Im vorliegenden Sammelband wurden die Erfahrungen von Lehrenden mit pluralen Lehrinhalten und -formen dargelegt und erörtert. Um die Umsetzung eigener Lehrinnovationen neben der Inspiration durch die hier zusammengeführten Beispiele anzuregen, seien mit diesem Beitrag diverse Lektüreempfehlungen ausgesprochen. Gerade in einem Kontext von stetig wachsenden didaktischen, methodischen und institutionellen Anforderungen und der ungebrochenen Vernachlässigung hochschuldidaktischer Qualifizierungen von Lehrpersonal scheint uns eine solche Hilfestellung angebracht. Im Folgenden werden deshalb Beiträge vorgestellt, die sich bereits mit diesen Herausforderungen, möglichen Bewältigungsstrategien sowie Konzepten zur pluralen, sozioökonomischen (Hochschul-)Bildung auseinandergesetzt haben. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr sollen Impulse gegeben werden, um neue Denk- und Gestaltungsprozesse für die sozioökonomische Hochschulbildung anzuregen. Im Einzelnen gliedern sich die Empfehlungen in die folgenden vier Bereiche auf, wobei die Aufteilung lediglich der Orientierung dient und nicht bindend zu lesen ist:

  • Beiträge und Studien zum Status quo der wirtschaftswissenschaftlichen Hochschullehre

  • Sammelbände und Beiträge zur pluralen oder sozioökonomischen Bildung

  • Beiträge zum Status quo der Hochschullehre in Deutschland

  • Sammelbände zu einer kritisch-reflexiven Hochschullehre

1 Beiträge und Studien zum Status quo der wirtschaftswissenschaftlichen Hochschullehre

Beckenbach, Frank/Daskalakis, Maria/Hoffman, David (2016). Zur Pluralität der volkswirtschaftlichen Lehre in Deutschland: Eine empirische Untersuchung des Lehrangebotes in den Grundlagenfächern und der Einstellung der Lehrenden. Marburg: Metropolis Verlag.

Die Grundlagenveranstaltungen ‚Einführung in die Volkswirtschaftslehre‘, ‚Mikroökonomik‘ und ‚Makroökonomik‘ gehören zum festen Bestandteil des Lehrangebots wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge in Deutschland. Doch wie werden diese gelehrt? Angesichts der Kritik an einer monoparadigmatisch auf die neoklassische Denkschule ausgerichteten Lehre soll mit der Studie eine wissenschaftlich fundierte Auskunft über die Pluralität der VWL in den Grundlagenveranstaltungen gegeben werden. Auf Basis einer Analyse der in Grundlagenveranstaltungen vermittelten Inhalte und einer komplementierenden Umfrage unter 54 Lehrenden von volks- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten kann ein Mainstream identifiziert werden, der sich im konzeptionellen und methodischen Gedankengerüst vornehmlich auf die Neoklassik bezieht. Darüber hinaus gibt die Studie vielfältige Einblicke zur Wahrnehmung von Lehrenden zum Status quo der volkswirtschaftlichen Lehre in Deutschland und geht auf institutionelle Barrieren ein, die einer pluralen Hochschullehre entgegenstehen können.

Bäuerle, Lukas/Pühringer, Stephan/Ötsch, Walter Otto (2020). Wirtschaft(lich) studieren. Erfahrungsräume von Studierenden der Wirtschaftswissenschaften. Wiesbaden: Springer VS.

Wie nehmen Studierende der VWL ihr Studium wahr? Für den deutschsprachigen Raum liegen zu dieser Frage nunmehr die ersten Ergebnisse vor, die qualitativ-empirisch gewonnen wurden. Durch Gruppendiskussionsverfahren und die Dokumentarische Methode konnten wesentliche studentische Orientierungen rekonstruiert werden, die ein aufschlussreiches Bild über den Umgang von Studierenden mit dem VWL-Studium geben. An den fünf beforschten Studienorten in Deutschland und Österreich lässt sich ein überwiegend homogener Erfahrungsraum identifizieren, der durch eine hohe Unzufriedenheit geprägt ist. Für einen Großteil der befragten Studierenden stellen dabei die Studienstrukturen der jeweiligen VWL-Studiengänge eine so wesentliche Herausforderung dar, dass hierdurch die volkswirtschaftlichen Inhalte aus dem direkten Wahrnehmungsfeld der Studierenden gedrängt werden. Bäuerle, Pühringer und Ötsch sprechen in diesem Zusammenhang von einem Primat der Studienstrukturen gegenüber den Studieninhalten. Mit der Studie setzen die Autoren wichtige Impulse für den bestehenden Diskursraum zu standardökonomischer Hochschullehre und formulieren ausgehend von den empirischen Befunden theoretische Interpretationsangebote. Insbesondere regen sie dazu an, die Debatte zu ihrer Neuausrichtung neben den inhaltlichen Aspekten um institutionelle und strukturelle Fragestellungen zu ergänzen.

