damit von den kulturellen und sozialen Gegebenheiten abhängig“ (Huck, 2018, S. 178–179).
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„Beide Welten werden körperlich nicht zusammenschmelzen, ich werde mich niemals in meinem Avatar entkörpern. Warum sollte ich auch. Ich sitze am Schreibtisch, wenn ich spiele, koche mir Nudeln in der Küche, telefoniere mit meinen Eltern. Aber ich kann aus Computerspielen etwas über Menschen erfahren. Die Spiele erzählen etwas über Ökonomie, über Klassenbewusstsein und Klassenhass, über sexuelle Rollenbilder und Zwänge und Lösungsansätze einer jungen Mittelschicht“ (Walther, 2018, S. 132).
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„[S]ome must labor invisibly for others of us to feel, if not actually be, free and empowered through technology use: technoscience is, indeed, an integrated circuit, one that both separates and connects laborers and users, and while both genders benefit from cheap computers, it is the flexible labor of women of color, either outsourced or insourced, that made and continue to make this possible” (Nakamura, 2014, S. 919). Zum Abbau des Minerals Coltan, dessen Wichtigkeit als Rohstoff in der Elektronikindustrie sowie den soziopolitischen Konsequenzen des Coltan Abbaus, insbesondere sexueller Gewalt gegen Frauen* in der Demokratischen Republik Kongo (vgl. Shapiro, 2019).
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Ein YouTube Werbevideo demonstriert das Glanzverhalten der Grafikkarte, und wird neben der wiederholten Betonung dessen kristallinen Looks als „Dazzling Angel“ vorgestellt. Hier handelt es sich ebenfalls um ein christlich mythologisches Symbol, das Transzendenz verkörpert – materielle Immaterialität (vgl. PalitMedia, 2020).
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ARGB steht für adressable red green blue LEDs, also Leuchtdioden, die in diesem Farbspektrum leuchten, sowie bei Bedarf gezielt von den User*innen angesteuert werden können.
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„[D]ie Steinseite des Reliquiars [lässt] eine Interpretation über ihre Edelsteinsymbolik zu. Die Zwölfzahl der großen Edelsteine und ihre Farbigkeit verweisen unter anderem auf die Zahl der Apostel – hier wäre Christus in ihrer Mitte durch die Reliquie und das Material Kristall repräsentiert –, das himmlische Jerusalem und die Herrschaft nach dem Jüngsten Tag“ (Kurtze, 2017, S. 146).
Literatur
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Dogruel, K. (2022). Glänzende Zukünfte – Kristalline Versprechen des Computerspiels. In: Hooffacker, G., Bigl, B. (eds) Science MashUp: XR – Gesellschaft – Utopien. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35531-9_4
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