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Schule als kollektiver Akteur? – Diskursive Bearbeitungen der Adressierung als Organisation im Rahmen von Schulinspektion

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Schule als Fall

Part of the book series: Rekonstruktive Bildungsforschung ((REKONBILD,volume 25))

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Zusammenfassung

Die Adressierung von Schule als Organisation wird nicht selten mit der oft als,neu‘ apostrophierten Steuerung in Verbindung gebracht. Neu ist diese Adressierung an sich jedoch keineswegs. Einem sich seit den 1990er-Jahren vollziehenden, grundlegenden Wechsel der Steuerungs- und Reformstrategien folgend, gilt die Einzelschule seit mehr als zwei Jahrzehnten als eine pädagogische Gestaltungsebene und als eine zentrale Adresse für Reformerwartungen: Schulen werden als ‚Lernende Organisation‘ aufgerufen und als solche beauftragt, eine systematische Qualitätsentwicklung zu betreiben.

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Notes

  1. 1.

    Interaktionssysteme, hier gefasst als Kommunikation unter Anwesenden, zeichnen sich per se durch eine (doppelte) Kontingenz und damit durch eigene Dynamiken aus. Für den Unterricht als interaktives Sozialsystem werden die Unsicherheiten z. B. dadurch verschärft, dass hier auf personale Systeme verändernd eingewirkt werden soll. Zudem findet der Unterricht in Gruppen statt, sodass man es hier mit einer ‚doppelten Systemreferenz‘ zu tun hat: Die Unterrichtstechnologie – so Luhmann und Schorr (1988, S. 122) – beziehe „sich immer, mag das nun eingeplant sein oder nicht, auf personale Systeme und auf ein soziales System zugleich“.

  2. 2.

    Entscheidungsprämissen sind solche Entscheidungen, die weitere Entscheidungen zwar nicht in einem engeren Sinne determinieren, wohl aber orientieren (Luhmann 2011, S. 222 ff.). Ein klassisches Beispiel wären Verfahrensregeln, die festlegen, wie (durch wen, auf welche Weise) etwas überhaupt entschieden werden kann.

  3. 3.

    Wir folgen hier u. a. Thiel (2019, S. 4‒5), die dafür plädiert, das der klassischen Professionstheorie entlehnte Konzept von „Profession als Steuerungsmodus beruflicher Selbstverwaltung“ gerade im Diskurs um „Neue Steuerung“ als „Beobachtungskategorie“ beizubehalten und von „Professionalität als spezifischer Form der Berufsausübung“ abzugrenzen. Professionen in diesem Sinne lassen sich dann durch verschiedene Merkmale kennzeichnen, etwa zertifiziertes Sonderwissen, berufliche Selbstkontrolle, kodifizierte professionelle Standards usw. (Thiel 2019, S. 4‒5).

  4. 4.

    Das Projekt unter Leitung von Kathrin Dedering (Universität Erfurt) und Beate Wischer (damals noch Universität Osnabrück) wurde durch pro*niedersachsen gefördert.

  5. 5.

    Die Bewertung von 15 Qualitätskriterien erfolgte entlang einer vierstufigen Skala: „1 –schwach“, „2 – eher schwach als stark“, „3 – eher stark als schwach“ und „4 – stark“; die erforderlichen Mindeststandards waren bei der Bewertung 3 erfüllt. Sofern eine Schule in der Hälfte oder mehr der Qualitätskriterien und/oder in drei der vier unterrichtsbezogenen Qualitätskriterien diesen erforderlichen Mindeststandard nicht erreichte, wurde eine Nachinspektion angesetzt.

  6. 6.

    Im Rahmen des Projektes wurden an acht niedersächsischen Schulen (Grund-, Haupt-, Realschulen und Gymnasien) Gruppendiskussionen mit Lehrkräften gemeinsam mit ihren Schulleitungen geführt. Allen befragten Schulen wurden von der niedersächsischen Schulinspektion gravierende Mängel ‒ dabei allerdings in durchaus unterschiedlichen Bereichen (nur im Unterricht, nur im Schulmanagement oder in beiden Bereichen) ‒ attestiert. Zudem hatten alle Schulen die in der Folge dieses Urteils angesetzte Nachinspektion zum Befragungszeit erfolgreich hinter sich gebracht.

  7. 7.

    Als Strukturen werden hier mit Luhmann (1984, S. 398) Erwartungen verstanden, an die sich Verhalten zu orientieren hat. Wenngleich systemtheoretisch auch die informale Struktur einer Organisation (die nicht entschiedenen Entscheidungsprämissen) einen hohen Stellenwert besitzt, geht es hier zunächst um die Möglichkeiten der formal entschiedenen Mitgliedschaftsbedingungen.

  8. 8.

    Durchaus Sinn ergibt diese Zuständigkeit, wie z. B. Kuper (2008, S. 157) argumentiert, weil am Ende die einzelnen Lehrer*innen „in der operativen Tätigkeit […] mit der Komplexität der Interaktion im Unterricht, den Erfordernissen der AD-hoc-Entscheidung in der Unterrichtssituation und der Ungewissheit der Folgen seines Handelns konfrontiert [werden]“. Sofern Unterricht noch nicht durchgehend per Video überwacht wird, könnte man von anderer Seite aus aber auch schlicht danach fragen, wie die Einhaltung formaler Vorgaben (die für den Erfolg des Unterrichts ohnehin eher zweifelhaft sind) überhaupt geprüft werden sollte.

  9. 9.

    Und diese Umstellung ist durchaus bemerkenswert, galt das Verhältnis der (Schul-)Pädagogik zur Organisationsthematik doch lange Zeit als problematisch. So hatte etwa Terhart (1986) noch Mitte der 1980er-Jahre der Pädagogik als vornehmliche Form des Umgangs mit der Organisationsfrage eine „Konstruktion von schroffen Abgrenzungen zwischen Erziehung einerseits und Organisation andererseits“ (Terhart 1986, S. 210) attestiert.

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Katenbrink, N., Wischer, B. (2021). Schule als kollektiver Akteur? – Diskursive Bearbeitungen der Adressierung als Organisation im Rahmen von Schulinspektion. In: Bender, S., Dietrich, F., Silkenbeumer, M. (eds) Schule als Fall. Rekonstruktive Bildungsforschung, vol 25. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27459-7_6

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