Graupe, Silja (2017). Beeinflussung und Manipulation in der ökonomischen Bildung: Hintergründe und Beispiele. In: van Treeck, Till/Urban, Janina (Hrsg.), FGW-Studie Neues ökonomisches Denken 05. Düsseldorf: Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung (FGW). Online: http://www.fgw-nrw.de/fileadmin/user_upload/NOED-Studie-05-Graupe-A1-komplett-Web.pdf [27.02.2020].

Werden Studierende durch die weltweit standardisierte ökonomische Bildung beeinflusst oder gar manipuliert? Mithilfe sprach- und textbasierter Analysen, die sich auf die Kognitionswissenschaften und die Beeinflussungsforschung stützen, geht die Ökonomin Silja Graupe in der Studie dieser Frage nach. Exemplarisch werden zwei Standardlehrbücher der Wirtschaftswissenschaften („Economics“ von Samuelson und Nordhaus sowie Mankiws „Economics“) hinsichtlich verschiedener Methoden der Beeinflussung analysiert. Im Fokus stehen hier das ideologische und selektive framing, das metaphorische mapping, die Förderung peripherer (d. h. oberflächlicher und unkritischer) Routen der Informationsverarbeitung und Appelle an die Autorität der (Wirtschafts-)Wissenschaft. Durch diesen interdisziplinären Forschungsansatz gelingt es Graupe aufzuzeigen, dass die wichtigsten Lehrbücher des Faches zumindest die Gefahr bergen, tief liegende (Vor-)Verständnisse von Studierenden bis in weltanschauliche Bereiche hinein grundlegend und zugleich unbewusst verändern zu können. Darauf aufbauend werden Wege des kritisch-reflexiven Umgangs mit Beeinflussungsmethoden skizziert und Möglichkeiten einer manipulationsfreien ökonomischen Bildung diskutiert.

Peukert, Helge (2018). Makroökonomische Lehrbücher: Wissenschaft oder Ideologie? Marburg: Metropolis Verlag.

Die Makroökonomie ist fester Kernbestandteil der Wirtschaftswissenschaften. In der Lehre wird hierbei allerdings häufig nur auf sehr wenige Lehrbücher zurückgegriffen, wie Christian Rebhan (2017) zuletzt in einer quantitativen AnalyseFootnote 1 zeigen konnte. Helge Peukert geht in diesem Buch der Frage nach, wie einseitig oder plural die wichtigsten makroökonomischen Lehrbücher sind. Zunächst wird der vorherrschende Mainstream näher bestimmt und kontrastierend werden Kernkonzepte heterodoxer Denkschulen skizziert. Dies geschieht anhand einer Analyse des Lehrbuches von Blanchard und Illing, welches etwa in über 50 % der VWL-Studiengangsordnungen empfohlen wird. Ergänzend dazu werden andere vorherrschende Lehrbücher (unter anderem von Mankiw und Samuelson) kritisch betrachtet, um danach alternative, aber weitgehend unbekannte Lehrbücher vorzustellen, die nicht die bei der Untersuchung festgestellten Mängel aufweisen. Neben dem makroökonomischen Mainstream berücksichtigen sie auch andere Denkschulen und gehen auf gegenwärtige Herausforderungen wie beispielsweise soziale Ungleichheit und die Klimakrise ein.

Peukert, Helge (2019). Mikroökonomische Lehrbücher: Wissenschaft oder Ideologie? (2., korrigierte Aufl.). Marburg: Metropolis Verlag.

