Zusammenfassung
Für Deutschland lässt sich eine Diskrepanz zwischen der Kontinuität rechtsextremer Terrorakte und der öffentlichen Auseinandersetzung damit feststellen. Ein Erinnern an die Opfer und damit ein öffentliches Thematisieren der Taten fehlen in vielen Fällen. Ausgehend von einem Verständnis von Erinnern als machtvollem Aushandlungsprozess wird in dem folgenden Beitrag anhand eines Mordes 1992 in Baden-Württemberg nachgezeichnet, wie ein rechtsextremer Mord aus dem öffentlichen Diskurs verschwindet. Für die Dethematisierung rechtsextremer Gewalt ist dieser Fall besonders interessant, da die Tat vor Gericht eindeutig als rechtsextrem und rassistisch eingeordnet wurde, was für deutsche Rechtsprechung in diesem Feld eher unüblich ist. Trotzdem erinnert bis heute vor Ort nichts an die Tat.
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z. B. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/halle-anschlag-annegret-kramp-karrenbauer-sorgt-mit-formulierung-fuer-kritik-a-1290942.html [Letzter Zugriff am 09.08.2020].
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https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/rassismus/todesopfer-rechter-gewalt/ [Letzter Zugriff am 09.08.2020].
- 4.
https://19feb-hanau.org/ [Letzter Zugriff am 09.08.2020].
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Da es sich in diesem Fall um ausschließlich männliche Täter handelte, wird auf eine gendersensible Schreibweise verzichtet.
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Leider war es nicht möglich, im Laufe des Forschungsprojekts Kontakt mit ihm aufzunehmen.
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Marchart spricht explizit von Erinnern in Abgrenzung zu Erinnerung, um den Herstellungsgedanken deutlich zu machen (Machart 2005, S. 23).
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Fischer, G. (2021). Wenn erinnern stört. In: Sehmer, J., Simon, S., Ten Elsen, J., Thiele, F. (eds) recht extrem? Dynamiken in zivilgesellschaftlichen Räumen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32560-2_12
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