Zusammenfassung
Der Text richtet das Interesse auf Sozialisationsprozesse in Schulen. Dabei wird nicht das Passungsverhältnis von schulischer Sozialisation und gesellschaftlicher Struktur betont, sondern Schule als ein sozialer Ort in den Blick genommen, der nicht nur Leistungskarrieren, sondern zugleich auch abweichende Karrieren Jugendlicher hervorbringt. Dadurch wird akzentuiert, dass die Organisation Schule sozialisatorische Auswirkungen hat, die pädagogische Zielsetzungen konterkarieren und damit eine Verbindung zwischen soziologischer Erziehungs- und Bildungsforschung einerseits und der Soziologie abweichenden Verhaltens andererseits nahegelegt.
Erstveröffentlichung in: E. Rubington und M. S. Weinberg (Hg.), Deviance. The Interactionist Perspective. New York und London, MacMillan, 1968, S. 124–135; deutsche Übersetzung in: K. Hurrelmann (Hg.): Soziologie der Erziehung. Weinheim/Basel 1974.
Aaron V. Cicourel (geb. 1928) – bei den Kontaktdaten handelt es sich um eine Korrespondenzadresse der Herausgeber dieses Handbuchs.
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Notes
- 1.
E. C. Hughes, Institutional Office and the Person, American Journal of Sociology, 43, 1937, S. 404–413.
- 2.
E. Goffman, The Moral Career of the Mental Patient, Psychiatry, 22, 1959, S. 123.
- 3.
Vgl. A. V. Cicourel und J. I. Kitsuse, The Educational Decision-Makers, Indianapolis: Bobbs-Merril, 1963.
- 4.
A. Schütz, Collected Papers I: The Problem of Social Reality, Den Haag: Martinus Nijhoff, 1962, S. 3–47.
- 5.
Dem Leser wird auffallen, daß wir die soziale Typisierung als ,guter Schüler‘ oder ,netter Kerl‘ nicht berücksichtigt haben – Schüler, von denen das Schulpersonal annimmt, sie seien ,ohne Probleme‘. Der ‚normale‘ Jugendliche würde vermutlich unter solch eine Kategorie fallen. Unsere Nichtberücksichtigung dieses Schülertyps ergibt sich aus der hier verwandten Formulierung, die nahelegt, daß der sog. ‚normale‘ Jugendliche ein seltener Fall ist. Wir werden versuchen, diese These in der folgenden Diskussion der organisatorischen Differenzierung der Schülerpopulation genauer auszuführen. Wir leugnen allerdings die theoretische und empirische Bedeutung des ‚normalen‘ Jugendlichen nicht, denn jede Untersuchung über den Prozeß der organisatorischen Differenzierung müßte sich der Frage stellen, wer als ‚normal‘ bezeichnet wird und bis zu welchem Ausmaße diese Individuen Verhaltensunterschiede gegenüber denjenigen zeigen, die als in verschiedener Weise abweichend bezeichnet werden.
- 6.
In dem Maße, wie das Schulpersonal ‚Problemfälle‘ im Leistungsbereich durch die Diskrepanz zwischen einer als ‚objektiv‘ angesehenen Messung der Fähigkeiten des Schülers und seinem Leistungsstand, wie er durch die Zensuren angezeigt wird, identifiziert, wird der Prozeß der Zensurengebung ein großer Unsicherheitsfaktor in der Klassifizierung der Schüler als ‚Problemfälle‘ sein. […]
- 7.
Vgl. A. V. Cicourel und J. I. Kitsuse, Fußnote 4.
- 8.
Die Konzeption der ,retrospektiven Interpretationen‘ ist aus Karl Mannheims Diskussion der ‚dokumentarischen Methode‘ übernommen worden. Vgl. „On the Interpretation of Weltanschauung“, in: Essays on the Sociology of Knowledge, übersetzt und herausgegeben von P. Kesckemeti, New York: Oxford University Press 1952, S. 53–63. Vgl. auch Garfinkels Diskussion der dokumentarischen Methode in: Studies on Ethnomethodology, Fußnote 3.
- 9.
Bei solchen Gelegenheiten können solche Faktoren wie der sozioökonomische Status des Schülers, seine ethnische Zugehörigkeit, sein Ruf als ein ‚Unruhestifter‘ usw. in die entscheidungsbeeinflussende Definition seiner Leistungslaufbahnen eingehen.
- 10.
Die Bedeutung von Ehrerbietung, Benehmen und Erscheinungsweise für die Behandlung jugendlicher Rechtsbrecher wird diskutiert bei Irving Piliavin und Scort Briar, Police Encounters with Juveniles, American Journal of Sociology, 70,1964, S. 206–214.
- 11.
Der gegenwärtige Trend zu psychologischen Interpretationen der jugendlichen ‚Probleme‘, der auch in der organisatorischen Bereitstellung klinischer Dienste seinen Niederschlag findet, hat bei Teilen des Schulpersonals die Auffassung entstehen lassen, daß Leistungs-, Führungs- und andere Probleme alle auf ,emotionale Schwierigkeiten‘ zurückzuführen seien. So kann z. B. ein ‚Faulenzer‘ vom Psychologen als ein Schüler interpretiert werden, der auf ,Konflikte zwischen den Eltern‘ reagiert und ein ,Rowdy‘ als einer, der gegen die Autorität der Schule rebelliert usw. Aus organisationssoziologischer Sicht ist es wichtig zu untersuchen, ob und wie die Differenzierung der verschiedenen Problembereiche innerhalb desselben Systems aufrecht erhalten wird. Vgl. hierzu A. V. Cicourel und J. I. Kitsuse, The Educational Decision-Makers, 1963, Kapitel 4.
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Cicourel, A.V. (2022). Die soziale Organisation der Schule und abweichende jugendliche Karrieren. In: Bauer, U., Bittlingmayer, U.H., Scherr, A. (eds) Handbuch Bildungs- und Erziehungssoziologie. Bildung und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30903-9_8
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
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