In dieser Untersuchung richtet Helge Peukert den Fokus auf mikroökonomische Lehrbücher. Am Beispiel der dominierenden Lehrbücher von Varian sowie Pindyck und Rubinfeld werden folgende Fragen untersucht: Weisen sie eine einseitig orthodoxe Mainstreamausrichtung auf und werden andere ökonomische Denkschulen außen vorgelassen? Werden zur Veranschaulichung Beispiele mit realweltlichem Bezug gewählt? Werden kritische Modellannahmen, z. B. zu Kostenkurvenverläufen, angemessen reflektiert und diskutiert? Werden unvorhergesehene Ereignisse wie die Finanzkrise thematisiert? Liegt den Lehrbüchern eine wissenschaftlich kaum als kontrovers zu klassifizierende Weltsicht, z. B. eine rein marktliberal-konservative Sicht, zugrunde? Abschließend werden auch hier alternative Lehrbücher vorgestellt.

van Treeck, Till/Urban, Janina (Hrsg.) (2018). Wirtschaft neu denken: Blinde Flecken der Lehrbuchökonomie (2. Aufl.). Berlin: irights.media. Online: http://www.fgw-nrw.de/fileadmin/user_upload/Blinde_Flecken_der_Lehrbuchoekonomie_klein.pdf [27.02.2020].

„Es ist mir egal, wer die Gesetze einer Nation schreibt – solange ich ihre Volkswirtschafts-Lehrbücher schreiben kann“: Der Ausspruch des bekannten Ökonomie-Nobelpreisträgers und Lehrbuchautors Paul A. Samuelson gilt als symptomatisch für den Einfluss von Ökonominnen und Ökonomen in modernen Gesellschaften und für den Allgemeingültigkeitsanspruch ihrer Theorien. „Wirtschaft neu denken“ vereint 20 Rezensionen zu den in Deutschland am weitesten verbreiteten VWL-Lehrbüchern. Es wird deutlich: Wissenschaftliche und gesellschaftliche Kontroversen finden in vielen Standardlehrwerken keine Erwähnung, stattdessen werden dominante Denkmuster der neoklassischen Theorie bzw. des Neoliberalismus reproduziert. Dabei erfordern gerade die aktuellen (wirtschaftlichen) Herausforderungen – von der Wirtschafts- und Finanzkrise 2007/8 und der Eurokrise seit 2010 über die steigende Ungleichheit von Einkommen und Vermögen bis zur Klimakrise – neues ökonomisches Denken sowie theoretischen wie auch methodischen Pluralismus. Van Treeck und Urban sowie die in ihrem Band versammelten Beiträge legen nicht nur blinde Flecken der Lehrbuchökonomie offen, sondern geben auch Hinweise auf alte und neue Ansätze jenseits der aktuellen Standardökonomik.

2 Sammelbände und Beiträge zur pluralen oder sozioökonomischen Bildung

Engartner, Tim/Fridrich, Christian/Graupe, Silja/Hedtke, Reinhold/Tafner, Georg (Hrsg.) (2018). Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft. Entwicklungslinien und Perspektiven (Reihe Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft). Wiesbaden: Springer VS.

Engartner et al. greifen in ihrem Band die Debatte um die theoretische, method(olog)ische, paradigmatische und curriculare Einseitigkeit der VWL sowie der traditionellen ökonomischen Bildung auf, um Entwicklungslinien und Perspektiven sozioökonomischer Bildung und Wissenschaft zu erläutern. Die sozioökonomische Wissenschaft und Bildung unternimmt den Versuch eines Brückenschlags zwischen ihren zentralen sozialwissenschaftlichen Bezugsdisziplinen Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Politikwissenschaft und Geographie, Geschichtswissenschaft, Philosophie sowie Erziehungswissenschaft und ist dabei auf Pluralität, Interdisziplinarität, Multiparadigmatizität und (kritische) Reflexion angelegt. Der vorliegende Band liefert somit Impulse für die wissenschaftliche Diskussion über die Erneuerung der Ökonomik, der Ökonomie und der ökonomischen Bildung.

Fischer, Andreas/Zurstrassen, Bettina (Hrsg.) (2014). Sozioökonomische Bildung. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.

Dieses Buch widmet sich zwei zentralen Fragen: Was ist Sozioökonomie und wozu sozioökonomische Bildung? Die Auseinandersetzung dient der kritischen Reflexion einer vorherrschend neoklassisch geprägten ökonomischen Bildung. Die Herausgebenden fordern einen Paradigmenwechsel in der ökonomischen Bildung, der sich in der Integration sozialwissenschaftlicher Disziplinen realisiert. Im Mittelpunkt steht somit die Wechselbeziehung von Wirtschaft und Gesellschaft, in der wirtschaftliches Handeln nicht als reine Eigennutzmaximierung interpretiert wird. Der Band bietet einen Einstieg in den sozioökonomischen Diskurs und fokussiert dabei das Themenfeld der Didaktik sozioökonomischer Allgemeinbildung.

Fridrich, Christian/Hedtke, Reinhold/Tafner, Georg (Hrsg.) (2019). Historizität und Sozialität in der sozioökonomischen Bildung (Reihe Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft). Wiesbaden: Springer VS.

Der Themenband stellt die Bedeutung des Sozialen und des Historischen für sozioökonomische Bildung in Schulen und Hochschulen in den Fokus. In den Beiträgen werden fachwissenschaftliche Begründungslinien und fachdidaktische Konzepte für die systematische Integration von historischen und gesellschaftlichen Perspektiven in Bildungsgänge der sozialwissenschaftlichen Domäne entwickelt. Somit werden aktuelle fachwissenschaftliche Debatten über die Bedeutung von Geschichte und Gesellschaft für ein angemessenes Verständnis von Wirtschaft aufgegriffen und Historizität und Sozialität als zentrale Konzepte für die sozioökonomische Bildung bestimmt. Denn ökonomische Institutionen, Strukturen und Prozesse sind ebenso historisch bedingt und gesellschaftlich eingebettet wie die Begriffe, Theorien und Verfahren, mit denen sie in Wissenschaft, Bildung und Öffentlichkeit erschlossen und verhandelt werden, und die Politiken, mit denen sie gestaltet werden.

Hedtke, Reinhold (2018). Das sozioökonomische Curriculum. Frankfurt/M.: Wochenschau Verlag (Reihe Sozioökonomische Bildung Bd. 1).

Dieses Buch präsentiert ein detailliert ausgearbeitetes sozioökonomisches Curriculum für die Sekundarstufe I, das erstmals den aktuellen Stand der Wirtschaftsforschung und die wirtschaftlichen Erfahrungen der Lernenden systematisch berücksichtigt. Auf dieser Basis wird gezeigt, was sozioökonomische Bildung inhaltlich konkret bedeutet und wie sie im Unterricht umgesetzt werden kann. Die angebotenen Vorschläge werden empirisch, theoretisch und praktisch begründet, wodurch die Ausführungen Lehrkräften helfen, junge Menschen basierend auf ihren Erfahrungen bei der Orientierung in den ‚Welten‘ der Wirtschaft und bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit kompetent zu begleiten. Dabei liegt der Schwerpunkt der pluralen und multiperspektivischen didaktischen Vermittlung auf sozialwissenschaftlichem Wissen über Wirtschaft. Den Leserinnen und Lesern bietet das Werk ein fachwissenschaftliches und fachdidaktisches Fundament für eine zeitgemäße und praktisch realisierbare sozioökonomische Bildung.

Hedtke, Reinhold (Hrsg.) (2018). Pluralist Thinking in Economic and Socioeconomic Education. Journal of Social Science Education (JSSE) 17 (3). Online: https://www.jsse.org/index.php/jsse/article/view/879/1013 [19.11.2019].

In dieser Ausgabe des JSSE werden verschiedene Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Bildung zusammengefasst, die sich dem Thema pluralistischer ökonomischer Hochschullehre und schulischer ökonomischer Bildung widmen. Es werden höchst unterschiedliche Analysen und Studien vereint, die sich beispielsweise folgenden Fragen widmen: Inwiefern fördern standardökonomische Lehrbücher das unkritische Denken in Metaphern am Beispiel verschiedener Konzepte des Marktes? Wie gehen Lehrende in Ausbildung mit problematischen Annahmen des dominanten Narrativs ökonomischer Bildung um und gelingt ihnen eine aus pluralistischer Perspektive angemessene Kritik? Wie beeinflusst eine bestimmte Rolle als business person die Art und Weise ökonomischer Haltungen und Entscheidungen in einer Nachhaltigkeitsdebatte, wie das Konzept des homo oeconomicus ebenjene? Ergänzt werden diese Analysen durch Studien zur politischen Partizipation, citizenship preparation und zu dem Einfluss von Lehrerpersönlichkeiten auf den Lernerfolg von Lernenden im Feld der sozioökonomischen Bildung.

Decker, Samuel/Elsner, Wolfram/Flechtner, Svenja (Hrsg.) (2018). Advancing Pluralism in Teaching Economics: International Perspectives on a Textbook Science (Series Routledge Advances in Heterodox Economics). New York: Routledge.

Die komplexen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfordern eine pluralistische, an den realen Problemen dieser Welt orientierte und nicht zuletzt innovative Ausrichtung der universitären Disziplinen der Ökonomie. Die universitäre Lehre sollte dabei Studierenden die Möglichkeit eröffnen, einen Bezug zu diesen Herausforderungen herzustellen. Decker et al. bieten mit ihrem Band eine aktuelle Zusammenstellung multiperspektivischer, innovativer und internationaler Beiträge, die sowohl grundlegende Überlegungen zu Begründungszusammenhängen anstellen als auch internationale Perspektiven zur Entwicklung von Pluralismus an Hochschulen beinhalten. Der Band fördert die konstruktive Kontroverse mit dem Ziel, die Leserinnen und Leser zu ermutigen, sich einer fruchtbaren Debatte zu stellen.

Einige zentrale Fragestellungen lauten: Warum ist es für die Sozialwissenschaften wichtig, sich mit pluraler Lehre zu befassen? Vor welchen Herausforderungen steht die plurale Hochschullehre in verschiedenen nationalen Kontexten? Welche tradierten Praktiken schränken eine plurale Lehre ein? Weshalb ist die Ökonomik so stark kanonisiert und wie kann diese Tradition sinnstiftend innoviert werden? Was kann die Hochschullehre von der schulischen ökonomischen Bildung und anderen Disziplinen der Sozialwissenschaften lernen? Indem die Autorinnen und Autoren des Bandes diese Fragen untersuchen, ist ein multiperspektivisches, aber dennoch inhaltlich kohärentes Buch entstanden, das sich mit der gegenwärtigen ökonomischen Lehre befasst und dabei neue Ideen und Beispiele internationalen Ursprungs für Lehrende und Forschende zugleich aufzeigt.

Decker, Samuel/Elsner, Wolfram/Flechtner, Svenja (Hrsg.) (2019). Principles and Pluralist Approaches in Teaching Economics. Towards a Transformative Science. New York: Routledge.

Der zweite Band der Reihe „Teaching Economics“ (Band I Decker et al. 2018) richtet den Fokus von unter anderem wissenschaftstheoretischen Betrachtungen, die eine pluralökonomische universitäre Lehre begründen, auf konkrete Prinzipien und Ansätze der Lehrpraxis. Die Autorinnen und Autoren des Sammelbands diskutieren, welche Herausforderungen die Integration mehrerer Paradigmen in die Lehre birgt, und erörtern Möglichkeiten, Studierenden pluralistische Ansätze zu eröffnen. Der Diskursstrang der transformativen Wissenschaft wird als Anschlussmöglichkeit für die Forderungen nach einer pluralen Ökonomik herangezogen, um nach dem Verhältnis von wissenschaftlichen Inhalten und Praxen mit den vorherrschenden gesellschaftlichen und ökonomischen Tendenzen zu fragen.

3 Beiträge zum Status quo der Hochschullehre in Deutschland

Döbler, Joachim (2019). Prüfungsregime und Prüfungskulturen: Soziologische Beobachtungen zur internen Organisation von Hochschule. Wiesbaden: Springer VS.

Prüfungen bilden einen festen Bestandteil des Hochschulalltags und können als bedeutsame, strukturgebende Ereignisse gewertet werden. Durch den Bologna-Prozess wurden die strukturellen Anforderungen und Bedingungen an das universitäre Prüfen erheblich verändert. Vor diesem Hintergrund geht Joachim Döbler der Frage nach, wie sich die ‚bolognagerechte‘ Transformation von Hochschule auf die interne Organisation des Prüfungswesens auswirkt. Im empirischen Zugriff auf Dokumente aus dem Tätigkeitsbereich eines Prüfungsausschusses erweist sich prüfungsrelevantes Handeln – von präsidialen Steuerungsimpulsen über studentische Prüfungsvorbereitungen bis zur Notengebung – als zentraler Teil eines sozialen Systems, das widersprüchlichen Funktionserwartungen und Imperativen der Formalisierung unterworfen, zugleich aber offen für fakultätskulturelle Auslegungen ist.

Draheim, Susanne (2012). Das lernende Selbst in der Hochschulreform: „Ich“ ist eine Schnittstelle. Subjektdiskurse des Bologna-Prozesses (Reihe Science Studies). Bielefeld: transcript.

Wie werden in der gegenwärtigen Studienreform des Bologna-Prozesses die Studierenden als ‚Lernsubjekte‘ angesprochen? Welche gesellschaftlichen und reformpolitischen Problematisierungen, Legitimierungen und Orientierungen gehen in diese diskursiven Ansprachen ein? Zur Beantwortung dieser Fragen entfaltet Susanne Draheim in drei begriffsgeschichtlichen Diskursanalysen eine ‚humanistische‘, eine ‚unternehmerische‘ und eine ‚sozio-technisch vernetzte‘ Subjektfigur. Im Kontext aktueller Konzeptionen vom Selbstverhältnis Studierender wird zudem nach den möglichen institutionellen Funktionen dieser Figuren gefragt.

Merkt, Marianne (2014). Hochschuldidaktik und Hochschulforschung. Eine Annäherung über Schnittmengen. In: Pasternack, Peer (Hrsg.), Hochschulforschung von innen und seitwärts: Sichtachsen durch ein Forschungsfeld (S. 92105). Institut für Hochschulforschung (HoF): Halle-Wittenberg. Online: https://www.hof.uni-halle.de/journal/texte/14_1/2014_1.pdf [28.02.2020].

In ihrem Beitrag setzt sich Marianne Merkt mit der Frage auseinander, an welcher Stelle produktive Überschneidungsbereiche und Anknüpfungspunkte zwischen hochschuldidaktischer Forschung und Hochschulforschung bestehen. Auf Basis einer kurzen Charakterisierung des Selbstverständnisses der Hochschuldidaktik steht ein Überblick über die Geschichte der „Neueren Hochschuldidaktik“ sowie die hochschuldidaktische Forschung im Mittelpunkt des Beitrags. Die Autorin identifiziert und beschreibt in diesem Zusammenhang fünf Phasen des geschichtlichen Veränderungsprozesses der deutschen Hochschullandschaft in Bezug auf die Hochschuldidaktik. Diese erstrecken sich von der Zeit der Hochschulexpansion in den 1970er Jahren, die im Kontext der Demokratisierung und Modernisierung von Hochschulen standen, bis hin zur drittmittelgeprägten Hochschuldidaktik in Studium und Lehre im 21. Jahrhundert. Vor diesem Hintergrund des historischen Rückblicks der hochschuldidaktischen Forschung und ihren Schnittmengen zur Hochschulforschung konstatiert Merkt, dass im Feld der empirischen Forschung zu hochschulischen Prüfungssystemen und ihren Auswirkungen auf akademische Lern- und Bildungsprozesse eine Forschungslücke klafft, die es zu schließen gilt.

4 Sammelbände zu einer kritisch-reflexiven Hochschullehre

Fridrich, Christian/Hedtke, Reinhold/Ötsch, Walter Otto (2020). Grenzen überschreiten, Pluralismus wagenPerspektiven sozioökonomischer Hochschullehre (Reihe Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft). Wiesbaden: Springer VS.

Dieser Band diskutiert das Verhältnis zwischen Pluraler Ökonomik und Sozioökonomik und stellt dabei insbesondere die Hochschullehre in den Vordergrund. Er lotet aus, worin Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen, reflektiert den (Un-)Sinn disziplinärer Grenzen und fachspezifischer Denkweisen und widmet sich Konzeptionen pluraler und sozioökonomischer Lehre in theoretischen und praktischen Zugriffen im hochschulischen und schulischen Kontext. Es werden aktuelle Versuche der Kultivierung einer vielfältigen Auseinandersetzung mit Wirtschaft in Form neuer Studiengänge oder Lehrmittel und deren normative, wissenschaftstheoretische, fachwissenschaftliche und hochschuldidaktische Grundlagen diskutiert.

Jenert, Tobias/Reinmann, Gabi/Schmohl, Tobias (Hrsg.) (2019). Hochschulbildungsforschung: Theoretische, methodologische und methodische Denkanstöße für die Hochschuldidaktik. Wiesbaden: Springer VS.

So über die inhaltliche Ausrichtung ökonomischer Hochschulbildung diskutiert wird, bilden die didaktischen Anforderungen, die mit akademischem Lehren und Lernen sowie mit dem Anspruch an eine Bildung durch Wissenschaft verbunden sind, einen inhärenten Bestandteil dieser Debatte. Gleichwohl stehen Forschende, die sich mit der Hochschullehre aus einer genuin didaktischen Perspektive befassen, vor der Problematik, dass nur ein mäßiges Interesse seitens der Bildungswissenschaften und bildungswissenschaftlichen Fachgemeinschaften an der hochschuldidaktischen Forschung besteht. Ausgehend von dieser Diskrepanz gibt der Sammelband durch konzeptionelle Beiträge und konkrete Beispiele theoretische, methodologische und methodische Denkanstöße für die Hochschuldidaktik. Die Beiträge setzen sich dementsprechend zum einen mit empirischen Untersuchungen auseinander, die beispielsweise didaktische und methodische Arrangements oder strukturelle und inhaltliche Rahmenbedingungen beleuchten. Zum anderen wird der Forschungsgegenstand der Hochschuldidaktik betrachtet und zur Reflexion von Paradigmen und Methodologie sowie zur Weiterentwicklung konkreter Methoden im Bereich der quantitativen, qualitativen und gestaltungsorientierten Forschung verortet.

Centeno García, Anja/Kenneweg, Anne Cornelia (Hrsg.) (2019). Themenheft Kritisch. Denken. Lernen. Herausforderungen und Ansätze für die fachbezogene Hochschuldidaktik in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. die hochschullehre 5, Online: http://www.hochschullehre.org/wp-content/files/die_hochschullehre_2019_Centeno_Garcia_Kenneweg_Themenheft_Kritisch_Denken_Lernen.pdf [13.01.2020].

Das Themenheft ist 2018 im Anschluss an den Fachtag „Kritisch. Denken. Lernen.“ des Vereins zur Förderung fachbezogener Hochschuldidaktik für Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften entstanden. Neben individuellen Lernprozessen und wissenschaftlichen Denk- und Handlungsmustern werden ebenso (implizite) Annahmen über Bildungsziele oder praktische Fragen der Lehrgestaltung in den Blick genommen. Indem die gesammelten Beiträge inhaltliche Überschneidungen aufweisen und sich durch eine vielfältige Zugangsweise auszeichnen, wird das abgebildet, was sich nach Einschätzung der Autorinnen im gesamten Diskurs zum kritischen Denken beobachten lässt: „Es gibt keine Einigkeit über Definitionen und Herangehensweisen“ (ebd., S. 894). Gemein ist den Beiträgen hingegen, dass die Suche nach einem „Kompass für die Gestaltung von Denkschulen“ (ebd.) im Fokus steht. Die Richtungssuche der versammelten Beiträge weist allerdings insofern Überschneidungen auf, als dass sich diese in einem kategorialen Dreischritt verorten lassen: hochschuldidaktische Überlegungen zum kritischen Denken, (Selbst-)Reflexions- und Professionalisierungsprozesse, bei denen die Lehrenden im Mittelpunkt stehen, sowie lehrpraktische Beispiele zur didaktischen und fachbezogenen Umsetzung der Förderung kritischen Denkens.

Jahn, Dirk/Kenner, Alessandra/Kergel, David/Heidkamp-Kergel, Birte (Hrsg.) (2019). Kritische Hochschullehre. Impulse für eine innovative Lehr- und Lernkultur. Wiesbaden: Springer VS.

Welche Möglichkeiten und Bedingungen muss eine kritische Hochschullehre erfüllen und wie kann eben jene gefördert werden? Dieser Frage gehen zahlreiche internationale Autorinnen und Autoren in diesem Band nach und besprechen theoretische Ansätze und methodisch-didaktisch geleitete Strategien, um Lehre im Spannungsfeld zwischen Employability-Anforderungen und klassischen Bildungszielen, wie etwa wissenschaftlichem Urteilsvermögen, zu gestalten. Dabei rekurrieren sie auf ausgewählte Studien aus der Lehr-Lernforschung sowie Hochschuldidaktik und greifen aktuelle bildungspolitische Diskurse auf. Dazu gehören beispielsweise folgende Fragen: Wie sollte Lehre an Hochschulen gestaltet werden, um kritisches Denken, forschendes Lernen oder diversitätssensiblen Unterricht zu fördern? Wie kann im Rahmen des Studiums soziales Engagement curricular verankert werden und wie lassen sich demokratische Prozesse implementieren?